Erfolglose Berufung gegen die Abweisung einer Klage auf Abfindung aus einem Sozialplan und Entschädigung nach § 15 AGG wegen Geschlechts- und Altersbenachteiligung
Erfolglose Berufung gegen die Abweisung einer Klage auf Abfindung aus einem Sozialplan und Entschädigung nach § 15 AGG wegen Geschlechts- und Altersbenachteiligung, weil die Klägerin statt der Abfindung nur eine Übergangszahlung bis zur vorgezogenen Altersrente erhalten hat, die bei Frauen ab 60 Jahren mit Abschlag 18%, bei Männern ersta mit 63 Jahren und Abschlag 7% möglich ist.
In dem Rechtsstreit
A.
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte Dr. B.
B-Straße, B-Stadt
gegen
C., Niederlassung A-Stadt,
C-Straße, A-Stadt
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte D.
D-Straße, D-Stadt
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Gericke und die ehrenamtlichen Richter Reuter und Mendle
für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.06.2010 – Az.: 34 Ca 10789/09 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten auch in der Berufung um die Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von € 107.660,31 brutto sowie um die Zahlung einer immateriellen Entschädigung in Höhe von € 10.220,01 netto gem. § 15 Abs. 2 AGG.
1. Die am 00.00.00 geborene Klägerin und Berufungsklägerin (künftig: Klägerin) ist bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (künftig: Beklagte) seit 01.07.1988 als Sachbearbeiterin in der Schadensbearbeitung - zuletzt in Teilzeit - beschäftigt gewesen. Die Klägerin hat zuletzt eine Vergütung von durchschnittlich € 3.406,67 brutto monatlich von der Beklagten erhalten.
2. Die Klägerin gehört zu den von den Umstrukturierungsmaßnahmen
„Geschäftsmodell 2007“ betroffenen ArbeitnehmerInnen und fällt damit unter den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des am 19.06.2007 zwischen unter anderem der Beklagten und dem
„Gemeinsamen Gesamtbetriebsrat D.“ geschlossenen Sozialplans GM 07 (Bl. 7/38 und 68/97 d. A.) zur Umstrukturierungsmaßnahme
„Geschäftsmodell 2007“.
3. Dieser Sozialplan enthält neben zahlreichen anderen folgende Regelungen:
„§ 6 Abfindungsregelungen bei Austritt
1. Abfindungsanspruch
Anspruch auf eine Abfindung nach den folgenden Bestimmungen haben Arbeitnehmer, die nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung bis zum Abschluss der Maßnahmen nach den einbezogenen Interessenausgleichen
………..
- eine betriebsbedingte Beendigungskündigung während der Laufzeit dieses Sozialplanes gemäß den einbezogenen Maßnahmen erhalten; oder
……….
3. Fälligkeit / Anrechnung anderweitiger Abfindungsleistungen
Sollte zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung ein Kündigungsschutzver
fahren des betroffenen Arbeitnehmers anhängig sein, tritt die Fälligkeit nicht ein, solange das Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
………...…
4. Höhe der Abfindung
Die Abfindung berechnet sich in Abhängigkeit von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsgehalt.
Die Abfindungsberechnung wird wie folgt vorgenommen:
Bruttomonatsgehalt x Lebensalter x Betriebszugehörigkeit 45
…………..
4. Mindestabfindung und Höchstabfindung / Betriebliche Ruhestandsregelung
……………
b) Möglichkeit der Inanspruchnahme der betrieblichen Ruhestandsregelung
Für Mitarbeiter, welche die Voraussetzungen der betrieblichen Ruhestandsregelung nach § 7 Ziffer 1 erfüllen, ist die Abfindung unbeschadet lit. a) zudem auf die fiktiven Leistungen nach der Ruhestandregelung begrenzt.
…………..…
§ 7 Sonstige Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, Teilzeit und Ringtausch
1. Betriebliche Ruhestandsregelung
Mitarbeitern, deren Betriebszugehörigkeit mindestens 15 Jahre beträgt und deren Arbeitsplatz infolge dieser Maßnahmen wegfällt oder die auf der Grundlage eines Ringtausches ihren Arbeitsplatz freimachen, wird anstelle der sonstigen Leistungen nach diesem Sozialplan eine betriebliche Ruhestandsregelung für eine maximale Laufzeit von 36 Monaten bis zum frühest möglichen – auch vorgezogenem – Bezug der gesetzlichen Altersrente angeboten. Bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 20 Jahren erhöht sich die maximale Laufzeit der Ruhestandsregelung auf 48 Monate. Es gilt die Begrenzung auf die Höchstabfindung nach § 6 Ziffer 8 lit. a) entsprechend. Das Nähere einschließlich einer Regelung zu der Minderung der Rentenabschläge regelt Anlage 4.
…………. ...“
5. Anlage 4 zum Sozialplan GM 07 (= B1 vgl. Bl. 111/114 d. A.) sieht eine betriebliche Ruhestandsregelung als Abfindung vor, die Überbrückungsleistungen zur Erreichung von 80 % des letzten Nettobezugs bis zum frühestmöglichen Beginn des gesetzlichen Rentenanspruchs gewährt.
6. Im Rahmen der Umstrukturierungsmaßnahmen
„Geschäftsmodell 2007“ hat die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 18.06.2008 eine Änderungskündigung zum 31.12.2008 ausgesprochen, in der sie der Klägerin D-Stadt als neuen Arbeitsort angeboten hat. Die Klägerin hat das Änderungsangebot der Beklagten nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen.
7. Die von der Klägerin gegen die Änderungskündigung der Beklagten vom 18.06.2008 erhobene Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht München mit rechtkräftigem Urteil vom 19.03.2009 (37 Ca 8794/08) abgewiesen.
8. Gemäß Zusatzvereinbarung zum Sozialplan GM 07 vom 19.06.2007 (vgl. B1 = Bl. 31/38 und 90/97 d. A.) ist für die von der Umstrukturierungsmaßnahme betroffenen ArbeitnehmerInnen der Wechsel in eine Transfergesellschaft möglich gewesen. Nach § 3.2 Nr. 3 dritter Spiegelstrich dieser Zusatzvereinbarung haben ArbeitnehmerInnen, die gegen die Kündigung Klage erhoben hatten, nicht in die Transfergesellschaft eintreten können. Die Klägerin ist daher nicht in die Transfergesellschaft gewechselt.
9. Die Klägerin hat die Inanspruchnahme der betrieblichen Ruhestandsregelung nach Anlage 4 des Sozialplans GM 07 abgelehnt.
