Text des Urteils
1 Ss 10/11;
Verkündet am:
19.05.2011
OLG Oberlandesgericht
Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Bewusstsein, gefährliches Werkzeug iSd. § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB bei sich zu führen, liegt bei Schusswaffen nahe
Leitsatz des Gerichts:
Das Bewusstsein, ein gefährliches Werkzeug i. S. d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB bei sich zu führen, liegt bei Schusswaffen nahe. Dies gilt im besonderen bei berufsmäßigen Waffenträgern, die im Hinblick auf die von ihnen zu führenden Waffen und den von diesen ausgehenden Gefahren nicht nur geschult werden, sondern die durch die ihnen im Zusammenhang mit dem Führen einer Dienstwaffe durch Dienstanweisungen auferlegten Pflichten gedanklich ständig mit der Dienstwaffe befasst sind. Es ist daher bei ihnen davon auszugehen, dass ihnen im Dienst das Mitführen ihrer Dienstwaffe permanent bewusst ist.
Allerdings können sich im Einzelfall auch bei berufsmäßigen Waffenträgern Zweifel am notwendigen Bewusstsein, eine Waffe bei sich zu führen, ergeben. Hierzu bedarf es aber besonderer Umstände, die durch das Tatgericht festzustellen sind.
In der Strafsache
gegen
1.) …
2.) …
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg in der Sitzung vom 19. Mai 2011, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Krüger als Vorsitzender, Richter am Oberlandesgericht Halves und Richterin am Landgericht Schwick als beisitzende Richter, Staatsanwalt Wetzel als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, Rechtsanwalt Nd. als Verteidiger des Angeklagten L. , Rechtsanwalt K. als Verteidiger des Angeklagten N. , Justizobersekretärin Dorniß als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 04. November 2010 im Schuld- und Strafausspruch aufgehoben. Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten, soweit diese nicht die innere Tatseite des Diebstahls mit Waffen betreffen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Amtsgericht hat die Angeklagten des Diebstahls mit Waffen für schuldig befunden und gegen sie jeweils eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Hinsichtlich eines weiteren angeklagten Diebstahls mit Waffen hat es die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Das Landgericht hat auf die Berufung der Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts unter Aufrechterhaltung des Freispruchs teilweise abgeändert und die Angeklagten wegen ( einfachen ) Diebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat es als unbegründet verworfen.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 30. Juni 2008 ereignete sich gegen 18.00 Uhr auf der Bundesautobahn 9 in Höhe Kilometer 84 in Fahrtrichtung München ein Verkehrsunfall, an dem unter anderem ein mit Waschmitteln und Reinigungsprodukten beladener Lastkraftwagen beteiligt war.
Die ab 22.00 Uhr als Polizeibeamte zur Sicherung der Unfallstelle eingesetzten Angeklagten beluden anläßlich ihres Einsatzes, einvernehmlich handelnd und die Handlungen des jeweils anderen billigend, noch an der Unfallstelle, aber auch noch nach der Verbringung des Aufliegers auf den Hof des Bergeunternehmens, den Kofferraum ihres Dienstwagens mit aus dem Unfallereignis herrührenden, nicht freigegebenen Reinigungs- und Waschmittelprodukten im Warenwert von 677,00 Euro, um diese für sich bzw. ihre Kollegen zu verwenden.
Während ihres routinemäßigen, ohne besondere Vorkommnisse verlaufenden Einsatzes trugen die nicht als besonders vergeßlich geltenden und nicht durch besondere persönliche Umstände belasteten Angeklagten gemäß der für sie geltenden Dienstanweisung ihre geladenen und schussbereiten Dienstwaffen – Sig Sauer P 225 – im Halfter bei sich.
II.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ergibt, dass der Schuldspruch keinen Bestand haben kann.
Für berufsmäßige Waffenträger, die während ihres Dienstes einen Diebstahl begehen, ergibt sich aus § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB keine Einschränkung. Zwar führt der Täter hier die Waffe in Erfüllung einer Dienstpflicht; er ist dadurch aber nicht weniger gefährlich als ein anderer Täter, der eine Waffe bei sich führt ( vgl. Fischer, StGB § 244 Rdn. 12 m.w.N. ). Dies hat das Landgericht zutreffend gesehen.
Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten bei der Tat ihre Dienstwaffen nicht bewusst gebrauchsbereit bei sich gehabt, hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Subjektiv setzt das Beisichführen im Fall des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB voraus, dass der Täter die Waffe oder das gefährliche Werkzeug bewusst gebrauchsbereit bei sich hat ( BGH NStZ-RR 97, 50; 03, 12; 05, 340; OLG Schleswig NStZ 04, 212,213 ). Eine Verwendungsabsicht, auch in der Form des Vorbehalts, ist insoweit nicht erforderlich ( BGH NStZ-RR 05, 168,169 ).
Vielmehr reicht das allgemeine, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichtete Bewusstsein, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen, aus ( vgl. OLG Schleswig aaO ).
Das Bewusstsein, das Werkzeug als gefährlich bei sich zu führen, liegt bei Schusswaffen nahe ( vgl. BGH NStZ-RR 05, 340 ) und gilt nach Auffassung des Senats im besonderen für berufsmäßige Waffenträger, die im Hinblick auf die Waffen und den von ihnen ausgehenden Gefahren nicht nur geschult, sondern durch die Auferlegung von Pflichten im Zusammenhang mit dem Führen einer Dienstwaffe durch Dienstanweisungen über das Führen der Waffen gedanklich ständig mit ihnen befasst sind, so dass bei ihnen von einem permanenten Bewusstsein im Hinblick auf das Führen bei einer im Dienst mit geführten Waffe auszugehen ist.
Allerdings können sich im Einzelfall auch bei berufsmäßigen Waffenträgern Zweifel am notwendigen Bewusstsein, eine Waffe zu tragen, ergeben. Hierzu bedarf es aber besonderer Umstände, die durch das Tatgericht festzustellen sind.
Solche besonderen Umstände hat das Landgericht nicht festgestellt. Danach waren die nicht als besonders vergesslich geltenden Angeklagten zur Zeit der Tat weder durch persönliche Umstände, noch durch die Situation vor Ort in irgend einer Weise beeinträchtigt. Es lag vielmehr ein routinemäßiger Einsatz ohne besondere Vorkommnisse vor, der zu Zweifeln am notwendigen Bewusstsein, eine Waffe zu tragen, keinen Anlass bot.
Die von dem Landgericht an die Feststellung des Bewusstseins des „Bei-sich-Führens“ gleichwohl gestellten, besonders strengen Anforderungen sind vor dem Hintergrund fehlender besonderer Umstände rechtsfehlerhaft. Es lag vielmehr eine Konstellation vor, in der das Bewusstsein der Angeklagten gleichsam „auf der Hand“ liegt (vgl. BGH StV 2003,26,27 ).
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs.
Daneben hält es der Senat auch nicht für ausgeschlossen, dass sich in der erneuerten Hauptverhandlung noch Umstände feststellen lassen, die – frei von Rechtsfehlern – den Schluss auf ein fehlendes Bewusstsein des „Bei-sich-Führens“ zulassen könnten.
Die übrigen Feststellungen konnten deshalb aufrechterhalten werden. Die noch möglichen Feststellungen betreffen allein die Frage des Bewusstseins und damit die innere Tatseite des Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr.1a StGB.
Infolge der Aufhebung des Schuldspruchs fällt auch der Strafausspruch der Revision anheim.
Im Umfang der Aufhebung hat der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 2 StPO an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.
gez. Krüger gez. Halves gez. Schwick-----------------------------------------------------
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