Text des Beschlusses
4 U 424/11;
Verkündet am:
15.08.2011
OLG Oberlandesgericht
Jena
Vorinstanzen:
2 O 958/10
Landgericht
Gera;
Rechtskräftig: unbekannt!
Ob eine Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung
Leitsatz des Gerichts:
§ 13 StrEG
Ob eine Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereiches. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Absatz 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung „demnächst“ nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (so BGH NJW 2007, 439 ff, zitiert nach juris, explizit zur Wahrung der Frist des § 13 Absatz 1 Satz 2 StrEG).
In dem Rechtsstreit
H. M.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Freistaat Th.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richterin am Oberlandesgericht Rothe am 15.08.2011 beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 03.05.2011, 2 O 958/10, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu bis zum 16.09.2011 eingeräumt.
Gründe:
Die Berufung des Klägers hat nach einstimmiger Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg.
Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts im Urteilsverfahren (§ 522 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1-3 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten Angriffe bleiben nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ohne Erfolg.
Offen bleiben kann, ob der Kläger in der ersten Instanz ausreichend auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit und der Begründetheit der Klage hingewiesen worden ist. Nicht zu entscheiden ist ferner, ob das Landgericht den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21.04.2011 nebst Anlage übergehen durfte oder ob die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen war. Denn selbst unterstellt, eine Verletzung der Prozessleitungspflicht gemäß § 139 Absatz 3 ZPO, die auch ohne entsprechende Berufungsrüge im Berufungsverfahren zu bewerten ist, hätte vorgelegen, würde dies lediglich dazu führen, dass das neue Vorbringen des Klägers in die rechtliche Würdigung des Sachverhalts einzubeziehen wäre. Dies führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis als erster Instanz gefunden.
Auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens, aus welchen Gründen eine Klagezustellung erst am 04.11.2010 erfolgen konnte, lässt sich eine Klageerhebung gemäß § 13 Absatz 1 Satz 2 StrEG binnen 3 Monaten nachZustellung der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft nicht feststellen.
Für die Erhebung der Klage kommt es nach § 253 Absatz 1 ZPO grundsätzlich auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung – wie hier – eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf die Klagefrist des § 13 Absatz 1 Satz 2 StrEG anwendbar (vgl. BGH MDR 1983, 1002 f, zitiert nach juris).
Ob eine Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereiches. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Absatz 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung „demnächst“ nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (so BGH NJW 2007, 439 ff, zitiert nach juris, explizit zur Wahrung der Frist des § 13 Absatz 1 Satz 2 StrEG).
Da der Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft laut Vortrag des Klägers am 31.05.2010 zugestellt worden sein soll, ist die Klage, wie schon vom Landgericht zutreffend ausgeführt, am 19.08.2010 – vor Fristablauf am 31.08.2010 – rechtzeitig anhängig gemacht worden. Da dies ohne Einzahlung des entsprechenden Gerichtskostenvorschusses erfolgte, konnte die Zustellung - zunächst – nicht bewirkt werden. Die Einzahlung wurde mit Schreiben vom 20.08.2010 - Abvermerk vom 24.08.2010 – angefordert. Eingegangen sind die Gerichtskosten dann tatsächlich erst am 21.10.2010.
Die von der Klägerseite zu vertretende Verzögerung dürfte dabei den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschritten haben, auch hierauf hat das Landgericht unter Angabe der einschlägigen Fundstelle bereits hingewiesen und diesen Zeitraum für überschritten bewertet. Hieran ist auch – die Verwertbarkeit des neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz unterstellt – festzuhalten.
Ein Kläger, der der „Rechtswohltat“ des § 167 ZPO teilhaftig werden wolle, dürfe sich nicht darauf beschränken, eine „Verschleppung“ der Zustellung zu vermeiden, im Übrigen sich aber abwartend verhalten. Vielmehr verlange schon das berechtigte Interesse des Beklagten und die Notwendigkeit, die Unsicherheit der Rechtslage alsbald zu beseitigen, in aller Regel, dass der Kläger auf eine möglichste Beschleunigung der Zustellung hinwirke, d.h. alles ihm Zumutbare tue, um die Voraussetzungen für eine alsbaldige Zustellung der Klage zu schaffen (BGH VersR 1968, 1062, zitiert nach juris, zur Rechtslage des mit § 167 ZPO insoweit gleichlautenden § 261 b Absatz 3 ZPO a.F.).