10. Die Beklagte hat den Abfindungsanspruch der Klägerin aufgrund der oben genannten Regelungen auf den Überbrückungszeitraum bis zu der bei der Klägerin mit Vollendung des 60. Lebensjahres frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente auf € 9.925,57 begrenzt und, gerundet auf volle € 1.000,00, 10.000,00 an die Klägerin ausbezahlt (vgl. Berechnung im Schriftsatz der Beklagten vom 20.01.2010, Bl. 6 = Bl. 52 d. A.; B2 = Bl. 115 d. A.).
11. Mit Schreiben vom 23.04.2009 hat die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 08.04.2009 die volle Zahlung der Sozialplanabfindung in Höhe von € 117.660,31 von der Beklagten verlangt.
12. Mit Schriftsatz ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 14.07.2009 hat die Klägerin Klage zum Arbeitsgericht München (künftig: Arbeitsgericht) auf Zahlung der ungekürzten Abfindung sowie einer Entschädigung wegen Benachteiligung aus Geschlechts- und Altersgründen gegen die Beklagte erhoben.
13. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin erstinstanzlich vorgetragen, sie habe insgesamt Anspruch auf Zahlung von € 117.660,31 brutto als ungekürzte Abfindung aus dem Sozialplan gemäß der Formel in dessen § 6 Ziffer 9 und mache den Unterschiedsbetrag nach Abzug der erhaltenen € 10.000,00 brutto von 107.660,31 brutto geltend.
14. Die fiktive Begrenzung des Abfindungsanspruchs nach § 6 Nr. 8 b des Sozialplans für rentennahe Jahrgänge benachteilige sie gegenüber einem gleichaltrigen männlichen Arbeitnehmer mit gleicher Betriebszugehörigkeit, da dieser nicht als rentennah gelte. Die Ungleichbehandlung ergebe sich daraus, dass sie zwar mit Vollendung des 60. Lebensjahres in Rente gehe könne, hierfür aber einen Abschlag von 18 % von der zu erzielenden Vollrente akzeptieren müsse, wohingegen der gleichaltrige Mann zwar frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres einen gesetzlichen Rentenanspruch erlange, dann jedoch nur einen Abzug von 8,4 % in Kauf nehmen müsse.
15. Ihr finanzieller Nachteil gegenüber dem gleichaltrigen männlichen Arbeitnehmer belaufe sich bis zum 31.07.2013 (der Vollendung des 63. Lebensjahres) auf € 39.340,70 netto (siehe Vergleichsberechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 14.07.2009, Seite 4 = Bl. 4 d. A.).
16. Der Rentenschaden beziffere sich darüber hinaus auf € 46.468,08. Die Regelung im Sozialplan verstoße gegen das AGG sowie gegen die Richtlinie 2006/54/EG vom 05.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen.
17. Artikel 9 dieser Richtlinie, der als Diskriminierungsbeispiele Bestimmungen nenne, die sich unmittelbar oder mittelbar auf das Geschlecht stützten und unterschiedliche Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand festsetzten, stütze ihren Anspruch.
18. Aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 20.03.2003 - C-187/00 - müsse die Benachteiligung durch Anwendung der beanstandeten Regelung zu Gunsten der benachteiligten Gruppe ausgeschlossen werden. Daher habe sie Anspruch auf Zahlung einer Abfindung wie ein gleich alter Mann.
19. Der Gesetzgeber habe das europarechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen mit den Regelungen des AGG nur unzureichend umgesetzt. Daher seien die §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 AGG richtlinienkonform auszulegen.
20. Die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit sowie die Altersrente nach Altersteilzeit ab dem Jahrgang 1949 könne erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden; der Abschlag bei einer Rente ab Vollendung des sechzigsten Lebensjahres bei Schwerbehinderten betrage nur 10,8 %. Eine nicht nach Geschlecht und Lebensalter differenzierende, nicht abgestufte Sozialplanregelung bei Rentennähe sei unwirksam.
21. Durch die einheitliche Regelung ab frühestmöglichem Rentenbezug bevorzuge der Sozialplan Männer, die den gleichen Zeitraum bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres wie die Klägerin bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zurückzulegen hätten, denn diese erhielten eine Überversorgung nach dem Sozialplan von 104 %, während sie nur 66 % ihres bisherigen Nettoeinkommens erhalte.
22. Auch werde sie durch Nr. 9 der Anlage 4 benachteiligt, die den Ausgleich der Rentenabschläge auf 3 Jahre begrenze.
23. Darüber hinaus sei die Regelung unwirksam, die den Wechsel in die Transfergesellschaft bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage ausschließe. Deswegen begehrte sie Schadensersatz in Höhe von € 5.977,16 von der Beklagten.
24. Sie mache darüber hinaus einen immateriellen Entschädigungsanspruch nach 15 Abs. 2 AGG in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern á € 3.406,67 und somit mindestens € 10.220,01 netto gegenüber der Beklagten geltend.
25.
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 107.660,31 (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.04.2009 als Sozialplanabfindung zu zahlen.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin mindestens € 10.220,01 (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit als immaterielle Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen.
c) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine angemessene immaterielle Entschädigung nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtsanhängigkeit, mindestens aber € 10.220,01 (netto), zu bezahlen.
d) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 5.977,16 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.04.2009 zu zahlen.
e) Die Beklagte wird verurteilt, der Agentur für Arbeit das an die Klägerin für den Zeitraum von 12 Monaten gezahlte Arbeitslosengeld zu erstatten.
f) Die Beklagte wird verurteilt, die auf die Leistungen der Transfergesellschaft entfallenden Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialversicherungsträger ordnungsgemäß abzuführen.
26.
Die Beklagte erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
27. Zur Begründung ihres Antrags hat die Beklagte vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, die Klägerin besitze keinen weitergehenden Anspruch auf Zahlung einer Abfindung sowie keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
28. Die Betriebsparteien könnten bei der Bemessung von Sozialplanabfindungen die Möglichkeit des vorzeitigen Bezugs einer Altersrente anspruchsmindernd berücksichtigen. Darin liege kein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder ein Diskriminierungsverbot. Der Sozialplan habe den Zweck, zukunftsgerichtete Überbrückungsleistungen zu gewähren.
29. Aufgabe des Sozialplans sei es nicht, eine über den Beginn der gesetzlichen Rente hinausgehende Absicherung vorzusehen oder Rentenabschläge der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen.
30. Die Formelabfindung würde bei ArbeitnehmerInnen mit einem kürzeren Überbrückungszeitraum bis zur vorgezogenen Altersrente zu einer Überversorgung und damit zu einem unbilligen Ergebnis führen.
