Text des Beschlusses
1 TaBV 1/11;
Verkündet am:
12.07.2011
LAG Landesarbeitsgericht
München
Vorinstanzen:
4 BV 10/10
Arbeitsgericht
Kempten;
Rechtskräftig: unbekannt!
Zustimmungsverweigerung bei Verstoß gegen einen gerichtlichen Vergleich über Besetzungsbeschränkungen bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern
Leitsatz des Gerichts:
§ 99 Abs. 4 i.V. mit Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, §§ 3 und 11 BDSG
Haben BR und Arbeitgeber einen gerichtlichen Vergleich über Besetzungsbeschränkungen bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern getroffen, berechtigt ein Verstoß gegen den Vergleich den Betriebsrat nicht dazu, der Einstellung von (weiteren) Leiharbeitnehmern nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung zu verweigern.
In dem Beschlussverfahren
mit den Beteiligten
1. Firma A. K. L. GmbH
- Beteiligte zu 1 und Beschwerdegegnerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
und
2. Betriebsrat der A. K. K. GmbH
- Beteiligter zu 2 und Beschwerdeführerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 12. Juli 2011 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Mack und die ehrenamtlichen Richter Grättinger und Hiltner für Recht erkannt:
I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss
des Arbeitsgerichts Kempten vom 04.08.2010 – Az. 4 BV 10/10 wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten zum Schluss der Anhörung im Beschwerdeverfahren (nur) noch über die Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung von sieben Leiharbeitnehmer(inne)n.
Die Beteiligte zu 1.) (Arbeitgeberin, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren, im Folgenden nur noch: Arbeitgeberin) ist die Rechtsnachfolgerin der K. L. i. B. GmbH. Letztere übernahm das Krankenhaus L. mit Wirkung vom 01.10.2004 vom Landkreis L. Im Überleitungsvertrag vereinbarten die Parteien die weitere Anwendung der im öffentlichen Dienst anzuwenden Tarifverträge bis zum 30.09.2006.
Mit Wirkung vom 01.10.2006 schloss die Gewerkschaft ver.di mit der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin einen Anwendungstarifvertrag, der die weitere Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge regelte und u.a. auch Bezug nahm auf den Flächentarifvertrag ZUSI (= Zukunftssicherung) vom 23.08.2005. Gemäß § 8 TV ZUSI war während der Laufzeit des Tarifvertrags die Einstellung von nicht dem Tarifrecht unterfallenden Arbeitnehmern untersagt.
Dieser Anwendungstarifvertrag wurde von der Arbeitgeberin mit Wirkung zum 31.03.2010 gekündigt; der Tarifvertrag ZUSI lief zum 31.12.2009 ohne Nachwirkung aus.
Mit Wirkung ab 01.10.2006 schlossen die Gewerkschaft ver.di und die Arbeitgeberin desweiteren einen Konsolidierungstarifvertrag, der in § 3 u.a. eine Ausgründung von Betriebsteilen untersagte. Diesen Konsolidierungstarifvertrag kündigte die Gewerkschaft zum 31.12.2009.
Bei der Privatisierung zum 01.10.2004 hatte das nunmehr von der Arbeitgeberin betriebene Krankenhaus etwa 242 Beschäftigte. In der Folgezeit (ab 2007) stellte die Arbeitgeberin neue Arbeitnehmer nicht mehr direkt ein, sondern über den Verleiher „Dienstleistungsgesellschaft Krankenhaus L.“ (DKL), dessen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist.
Im Zusammenhang mit diesen Neueinstellungen von Leiharbeitnehmern kam es zu zahlreichen Zustimmungsersetzungsverfahren zwischen den Beteiligten, in denen der Beteiligte zu 2.), (der Betriebsrat, Antragsgegner und Beschwerdeführer) jeweils Verstöße gegen den Tarifvertrag ZUSI (über den Anwendungstarifvertrag) und gegen den Konsolidierungstarifvertrag geltend machte.
Im Rahmen eines derartigen Verfahrens schlossen die Beteiligten im Verfahren 4 BV 16/08 L vor dem Arbeitsgericht Kempten, Gerichtstag Lindau, zur Erledigung des anhängigen Verfahrens auf Vorschlag des Gerichts am 09.04.2008 folgenden nicht widerrufenen Vergleich:
1. Die Parteien vereinbaren, dass die Antragstellerin von der Einstellung von Leiharbeitern absieht, sobald die Zahl der direkt bei der Antragstellerin beschäftigten Arbeitnehmer unter 215 abgesunken ist.
