Text des Beschlusses
10 W 58/10;
Verkündet am:
11.02.2011
OLG Oberlandesgericht
Naumburg
Vorinstanzen:
4 O 1023/05
Landgericht
Dessau-Roßlau;
Rechtskräftig: unbekannt!
Kosten eigenen Anwalts eines Versicherungsnehmers bei Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer und des Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer sind nur in Sonderfällen erstattungsfähig
Leitsatz des Gerichts:
Die Kosten eines eigenen Anwalts eines Versicherungsnehmers bei Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer und des Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer sind nur in Sonderfällen erstattungsfähig. Ein solcher liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer mit Hilfe eines Anwalts eigene Ansprüche geltend macht und anschließend der Gegner Widerklage erhebt und die Versicherung im Wege der Drittwiderklage in das Verfahren einbezogen wird.
In der Beschwerdesache
…
…
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Holthaus als Einzelrichter am 11.02.2011 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2.) vom 12.10.2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss II (I. Instanz) des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 30.09.2009 (Az. 4 O 1023/05) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu 2.) zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 297,61 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Beklagte zu 2.) hat seine sofortige Beschwerde vom 12.10.2009 gegen den im Tenor genannten Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem das Landgericht den vom Beklagten zu 2.) zu tragenden Anteil an den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers und Widerbeklagten bezüglich der Widerklage festgesetzt hat, mit Schriftsatz vom 11.10.2010 „neu begründet“.
Er verweist auf § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO und meint, dass das Landgericht richtigerweise die dem Kläger insgesamt aufgrund seiner Vertretung durch die Rechtsanwälte T. pp. (in der Parteirolle als Kläger) und die Rechtsanwälte R. pp. (in der Parteirolle als Widerbeklagter) entstandenen außergerichtlichen Kosten der Höhe nach mit denjenigen hätte vergleichen müssen, die entstanden wären, wenn der Kläger in beiden vorerwähnten Parteirollen nur durch einen einzigen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Diese Vergleichsberechnung ergäbe, dass die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und Widerbeklagten insgesamt 1.915,39 Euro betrügen. Hiervon habe er, der Beklagte zu 2.), nach der Kostengrundentscheidung im Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 26.02.2009 (Az. 1 U 76/08) 67 % zu tragen, mithin 1.283,31 Euro. Demgegenüber habe das Landgericht zu Unrecht die von ihm, dem Beklagten zu 2.), allein zu tragenden anteiligen außergerichtlichen Kosten des Klägers und Widerbeklagten auf 852,47 Euro (festgesetzt mit dem im Tenor genannten Kostenfestsetzungsbeschluss II – I. Instanz) und auf 1.026,06 Euro (festgesetzt im Kostenfestsetzungsbeschluss V – I. Instanz; vgl. hierzu den Beschluss des Beschwerdegerichts zu dem Az. 10 W 61/10 KfB) festgesetzt, mithin auf insgesamt 1.878,53 Euro.
II.
1. Die nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 11 RPflG statthafte und gemäß § 569 Abs. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2.) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss II (I. Instanz) des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 30.09.2009 ist zulässig.
Der Beklagte zu 2.) hat der Soll-Vorschrift des § 571 Abs. 1 ZPO entsprochen und die Beschwerde begründet. Dass er mit dem Schriftsatz vom 11.10.2010 die Beschwerde „neu begründet“ und den Begründungsinhalt im Vergleich zur Beschwerdeschrift vom 12.10.2009 ausgewechselt hat, steht – entgegen der anderslautenden Auffassung der Kläger- und (Dritt-) Widerbeklagtenvertreter im Schriftsatz vom 18.10.2010 – der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Zum einen ist eine Begründung, wie ausgeführt und wie aus § 571 Abs. 1 ZPO zu entnehmen, fakultativ. Könnte der Beschwerdeführer sogar gänzlich auf eine Begründung verzichten, kann es kein Zulässigkeitshindernis darstellen, wenn er den Begründungsinhalt lediglich verändert. Zum anderen verdeutlicht auch der Rechtsgedanke aus § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO, dass eine Veränderung des Begründungsinhalts im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zulässig ist. Soweit die Kläger- und (Dritt-) Widerbeklagtenvertreter meinen, es gehe um eine „nun [d. h. erst mit dem Schriftsatz vom 11.10.2010] erhobene Beschwerde“, die verfristet sei, verkennen sie, dass der Beklagte zu 2.), soweit es den hier angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss anbetrifft, keinesfalls die sofortige Beschwerde zurückgenommen hat, sondern die sofortige Beschwerde vom 30.09.2009 ausdrücklich aufrechterhalten und in der Folge lediglich „neu begründet“ hat. Der Wortlaut des Beklagtenschriftsatzes vom 11.10.2010 ist insoweit eindeutig.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.