31. Daher hätten die Betriebsparteien für die rentennahen Jahrgänge die betriebliche Ruhestandslösung mit 80 % Absicherung des bisherigen Nettoeinkommens angeboten und für die ArbeitnehmerInnen, die dies nicht in Anspruch nehmen wollten, die Formelabfindung auf die fiktive Leistung nach der Ruhestandsregelung begrenzt. Dabei hätten sich die Betriebsparteien innerhalb des ihnen zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums befunden.
32. Es liege kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG i. V. m. § 1 AGG vor. Die Sozialplanregelungen verstießen nicht gegen das Verbot der Altersbenachteiligung. § 10 Satz 3 Ziffer 6 AGG regele ausdrücklich, dass Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen auch nach Alterskriterien erfolgen könnten.
33. Die Sozialplanregelungen benachteiligten die Klägerin auch nicht wegen ihres Geschlechts.
34. Eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin durch die Sozialplanregelungen komme nicht in Betracht. Denn die Regelung erfasse Männer wie Frauen gleichermaßen. Männer könnten in einigen Fällen ebenso wie Frauen auch ab dem Lebensjahr vorgezogene Altersrente beziehen, nämlich bei Arbeitslosigkeit, nach Altersteilzeit, als längjährig untertagebeschäftigte Bergleute oder bei Vorliegen einer Schwerbehinderung.
35. Die Klägerin sei mit einem gleich alten Mann nicht vergleichbar, da dieser von den oben angeführten Ausnahmen abgesehen keine vorgezogene Altersrente mit 60 beanspruchen könne.
36. Sofern eine mittelbare Benachteiligung vorliege, sei diese durch das rechtmäßige Ziel des Nachteilsausgleichs für von der Betriebsänderung
„Projekt GM07“ betroffene ArbeitnehmerInnen gerechtfertigt. Bei der Feststellung der den von der Betriebsänderung betroffenen ArbeitnehmerInnen entstehenden Nachteile sei eine typisierende Betrachtungsweise erforderlich und gerechtfertigt. Die Abschlussparteien des Sozialplans könnten davon ausgehen, dass die von der Betriebsänderung betroffenen ArbeitnehmerInnen mit Erlangung eines gesetzlichen Rentenanspruchs hinreichend abgesichert seien.
37. Die Regelung in Nr. 9 der Anlage 4 zur Aufstockung der Rentenleistung könne keine Ungleichbehandlung bei der Sozialplanabfindung begründen.
38. Ein Wechsel von ArbeitnehmerInnen in die Transfergesellschaft sei nur bei vorheriger Aufhebung des Arbeitsverhältnisses möglich. Daher bestünde kein Schadensersatzanspruch der Klägerin, denn diese habe durch Erhebung der Kündigungsschutzklage eigenverantwortlich ihren Übertritt in die Transfergesellschaft vereitelt.
39. Mit Teilurteil vom 30.06.2010, auf das hinsichtlich seiner tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Anträge der Klägerin auf Zahlung der Differenz zwischen der von der Beklagten an sie bezahlten und der ungekürzten Abfindung nach dem Sozialplan vom 19.06.2007 sowie deren Antrag auf Entschädigung nach dem AGG zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gegeben (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG i. V. m. § 46 Abs. 1 ArbGG). Das Arbeitsgericht München sei für die Klage örtlich zuständig (§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 17 ZPO). Die Klage sei zulässig.
40. Über den Antrag auf Zahlung einer Abfindung und Schadensersatz ergehe ein Teilurteil nach § 301 ZPO, da der mit der Klageerweiterung vom 20.05.2010 geltend gemachte Antrag noch nicht entscheidungsreif sei.
41. Die Klage sei als unbegründet abzuweisen, soweit die Klägerin € 107.660,31 Sozialplanabfindung sowie mindestens € 10.220,01 netto Schadensersatz nach dem AGG verlange, da keine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vorliege.
42. Die Klägerin habe keinen noch offenen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe der Formelabfindung nach Abschnitt III § 6 Nr. 4 des Sozialplans GM 07 vom 19.06.2007 (im Folgenden: Sozialplan), da diese wirksam durch Abschnitt III § 6 Ziffer 8 b des Sozialplans auf den der Klägerin ausgezahlten Betrag von € 10.000,00 brutto begrenzt sei.
43. Nach Abschnitt III § 6 Ziffer 8 b des Sozialplans sei die Abfindung für Mitarbeiter, welche die Voraussetzungen der betrieblichen Ruhestandsregelung nach § 7 Ziffer 1 des Sozialplans erfüllten, auf die fiktiven Leistungen nach der Ruhestandsregelung begrenzt.
44. Nach Abschnitt III § 7 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 des Sozialplans werde Mitarbeitern, deren Betriebszugehörigkeit mindestens 20 Jahre betrage und deren Arbeitsplatz infolge dieser Maßnahme wegfalle, anstelle der sonstigen Leistungen nach diesem Sozialplan eine betriebliche Ruhestandsregelung für eine maximale Laufzeit von 48 Monaten bis zum frühest möglichen – auch vorgezogenen Bezug – der gesetzlichen Altersrente angeboten. Das Nähere regele Anlage 4.
45. Die Klägerin erfülle aufgrund ihrer Beschäftigung seit 01.07.1988 die Voraussetzung der mindestens 20-jährigen Beschäftigung bei der Kündigung zum 31.12.2008; sie habe die betriebliche Ruhestandsregelung nicht angenommen.
46. Die auf Grund der Anlage 4 berechnete fiktive Leistung der Ruhestandsregelung betrage – dies sei zwischen den Parteien unstreitig - € 9.925,57, gerundet auf volle € 1.000,00 somit € 10.000,00 brutto.
47. Nach der ständigen Rechtssprechung des BAG (vgl. BAG vom 26.05.2009 1 AZR 198/08; BAG vom 11.11.2008 1 AZR 473/07; BAG vom 30.09.2008 1 AZR 684/07) unterlägen Sozialpläne der gerichtlichen Rechtskontrolle. Die Gerichte hätten zu prüfen, ob die angewandten Sozialplanregelungen mit höherrangigem Recht vereinbar seien. Hierbei seien insbesondere der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die im AGG sowie in § 75 Abs. 1 BetrVG normierten Diskriminierungsverbote zu beachten.
48. Die Klägerin berufe sich auf die Richtlinie 206/54/EG. Diese Richtlinie habe gem. Artikel 249 Abs. 3 EGV nur unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Mitgliedsstaaten. Im Verhältnis zwischen Privaten komme den Richtlinienbestimmungen nach ständiger Rechtssprechung des EuGH keine die Rechtsbeziehungen gestaltende Wirkung zu (vgl. Däubler/Bertzbach AGG 2. Auflage 2008 d, die sogenannte horizontale Wirkung Rn. 94). Die Richtlinie könne nur den Mitgliedsstaaten, nicht aber einzelnen Parteien Pflichten auferlegen. Das nationale Recht sei jedoch soweit wie möglich richtlinienkonform auszulegen.