2. Die Antragstellerin verpflichtet sich weiterhin, von der Einstellung von Leiharbeitern abzusehen, sobald in einer Abteilung mindestens 50 % Leiharbeiter beschäftigt sind. Dies gilt nicht für den Bereich Unterhaltsreinigung.
3. Der Betriebsrat erteilt die Zustimmung zur Beschäftigung von Frau XY.
4. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.
5. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht vom Antragsgegner schriftsätzlich zum Gericht bis zum 23.04.2008 widerrufen wird.
Am 22.03.2010 schlossen die Beteiligten einen Interessenausgleich über die Ausgliederung von vier Betriebsteilen mit insgesamt 36 Beschäftigten. Bei der Arbeitgeberin selbst waren nach der Ausgliederung ab dem 01.04.2010 noch 197 Arbeitnehmer(innen) beschäftigt.
Im Anschluss an diesen Interessenausgleich wurde der Betriebsrat ab Ende März 2010 um Zustimmung zur Einstellung von 13 Leiharbeitnehmer(innen) gebeten. Der Betriebsrat verweigerte sämtlichen Einstellungen die Zustimmung. Die Arbeitgeberin hat in allen Fällen Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht Kempten, Gerichtstag Lindau eingeleitet. In sechs Verfahren haben die Beteiligten mittlerweile übereinstimmend die Erledigung des Verfahrens erklärt; die entsprechenden Verfahren sind daraufhin eingestellt worden (vgl. Protokoll des Anhörungstermins vom 04.08.2010 (Bl. 101 d.A.) und vom 12.07.2011 (Bl. 177 d.A.). Auf die für das Verfahren noch relevanten Zustimmungsersuchen der Arbeitgeberin (Bl. 46; Bl. 51; Bl. 54; Bl. 58; Bl. 88/89; Bl. 92; Bl. 95/96 d.A.) wird Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin hat in sämtlichen Fällen die Auffassung vertreten, die Zustimmungsverweigerung sei unbegründet, weil sich der Betriebsrat zur Begründung seiner Zustimmungsverweigerung nicht auf die Vereinbarung vom 09.04.2008 im gerichtlichen Vergleich vor dem Arbeitsgericht berufen könne. Ab Auslaufen der Tarifverträge, die Anlass zu den dem Vergleich zugrundeliegenden Meinungsverschiedenheiten gegeben hätten, fehle dem Vergleich die Geschäftsgrundlage. Diese Vereinbarung stelle i.Ü. eine Betriebsvereinbarung dar, die sie, die Arbeitgeberin, mit Wirkung zum 30.06.2010 gekündigt habe.
Der Betriebsrat hat über sein in allen Fällen reklamiertes Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Verstoßes gegen den Vergleich vom 09.04.2008 hinaus seine Zustimmungsverweigerung in Einzelfällen noch zusätzlich begründet. Auf die Zustimmungsverweigerungsmitteilungen in den noch verfahrensrelevanten Fällen wird Bezug genommen (Bl. 48; 52; 55; 58; 90/91; 93 und 97 d.A.).
Bezüglich der geplanten Einstellung der Gesundheits- und Krankenpflegerinnen Frau Hä., Frau Bö. und Frau He. hat der Betriebsrat in seinen Zustimmungsverweigerungsmitteilungen zusätzlich gebeten, den Gestellungsvertrag zwischen der Schwesternschaft M. und der Arbeitgeberin vorzulegen. Nachdem die Arbeitgeberin eine Bestätigung der Schwesternschaft M. vom B. R. Kr. e.V. M. vom 16.02.2010 vorgelegt hat, wonach die Pflegerinnen Mitglieder der Schwesternschaft sind und im Rahmen eines Gestellungsvertrags mit der Arbeitgeberin eingesetzt werden (Bl. 85 d.A.), hat der Betriebsrat diesbezügliche Einwendungen erstinstanzlich zunächst nicht weiterverfolgt.
