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Pressemitteilung
C-520/09 P;
C-521/09 P;
Verkündet am: 
 29.09.2011
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
EuGH hebt Urteil des EuGI auf + erklärt Entscheidung der Kommission für nichtig, soweit darin Elf Aquitaine die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft Arkema an einem Kartell auf dem Markt für Monochloressigsäure zugerechnet wird
Leitsatz des Gerichts:
EWR-Abkommen - Art. 81 EG und 53

Der Gerichtshof hebt das Urteil des Gerichts auf und erklärt die Entscheidung der Kommission für nichtig, soweit darin Elf Aquitaine die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft Arkema an einem Kartell auf dem Markt für Monochloressigsäure zugerechnet wird

Der Gerichtshof weist jedoch das von Arkema eingelegte Rechtsmittel zurück
Mit Entscheidung vom 19. Januar 20051 verhängte die Kommission Geldbußen gegen mehrere Gesellschaften, u. a. die Elf Aquitaine SA und deren damalige Tochtergesellschaft Arkema SA (vormals Atofina SA), wegen eines Kartells auf dem Markt für Monochloressigsäure2.

Gemäß dieser Entscheidung hatten sich die an diesem Kartell Beteiligten von 1984 bis 1999 untereinander abgesprochen, um ihre Marktanteile durch ein System der Zuteilung von Quoten und Kunden aufrechtzuerhalten. Ferner hatten sie Informationen über Preise ausgetauscht und in regelmäßigen multilateralen Zusammenkünften die tatsächlichen Absatzmengen und Preisinformationen überprüft, um die Umsetzung der Vereinbarungen zu überwachen.

Elf Aquitaine und Arkema wurde gesamtschuldnerisch eine Geldbuße von 45 Mio. Euro auferlegt. Ferner nahm die Kommission nur bei Arkema eine Erhöhung wegen Wiederholungstäterschaft vor, weil sie an einem früheren Kartell3 beteiligt gewesen sei, zur Zeit dieser ersten Zuwiderhandlung jedoch noch nicht von Elf Aquitaine kontrolliert worden sei. Gegen Arkema wurde daher außerdem eine Geldbuße von 13,50 Mio. Euro verhängt.

Die Gesellschaften reichten beim Gericht zwei getrennte Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission und Herabsetzung der gegen sie festgesetzten Geldbußen ein.

Das Gericht hat mit zwei am 30. September 2009 ergangenen Urteilen4 das gesamte Vorbringen von Elf Aquitaine und Arkema zurückgewiesen. Es hat u. a. festgestellt, dass die Kommission, sofern alle oder fast alle Anteile einer Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft gehalten würden, vermuten dürfe, dass diese auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft entscheidenden Einfluss ausübe. Um diese Vermutung zu widerlegen, obliege es der Muttergesellschaft, ausreichende Beweise dafür zu erbringen, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftrete. Die Kommission sei zu Recht davon ausgegangen, dass Elf Aquitaine die gesamtschuldnerische Haftung für die von Arkema begangenen Zuwiderhandlungen zuzurechnen sei, da sie keine ausreichenden Beweise beigebracht habe.

Die Gesellschaften haben den Gerichtshof mit zwei getrennten Rechtsmitteln befasst, um die Aufhebung der Urteile des Gerichts oder die Herabsetzung ihrer jeweiligen Geldbußen zu erreichen.

In Bezug auf Elf Aquitaine weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung, die an mehrere Adressaten gerichtet ist und die Zurechenbarkeit einer Zuwiderhandlung betrifft, in Bezug auf jeden Adressaten ausreichend begründet sein muss. Sofern es um eine Muttergesellschaft geht, die für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft haftbar gemacht wird, muss eine solche Entscheidung daher grundsätzlich eine ausführliche Darlegung der Gründe enthalten, die die Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung dieser Gesellschaft rechtfertigen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Kommission insbesondere in einer Entscheidung, die im Hinblick auf bestimmte Adressaten ausschließlich auf die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Verhalten einer Tochtergesellschaft gestützt ist, in jedem Fall – soll diese Vermutung nicht faktisch unwiderleglich werden – angemessen die Gründe darlegen muss, aus denen die tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte nicht ausgereicht haben, um diese Vermutung zu widerlegen. Die Verpflichtung der Kommission, ihre Entscheidungen in dieser Frage zu begründen, ergibt sich vor allem aus der Widerlegbarkeit der Vermutung, zu deren Widerlegung die Betroffenen einen Beweis zu den wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zwischen den betroffenen Gesellschaften erbringen müssen.

