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Pressemitteilung
C-124/10 P;
Verkündet am: 
 20.10.2011
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
GA Mazák vertritt Auffassung, dass EuGH das Urteil des EuGI aufheben sollte, mit dem Entscheidung der Kommission, dass EDF (100% Staatl., Frankreich) rechtswidrige staatliche Beihilfen von 1,217 Milliarden Euro erhalten habe, für nichtig erklärt wurde
Leitsatz des Gerichts:
Generalanwalt Mazák vertritt die Auffassung, dass der Gerichtshof das Urteil des Gerichts aufheben sollte, mit dem die Entscheidung der Kommission, dass EDF rechtswidrige staatliche Beihilfen in Höhe von 1,217 Milliarden Euro erhalten habe, für nichtig erklärt wurde

Seiner Ansicht nach hat das Gericht zu Unrecht von der Kommission verlangt, zu prüfen, ob sich der französische Staat wie ein privater Kapitalgeber verhalten hat, als er die fraglichen Beihilfen in Form von Steuerbefreiungen in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gewährt hat
Électricité de France (EDF) erzeugt, befördert und verteilt Strom insbesondere im gesamten französischen Hoheitsgebiet.

Dieses öffentliche Unternehmen, das zu 100 % im Eigentum des französischen Staates stand, war damit betraut, auf eigene Kosten im Rahmen einer einheitlichen Konzession, „Allgemeines Versorgungsnetz“ (AVG) genannt, „alle Wartungs- und Erneuerungsarbeiten durchzuführen, die erforderlich sind, um die von der Konzession erfassten Anlagen in gutem Funktionszustand zu halten“.

Im Zusammenhang mit der Liberalisierung des Elektrizitätsbinnenmarkts1 änderte der französische Staat im Jahr 1997 seine Rechtsvorschriften, um den vermögensrechtlichen Status der EDF zu klären und ihre Bilanz umzustrukturieren.

Am 16. Dezember 2003 erließ die Kommission eine Entscheidung2, in der sie die Auffassung vertrat, dass der EDF ein Steuervorteil in veranschlagter Höhe von 888,89 Millionen Euro zugute gekommen sei, der der Körperschaftsteuer entspreche, die die EDF im Jahr 1997 nicht entrichtet habe, als die für die Erneuerung des AVG gebildeten, nicht in Anspruch genommenen Rückstellungen in Kapitalausstattungen umgestuft worden seien.

Da diese Beihilfe eine Stärkung der Wettbewerbsstellung der EDF gegenüber ihren Konkurrenten bewirkt habe, sei sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Einschließlich der in Anwendung der Entscheidung berechneten Zinsen belief sich der Gesamtbetrag der von der EDF zurückgeforderten Beihilfe auf 1,217 Milliarden Euro. Die EDF zahlte diesen Betrag an den französischen Staat zurück.

Im Dezember 2009 erklärte das Gericht die Entscheidung der Kommission auf Antrag von EDF mit der Begründung für nichtig3, dass die Kommission es unterlassen habe, unter Berücksichtigung des gesamten Umstrukturierungsvorgangs und des Umstands, dass der französische Staat damals einziger Anteilseigner von EDF gewesen sei, zu prüfen, ob der französische Staat lediglich wie ein „privater Kapitalgeber“ gehandelt habe.

Die Kommission legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Gerichtshof ein.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag schlägt Generalanwalt Mazák dem Gerichtshof vor, dem Rechtsmittel stattgeben und die Sache an das Gericht zurückverweisen.

Der Generalanwalt ist erstens der Auffassung, dass das Gericht den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt hat, insbesondere soweit es festgestellt hat, dass Frankreich eine Steuerforderung in Kapital umgewandelt habe. Seiner Ansicht nach hat Frankreich der EDF eine gezielte Befreiung von der Körperschaftsteuer gewährt. Es ist zwar unbestritten, dass zur selben Zeit auch eine Kapitalerhöhung der EDF stattfand, doch ist zu beachten, dass nur die – von der Kapitalerhöhung zu trennenden – steuerlichen Auswirkungen als staatliche Beihilfe eingestuft worden sind. Nach Meinung von Generalanwalt Mazák sind der Verzicht auf eine Steuerforderung und die Umwandlung dieser Forderung in eine Kapitalerhöhung als zwei eigenständige, aufeinanderfolgende Vorgänge anzusehen.