Der Zustimmungsverweigerung von Frau Bo. und Frau Wi., die als Leiharbeitnehmerinnen im Personalwesen (Assistentin Controlling bzw. Personalreferentin) eingesetzt werden sollten, hat der Betriebsrat jeweils folgenden Satz beigefügt:
„Die Mitarbeiter der A. K. L. haben in ihrem Arbeitsvertrag der Einsicht „Dritter“ nach dem Bundes- und Bayer. Datenschutzgesetz in ihre Personalakten nicht zugestimmt.“
Die Zustimmungsverweigerung bezüglich der Einstellung von Frau Bo., die zum 12.07.2010 eingestellt werden sollte, enthält noch folgenden weiteren Zusatz:
„Die innerbetriebliche Stellenanzeige erfolgte am 24.06.2010. Frau Bo. bewarb sich mit Datum 26.06.2010 in O.
Laut § 2 Betriebsvereinbarung innerbetriebliche Stellenausschreibung beträgt die Aushangzeit 7 Tage, Betriebsangehörige haben bis 14 Arbeitstage nach Aushang Gelegenheit sich zu bewerben. Der Antrag auf Einstellung erfolgte am 01.07.2010. Die Fristen wurden nicht eingehalten.“
Die angeführte Betriebsvereinbarung „innerbetriebliche Stellenausschreibung“ lautet auszugsweise:
§ 1 Ausschreibungsumfang, Ausnahmeregelungen
Alle im Betrieb zu besetzenden Stellen werden zunächst innerbetrieblich ausgeschrieben. Erst wenn die Ausschreibung erfolglos bleibt, werden Bemühungen um eine außerbetriebliche Besetzung angestellt. Bei sofort erforderlichen Einstellungen von Aushilfen sind nach Absprache mit dem Betriebsrat Abweichungen von dieser Verfahrensweise möglich.
§ 2 Fristen
Die Ausschreibungen erfolgen zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach der Entscheidung über die Schaffung bzw. Neubesetzung einer Stelle. Die innerbetriebliche Aushangzeit beträgt eine Woche. Innerhalb dieser Zeit - spätestens am 14. Arbeitstag nach Aushang der Ausschreibung – sollen eventuelle Bewerbungen in der Personalabteilung vorliegen. Betriebsangehörige, die sich erst nach Ablauf dieser Zeit bewerben, sind gemäß den Bestimmungen in § 3 zu behandeln, falls zum Zeitpunkt der Bewerbung noch keine Besetzungsentscheidung getroffen worden ist.
§ 3 Vorrangregelung
Innerbetriebliche Bewerber/innen haben grundsätzlich bei gleichwertigen erforderlichen Qualifikation Vorrang vor außerbetrieblichen. Sofern sich für einen Arbeitsplatz mehrere Bewerber/innen melden, ist neben der Eignung die Frage zu berücksichtigen, ob im Fall einer positiven Entscheidung eine Kündigung vermieden oder aus einem befristeten Arbeitsverhältnis ein unbefristetes werden kann.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es für die ausgeschriebene Stelle weder bis zum 01.07.2010 noch später eine innerbetriebliche Bewerbung gegeben hat.
Das Arbeitgericht Kempten hat mit Beschluss vom 04.08.2010, auf den hinsichtlich der gestellten Anträge, der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Ausführungen Bezug genommen wird, die Zustimmung des Betriebsrats zu den Einstellungen der Leiharbeitnehmer(innen) ersetzt.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Zustimmungsverweigerung komme deswegen nicht in Betracht, weil die Geschäftsgrundlage des Vergleichs vom 09.04.2008, nämlich die Geltung der Tarifverträge, nach Ablauf dieser Tarifverträge entfallen sei. Es sei der Arbeitgeberin nicht mehr zumutbar, am Vergleich festzuhalten. Außerdem handele der Betriebsrat treuwidrig, wenn er sich nunmehr auf die Geltung dieser Vereinbarung berufe, deren Anwendbarkeit er zuvor in zahlreichen anderen Zustimmungsersetzungsverfahren nicht habe akzeptieren wollen.