Grundsätzlich befreien weder das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung noch die Verständigung dieser von der beabsichtigten Klageerhebung die klagende Partei und deren Prozessbevollmächtigten davon, von sich aus Vorsorge dafür zu treffen, dass der Prozesskostenvorschuss alsbald nach eingehender Zahlungsaufforderung eingezahlt werden kann, damit die Klagezustellung baldmöglichst erfolgen kann (BGH VersR 1968, 1062 f, zitiert nach juris). Demgemäß wird vertreten, dass auch nachlässiges Verhalten des Klägers und/oder seines Prozessbevollmächtigten respektive seiner Rechtsschutzversicherung schaden (OLG Brandenburg MDR 2003, 771 f). Hier ist die über zwei Wochen hinausgehende Verzögerung einerseits auf die fehlerhafte Zahlung des Kostenvorschusses durch die Rechtsschutzversicherung an die Zahlstelle des Amtsgerichts zurückzuführen sowie auf die wochenlang ausgebliebene Reaktion auf die Rückbuchung des Betrages (vgl. Blatt 60 d.A.). Selbst unterstellt, der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter hätten sich zunächst wegen des Schreibens der Rechtsschutzversicherung vom 27.08.2010 (Blatt 40 d.A.) darauf verlassen dürfen, der Vorschuss sei gezahlt worden und die Klagezustellung werde alsbald erfolgen, ist damit nicht alles diesen Zumutbare getan worden, um für eine alsbaldige Zustellung zu sorgen. Denn es hätte dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten oblegen, bei Gericht nach angemessener Zeit nachzufragen, aus welchem Grund bislang noch keine Zustellung erfolgt sei. Dabei soll diese Pflicht nicht vor Ablauf von einem Monat (seit Ablauf der zu wahrenden Frist) erforderlich sein und das Unterlassen nicht vor Ablauf von weiteren zwei Wochen schädlich werden, wenn davon auszugehen ist, dass eine Nachfrage eine größere Beschleunigung bewirkt hätte (BGH MDR 2004, 1076 f, zitiert nach juris). Eine Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vor dem 15.10.2010 wäre geeignet gewesen, die Zustellung zu beschleunigen. Denn es hätte sich herausgestellt, dass eine Vorschusszahlung bisher nicht erfolgt war und eine sofortige Überweisung des Vorschusses hätte zu einem Zahlungseingang vor dem 21.10.2010 geführt, denn erst an diesem Tag erfolgte die Gutschrift auf dem Konto der Gerichtszahlstelle.
Nach alledem ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, die Klage sei bereits unzulässig.
Aber selbst die Zulässigkeit sowohl der Klage als auch des neuen Vorbringens hinsichtlich der Begründetheit unterstellt, ist die Klage dennoch unbegründet.
Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass gemäß § 7 StrEG Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden sei.
Dem Landgericht ist beizupflichten, dass dem vorgelegten Kündigungsschreiben nicht zu entnehmen war, dass dem Kläger wegen der mit dem Entzug der Fahrerlaubnis verbundenen Beschränkung seiner Arbeitskraft gekündigt worden ist.
Auch nach Vorlage des Arbeitsvertrages, aus dem die Einstellung des Klägers als Kraftfahrer und dessen außerordentliche Kündbarkeit bei Verlust der Fahrerlaubnis hervorgeht, kann nicht im Wege des Anscheinsbeweises unterstellt werden, dass die außerordentliche Kündigung wegen des Verlustes der Fahrerlaubnis erfolgte. Denn dieser Vertrag datiert vom 04.12.2009 (Blatt 64 ff, 81 d.A.), wurde also nach dem Ereignis, das zur Begründung des Entschädigungsanspruchs herangezogen wird, geschlossen.
Ein Grund für die außerordentliche Kündigung ist dem Schreiben vom 13.10.2009 (Blatt 9 d.A.) nicht zu entnehmen. Für die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisse wird nicht lediglich auf verhaltens- und personenbedingte, vielmehr auch auf betriebsbedingte Gründe abgestellt. Ferner wird mit Schreiben des Arbeitgebers vom 13.11.2009 (Blatt 7 d.A.) auf terminliche Gründe verwiesen, die einen Einsatz als Kraftfahrer vor dem 30.11.2009 ausschlössen. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Sachverhalt feststeht, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge geschlossen werden kann. Vielmehr ist denkbar, dass die Kündigung wegen nicht vorhandener Einsatzmöglichkeit aus „Termingründen“ erfolgt sein könnte.
Aber auch mit der Berufungsbegründung wird nicht behauptet, die Kündigung sei wegen des Verlusts der Fahrerlaubnis erfolgt, sondern lediglich vorgetragen, die Gründe für die Kündigung seien dem Kläger persönlich mitgeteilt worden. Welche Gründe dem Kläger genannt worden sind, wird nicht ausgeführt. Da es nach wie vor auch an einer schlüssigen Klagebegründung fehlt, kommt eine Beweiserhebung nicht in Betracht.
Nach alledem wird dem Kläger geraten, die Berufung innerhalb der gesetzten Frist zur Stellungnahme zurückzunehmen. Auf die hiermit verbundene Reduzierung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird explizit hingewiesen.
Müller Billig Rothe-----------------------------------------------------
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