49. Die Begrenzung der Sozialplanabfindung nach Abschnitt III § 6 Ziffer 8 b i. V. m. Abschnitt III Ziffer 1 des Sozialplanes verstoße nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach der ständigen Rechtssprechung des BAG (s. o.), der das Gericht folge, hätten die Betriebsparteien bei der Ausgestaltung von Sozialplänen erhebliche Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume. Sozialpläne hätten eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die Sozialplanleistungen seien kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, sondern sie sollten die zukünftigen Nachteile ausgleichen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen könnten. Bei der Beurteilung dieser zukünftigen Nachteile und der Gestaltung der sie ausgleichenden Leistungen gestehe die Rechtssprechung des BAG den Betriebsparteien die Möglichkeit der Typisierung und Pauschalierung zu. Die streitgegenständliche Abfindungsregelung behandele alle Arbeitnehmer gleich, die die Möglichkeit hätten, eine vorgezogene gesetzliche Altersrente in Anspruch zu nehmen, ohne Differenzierung nach dem Grund dieses Rechts (z. B. als Frau mit Vollendung des 60. Lebensjahres oder als Schwerbehinderter mit Vollendung des 60. Lebensjahres oder als Mann mit Vollendung des 63. Lebensjahres) und ohne Differenzierung nach der Höhe der dann zu erzielenden Rente (gekürzt bei der Frau mit 60 Lebensjahren: 18 %,bei einem Schwerbehinderten: 10,8 % sowie bei Vollendung des 63. Lebensjahres: 8,4 %). Dabei knüpften die Betriebsparteien pauschal an die Überlegung an, dass der von der Betriebsmaßnahme betroffene Arbeitnehmer mit Eintritt einer Möglichkeit des Bezugs einer gesetzlichen Altersrente von den Folgen der Betriebsänderung weniger stark getroffen werde und abgesichert sei. Das Gericht sei der Auffassung, dass die von den Betriebsparteien getroffene Regelung sich noch in dem ihnen eingeräumten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum bewege. Die Betriebsparteien hätten zwar eine differenzierendere Regelung je nach Höhe der zu erwartenden Rentenabschläge treffen können, sie müssten dies jedoch nicht.
50. Ebenso liege keine Unwirksamkeit der Sozialplanregelung aufgrund eines Verstoßes gegen das AGG vor. Nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG dürften Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe benachteiligt werden. Bestimmungen und Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstießen, seien nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Nach § 1 AGG sollten unter anderem Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts oder des Alters verhindert oder beseitigt werden.
51. Gem. § 75 Abs. 1 BetrVG hätten auch Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen des Geschlechts oder des Alters unterbleibe.
Eine unmittelbare Benachteiligung liege nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfahre, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahre, erfahren habe oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung liege bei der streitgegenständlichen Sozialplanregelung nicht vor, da weder direkt an das Geschlecht noch an das Alter angeknüpft werde.
52. Eine mittelbare Benachteiligung liege gem. § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines im § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen könnten, sofern nicht die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich seien.
54. Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG könnten die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigten, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese ggf. nach Bezug von Arbeitslosengeld rentenberechtigt seien.
Die vorliegende Sozialplanregelung knüpfe mit der Regelung zur Begrenzung der Sozialplanabfindung an den frühest möglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente und damit mittelbar an das Alter und an das Geschlecht an.
Die Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG, der es den Betriebsparteien ermögliche, Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans auszuschließen, die wirtschaftlich abgesichert seien, weil sie ggf. nach Bezug von Arbeitslosengeld rentenberechtigt seien, verstoße nicht gegen Artikel 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG. Der deutsche Gesetzgeber verfolge mit der Regelung das legitime sozialpolitische Ziel, nach dem Sozialpläne danach unterscheiden könnten, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohten, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlören (vgl. BAG vom 26.05.2009 s. o. Rn. 43).
Die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters sei von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt.
55. Die mittelbare Benachteiligung der Klägerin, die an das Merkmal Geschlecht anknüpfe, da der frühest mögliche gesetzliche Altersrentenbezug für Frauen bei der Vollendung des 60. Lebensjahres liege, sei nach Auffassung des Gerichts im Sinne von Artikel 3 Abs. 2 AGG durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt; auch seien die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich.
56. Auch bei Zugrundelegung einer EG-richtlinienkonformen Auslegung des AGG und Beachtung der Richtlinie 2006/54/EG, die der Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen diene, müsse das Gericht das den Betriebsparteien in § 112 Abs. 5 BetrVG eingeräumte Ermessen beim Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstünden, bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung durch ein rechtmäßiges Ziel und die Angemessenheit der Mittel zur Erreichung des Ziels beachten. Hier gelte auch in Bezug auf eine mittelbare Anknüpfung an das Geschlecht, dass – wie oben ausgeführt – ein Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien bestehe.
57. Auch wenn es wünschenswert wäre, dass die Betriebsparteien bei einem stark differenzierend ausgearbeiteten und komplexen Sozialplan wie dem streitgegenständlichen Sozialplan im Sinne von § 112 Abs. 5 Nr. 1 BetrVG Regelungen träfen, die nach dem unterschiedlich möglichen Rentenbeginn und dementsprechend unterschiedlich hohen Rentenabschlägen differenzierten, sei den Betriebsparteien zuzugestehen, hier eine Pauschalisierung der Regelung zu treffen, die an den Rentenbezug als Grundtatbestand anknüpfe.
58. Der Abschlag der Rente bei vorzeitigem Bezug sei ein Merkmal für die Höhe der wirtschaftlichen Absicherung, das durch andere Merkmale wie Beitragsjahre und Beitragshöhe zusätzlich beeinflusst werde. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, eine bessere Lösung als die Betriebsparteien zu finden, sondern nur rechtswidrige Gestaltungen zu unterbinden (vgl. BAG vom 26.05.2009 s. o. Rn. 20).
59. Das Ziel, die Sozialplanleistungen zu begrenzen, wenn eine wirtschaftliche Absicherung durch Rentenbezug möglich sei, sei aufgrund § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sachlich gerechtfertigt, da der Sozialplan dem Nachteilsausgleich diene.