Außerdem wurde die Umwandlung der Besteuerungsgrundlage in Kapital, für die die EDF von der Steuer befreit wurde, nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht in ihren Büchern geführt. Daher durfte das Gericht die Tatsachenfeststellung, dass eine Kapitalerhöhung als Folge des Verzichts auf eine Steuerforderung stattgefunden habe, mangels objektiver Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Maßnahme nicht treffen. Diese Feststellung des Gerichts beruht auf einer Verfälschung der ihm vorliegenden Unterlagen.
Zweitens hat das Gericht nach Ansicht des Generalanwalts den unzutreffenden Schluss gezogen, dass die Kommission die Beihilfen anhand des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers hätte prüfen müssen.

In diesem Zusammenhang führt Generalanwalt Mazák aus, dass das Gericht bei seiner Prüfung, ob dieser Grundsatz anwendbar ist, zu Unrecht auf das vom französischen Staat verfolgte Ziel abgestellt hat. Dafür findet sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Grundlage.

Seiner Ansicht nach ist klar zu unterschieden zwischen dem Staat, der als Träger der öffentlichen Gewalt handelt, und dem Staat, der als privater Kapitalgeber handelt. Übt der Staat seine Besteuerungsbefugnisse aus, tut er dies als Träger öffentlicher Gewalt. Ein Privatunternehmen verfügt nicht über solche Befugnisse. Der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers kann daher in Steuersachen keine Anwendung finden, weil sich das Handeln des Staates nicht mit dem eines privaten Kapitalgebers vergleichen lässt. Der Generalanwalt fügt hinzu, dass der Staat immer noch als privater Kapitalgeber handeln kann, wenn er dies will: Er muss nur erst seine steuerlichen Befugnisse ausüben und danach die Kapitalerhöhung vornehmen.

Diese Unterscheidung zwischen hoheitlichen Befugnissen und privatem Kapitalgeber zu missachten, wie es das Gericht in seinem Urteil getan hat, kann zu Rechtsunsicherheit und mangelnder Transparenz führen. Der Generalanwalt weist darauf hin, dass der Gerichtshof u. a. im Urteil Altmark4 einen präskriptiven Ansatz verfolgt hat, um jede Möglichkeit einer Manipulation seitens der Mitgliedstaaten auszuschließen sowie Transparenz und Klarheit des mitgliedstaatlichen Tätigwerdens auf dem Markt zu erreichen. Seiner Meinung nach bedarf es einer sichtbaren Trennung zwischen der Rolle des Staates als Träger der öffentlichen Gewalt und seiner Rolle als Anteilsinhaber, um gleiche Bedingungen sicherzustellen. Der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers darf erst dann zur Anwendung kommen, wenn für die einzelnen Wirtschaftsteilnehmer gleiche Bedingungen gelten.

Schließlich hat das Gericht nach Ansicht des Generalanwalts auch unzutreffend festgestellt, dass der Kommission die Beweislast dafür obliegt, dass die Voraussetzungen des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers erfüllt sind. Er hält es für logisch, dass der Mitgliedstaat, der sich auf diesen Grundsatz berufen möchte, auch die Beweislast dafür trägt, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Generalanwalt Mazák gelangt daher zu dem Ergebnis, dass das Urteil des Gerichts aufzuheben ist. Da das Gericht nicht alle von der EDF angeführten Klagegründe geprüft hat, ist es angebracht, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, damit dieses Vorbringen geprüft werden kann. Über den Klagegrund der EDF, die streitigen Maßnahmen hätten als Kapitalerhöhung angesehen werden müssen, sollte der Gerichtshof jedoch selbst endgültig entscheiden, da die Sache insoweit zur Entscheidung reif ist. Nach Ansicht des Generalanwalts ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

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1 Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20).
2 Entscheidung C(2003) 4637 endg. der Kommission vom 16. Dezember 2003 über die staatlichen Beihilfen, die Frankreich im Jahr 1997 der EDF und dem Sektor der Strom- und Gaswirtschaft in Form von nicht entrichteter Körperschaftsteuer für einen Teil der Rückstellungen gewährte, die für die Erneuerung des allgemeinen Versorgungsnetzes (Réseau d'alimentation générale, RAG) gebildet wurden (staatliche Beihilfen Nrn. C 68/2002, N 504/2003 und C 25/2003 – Frankreich).
3 Rechtssache T-156/04, Électricité de France/Kommission (vgl. Pressemitteilung 111/09).
4 Rechtssache C-280/00, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg.

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HINWEIS: Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
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