Nach Auffassung des Gerichtshofs war das Gericht in Anbetracht der spezifischen Umstände des Falles5 verpflichtet, der Frage besondere Beachtung zu schenken, ob die Entscheidung der Kommission eine ausführliche Darlegung der Gründe enthielt, aus denen die von Elf Aquitaine vorgelegten Beweismittel nicht ausreichend waren, um die in dieser Entscheidung angewandte Haftungsvermutung zu widerlegen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Kommission vorliegend nicht ausreichend begründet auf verschiedene von Elf Aquitaine vorgetragene Argumente eingegangen ist, mit denen dargetan werden sollte, dass Arkema ihr Verhalten auf dem Markt selbständig bestimmt hat.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Begründung der Entscheidung der Kommission zu diesen Argumenten nur eine Reihe bloßer Behauptungen und Negierungen enthält, die sich wiederholen und nicht ausgeführt werden. Unter den besonderen Umständen des Falles und ohne zusätzliche Erläuterungen versetzt diese Reihe von Behauptungen und Negierungen Elf Aquitaine nicht in die Lage, die Gründe für die erlassene Maßnahme zu erfahren, und ermöglicht es dem zuständigen Gericht nicht, seine Kontrolle wahrzunehmen. Beispielsweise lässt sich der Formulierung eines zentralen Punktes der Entscheidung der Kommission kaum oder gar nicht entnehmen, ob das Indizienbündel, das Elf Aquitaine zur Widerlegung der von der Kommission auf sie angewandten Vermutung vorgetragen hat, zurückgewiesen wurde, weil es die Kommission nicht überzeugen konnte oder weil aus deren Sicht der bloße Umstand, dass Elf Aquitaine fast das gesamte Kapital von Arkema hielt, unabhängig von den Indizien, die Elf Aquitaine gegen die Beurteilung der Kommission angeführt hatte, ausreichte, um Elf Aquitaine für das Verhalten von Arkema haftbar zu machen.

Der Gerichtshof entscheidet demzufolge, das Urteil des Gerichts aufzuheben sowie die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären, soweit darin Elf Aquitaine die fragliche Zuwiderhandlung zugerechnet und gegen sie eine Geldbuße festgesetzt wird.

Was Arkema betrifft, weist der Gerichtshof ihr gesamtes Vorbringen zurück. Er befindet u. a., dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen, die sie gegen diese Gesellschaft verhängt hat, nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat.

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1 Entscheidung K(2004) 4876 endg. vom 19. Januar 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.773 – MCE).
2 Dieser Stoff wird als chemisches Zwischenprodukt u. a. zur Herstellung von Reinigungsmitteln, Klebstoffen, Textilersatzstoffen und Verdickern, die in Lebensmitteln, pharmazeutischen Produkten und Kosmetika enthalten sind, verwendet.
3 Entscheidung 94/599/EG der Kommission vom 27. Juli 1994 betreffend ein Verfahren nach Artikel [101 AEUV] (IV/31865 – PVC) (ABl. L 239, S. 14).
4 Urteil des Gerichts vom 30. September 2009, T-168/05, Arkema SA/Kommission, und Urteil vom 30. September 2009, T-174/05, Elf Aquitaine SA/Kommission (siehe PM Nr. 79/09).
5 Dazu gehört u. a., dass die Kommission, was sie nicht bestreitet in der streitigen Entscheidung einen anderen Ansatz verfolgt hat als in einer früheren Kartellentscheidung (Entscheidung K[2003]4570 vom 10. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen [Sache COMP/E-2/37.857 — Organische Peroxide] [Zusammenfassung veröffentlicht im ABl. 2005, L 110, S. 44]). In dieser früheren Entscheidung war sie, anders als in der streitigen Entscheidung, nicht davon ausgegangen, dass Elf Aquitaine und Arkema zu demselben „Unternehmen“ im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union gehörten.
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