Text des Beschlusses
5 W 593/10;
Verkündet am:
30.06.2011
OLG Oberlandesgericht
Jena
Vorinstanzen:
3 O 1186/09
Landgericht
Gera;
Rechtskräftig: unbekannt!
Streitwert bei einstweiliger Verfügung auf Aufhebung einer Kontosperrung eines Anwaltskontos
Leitsatz des Gerichts:
§§ 3, 4 Abs.1 ZPO, 40, 53 Abs.1 Nr.1 GKG
Streitwert bei einstweiliger Verfügung auf Aufhebund einer Kontosperrung eines Anwaltskontos.
In dem Rechtsstreit
M. B.,
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt D. T.,
und Beschwerdeführer:
gegen
Volksbank E.,
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Sch.
hat der 5. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Ross als Einzelrichterin gemäß § 568 Satz 1 ZPO am 30.06.2011 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellervertreters wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss des Landgerichts G. vom 15.11.2010 wie folgt abgeändert:
Der Streitwert wird auf 30.000,- € festgesetzt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
1. Der als Rechtsanwalt tätige Kläger hat unter dem 24.09.2009 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel gestellt, dass der Beklagten aufgegeben werde, die von ihr verhängte Kontensperre über das als Guthabenkonto geführte Girokonto der klägerischen Anwaltskanzlei, über das ausschließlich Gelder aus Inkasso- und Mahnsachen abgewickelt werden, aufzuheben und das Konto zu den vereinbarten Bedingungen fortzuführen und Verfügungen zuzulassen.
Die Antragsgegnerin hatte das Konto mit Schreiben vom 03.08.2009, gerichtet an die Privatanschrift des Antragstellers, zum 14.09.2009 gekündigt.
Der Antragsteller hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben nicht erhalten zu haben. Seinen Mitarbeitern in der Kanzlei sei ein Kündigungsschreiben ebenfalls unbekannt.
Die Antragsgegnerin hat nach Erhalt des Verfügungsantrags die Kontosperrung aufgehoben und das Konto erneut gekündigt.
Im Termin vom 07.10.2010 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Antragsteller hatte in der Antragsschrift den Streitwert mit (vorläufig) 30.000,- € angegeben. Im Schriftsatz vom 12.10.2010 hat der Kläger beantragt, den Streitwert auf 383.237,33 € (ein Drittel des Jahresumsatzes auf dem Konto) festzusetzen.
Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, dass der Streitwert sich an den Aufwendungen zu orientieren habe, die die Antragsgegnerin aus dem Konto-Geschäftsführungs-Vertrag verlangen könne oder die der Antragsteller zur Erlangung eines anderen Kontos aufwenden müsse. Da sich die Kontoführungsgebühren bislang auf 412,24 € belaufen hätten, könne allenfalls gemäß § 9 ZPO der dreifache Betrag davon als Streitwert angenommen werden.
Das Landgericht G. hat durch Beschluss vom 15.11.2010 den Streitwert auf 1.000,- € festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass es nur um das wirtschaftliche Interesse an der Unterhaltung des Girokontos gehe. Mit den Umsätzen des Kontos habe dies nichts zu tun, so dass neben den Kontoführungsgebühren nur noch Zinsverluste oder Verzugszinsschäden des zeitweise durch die Kontosperrung blockierten Betrages einzuberechnen seien.
Mit Schriftsatz vom 22.11.2010 wurde eine Streitwertbeschwerde eingelegt, mit der der Antragstellervertreter darauf hingewiesen hat, dass in einem vergleichbaren Fall das OLG München den Streitwert auf 50.000,- € festgesetzt habe. Zudem seien Überweisungen im Wert von über 60.000,- € dem Konto während der Sperrung nicht gutgeschrieben, sondern an die Absender zurückgewiesen worden.
Die Antragsgegnerin bestreitet, dass dem Antragsteller ein Schaden in dieser Höhe entstanden sei.
Das Landgericht G. hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die gemäß §§ 68 GKG, 32 Abs.2 RVG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellervertreters hat in der Sache nur zum geringen Teil Erfolg.