60. Bei der Beurteilung, ob die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich seien, seien die Betriebsparteien zur Pauschalierung und Typisierung berechtigt. Dabei könne von ihnen auch nicht verlangt werden, als nichtdiskriminierend anerkannte Differenzierungen des staatlichen Rentenrechts mit den Mitteln des Sozialplans zu korrigieren (vgl. Hessisches LAG, 06.12.2005 4 Sa 617/05). Die Anknüpfung an den frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente sei daher als noch angemessen und erforderlich zu akzeptieren.
Eine Unwirksamkeit der Sozialplanregelung aufgrund Verstoßes gegen das AGG liege daher nicht vor. Der Anspruch auf Zahlung von € 107.660,31 brutto sei daher als unbegründet abzuweisen.
61. Da kein Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot gegeben sei, bestehe kein Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG. Der Antrag auf Zahlung von mindestens € 10.220,01 netto sei daher ebenso abzuweisen.
62. Gegen dieses ihr am 10.08.2010 zugestellte Teilurteil des Arbeitsgerichts wendet sich die Klägerin mit ihrer am 08.09.2010 eingelegten und am 11.11.2010 innerhalb verlängerter Frist begründeten Berufung. Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Klägerin aus, sie stütze ihre Ansprüche auf eine unmittelbare geschlechtsspezifische Benachteiligung durch das Abstellen auf die Vollendung des 60. Lebensjahres ausschließlich bei Frauen, zumindest beinhalte diese Regelung eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, schließlich auf eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters, weil der Sozialplan ihr die volle Abfindung mit der Begründung vorenthalte, sie könne vorgezogene Altersrente beziehen, obwohl sie weiterhin arbeiten wolle.
63. Sie sei seit dem 01.01.2009 arbeitsuchend und beziehe noch bis zum 31.12.2010 Arbeitslosengeld I. Ab 01.01.2011 werde sie Arbeitslosengeld II erhalten. Die an solche des Rentenrechts anknüpfenden Regelungen in §§ 6 Ziff. 8 b), § 7 Ziff. 1 des Sozialplans beinhalteten eine verdeckte unmittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht. Es seien nämlich ausschließlich Frauen, die ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen – aber verbunden mit einem Rentenabschlag von 18 % - mit Vollendung des sechzigsten Lebensjahr vorgezogenes Altersruhegeld beanspruchen könnten, für Männer gebe es diese Möglichkeit – verbunden mit einem Rentenabschlag von 7,2 % - erst ab Vollendung des dreiundsechzigsten Lebensjahres. Bei der sonst unter bestimmten weiteren Vorsaussetzungen möglichen Inanspruchnahme vorgezogenen Altersruhegeldes – wegen Arbeitslosigkeit, nach Altersteilzeit, bei Unter-Tage-Beschäftigung, bei Schwerbehinderung, bei langjährig Versicherten – seien Männer und Frauen hingegen gleichgestellt. Die volle Abfindung erhielten nach dem Sozialplan somit nicht mehr Männer, sofern sie noch nicht das 59. Lebensjahr vollendet hätten, Frauen hingegen, sofern sie noch nicht das 56. Lebensjahr vollendet hätten.
64. Die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts, die Richtlinie 2006/54/EG sei nicht unmittelbar auf Sozialplanregelungen anzuwenden, sei zumindest umstritten. Bei der Sozialplanabfindung handele es sich jedoch um Entgelt im Sinne von Art. 157 des EU-Vertrags (AEUV). entgegen der Ansicht des BAG (BAG 30.09.2008 – 1 AZR 684/07 – NZA 2009, 391 Rn. 49) dürfe die Möglichkeit, bereits mit Vollendung des sechzigsten Lebensjahres vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen, nicht zum Nachteil der Frauen als Argument für deren fehlende Vergleichbarkeit mit gleich alten Männern herangezogen werden.
65. Soweit es sich bei den Regelungen des Sozialplans um eine mittelbare Diskriminierung handele, fehle dieser die Rechtfertigung und die Verhältnismäßigkeit. In dem vom Klägerinvertreter vor dem EuGH vertretenen Fall Kutz-Bauer (EuGH 20.03.2003 – C-187/00) habe der EuGH beim Wegfall des Teilzeitanspruchs ab Vollendung des Lebensjahres, in dem man einen Rechtsanspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld erlange, eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gesehen, sofern die unterschiedliche Behandlung der männlichen und weiblichen Arbeitnehmer nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun hätten. Der Fall sei mit dem hier entschiedenen vergleichbar.
66. Würde der Sozialplan den Anspruch auf Volle Abfindung für alle Arbeitnehmerinnen ausschließen, die ab Vollendung des dreiundsechzigsten Lebensjahres vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch nehmen könnten, gleich, ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechts seien, wäre die Regelung nicht zu beanstanden. So aber führe sie zu einem nur auf Frauen bezogenen Zwang, ab Vollendung des sechzigsten Lebensjahres das Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen, obwohl sie weiterhin gern arbeiten würden. In einem vergleichbaren Fall habe der EuGH (EuGH 12.10.2010 – C-499/08 – Andersen) eine derartige Regelung in einem privaten Rentensystem für europarechtswidrig als altersdiskriminierend gehalten, weil sie den Arbeitnehmern, die noch arbeiten wollten, aus Altersgründen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwere und ihnen die Möglichkeit nehme, durch Inanspruchnahme der Abfindung zunächst auf Altersruhegeld zu verzichten und damit später ein höheres Altersruhegeld zu erlangen.
67. In den Entscheidungen des BAG nach Inkrafttreten des AGG, in denen das Gericht leider extreme Reduzierungen von Ansprüchen aus Sozialplänen zugelassen habe, seien ausschließlich Männer betroffen gewesen.
68. Sie rege an, den Rechtsstreit auszusetzen und dem EuGH die hier streitigen Fragen (vgl. Bl. 284/285 d.A.) zur Vorabentscheidung vorzulegen.
69. Hinsichtlich ihres Anspruchs auf Entschädigung verweise sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Arbeitsgericht habe – aus seiner Rechtsauffassung konsequent - unzutreffend ihren Anspruch abgelehnt.
70.
Die Klägerin beantragt in der Berufung,
a) das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.06.201 – Az.. 34 Ca 10798/09 – wird abgeändert.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 107.660,31 (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.04.2009 als Sozialplanabfindung zu zahlen.
c) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin mindestens € 10.220,01 (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit als immaterielle Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen.
71.
Die Beklagte beantragt im zweiten Rechtszug,
die Berufung der Klägerin wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
72. Zur Begründung ihres Antrags trägt die Beklagte vor, die Klägerin besitze mangels geschlechtsspezifischer oder altersbedingter Benachteiligung weder einen Anspruch auf die volle Abfindung aus dem Sozialplan noch einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Das Urteil des Arbeitsgerichts sei zutreffend und befinde sich in Übereinstimmung mit dem deutschen und europäischen Recht.
