Text des Urteils
1 U 7/11;
Verkündet am:
30.06.2011
OLG Oberlandesgericht
Naumburg
Vorinstanzen:
5 O 1089/10
Landgericht
Halle;
Rechtskräftig: unbekannt!
Nach einem rechtskräftigen Versäumnisurteil auf Schadensersatz fehlt es einer Klage auf Feststellung, dieser Anspruch sei aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung begründet, am Feststellungsinteresse
Leitsatz des Gerichts:
Nach einem rechtskräftigen Versäumnisurteil auf Schadensersatz fehlt es einer Klage auf Feststellung, dieser Anspruch sei aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung begründet, am Feststellungsinteresse.
Anders als ein Vollstreckungsbescheid darf ein Versäumnisurteil erst nach der von § 331 Abs. 1 ZPO geforderten Schlüssigkeitsprüfung ergehen. Im Rahmen von § 850 f Abs. 2 ZPO kann der Rechtspfleger in diesem Fall den Klagevortrag heranziehen, um die Frage zu beantworten, ob eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorliegt.
Für die Herausnahme einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung aus der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO, setzt die Feststellungsklage nach § 184 Abs. 1 InsO voraus, dass der Schuldner einer nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldeten Forderung widersprochen hat.
In dem Rechtsstreit
…
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 23.6.2011 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann, den Richter am Oberlandes- gericht Grimm und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6.12.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (5 O 1089/10) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 2.000,-- Euro festgesetzt.
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten und der Mitverklagten J. H. Schadensersatz (u.a.) im Zusammenhang mit einem Seminarvertrag.
Dieses Verfahren lief beim Landgericht Halle unter dem Aktenzeichen 5 O 1763/09. Da der Beklagte in diesem Verfahren nicht fristgemäß eine Verteidigungsanzeige abgegeben hat, wurde er vom Landgericht durch ein Teilversäumnisurteil antragsgemäß zur Zahlung von 5.172,06 Euro verurteilt. Dieses Teilversäumnisurteil ist rechtskräftig geworden, während das Verfahren gegen J. H. streitig weiterlief. Nach Eintritt der Rechtskraft des Teilversäumnisurteils hat die Klägerin sowohl gegenüber dem Beklagten, als auch gegenüber J. H. beantragt, festzustellen, dass der Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung begründet ist. Hinsichtlich des Beklagten hat das Landgericht das Verfahren abgetrennt und als neues Verfahren weitergeführt, das nur den vorgenannten Feststellungsantrag als Streitgegenstand hat.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Mit Beschluss vom 11.3.2011 hat der Senat dem Beklagten für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Das Rechtsmittel hat Erfolg:
Die von der Klägerin gegen den Beklagten erhobene Feststellungsklage ist abzuweisen, weil es – entgegen der Ansicht des Landgerichts – jedenfalls am erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt. Soweit ersichtlich kann die Frage, ob der Klageanspruch als ein solcher aus dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung begründet ist, nur im Rahmen von § 850 f Abs. 2 ZPO bzw. im Rahmen von § 302 Nr. 1 InsO Bedeutung erlangen:
Für die Entscheidung über die Herabsetzung der Pfändungsfreigrenze i.S.v. § 850 f Abs. 2 ZPO ist der Rechtspfleger zuständig (Zöller/Stöber ZPO, 28. Aufl., § 850 f, Rn. 15). Grundlage für die Entscheidung ist der Vollstreckungstitel. Nach der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.11.1989 (III ZR 215/88 – BGHZ 109, 275, 279 -) kann eine Entscheidung möglicherweise dann problematisch werden, wenn sich aus dem Titel (Tenor/ Entscheidungsgründe/Klägervorbringen) die vorsätzliche unerlaubte Handlung nicht ergibt (vom BGH entschieden für einen Vollstreckungsbescheid als Titel: Beschluss vom 26.9.2002 – IX ZB 180/02 – [BGHZ 152, 166, 169]; Urteil vom 18.5.2006 – IX ZR 187/04 – [NJW 2006, 2922, 2923]). Hintergrund der vorgenannten Entscheidungen war jeweils die Überlegung, dass der Vollstreckungsbescheid nicht geeignet ist, den mit ihm geltend gemachten Anspruch festzulegen, weil der zugrunde liegende Mahnbescheid auf den einseitigen, vom Gericht nicht materiell-rechtlich geprüften Angaben des Gläubigers beruht. Eine vergleichbare Situation ergibt sich für ein Versäumnisurteil als Titel nicht. Zwar enthält das Teilversäumnisurteil vom 15.4.2010 weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe. Anders als ein Vollstreckungsbescheid darf ein Versäumnisurteil aber erst nach der von § 331 Abs. 1 ZPO geforderten Schlüssigkeitsprüfung (dazu als Voraussetzung im Rahmen von § 850f Abs. 2 ausdrücklich BGH Urteil vom 18.5.2006 – a.a.O. -) ergehen. So entspricht es der h.M., dass auch ein sachlich entscheidendes Versäumnisurteil der materiellen Rechtskraft fähig ist. Da dieses – wie vorliegend – regelmäßig weder einen Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält, ist bei einem Versäumnisurteil gegen den Beklagten neben der Urteilsformel ergänzend auf den Klageinhalt, also auf das Vorbringen des Klägers abzustellen (BGH Urteil vom 12.1.1987 – II ZR 154/86 – [NJW-RR 1987, 831, 832]), weil dieses Vorbringen nach § 331 Abs. 1 ZPO als zugestanden gilt. D.h.: Im Rahmen von § 850 f Abs. 2 ZPO kann auch der Rechtspfleger den Klagevortrag heranziehen, um die Frage zu beantworten, ob eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorliegt. Der Klageanspruch wurde dabei ausdrücklich (Klageschrift S. 5) auf eine Betrugshandlung gestützt, die ihrerseits nur vorsätzlich begangen werden kann. Da mithin dem Rechtspfleger eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zur Verfügung steht, handelt es sich bei dem Antrag nach § 850 f Abs. 2 ZPO um den gegenüber einer Feststellungsklage einfacheren und kostengünstigeren Weg, sodass das Feststellungsinteresse zu verneinen ist.
Für § 302 Nr. 1 InsO gilt, dass die Feststellungsklage nach § 184 Abs. 1 InsO voraussetzt, dass der Schuldner einer angemeldeten Forderung widersprochen hat. Tut er dies nicht und entspricht die Anmeldung den Voraussetzungen von § 174 Abs. 2 InsO, wird die Forderung aus der Restschuldbefreiung ausgenommen. D.h. auch insoweit stellt die Anmeldung der Forderung den einfacheren und günstigeren Weg jedenfalls solange dar, bis ein Widerspruch des Schuldners vorliegt. Dass dies vorliegend der Fall ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
An dieser bereits im Prozesskostenhilfebeschluss dargelegten Ansicht hält der Senat fest. Die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 6.6.2011 rechtfertigen keine abweichende Bewertung. Nach der oben zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1987 ist bei einem Versäumnisurteil immer auch der zugestandene Klagevortrag zu berücksichtigen, sodass keine Rede davon sein kann, dass der Rechtspfleger allein auf den Tenor abstellen kann. Er muss – quasi als Tatbestand – auch den Klagevortrag seiner Entscheidung zugrunde legen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.
Das Feststellungsinteresse der Klägerin hat das Landgericht bei der Streitwertbemessung mit 2.000,-- Euro bewertet. Dieser Bewertung schließt sich der Senat auch für die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren an.
gez. Dr. Tiemann gez. Grimm gez. Göbel-----------------------------------------------------
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