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Pressemitteilung
C-72/11;
Verkündet am: 
 21.12.2011
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Der Gerichtshof präzisiert die Regelungen der Union zur Bekämpfung der Verbreitung von Kernwaffen im Iran
Leitsatz des Gerichts:
Verordnung (EG) Nr. 423/2007 – Art. 7 Abs. 3 und 4

Der Gerichtshof präzisiert die Regelungen der Union zur Bekämpfung der Verbreitung von Kernwaffen im Iran

Die Lieferung eines funktionstüchtigen, jedoch noch nicht verwendungsbereiten Sinterofens in den Iran und die Aufstellung dort zugunsten eines Dritten, der beabsichtigt, ihn zur Herstellung von Bestandteilen von Nuklearraketen für eine Einrichtung zu nutzen, die restriktiven Maßnahmen unterliegt, sind verboten
Im Dezember 2006 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution1, mit der eine Reihe von restriktiven Maßnahmen gegen den Iran eingeführt wurde, um ihn dazu zu zwingen, seine mit der Gefahr der Verbreitung von Kernwaffen einhergehenden nuklearen Tätigkeiten und die Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen (Raketen) einzustellen.

Zur Durchführung dieser Resolution erließ der Rat der Europäischen Union im Jahr 2007 eine Verordnung2, die es insbesondere untersagt, Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in einer Liste im Anhang der Verordnung verzeichnet sind, unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. In dieser Liste ist u. a. die Shahid Hemmat Industrial Group (SHIG) eingetragen. Zudem wird in der Verordnung verboten, wissentlich und vorsätzlich an Aktivitäten teilzunehmen, mit denen unmittelbar oder mittelbar eine Umgehung u. a. dieses Verbots bezweckt oder bewirkt wird. Im Übrigen werden mit kontrollierter Atmosphäre betriebene Wärmebehandlungsöfen, die für Betriebstemperaturen von über 400 °C geeignet sind, in der Verordnung als proliferationsrelevant eingestuft, weshalb ihre unmittelbare oder mittelbare Ausfuhr in den Iran einer vorherigen Genehmigung unterworfen wird.

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (Deutschland) erhob beim Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen Herrn Afrasiabi, Herrn Sahabi und Herrn Kessel, die er verdächtigt, gegen diese Verordnung verstoßen zu haben, indem sie sich an der Lieferung eines Keramiksinterofens aus Deutschland in den Iran und seiner Aufstellung dort beteiligt haben.

Der Bau von weit reichenden Raketen, die als Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen verwendet werden könnten, erfordere den Einsatz von Sinteröfen zum Zwecke der Aufbringung hitzebeständiger Beschichtungen auf bestimmte Bestandteile. Um für Rechnung seines iranischen Unternehmens Emen Survey – aber, nach dem Vorbringen des Generalbundesanwalts, zugunsten der SHIG, die als zentrale Beschaffungsstelle für das iranische Raketenprogramm tätig werde – einen solchen Ofen zu erwerben, habe Herr Afrasiabi über Herrn Sahabi Kontakt mit Herrn Kessel aufgenommen, dem Geschäftsführer des deutschen Produktionsunternehmens FCT-Systeme GmbH. Dieses Unternehmen habe den Ofen im Juli 2007 an Emen Survey geliefert. Außerdem habe Herr Kessel zwei Techniker nach Teheran entsandt, die den Ofen aufgestellt hätten, ohne allerdings die für seine Inbetriebnahme erforderliche Software zu installieren. Herr Afrasiabi habe die Absicht verfolgt, mit Hilfe des Ofens zu einem späteren Zeitpunkt für die SHIG Bestandteile von Nuklearraketen herzustellen, was letztlich daran gescheitert sei, dass der Ofen von Herrn Kessel nicht verwendungsbereit gemacht worden sei. Das Oberlandesgericht Düsseldorf, das über die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptverfahrens zu entscheiden hat, hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung der Verordnung und wendet sich insoweit mit Fragen an den Gerichtshof.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof klar, dass ein Sinterofen eine wirtschaftliche Ressource im Sinne der Verordnung darstellt. Angesichts der Gefahr einer Zweckentfremdung zugunsten der Verbreitung von Kernwaffen im Iran ist es nicht erforderlich, dass der entsprechende Ofen sofort verwendungsbereit ist. Handlungen, die darin bestehen, von einem Mitgliedstaat aus zugunsten einer Person im Iran einen solchen Ofen zu liefern und aufzustellen, sowie Handlungen insbesondere zur Vorbereitung und Überwachung der Lieferung oder der Aufstellung des Ofens oder zur Vermittlung von Kontakten zwischen den Beteiligten können unter den Begriff „Zurverfügungstellen“ fallen. Angesichts dessen, dass die SHIG und nicht Herr Afrasiabi in der Liste im Anhang der Verordnung verzeichnet ist, führt der Gerichtshof aus, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf berechtigt ist, auf das Vorliegen einer mittelbaren Zurverfügungstellung des Ofens an die SHIG zu schließen, wenn Herr Afrasiabi, was von diesem Gericht zu prüfen ist, im Namen, unter der Kontrolle oder auf Weisung der SHIG handelte und beabsichtigte, den Ofen zugunsten der SHIG zu nutzen.

Im Übrigen erstreckt sich das in der Verordnung vorgesehene Verbot zwar auf alle Personen, die sich an verbotenen Handlungen beteiligen, doch findet es nur auf diejenigen Anwendung, denen bekannt war oder die zumindest triftigen Grund zu der Annahme hatten, dass die entsprechenden Handlungen gegen das Verbot verstoßen.

Im Ergebnis antwortet der Gerichtshof dahin gehend, dass das Verbot der mittelbaren Zurverfügungstellung einer wirtschaftlichen Ressource im Sinne der Verordnung Handlungen umfasst, die die Lieferung eines funktionstüchtigen, jedoch noch nicht verwendungsbereiten Sinterofens in den Iran und seine Aufstellung dort zugunsten eines Dritten betreffen, der im Namen, unter der Kontrolle oder auf Weisung einer in den Anhängen der Verordnung genannten Person, Organisation oder Einrichtung handelt und beabsichtigt, den Ofen zu nutzen, um zugunsten einer solchen Person, Organisation oder Einrichtung Produkte herzustellen, die zur Verbreitung von Kernwaffen in diesem Staat beitragen können.

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1 Resolution 1737 (2006) vom 23. Dezember 2006.
2 Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 103, S. 1), erlassen auf der Grundlage des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP vom 27. Februar 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 61, S. 49).

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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