Gegen den am 15.12.2010 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Betriebsrat am 04.01.2011 Beschwerde eingelegt und diese am 11.02.2011 begründet.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass der Vergleich vom 09.04.2008 nach wie vor fortgelte. Als gerichtlicher Vergleich habe dieser eine Doppelnatur und gelte trotz der Kündigung durch die Arbeitgeberin vom 30.06.2010 weiter. Etwaige Einwendungen gegen den Vergleich könne die Arbeitgeberin nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend machen; bis dahin biete der Vergleich einen Grund für den Betriebsrat, seine Zustimmung zur Einstellung von Leitarbeitnehmern zu verweigern.
Die Einstellung der Mitarbeiterinnen Frau Wi. und Frau Bo. sei vom Betriebsrat zu Recht wegen Verstoßes gegen das BDSG verweigert worden, weil die Belegschaft in die Weitergabe ihrer Daten an Dritte nicht eingewilligt habe. Die Stellenausschreibung für Frau Bo. sei nicht korrekt erfolgt. Der Gestellungsvertrag zwischen der Schwesternschaft M. des B. R. Kr. e.V. sei dem Betriebsrat nicht vorgelegt worden.
Der Betriebrat beantragt zu Schluss der mündlichen Anhörung vor der Kammer:
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 04.08.2010, Az.: 4 BV 10/10 wird aufgehoben und die Anträge der Arbeitgeberin, die Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitnehmer We., Hä., Bö., He., Bo., R., Wi. zu ersetzen, werden abgewiesen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und dessen Ausführungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vergleichs vom 09.04.2008. Der Gestellungsvertrag zwischen ihr und der Schwesternschaft habe nicht vorgelegt werden müssen. Es sei nachgewiesen worden, dass die betreffenden Pflegerinnen Mitglied der Schwesternschaft seien. Eine Umgehung des AÜG könne in der Gestellung von Mitgliedern der Schwesternschaft nicht gesehen werden. Ein „Verstoß gegen das Datenschutzgesetz“ sei erstinstanzlich nicht expressis verbis gerügt worden; insoweit sei eine Geltendmachung im Beschwerdeverfahren verspätet. Leiharbeitnehmer seien i.Ü. keine „Dritten“ i.S. der Datenschutzgesetze. Die Aushangzeit von sieben Tagen nach § 2 der Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Stellenausschreibung sei eingehalten worden. Diese Frist sei mit dem Aushang am 24.06.2010 am 01.07.2010 abgelaufen. Da bis zum Abend des 01.07.2010 keine innerbetriebliche Bewerbung vorgelegen habe, sei der Einstellungsantrag für Frau Bo. der Geschäftsleitung vorgelegt und am 02.07.2010 dem Betriebsrat weitergeleitet worden. Letzteres ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Im Anhörungstermin vor der Kammer vom 12.07.2010 hat das Gericht die Beteiligten auf den bislang nicht erörterten Umstand hingewiesen, dass ein Verstoß gegen einen gerichtlichen Vergleich keinen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG darstelle, ebenso auf die Problematik einer Umdeutung des Vergleichs in eine oder Auslegung als Betriebsvereinbarung.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf den Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 09.02.2011 und den Beschwerdeerwiderungsschriftsatz vom 14.04.2011 verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Arbeitgericht hat im Ergebnis zu Recht die Zustimmung des Betriebsrats zu den noch zur Entscheidung des Gerichts gestellten Einstellungen nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt. Dem Betriebsrat steht ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht zu. Keiner der in dieser Vorschrift abschließend aufgezählten Tatbestände für die Zustimmungsverweigerung liegt vor:
1. Auf einen Verstoß gegen einen Tarifvertrag kann sich der Betriebsrat nicht berufen.
Der Tarifvertrag ZUSI und der Konsolidierungstarifvertrag waren bereits zum 31.12.2009 ausgelaufen, der Anwendungstarifvertrag war zum 31.03.2010 gekündigt worden. Sämtliche personelle Einzelmaßnahmen, bezüglich derer in der Beschwerdeinstanz noch Zustimmungsersetzungsverfahren anhängig sind, betreffen Einstellungen nach dem 31.03.2010.
2. Einem Verstoß gegen einen gerichtlichen Vergleich kann der Betriebsrat jedenfalls nicht mit einer Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begegnen.
Es kann deshalb mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob der im Verfahren 4 BV 16/08 L vom 09.04.2008 geschlossene Vergleich noch Rechtswirkungen zwischen den Beteiligten erzeugt und ein eventueller Verstoß auf andere Weise betriebsverfassungsrechtlich sanktioniert werden kann.