a) Der abstrakte Ausgangspunkt der Beschwerde ist richtig.
Nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Anwälte einer Partei vom unterlegenen Gegner nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Anwaltes nicht übersteigen oder in der Person des Anwalts ein Wechsel erforderlich war. Die Frage, ob die Bestellung eines eigenen Anwaltes durch den Versicherungsnehmer bei Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer und des Schadensersatzanspruchs gegen ihn als Fahrer / Halter des versicherten Fahrzeugs in einem gemeinsamen Rechtsstreit notwendig war und die damit verursachten Kosten erstattungsfähig sind, hat der BGH in seinem Beschluss vom 20.01.2004 (Az. VI ZB 76/03, NJW-RR 2004, 536 f.) wie folgt beantwortet: Diese Frage lasse sich nicht aufgrund einer schematischen Beurteilung ohne Berücksichtigung der konkreten Fallumstände beantworten. Grundsätzlich bestehe für Streitgenossen keine kostenrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten. Vielmehr könne sich jeder Streitgenosse durch einen eigenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Dieser Grundsatz sei aber dahingehend einzuschränken, dass im vorskizzierten Fall die Bestellung eines eigenen Anwaltes bei der Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer und des Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer als Fahrer / Halter des versicherten Fahrzeugs in einem gemeinsamen Rechtsstreit nicht notwendig sei, wenn kein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwaltes durch den Versicherungsnehmer bestehe. Ein solcher sachlicher Grund sei in der vorgenannten Fallkonstellation regelmäßig nicht zu erkennen. Nach § 7 II Abs. 5 AKB (a. F.) habe der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen. Daraus sei zu folgern, dass für den Versicherungsnehmer ohne weiteres kein Anlass bestünde, einen eigenen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Fehle es in diesen Fällen an konkreten Interessengegensätzen im Verhältnis des Versicherungsnehmers und seiner zugleich direkt in Anspruch genommenen Versicherung und verfolge der Versicherungsnehmer kein über die Interessen des Versicherers hinausgehendes oder ihm entgegengerichtetes Prozessziel, sei die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwaltes nicht notwendig.
b) Die Untergerichte hatten in der Folge dieser Entscheidung in verschiedenen Einzelfallkonstellationen darüber zu befinden, ob ein besonderer sachlicher Grund im Sinne dieser BGH-Rechtsprechung für die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwaltes durch den Versicherungsnehmer – neben seiner Vertretung durch den vom Versicherer mandatierten Anwalt – bestanden hat.
Dabei ist anerkannt, dass ein besonderer sachlicher Grund für die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwaltes etwa dann besteht, wenn der beklagte Fahrer / Halter eines Kfz sich nicht nur zusammen mit dem Haftpflichtversicherer gegen Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall verteidigt, sondern eigene Schadensersatzansprüche im Wege der Widerklage geltend macht. Die dadurch verursachten Kosten sind erstattungsfähig (LG Mönchengladbach, Beschluss vom 04.01.2008, Az. 5 T 438/07, zitiert nach juris). Ebenso sollen die Zweitanwaltskosten erstattungsfähig sein, wenn dem Fahrer / Halter die Schadensersatzklage deutlich vor seinem Haftpflichtversicherer zugestellt worden war und er in der Folge einen eigenen Anwalt beauftragt hatte. Er soll nicht verpflichtet sein, im Kosteninteresse des Gegners seinen Anwalt von dem erteilten Auftrag zu entbinden, sobald er von den vom Haftpflichtversicherer mandatierten Anwalt mitvertreten wird (LG Berlin, Beschluss vom 29.08.2001, Az. 82 T 535/01, zitiert nach juris).
c) Hier hat der Kläger, anwaltlich vertreten durch die Rechtsanwälte T. pp., mit der Klage zunächst nur eigene Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten als Fahrerin (Beklagte zu 1.), Halter (Beklagter zu 2.) und Haftpflichtversicherung (Beklagte zu 3.) des gegnerischen Fahrzeugs verfolgt.