73. Sozialpläne hätten eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Seine Leistungen stellten kein Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Dienste dar, sondern sollten künftige Nachteile ausgleichen, die den ArbeitnehmerInenn durch die Betriebsänderung entstehen könnten. Sozialpläne unterlägen lediglich einer gerichtlichen Rechtskontrolle. Den Betriebsparteien stehe für ihre Regelungen ein Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu. Eine pauschalisierende und typisierende Betrachtung sei ihnen erlaubt. Bei der Einschätzung der den ArbeitnehmerInnen durch eine Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile seien der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die gesetzlichen Diskriminierungsverbote unbeachtlich. Bei ihrer Abschätzung dürften die Betriebsparteien auch berücksichtigen, ob den betroffenen ArbeitnehmerInnen entstehende Nachteile durch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche gemildert würden. Die Betriebsparteien schafften diese Privilegien nicht, sondern fänden sie vor und könnten sie nach der gesetzlichen Konzeption des § 112 BetrVG der Sozialplangestaltung auch zu Grunde legen (so BAG 11.11.2008 – 1 AZR 475/07 Rn. 19).
74. Die Sozialplannormen knüpften nicht an das Geschlecht an. Von der Kürzung der Abfindung seien nicht nur Frauen betroffen sondern sämtliche ArbeitnehmerInnen, die vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch nehmen könnten. Eine Vergleichbarkeit im Sinne der Benachteiligungsvorschrift des § 3 AGG bestehe nicht. Männer könnten niemals einen Anspruch aus § 237 a SGB VI herleiten. Auch der EuGH sehe in derartigen Fällen keine Vergleichbarkeit von Männern und Frauen (EuGH 09.12.2004 – C-19/02
und 09.11.1993 – C-132/92 ). Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung sei älter als die und . Eher mit der Klägerin vergleichbar seien schwerbehinderte Menschen wegen § 236 a Abs. VI SGB VI. Diese fielen aber wegen ihrer Möglichkeit, frühzeitig vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen, wie die Klägerin unter die Regelungen des Sozialplans, die die volle Abfindung ausschlössen.
75. Das BAG (BAG 30.09.2008 – 1 AZR 684/07 – NZA 2009, 386 Rn. 47 ff.) sehe bei einer derartigen Regelung wie im Sozialplan auch keine mittelbare Diskriminierung. Selbst wenn eine solche mittelbare Benachteiligung vorliegen sollte, wäre diese doch gerechtfertigt und angemessen.
76. Auch eine Altersdiskriminierung durch die Sozialplanregelungen komme nicht in Frage. § 10 S. 3 Nr. 6 AGG lasse derartige Regelungen zu. Das BAG beanstande in derartigen Fällen sogar den völligen Ausschluss von rentennahen Personen aus dem Sozialplan nicht. Die Aussagen des EuGH im Rechtsstreit seien auf den Sozialplan nicht übertragbar, denn der verfolge eine andere Funktion. Im Fall sei es um den Willen des Arbeitnehmers zu arbeiten gegangen, im Sozialplan gehe es um die wirtschaftliche Absicherung von einer Betriebsänderung betroffener ArbeitnehmerInnen. Anders als im Einzelfall gehe es im Sozialplan um eine Vielzahl von ArbeitnehmerInnen, deren individuelle Rentenansprüche den Betriebsparteien nicht bekannt seien, so dass Pauschalierungen und Typisierungen in den Sozialplanregelungen gerechtfertigt seien. Auf den individuellen Willen der Arbeitnehmerin weiterzuarbeiten könne es im Sozialplan nicht ankommen, denn es gehe allein um die Milderung oder den Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile. Auf die konkrete Versorgungssituation der Klägerin komme es wegen der erlaubten Pauschalisierung und Typisierung in den Regelungen des Sozialplans nicht an.
77. Eine Vorlage an den EuGH sei wegen der aktuellen Rechtsprechung des BAG entbehrlich.
78. Zum vermeintlichen Entschädigungsanspruch der Klägerin werde auf das erstinstanzliche Vorbringen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
79. Die gemäß § 64 Abs.2 lit. c) statthafte und auch in der richtigen Form und rechtzeitig (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG) eingelegte und begründete Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.06.2010 – Az.: 34 Ca 10798/09 – bleibt erfolglos.
80. Das Gericht schließt sich der zutreffenden, sorgfältig und ausführlich unter zutreffender Zitierung der Rechtsprechung begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts an, ebenso den – auch nachfolgend - zitierten Entscheidungen des BAG.
Lediglich ergänzend:
81. Sozialpläne unterliegen der gerichtlichen Rechtskontrolle im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (vgl. BAG 11.11.2008 – 1 AZR 473/07; BAG 30.09.2008 – 1 AZR 684/07). Die Betriebsparteien haben die Funktion des Sozialplans, den Normzweck des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG, zwingendes Gesetzesrecht, insbesondere den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, grundgesetzliche, gemeinschaftsrechtliche und einfachgesetzliche Benachteiligungsverbote zu beachten (vgl. Fitting-Engels-Schmidt-Trebinger-Linsenmaier, BetrVG-Kommentar, 25. Auflage A-Stadt 2010, §§ 112, 112 a Rn. 134, 138; künftig: Fitting § Rn.).
82. Sozialpläne dienen gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den von einer Betriebsänderung betroffenen ArbeitnehmerInnen durch die Betriebsänderung voraussichtlich entstehen werden. Er hat insoweit eine Überbrückungsfunktion (Fitting a.a.O. Rn. 137), soll also nicht die von den ArbeitnehmerInnen in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue abgelten. Den Betriebsparteien stehen bei der Aufstellung eines Sozialplans tatsächliche Beurteilungsspielräume, normative Gestaltungsspielräume und ein weiter Ermessensspielraum zu (Fitting a.a.O. Rn. 134, 138). Sie dürfen bei der Prognose, die sie im Hinblick auf mögliche wirtschaftliche Nachteile anzustellen haben, auch pauschalierende und typisierende Betrachtungen vornehmen (Fitting a.a.O. Rn. 135). Die Betriebsparteien dürfen bei der Bemessung von Sozialplanleistungen Abfindungen mit steigendem Lebensalter ansteigen lassen (Fitting a.a.O. Rn. 152), aber auch die Möglichkeit des vorzeitigen Bezugs von Altersrente aufgrund der typisierenden Betrachtung, rentenberechtigte oder rentennahe Jahrgänge seien wirtschaftlich stärker abgesichert als rentenferne, anspruchsmindernd berücksichtigen (vgl. BAG 30.09.2008 – 1 AZR 684/07 – NZA 2009, 386-391 ; BAG 26.05.2009 – 1 AZR 198/08 - DB 2009, 1766, NZA 2009, 849-855 ; Fitting a.a.O. Rn. 148, 153). Sie verstoßen damit weder gegen das Verbot der Altersbenachteiligung noch gegen das der geschlechtsbezogenen Benachteiligung gemäß §§ 1, 7 AGG.
