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Pressemitteilung
C-120/10;
Verkündet am: 
 08.09.2011
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Die Mitgliedstaaten können grundsätzlich Grenzwerte für den Lärmpegel am Boden festlegen, die Luftverkehrsgesellschaften beim Überflug von Gebieten in der Umgebung eines Flughafens einhalten müssen
Leitsatz des Gerichts:
Richtlinie 2002/30/EG

Die Mitgliedstaaten können grundsätzlich Grenzwerte für den Lärmpegel am Boden festlegen, die Luftverkehrsgesellschaften beim Überflug von Gebieten in der Umgebung eines Flughafens einhalten müssen

Falls eine solche Regelung jedoch zur Folge hat, dass Luftverkehrsgesellschaften gezwungen sind, ihre wirtschaftliche Tätigkeit aufzugeben, darf sie nur unter Beachtung der durch das Unionsrecht aufgestellten Voraussetzungen erlassen werden
Zur Verringerung von Lärmbelästigungen durch Flugzeuge auf Flughäfen der Union sind die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2002/301 berechtigt, sog. „Betriebsbeschränkungen“ zu erlassen. Diese können nur dann erlassen werden, wenn die bescheinigten Lärmpegel überschritten werden, wobei diese Lärmpegel an der Quelle, d. h. am Flugzeug selbst, gemessen werden2.

Der Flughafen Brüssel-National (Belgien) befindet sich im Gebiet der Region Flandern, doch führen die dort abgewickelten Flüge auch in geringer Höhe über die Region Brüssel-Hauptstadt.

Der vorliegenden Sache liegt ein Rechtsstreit zwischen der European Air Transport (EAT) – einer auf Frachtflüge spezialisierten Luftverkehrsgesellschaft (DHL-Gruppe) – auf der einen und der Region Brüssel-Hauptstadt (Belgien) sowie dem Umweltkollegium dieser Region auf der anderen Seite zugrunde.

Am 19. Oktober 2007 setzte die zuständige Regionalbehörde gegen EAT eine Geldbuße von 56 113 Euro wegen der nächtlichen Überschreitung der nach der regionalen Brüsseler Regelung vorgesehenen Grenzwerte fest. Nach dieser Regelung werden die Grenzwerte am Boden gemessen.

EAT hat gegen diese Entscheidung Klage erhoben. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, dass die regionale Regelung, gegen die sie verstoßen haben solle, dem Unionsrecht zuwiderlaufe, weil sie auf Grenzwerten für den Lärmpegel am Boden (und nicht an der Quelle) beruhe, was gegen die Richtlinie 2002/30 verstoße.

In diesem Zusammenhang hat der mit dem Rechtsstreit befasste Conseil d’État (Belgien) beschlossen, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das belgische Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die regionale Brüsseler Regelung zur Ahndung von Lärmbelästigungen durch den Flugverkehr als eine „Betriebsbeschränkung“ anzusehen ist, die den Vorschriften der Richtlinie 2002/30 und insbesondere der Methode unterliegt, nach der der Lärmpegel an der Quelle gemessen wird.

Der Gerichtshof weist in seinem heutigen Urteil zunächst darauf hin, dass die Union hinsichtlich der Bekämpfung von Fluglärm von einem ausgewogenen Ansatz ausgeht. Dieser von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) festgelegte Ansatz umfasst vier Hauptelemente und erfordert eine sorgfältige Prüfung der verschiedenen Lärmminderungsmöglichkeiten, zu denen die Reduzierung des Fluglärms an der Quelle, Maßnahmen zur Flächennutzungsplanung und -verwaltung, „lärmmindernde“ Betriebsverfahren sowie Betriebsbeschränkungen gehören.

Dieser ausgewogene Ansatz setzt voraus, dass Betriebsbeschränkungen nur dann zulässig sind, wenn die Ziele der Richtlinie 2002/30 nicht durch sonstige Lärmschutzmaßnahmen erreicht werden können.

Der Gerichtshof führt hierzu aus, dass eine „Betriebsbeschränkung“ im Sinne der Richtlinie 2002/30 eine vollständige oder zeitweilige Verbotsmaßnahme darstellt, die den Zugang eines Flugzeugs zu einem Flughafen eines Mitgliedstaats der Union unterbindet.

Eine Umweltschutzregelung wie die hier in Rede stehende, die Grenzwerte für den am Boden gemessenen Lärmpegel vorschreibt, die beim Überflug von Gebieten in der Umgebung eines Flughafens einzuhalten sind, stellt daher als solche keine „Betriebsbeschränkung“ dar, da sie nicht den Zugang zum betreffenden Flughafen verwehrt.

Der Gerichtshof fügt allerdings hinzu, dass die Anwendung einer Methode, mit der der Lärmpegel eines überfliegenden Luftfahrzeugs am Boden gemessen wird, zwar Teil eines ausgewogenen Ansatzes sein kann, doch ist nicht auszuschließen, dass eine Umweltschutzregelung der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Art aufgrund des maßgeblichen wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Zusammenhangs die gleiche Wirkung wie ein Zugangsverbot zu einem Flughafen hat. Wenn nämlich die in einer nationalen Regelung vorgeschriebenen Grenzwerte so streng sind, dass die Betreiber von Luftfahrzeugen gezwungen sind, ihre wirtschaftliche Tätigkeit aufzugeben, dann läuft eine derartige Regelung auf ein Zugangsverbot hinaus und stellt eine „Betriebsbeschränkung“ im Sinne der Richtlinie 2002/30 dar. Deshalb müsste eine derartige Regelung unter Beachtung der in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen erlassen werden.

Es ist Sache des belgischen Gerichts, zu prüfen, ob die von der Region Brüssel-Hauptstadt erlassenen Maßnahmen derartige Wirkungen haben.

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1 Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. März 2002 über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 85, S. 40).
2 Genauer gesagt sind nach der Richtlinie 2002/30/EG im Wesentlichen die bescheinigten Lärmpegel eines Flugzeugs zu berücksichtigen. Diese Lärmbescheinigung eines Flugzeugs wird anhand eines theoretischen Referenzsystems aus meteorologischen, geophysikalischen und betrieblichen Gegebenheiten erstellt. Dabei werden Parameter wie der Meeresspiegel, die Umgebungstemperatur, der Feuchtigkeitsgrad, anerkannte Bodenmerkmale, die Höhe des Mikrofons sowie die Flugroute und Flugparameter einbezogen.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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