Widerbeklagter und Drittwiderbeklagte wurden der Kläger und die Haftpflichtversicherung seines Fahrzeugs aufgrund der Widerklage des Beklagten zu 2.). In dieser Situation – nach Widerklageerhebung – war der Kläger nicht etwa gehalten, fortan seine eigenen Schadensersatzansprüche nicht länger durch die Rechtsanwälte T. pp., sondern durch die von seiner Haftpflichtversicherung beauftragten Rechtsanwälte R. pp. verfolgen zu lassen. Dem Kläger war vielmehr weiterhin das Recht zuzusprechen, sich zur interessengerechten Prozessführung eines eigenen Rechtsanwaltes zu bedienen (so auch zutreffend: OLG Bamberg, VersR 1986, 395; LG Mönchengladbach, a. a. O.). Andererseits hatte der Kläger auf die Wider- und Drittwiderklage hin seinen Obliegenheiten aus § 7 II Abs. 5 AKB (a. F.) – heute E. 2. 4 AKB 2008 (n. F.) – zu genügen und die Abwehr der vom Beklagten zu 2.) im Wege der Widerklage geltend gemachten Ansprüche den insoweit auch ihn, den Kläger, vertretenden Rechtsanwälten seiner Haftpflichtversicherung zu überlassen. Nach § 7 II Abs. 5 AKB (a. F.) „hat“ der Versicherungsnehmer die Führung des Rechtsstreits dem Versicherer zu überlassen und „auch dem vom Versicherer bestellten Anwalt Vollmacht ... zu geben“ (im gleichen Sinne: E.2.4 AKB 2008). In der Gesamtschau dieser prozessualen Abfolge und unter Würdigung dieser Interessenlage des Klägers besteht kein Zweifel daran, dass hier im Sinne der oben zitierten BGH-Rechtsprechung ein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Rechtsanwaltes durch den Kläger bestanden hat. Es mutet vielmehr befremdlich an, dass der Beklagte zu 2.), der seinerseits mit der Widerklage und der Drittwiderklage (in Verbindung mit den vorgenannten AKB-Regelungen) die Mandatierung eines weiteren Anwaltes hervorgerufen hat, im Rahmen der Kostenausgleichung die kostenrechtliche Notwendigkeit der Zweitvertretung des Klägers in Frage stellten möchte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Beschwerdewertes findet ihre Grundlage in den §§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO. Nach den Berechnungen des Beklagten zu 2.) im Schriftsatz vom 11.10.2010 hat er dem Kläger und Widerbeklagten insgesamt (d. h. Kostenfestsetzungsbeschlüsse II und V – I. Instanz) nur 1.283,31 Euro an außergerichtlichen Kosten für Klage und Widerklage zu erstatten. Demgegenüber beläuft sich der vom Landgericht in den beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen II und V (I. Instanz) festgesetzte Betrag auf außergerichtliche Kosten in Höhe von insgesamt 1.878,53 Euro (852,47 Euro plus 1.026,06 Euro). Das Beschwerdegericht hat die Differenz zwischen diesen beiden Beträgen (1.878,53 Euro minus 1.283,31 Euro = 595,22 Euro) je zur Hälfte (= 297,61 Euro) zum Beschwerdewert der hiesigen Beschwerde und der gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss V (I. Instanz) gerichteten Beschwerde bestimmt (vgl. insoweit den Tenor des Beschlusses des Beschwerdegerichts zu dem Az. 10 W 61/10 KfB betreffend die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2.) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss V – I. Instanz).
4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil der Sache weder eine grundsätzliche Bedeutung zukommt, noch die Fortbildung des Rechts oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO).
gez. Dr. Holthaus-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).