83. Im hier zu entscheidenden Fall haben die Betriebsparteien eine Regelung getroffen, die den oben geschilderten Anforderungen genügt. Sie haben in Abschnitt III § 6 Sozialplan GM 07 eine Abfindungsregelung nach der Formel
Bruttomonatsgehalt x Lebensalter x Betriebszugehörigkeit45
84. vereinbart und gemäß Abschnitt III § 7 Ziff. 1 Sozialplan GM 07 für rentennahe Jahrgänge, die die Voraussetzungen der betrieblichen Ruhetandsregelung erfüllten, diese jedoch nicht in Anspruch nehmen wollten, die Abfindung gemäß Abschnitt III § 6 auf die fiktiven Leistungen nach der Ruhestandsregelung begrenzt, nämlich die Leistungen für eine maximale Laufzeit von 36 Monaten – bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 20 Jahren für eine Laufzeit von 48 Monaten – bis zum frühestmöglichen – auch vorgezogenen - Bezug der gesetzlichen Altersversorgung für eine Absicherung des bisherigen Nettoeinkommens zu 80 %.
85. Der Einwand der Klägerin, durch die Berücksichtigung der Möglichkeit für Frauen, ab Vollendung des sechzigsten Lebensjahres Altersrente zu beziehen, zur Reduzierung der Abfindung auf die fiktiven Leistungen nach der Ruhestandsregelung werde sie wegen ihres Alters und ihres Geschlechts benachteiligt, verfängt nach Auffassung der Berufungskammer nicht, die sich insoweit der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG 30.09.2008 – 1 AZR 684/07 – NZA 2009, 386-391 ; BAG 26.05.2009 – 1 AZR 198/08 - DB 2009, 1766, NZA 2009, 849-855 ) anschließt.
86. Das BAG führt in seiner Entscheidung vom 26.05.2009 – betreffend einen männlichen Arbeitnehmer - aus:
„Sozialpläne dürfen eine nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Sie dürfen für rentenberechtigte Arbeitnehmer Sozialplanleistungen reduzieren oder ganz ausschließen. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist durch § 10 S. 3 Nr. 6 AGG gedeckt.
§ 10 S. 3 Nr. 6 AGG verstößt nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Die Regelung ist im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2000/8/EG durch ein vom nationalen Gesetzgeber verfolgtes legitimes Ziel gerechtfertigt. Es entspricht einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren.“
87. Eine weibliche Arbeitnehmerin betreffend urteilt das BAG in seiner Entscheidung vom 30.09.2008, in der es auch um Leistungen aus einem Sozialplan zur Erreichung von 90 % des zuletzt bezogenen Nettomonatsverdienstes der Arbeitnehmerin nach Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum frühestmöglichen gesetzlichen Renteneintritt (der Sozialplan formuliert: „….zum frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente: In der Regel einen Monat nach Vollendung des 63. Lebensjahres“):
Die Regelung in Nr. 3.2 KBV verstößt nicht gegen das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung. Sie führt weder zu einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts. Auch in diesem Zusammenhang sind die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht unmittelbar heranzuziehen. Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts war aber bereits vor Inkrafttreten des AGG nach § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG in seiner bis zum 17.08.2006 geltenden Fassung und nach Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich verboten. Das Verbot erfasste – zumindest wegen der Verpflichtung mitgliedstaatlicher Gerichte, § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG a.F. im Hinblick auf die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 09. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen gemeinschaftskonform auszulegen – nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Benachteiligung.
Gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Richtlinie 76/207/EWG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Das ist mit Blick auf Nr. 3.2 KBV nicht der Fall. Die Regelung knüpft nicht unmittelbar – weder ausdrücklich noch versteckt – an das Geschlecht der Mitarbeiter an.
Nach Art,. 2 Abs. 2 Unterabschnitt 2 Richtlinie 76/207/EWG liegt eine gleichermaßen unzulässige mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, dass die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind.
Die Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts sind mit Blick auf Nr. 3.2 KBV nicht gegeben. Unabhängig von der Frage, ob von dieser Regelung Frauen in besonderer Weise benachteiligt werden können, und wie der betreffende Nachweis im Einzelnen zu führen wäre, ist eine mögliche besondere Benachteiligung der Klägerin durch Nr. 3.2 KBV im Vergleich zu Anspruchsberechtigten nach Nr. 3.1 KBV (danach erhielten Mitarbeiter, die bei Ausspruch der Kündigung das 50 Lebensjahr vollendet und nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatten, eine Abfindung in Höhe von 18 Bruttomonatsvergütungen, diejenigen, die das 55. aber nicht das 58. Lebensjahr vollendet hatten eine Abfindung von 21 Bruttomonatsvergütungen, Anm. d. Verf.) durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Dieses Ziel besteht, wie dargelegt, darin, die Höhe des Nachteilsausgleichs am Umfang der wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer zu orientieren. Bei dessen Ermittlung ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente unabhängig davon zu berücksichtigen, ob Frauen von dieser Möglichkeit eher – und deshalb möglicherweise häufiger – als Männer Gebrauch machen können (Rn. 45 – 49). Der Umstand, dass ihre (der gesetzlichen Altersrente, Anm. d. Verf.) vorzeitige Inanspruchnahme mit Abschlägen verbunden ist, steht dem nicht entgegen. Das ergibt die Auslegung (Rn. 20)“
88. Der vom BAG entschiedene Fall ist mit dem hier zu entscheidenden durchaus vergleichbar. Das BAG beanstandet die in seiner Entscheidung geprüfte Sozialplanregelung unter Zugrundelegung des durch Auslegung des Sozialplans gefundenen Regelungswillens der Betriebsparteien, den Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme von gesetzlicher Altersrente, sei es wegen Arbeitslosigkeit, Schwerbehinderung oder als versicherte Frau (Rn. 25), zum Anlass für die genannten Überbrückungszahlungen statt einer Abfindung zu nehmen, ausdrücklich nicht, und zwar trotz der sich daraus ergebenden Rentenabschläge. Das BAG sieht den Unterschied zwischen der wirtschaftlichen Stellung der Betroffenen bei Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres und bei Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente, verneint aber ausdrücklich eine Benachteiligung der Klägerin durch die Sozialplanregelung wegen Alters oder Geschlechts. Deshalb ist auch die von der Klägerin gerügte, sich aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme vorgezogenen Altersruhegeldes für Frauen mit Vollendung des 60. und für Männer erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres ergebende Benachteiligung durch unterschiedlich hohe Abschläge mit dieser Entscheidung verneint.
89. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des EuGH (Kutz-Bauer 20.03.2003 C-187/00 und Andersen 12.10.2010 C-499/08) betreffen andere, nicht mit der Funktion des Sozialplans vergleichbare Sachverhalte, nämlich eine tarifvertragliche Regelung (Kutz-Bauer), nach der der tarifvertragliche Anspruch auf Teilzeit denn endete, wenn der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters beanspruchen konnte, sowie um eine Regelung über eine Entlassungsentschädigung in einem privaten Rentensystem, zu dem der Arbeitgeber Beiträge zu entrichten hatte. Der Anspruch entfiel nach der dortigen Regelung, wenn im Fall der Entlassung die Möglichkeit des Bezugs von Altersrente eröffnet wurde.
90. Der EuGH hat in beiden Fällen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts aufgrund der unterschiedlichen frühestmöglichen Rentenbezugszeitpunkte bei Männern und Frauen gesehen, im Fall Andersen damit begründet, dass die Regelung den Betroffenen die Möglichkeit erschwere, ihr Recht weiterzuarbeiten auszuüben und sie zwinge, eine niedrigere Altersrente anzunehmen als wenn sie mit Hilfe der Entlassungsentschädigung für einen bestimmten Zeitraum auf deren Inanspruchnahme verzichten und dadurch später eine Altersrente mit geringeren Abschlägen erzielen könnten.
91. Die beiden von der Klägerin zitierten Entscheidungen des EuGH betreffen andere, mit denen, die durch einen Sozialplan geregelt werden, nicht vergleichbare Lebenssachverhalte. Im Fall Kutz-Bauer ging es um die Frage eines tarifvertraglichen Anspruchs auf Teilzeit, der die Liquidität des betroffenen Arbeitgebers lediglich marginal berührt, im Fall Andersen um ein privates Rentensystem, zu dem der Arbeitgeber Beiträge zu entrichten hatte. In beiden Fällen ging es nicht um die Bereitstellung eines Geldbetrags durch den Arbeitgeber zur Bedienung irgendwelcher Ansprüche, sondern um die benachteiligungsfreie Regelung der Anspruchsvoraussetzungen für den Anspruch auf Teilzeit oder den auf eine Entlassungsentschädigung, wobei in letzterem Fall das Vermögen für die Bedienung der Entlassungsentschädigungsbeträge bereits längst durch Beiträge der Arbeitgeber geschaffen worden war, also nicht aktuell vom Arbeitgeber bereitgestellt werden musste. Es ging in diesen beiden Fällen jedoch nicht um die Verteilungsgerechtigkeit eines vom Arbeitgeber wegen einer Betriebsänderung aktuell aus seiner vorhandenen und stets begrenzten Liquidität zu entrichteten Vermögensteils zur Milderung oder zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile, die den von der Betriebsänderung betroffenen ArbeitnehmerInnen entstehen konnten.
92. In aller Regel sind die Mittel, die für die Dotierung eines Sozialplans bereitgestellt werden könnten, begrenzt, oft sogar knapp. Dies hat zur Folge, dass Beträge, die einem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden, für andere ArbeitnehmerInnen nicht mehr verfügbar sind, um deren wirtschaftliche Nachteile zu mildern oder auszugleichen. Deshalb sind die Betriebsparteien von der Funktion der Sozialplanleistungen ausgehend, durch die Betriebsänderung in der Zukunft entstehende wirtschaftliche Nachteile der betroffenen ArbeitnehmerInnen zu mildern oder auszugleichen, berechtigt, die begrenzte Summe in der Weise zu verteilen, dass diejenigen ArbeitnehmerInnen, die durch die Möglichkeit des Bezugs einer – auch vorgezogenen – Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind, geringere Leistungen aus dem zur Verfügung stehenden Gesamtbudget erhalten als andere ArbeitnehmerInnen, denen eine derartige Möglichkeit in absehbarer Zeit nicht eröffnet ist.
93. Auf die Frage, wie hoch der Altersrenteanspruch der Klägerin konkret ist, kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Höhe des Altersrentenanspruchs hängt von zahlreichen Einflüssen ab. Die Betriebsparteien dürfen für ihre Sozialplanregelung davon ausgehen, dass wirtschaftlich abgesichert ist, wer eine – auch vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen kann. Den höheren Abschlägen von der Altersrente bei der Klägerin als negative Auswirkung der vorzeitigen Inanspruchnahme steht der längere Bezug als positive Auswirkung gegenüber.
94. Als unterlegene Partei hat die Klägerin die kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, §97 S. 1 ZPO.
95. Das Gericht hat für die Klägerin die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zugelassen, dies insbesondere auch wegen der Entscheidung des BAG vom 15.02.2011 – 9 AZR 584/09 -, in der das BAG eine tarifvertragliche Regelung, nach der die Beendigung eines tarifvertraglichen Versorgungsverhältnisses mit dem Zeitpunkt vorgesehen war, zu dem die VersorgungsempfängerInnen vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen konnten, wegen der Möglichkeit für Frauen bestimmter Geburtsjahrgänge, die Altersrente bereits mit 60 Jahren in Anspruch zu nehmen, während Männer dies erst mit 63 Jahren tun können, für geschlechtsspezifisch benachteiligend hält und ausführt, die Tarifvertragsparteien könnten den Frauen durch diese Regelung entstehenden Nachteile durch einen finanziellen Ausgleich für die kürzere Bezugsdauer der Versorgung beseitigen. Das Gericht meint allerdings, dass auch diese Entscheidung des BAG einen anderen Lebenssachverhalt betrifft, in dem nicht die Knappheit der zur Verteilung anstehenden Mittel wie beim Sozialplan das Abstellen auf die wirtschaftliche Absicherung der ArbeitnehmerInnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme vorgezogenen Altersruhegeldes unter Hinnahme der durch die höheren Abschläge geringeren Altersrente erlaubt, sondern unabhängig von einem zur Verfügung stehenden begrenzten Budget die Frage der Benachteiligung durch den kürzeren Bezug einer Versorgung zu beantworten war.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann die Klägerin Revision einlegen.
Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.
Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder
oder
von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen.
Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de/.
Dr. Gericke Reuter Mendle