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Text des Beschlusses
8 Ta 181/11;
Verkündet am: 
 05.07.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
7 Ca 3688/10
Arbeitsgericht
Augsburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist in den Fällen der sog. fehlgeschlagenen Vergütungserwartung nur eröffnet, wenn die Dienste aufgrund wirksamer/ vermeintlich wirksamer Verpflichtung hierzu + in persönlicher Abhängigkeit geleistet wurden
Leitsatz des Gerichts:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist in den Fällen der sogenannten fehlgeschlagenen Vergütungserwartung nur eröffnet, wenn die Dienste aufgrund wirksamer oder vermeintlich wirksamer Verpflichtung hierzu und in persönlicher Abhängigkeit geleistet wurden.
In dem Beschwerdeverfahren
A.
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältin B.
B-Straße, B-Stadt

gegen
C.
C-Straße, C-Stadt
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D.
D-Straße, A-Stadt

hat das Landesarbeitsgericht München durch den Vorsitzenden der Kammer 8, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Dyszak, ohne mündliche Verhandlung am 05.07.2011 für Recht erkannt:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 17.03.2011 – 7 Ca 3688/10 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe:


I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden nur: „Klägerin“) wendet sich gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Augsburg.

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche. Die Klägerin nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der fehlgeschlagenen Vergütungserwartung in Anspruch. Die Parteien lebten ca. 12 Jahre, bis Sommer 2007, in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe die beiden Kinder des Beklagten aus erster Ehe über mehrere Jahre hinweg betreut und versorgt. Sie habe die Kinder während der Dauer von 5 Jahren ausschließlich erzogen und ausschließlich den gemeinsamen Haushalt geführt in der Erwartung, für sie würde als Gegenleistung für ihre Dienste eine Lebensversicherung als Altersversorgung abgeschlossen werden. Die erfolgte Zahlung von rund € 400,00 Haushaltsgeld pro Monat habe nicht dem Wert ihrer Leistung entsprochen.

Zur Eröffnung des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die erhobenen Ansprüche würden im Dienstvertragsrecht wurzeln. Die Zuständigkeit folge aus § 2 Nr. 3 a ArbGG.

Mit Beschluss vom 17.03.2011 erklärte das Arbeitsgericht Augsburg den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als nicht gegeben und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Augsburg. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Ihre Ausführungen würden eher für das Vorliegen eines Dienstvertrages sprechen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtenen Entscheidung (Bl. 39 ff. d. A.) verwiesen. Die Zustellung erfolgte am 21.03.2011.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 04.04.2011, die am selben Tage per Telefax beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangen ist.

Zur Begründung verweist die Klägerin darauf, dass eine Weisungsgebundenheit insoweit vorgelegen habe, als die alleinige elterliche Sorge für die minderjährigen Kinder des Beklagten ausschließlich bei diesem gelegen habe und sich auch das Anwesen, in dem sie (zusammen mit ihren eigenen beiden Kindern und der Familie des Beklagten) gelebt habe, in seinem ausschließlichen Eigentum stehe. Die Erziehung und Betreuung der minderjährigen Kinder des Beklagten seien in dessen Anwesen nach dessen Vorgaben erfolgt. Sie sei mangels entsprechender elterlicher Sorge auch nicht befugt gewesen, rechtlich verbindlich selbständige Entscheidungen bezüglich der beiden Kinder des Beklagten zu treffen. Bereits daraus ergebe sich die für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Weisungsgebundenheit. Wegen des Eigentums am Anwesen sei die Klägerin auch im Rahmen der Haushaltsführung von Weisungen des Beklagten abhängig gewesen.

Der Beklagte habe die maßgeblichen Entscheidungen für seine beiden minderjährigen Kinder selbst getroffen. So habe er etwa auch die Elternabende in den Schulen selbst wahrgenommen. Die Betreuungszeiten der Klägerin hätten sich an den Arbeitszeiten des Beklagten orientiert. Letztendlich sei ihre Tätigkeit mit der einer Tagesmutter vergleichbar gewesen.