Der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren bemisst sich vorliegend gemäß § 53 Abs.1 Nr.1 GKG nach § 3 ZPO. Gemäß § 40 GKG i.V.m. § 4 Abs.1 ZPO ist das Interesse des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich. Nach einhelliger Rechtsprechung ist im einstweiligen Verfügungsverfahren der Streitwert niedriger als in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren anzusetzen. Der Bruchteil wird dabei zumeist mit 1/2 oder 1/3 des Hauptsachewertes angegeben (vgl. Schneider-Herget, Streitwertkommentar, 12.Aufl. Rdn. 1588 m.w.N.).
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und des Landgerichts ist dabei der Anknüpfungspunkt bei einer Kontosperrung weder die Höhe der Kontoführungsgebühren noch die Kosten der Errichtung eines neuen Kontos noch ein möglicher Zinsverlust unterbliebener Gutschriften, sondern es kommt für das Interesse des gewerblichen oder selbständigen Antragstellers an der Aufhebung einer Kontosperrung ganz entscheidend darauf an, dass durch die Zurückweisung von Überweisungen, Lastschriften oder Ähnlichem neben dem erforderlichen Aufwand der Rekonstruktion der Fälle, der Aufforderung zur erneuten Zahlung an etwaige Schuldner, der Erklärung der Zahlungsverzögerung gegenüber etwaigen Gläubigern etc. auch eine gewisse Beeinträchtigung des Rufs in Betracht kommen kann.
Nicht hingegen kommt es auf den vom Antragsteller als Maßstab bevorzugten Jahresumsatz auf dem Konto an, da das Landgericht zu recht darauf hingewiesen hat, dass die Forderungen des Antragstellers durch eine Zurückweisung von Überweisungen nicht erloschen sind.
Die nach Kenntnis des Senates zum Streitwert bei Kontosperrungen bislang ergangene Rechtsprechung schwankt sehr stark (das OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2008, 31 W 38/08, hat den Streitwert ohne nähere Begründung auf 10.000,- € festgesetzt, das OLG Dresden, Beschluss vom 15.11.2001, 7 U 1956/01 - Konto einer politischen Partei – hat den Streitwert ebenfalls ohne nähere Begründung auf „unter 60.000,- DM“ für die Partei, auf „über 60.000,- DM“ für die Bank festgesetzt – zitiert jeweils nach juris).
Der höchste Wert dürfte nach der Recherche des Senates der vom Antragstellervertreter zitierte Streitwert des OLG München mit 50.000,- € sein.
Grundsätzlich ist primär der Antragsteller dazu in der Lage, den Aufwand und die Beeinträchtigungen infolge der Kontosperrung zu bewerten, so dass der Wertangabe in der Klage- bzw. Antragsschrift in diesem Fall eine wesentliche Bedeutung zukommt.
Unter Berücksichtigung dieser eigenen Wertangabe des Antragstellers, der die Bedeutung des streitgegenständlichen Kontos für den Bestand seiner Praxis und die mit der Kontosperrung verbundenen Unannehmlichkeiten und Aufwendungen am Besten kannte, mit 30.000,- € für das einstweilige Verfügungsverfahren ist der Senat daher der Ansicht, dass dieser Wert auch nach Beendigung des Verfahrens als endgültiger Streitwert festzusetzen ist, da ein Hauptsachewert von 60.000,- € bis 90.000,- € auch angesichts des geschilderten Jahresumsatzes und des Verwendungszwecks des Kontos, der doch eine Vielzahl von Buchungen vermuten lässt, sowie des Aufwandes zur Errichtung und Publikmachung eines neuen Kontos bei einer anderen Bank gegenüber den Mandanten bzw. Schuldnern nicht völlig fernliegend und unangemessen erscheint.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs.3 GKG.
Eine Rechtsbeschwerde ist nicht gegeben, §§ 68 Abs.1 Satz 5, 66 Abs.3 Satz 3 GKG.
Ross-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).