Ein gerichtlicher Vergleich ist mit einer gerichtlichen Entscheidung i.S. von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht gleichzusetzen. Bei den gerichtlichen Entscheidungen handelt es sich um der Rechtskraft fähige Urteile und Beschlüsse, nicht aber um zwischen Prozessbeteiligten ausgehandelte Verträge, die nur zwischen letzteren, nicht aber auch gegenüber Dritten wirken. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut (Entscheidung, nicht: Titel), sondern auch aus der Gleichstellung des Begriffs „gerichtliche Entscheidung“ mit dem übrigen Verweigerungskatalog des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Sämtliche aufgeführten Verweigerungsgründe wie „Gesetz“, „Verordnung“, „Unfallverhütungsvorschrift“, „Betriebsvereinbarung“ und „behördliche Anordnung“ wirken mit Normcharakter bzw. hoheitlicher Befugnis (Verwaltungsakt) unmittelbar und zwingend auch gegenüber einem nicht vom Prozessrechtsverhältnis bestimmten Adressatenkreis.
Auch aus dem Umstand, dass die formlose Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die Regelungsabrede, die lediglich zwischen den Betriebspartnern wirkt und keine normative Wirkung auf den Inhalt der Arbeitsverhältnisse hervorruft (vgl. BAG vom 14.02.1991, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Kurzarbeit), nicht im Zustimmungsverweigerungskatalog des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG aufgeführt ist, folgt, dass Vereinbarungen ohne unmittelbare Drittwirkung den Betriebsrat nicht berechtigen, einer geplanten Einstellung die Zustimmung zu versagen.
3. Es kann dahinstehen, ob der Vergleich vom 09.04.2008 nach den objektiven Kriterien für die Gesetzes- und Tarifauslegung als Betriebsvereinbarung ausgelegt werden könnte (vgl. dazu BAG v. 11.12.2007, AP Nr. 37 zu § 77 BetrVG 1972 BV) und ob die Formvorschriften des § 77 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BetrVG als gewahrt angesehen werden könnten.
Selbst wenn der Vergleich vom 09.04.2008 (auch) eine wirksame Betriebsvereinbarung dargestellt hätte, wäre diese durch Kündigung seitens der Arbeitgeberin vom 30.06.2010 ausgelaufen. Eine Nachwirkung käme nach § 77 Abs. 6 BetrVG nicht in Betracht, weil eine Betriebsvereinbarung über Besetzungsbeschränkungen für die Zahl von Leiharbeitnehmern keine Angelegenheit i.S. von § 87 Abs. 1 und 2 BetrVG darstellt, in der ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt.
Das hat zur Folge, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag eine wirksame Betriebsvereinbarung als Zustimmungsverweigerungsgrund gar nicht mehr hätte vorliegen können. Nur auf diesen Zeitpunkt ist im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, ist Verfahrensgegenstand eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nämlich nur, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und künftig zulässig ist, nicht aber die Frage, ob sie im Zeitpunkt der Antragstellung zulässig war (BAG v. 25.01.2005, NZA 2005, 1199; BAG v. 12.11.2002, BAGE 103, 304 zu B I 2 der Gründe).
4. Der Betriebsrat hat bezüglich der Einstellung der Leiharbeitnehmerinnen Frau Wi. und Frau Bo. kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz.
Abgesehen davon, dass in den Betrieb integrierte und dem Weisungsrecht des Entleihers unterstehende Leiharbeitnehmer bereit keine „Dritten“ i.S. des BDSG sind, § 3 Abs. 4 Nr. 8 Satz 2 BDSG, wäre der Arbeitgeber auch nach § 11 Abs. 1 BDSG zur Beauftragung Dritter mit Personaldatenverwaltung und -verarbeitung berechtigt, weil er für die Einhaltung der Datenschutzvorschriften weiterhin eigenverantwortlich haftet.
Ausschlaggebend ist aber, dass der Betriebsrat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur verweigern darf, wenn diese Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen lediglich dann gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (BAG v. 21.07.2009, NZA 2009, 1156; BAG v. 25.01.2005, NZA 2005, 1199; BAG v. 28.06.1994, BAGE 77, 165).
