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Text des Beschlusses
2 TaBVGa 9/11;
Verkündet am: 
 11.08.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
3 BVGa 19/11
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet, wenn die im kirchlichen Bereich gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten Mitarbeiter ihr Begehren auf Aussetzung einer Entscheidung des Arbeitgebers nur auf § 95 SGB IX stützt
Leitsatz des Gerichts:
§§ 2 a ArbGG, 2 Abs. 2 KAGO

Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet, wenn die im kirchlichen Bereich gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Begehren auf Aussetzung einer Entscheidung des Arbeitgebers nur auf § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX stützt, nicht dagegen auf § 52 Abs. 2 MAVO.
In dem Beschlussverfahren
mit den Beteiligten

1. A.
A-Straße, A-Stadt
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B.
B-Straße, A-Stadt

2. C. als Trägerin des Krankenhauses C A-Stadt, E
A-Straße, A-Stadt
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D. D-Straße, D-Stadt

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 11. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz und die ehrenamtlichen Richter Schäfer und Huber für Recht erkannt:

Die Beschwerde der Schwerbehindertenvertretung gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21.06.2011 – 3 BVGa 19/11 – wird zurückgewiesen.


Gründe:


I.

Die Schwerbehindertenvertretung (Antragstellerin) macht in Verbindung mit Baumaßnahmen im Krankenhaus der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) Beteiligungsrechte nach §§ 52 Abs. 2 MAVO, 95 Abs. 2 SGB IX im Verfahren der einstweiligen Verfügung geltend.

Im Zuge der Baumaßnahmen teilte die Arbeitgeberin den Mitarbeitern am 07. und 10.06.2011 mit, ein provisorischer Verbindungsgang zwischen Gebäudeteilen werde abgebrochen und Teile des Krankenhauses seien über andere Zugangswege zu erreichen.

Die Antragstellerin hat schon erstinstanzlich die Auffassung vertreten, entgegen §§ 52 Abs. 2 MAVO, 95 Abs. 2 SGB IX sei sie zu diesen Maßnahmen nicht angehört worden. Die ersten ca. 15 m des Weges in den Wirtschaftshof seien nur mit Kies bedeckt und für Rollstuhlfahrer und gehbehinderte Menschen sei der Zugang zu Teilen des Krankenhauses erschwert bis unmöglich. Der Rechtsweg zur staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit sei eröffnet. Sie hat schon erstinstanzlich folgenden Antrag gestellt:

Die Neuordnung und Benutzung von Flucht-, Transport- und Personenverkehrswegen im Zusammenhang mit dem Abbruch des provisorischen Gangs zum Speisesaal, Palliativstation, Kapelle und Konferenzspange auf dem Klinikgelände / Westseite des Krankenhauses KBBM, A-Straße in A-Stadt wird bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 52 Abs. 2 S. 1 MAVO, § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX ausgesetzt.

Dagegen vertritt die Arbeitgeberin die Auffassung, der Rechtsweg zu den staatlichen Arbeitsgerichten sei nicht gegeben. Außerdem fehle es an einem Verfügungsgrund und einem Verfügungsanspruch. Die Schwerbehindertenvertretung sei rechtzeitig und umfassend angehört worden. Der gekieste Teil des Weges über den Wirtschaftshof werde umgehend mit Platten belegt.

Mit Beschluss vom 21.06.2011 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen.

Der Antrag sei unzulässig, da der Rechtsweg zur staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit nicht eröffnet sei. Die Schwerbehindertenvertretung bei der Arbeitgeberin sei nicht nach den §§ 94 ff. SGB IX errichtet. § 87 Abs. 1 S. 2 SGB IX verweise zum Begriff des Betriebes bzw. der Dienststelle auf das Betriebsverfassungsgesetz und das Personalvertretungsrecht. Im Bereich der katholischen Kirche seien weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das Personalvertretungsrecht anzuwenden. Kirchliche Einrichtungen seien nur insoweit an das SGB IX gebunden, soweit dies zwingenden öffentlich-rechtlichen Arbeitnehmerschutz regle. Bei der Errichtung einer Schwerbehindertenvertretung und deren Beteiligungsrechten sei dies nicht der Fall. Die Mitwirkungsbefugnisse einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden der kirchenautonomen Verwaltung der Religionsgemeinschaften unterfallen. Daher sei alleine das kirchliche Arbeitsgericht zuständig.

Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 01.07.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10.07.2011 eingegangene und begründete Beschwerde der Antragstellerin. Sie rügt einen Verstoß des Arbeitsgerichts gegen Art. 103 GG, denn dieses habe sich nicht mit ihrem prozessrelevanten Vorbringen auseinandergesetzt. Im Übrigen werde ihr durch die Abweisung ihres Antrags als unzulässig der gesetzliche Richter entzogen (Art. 101 GG). Das SGB IX gelte uneingeschränkt für den kirchlichen Bereich und sei ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 137 Abs. 3 WRV. Es enthalte keinen Ausschluss für Religionsgemeinschaften wie im Betriebsverfassungsrecht. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn die MAVO günstigerere Regelungen enthalte. Gegenstand des Verfahrens sei aber nicht § 52 MAVO, sondern § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss vom 21.06.2011 aufzuheben und stellt den bereits in erster Instanz gestellten Antrag.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag zur Zuständigkeit staatlicher Arbeitsgerichte sowie zum Fehlen eines Verfügungsgrundes und eines Verfügungsanspruchs.

Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens ist der Verbindungsweg über den Wirtschaftshof auf einer Breite von 1,1 m mit Platten belegt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 09.07.2011, die am 09.07. und 10.08.2011 eingegangenen Schriftsätze der Antragstellerin sowie die Schriftsätze der Arbeitgeberin vom 02. und 10.08.2011 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 11.08.2011.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 87 Abs. 1 und 2, 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Die Beschwerde ist unbegründet, denn der gestellte Antrag ist nicht hinreichend bestimmt.

a) Nach Ansicht der Beschwerdekammer ergibt sich die Unzulässigkeit des Antrags allerdings nicht bereits aus dem fehlenden Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten für Arbeitssachen.

Nach § 2 a Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen für Angelegenheiten aus den §§ 94, 95 SGB IX zuständig, während die kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 2 der kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) für Rechtsstreitigkeiten aus der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) zuständig sind.

Die Zuständigkeit nach § 2 a Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG lässt sich nicht mit der Begründung verneinen, die Antragstellerin sei keine Schwerbehindertenvertretung nach den §§ 94 ff. SGB IX. Zum einen regelt § 52 Abs. 1 S. 1 MAVO, dass die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend den Vorschriften des SGB IX gewählt wird. Zum anderen lässt sich mit der Annahme, §§ 94 ff. SGB IX seien im kirchlichen Bereich nicht anzuwenden, eine fehlende Zuständigkeit nach § 2 a Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG nicht begründen. Ob eine Angelegenheit auf den §§ 94, 95 SGB IX vorliegt, bestimmt sich jedenfalls im vorliegenden Fall nach dem Begehren der Antragstellerin. Diese bestimmt den Verfahrensgegenstand (Schwab/Weth, ArbGG, § 2 a Rn. 119). Sie begehrt eine Aussetzung der Neuordnung und Benutzung von Wegen und stützt sich dabei auf § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX. Ihr Begehren kann sie nur mit dieser Bestimmung begründen, denn § 52 Abs. 2 MAVO regelt zwar die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht so wie § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX, enthält aber keine Regelung zur Aussetzung von Entscheidungen des Arbeitgebers. Da die Antragstellerin ihr Begehren nicht auf die MAVO stützt, handelt es sich nicht um eine Rechtsstreitigkeit aus der MAVO nach § 2 Abs. 2 KAGO.

Die Frage, ob §§ 94, 95 SGB IX im kirchlichen Bereich anzuwenden sind, betrifft damit jedenfalls im vorliegenden Fall nicht den Rechtsweg, sondern die Begründetheit des Antrags.