Wie sich bereits aus der Existenz der §§ 3 und 8 BDSG ergibt, verbietet das BDSG die Einstellung von Leiharbeitnehmern gerade nicht, weil es die Bearbeitung von Arbeitnehmerdaten auch durch Dritte zulässt und damit den Arbeitgeber nicht dazu zwingt, die Vorschriften des Arbeitnehmerdatenschutzes lediglich durch eigene Arbeitnehmer wahrnehmen zu lassen.
5. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zur Einstellung von Frau Bo. nicht mit der Begründung verweigern, die Arbeitgeberin habe gegen die Fristenregelung in § 2 der Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Ausschreibung verstoßen.
a) Wie das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 18.11.1980 (DB 1981, 998) entschieden hat, wenden sich Fristenregelungen in einer Betriebsvereinbarung über eine innerbetriebliche Stellenausschreibung in erster Linie an die Mitarbeiter, die an einer ausgeschriebenen Stelle interessiert sind, und sagen ihnen, innerhalb welcher Frist diese sich melden und ihr Interesse bekunden können.
Eine Besetzungssperre im Sinne einer Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Bewerber kann einer derartigen Regelung allein nicht beigemessen werden (BAG a.a.O.). Eine Besetzungssperre hätte sich hier allenfalls aus einem Zusammenspiel des § 2 mit den Vorschriften in §§ 1 und 3 der Betriebsvereinbarung ergeben können bei einem Konkurrenzverhältnis zwischen internen und externen Bewerbern. In diesem Fall hätte der Betriebsrat einen Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG rügen können. Dies hat der Betriebsrat aber weder getan – ein Nachschieben von Zustimmungsverweigerungsgründen nach Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wäre ohnehin nicht möglich (BAG v. 17.11.2010, DB 2011, 884) – noch ist es überhaupt zu einer Bewerberkonkurrenz gekommen.
b) Es liegt auch kein nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu sanktionierender Verstoß gegen die Fristenregelung in § 2 der Betriebsvereinbarung vor.
Zwar hätten sich betriebsinterne Bewerber noch bis zum Ablauf des 01.07.2010 auf die am 24.06.2010 ausgeschriebene Stelle bewerben können, § 187 Abs. 1 i.V. mit § 188 Abs. 2 BGB, da die Betriebsvereinbarung nicht vorschreibt, dass die Bewerbung bis zum Abschluss der betriebsüblichen Arbeitszeit bei der Arbeitgeberin eingegangen sein muss. Die betreffende Besetzungsentscheidung zu Gunsten von Frau Bo. ist ausweislich des Eingangsstempels beim Betriebsrat aber erst am 02.07.2010, also nach Ablauf der Frist, an diesen weitergeleitet worden. Im Übrigen würde es ein rechtsmißbräuchliches Verhalten des Betriebsrats darstellen, wenn dieser in einem Fall, in dem nach eigener Kenntnis bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 08.07.2010 keine innerbetriebliche Bewerbung vorliegt, einen rein formalen Verstoß ohne Konsequenzen für die betriebliche Praxis rügt.
6. Die Einstellung der Gesundheits- und Krankenpflegerinnen Frau Hä., Frau Bö. und Frau He. verstößt nicht gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, insbesondere nicht gegen § 14 Abs. 3 Satz 2 AÜG.
Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG liegt deshalb nicht vor.
Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, dem Betriebsrat den zwischen ihr und der Schwesternschaft M. vom B. R. Kr. e.V. geschlossenen Gestellungsvertrag vorzulegen.
Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 AÜG bezieht sich nur auf die Überlassung von Leiharbeitnehmern. Schwestern des B. R. Kr. sind keine Arbeitnehmerinnen, wenn sie auf Grundlage ihrer Mitgliedschaft zum R. Kr. tätig werden (BAG v. 06.07.1995, NZA 96, 33). Dass die drei Gesundheits- und Krankenpflegerinnen Mitglieder der Schwesternschaft des B. r. Kr. e.V. sind, hat die Arbeitgeberin mit Vorlage der diesbezüglichen, vom Betriebsrat nicht in Frage gestellten Bestätigung der Schwesternschaft vom 16.06.2010 nachgewiesen.
III.
Gegen dieses Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben; auf § 92 a ArbGG wird hingewiesen.
Mack Grättinger Hiltner-----------------------------------------------------
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