Dieses Ergebnis deckt sich im Ãœbrigen mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu doppeltrelevanten Tatsachen.

Danach genügt für die Bejahung der Rechtswegzuständigkeit der schlüssige Vortrag des Antragstellers, wenn es sich um eine Tatsache handelt, von deren Vorliegen sowohl die Rechtswegzuständigkeit als auch die Begründetheit abhängt (Schwab/Weth a. a. O., Rn. 119 und § 2 Rn. 235 ff. m. w. N.). Von der Frage, ob § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX im kirchlichen Bereich anzuwenden ist, hängt die Begründetheit des Antrags ab.

Soweit sich die Beklagte zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf Rechtsprechung und Literatur bezieht, nach der für Streitigkeiten zwischen der Schwerbehindertenvertretung und dem Arbeitgeber das kirchliche Arbeitsgericht zuständig ist (insbesondere LAG München vom 03.09.2009 – 4 TaBVGa 15/09 und Thiel, MAVO, § 52 Rn. 31) wird nur auf § 52 Abs. 2 MAVO eingegangen, nicht dagegen darauf, dass der Antragsteller sein Begehren auch ausschließlich auf das SGB IX stützen kann. Müller (Freiburger Kommentar zur MAVO, § 52 Rn. 24) weist allerdings zutreffend darauf hin, dass § 2 Abs. 2 KAGO nur solche Rechtsstreitigkeiten erfasst, die sich ausschließlich auf die MAVO beziehen.

b) Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht hinreichend bestimmt ist.

Nach § 253 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, der im Beschlussverfahren entsprechend anzuwenden ist (Schwab/Weth, a. a. O. § 81 Rn. 4), muss die Klage bzw. die Antragsschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Der Antrag muss geeignet sein, den Umfang der Rechtskraft der begehrten gerichtlichen Entscheidung zu bestimmen. Er muss außerdem vollstreckbar sein, und zwar auch deswegen, weil der durch die begehrte gerichtliche Entscheidung Verpflichtete wissen muss, wozu er aufgrund der gerichtlichen Entscheidung verpflichtet ist. Der Antragsgegner muss der Entscheidung unschwer entnehmen können, welches Verhalten ihm aufgegeben worden ist.

Diesen Anforderungen wird der gestellte Antrag nicht gerecht. Aus ihm ergibt sich nicht, zu welchen konkreten Maßnahmen die Arbeitgeberin verpflichtet werden soll. Der bisherige provisorische Zugangsweg ist bereits abgerissen und der Antrag bringt nicht zum Ausdruck, was mit den anderen Wegen geschehen soll, wenn ihre Neuordnung und Benutzung „ausgesetzt“ werden sollen. Auch im Anhörungstermin hat die Antragstellerin nicht zu erkennen gegeben, dass sie etwa eine Sperrung der Wege begehrt.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht daraus, dass das Gericht im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht streng an den Antrag gebunden ist und im Rahmen des Begehrens der Antragstellerin die Maßnahmen bestimmen kann, durch die die Vereitelung oder Erschwerung von Rechten bzw. wesentliche Nachteile verhindert werden können (§§ 935, 940 ZPO). Allerdings darf sich das Gericht nicht völlig vom Antragswortlaut entfernen. Wenn die ortskundige Antragstellerin keine konkreten Maßnahmen bezüglich der Wege nennen kann, so ist dies dem Gericht erst recht nicht möglich. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Aussetzung nach § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX der Erfüllung der Unterrichtungs- und Anhörungspflicht dient. Das im Antrag formulierte Begehren bezieht sich jedoch nicht direkt hierauf, sondern auf die Neuordnung und Benutzung der Wege.

c) Wegen der Unzulässigkeit des Antrags ist nicht darüber zu entscheiden, ob ein Verfügungsgrund und ein Verfügungsanspruch vorliegen.


III.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, §§ 87 Abs. 2, 72 Abs. 4 ArbGG.

Waitz Schäfer Huber
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