Der Beklagte, der die erhobenen Ansprüche auch in der Sache für unbegründet hält, verteidigt die angegriffene Rechtswegentscheidung.

Ergänzend wird wegen des Vortrags der Parteien auf die Schriftsätze der Klägerin vom 29.12.2010 , vom 31.01.2011, vom 15.02.2011, vom 04.04.2011 und vom 24.05.2011 sowie die Schriftsätze des Beklagten vom 02.02.2011, vom 11.04.2011 und vom 30.05.2011 Bezug genommen.

Am 21.04.2011 beschloss das Arbeitsgericht Augsburg, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen; zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, es genüge für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht, dass der Beklagte die alleinige elterliche Sorge innegehabt habe. Ergänzend wird auf die Entscheidung (Bl. 53 f. d. A.) Bezug genommen.


II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist. Den Erwägungen der Klägerin ist nicht zu folgen.

1. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG, auf den die Klägerin sich stützen möchte und der auch allein in Betracht zu ziehen ist, setzt einen bürgerlichen Rechtsstreit aus einem Arbeitsverhältnis voraus.

Für den Arbeitnehmerbegriff gilt dabei die Legaldefinition in § 5 Abs. 1 ArbGG; diese wirkt sich auch auf das Verständnis des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetztes (als rechtliche Beziehung zwischen einem Arbeitnehmer i.S.d. § 5 ArbGG und eines Arbeitgebers) aus.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG geht vom allgemeinen „ungeschriebenen“ Arbeitnehmerbegriff aus. Danach ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages einem Anderen zur Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dabei stellt das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit die Abgrenzung zwischen dem Arbeitnehmer und dem „freien“ Dienstnehmer dar. Die persönliche Abhängigkeit ist anzunehmen, wenn - statt freier Tätigkeitsbestimmung - die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation vorliegt, die sich regelmäßig im Weisungsrecht des Dienstberechtigten bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit zeigt. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann ferner aus der Art oder Organisation der Tätigkeit folgen (vgl. nur ErfK-Preis, § 611 BGB, Rn. 51 f. m.w.N.).

Es genügt jeweils, wenn die rechtliche Beziehung zwischen den Parteien, also das Arbeitsverhältnis, zur Zeit der Klage besteht, vorher bestanden hat oder hätte begründet werden sollen. Als Arbeitsverhältnis i. S. d. ArbGG ist auch das Beschäftigungsverhältnis anzusehen, das sich bei einem unwirksamen oder angefochtenen Arbeitsvertrag ergibt (vgl. ErfK-Koch, § 2 ArbGG, Rn. 15).

Für die Fälle der sogenannten fehlgeschlagenen Vergütungserwartung, die durch das „Fehlgehen“ einer rechtlich nicht bindenden Zusage, eine Gegenleistung für geleistete Dienste zu erbringen, gekennzeichnet sind (und in denen ggf. ein nachträglicher Vergütungsanspruch nach § 612 Abs. 1 BGB als vereinbart angesehen werden kann; vgl. hierzu etwa: BAG, Urteil vom 28.09.1977 – 5 AZR 303/76, NJW 1978, 444) folgt hieraus, dass ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Zuständigkeitsvorschriften nur gegeben ist, wenn die Dienste aufgrund wirksamer oder (wie beim unwirksamen oder angefochtenen Vertragsschluss) vermeintlich wirksamer vertraglicher Verpflichtung hierzu und in persönlicher Abhängigkeit geleistet wurden. Zu weitgehend ist dagegen die Formulierung, es genüge, dass die tatsächliche Arbeitsleistung einvernehmlich erbracht worden sei (so aber etwa: ErfK-Koch, a.a.O.).

2. Von der Erfüllung der hiernach maßgeblichen Voraussetzungen ist bereits nach dem Vortrag der Klägerin nicht auszugehen.

Zum Einen ist eine (tatsächlich oder nur vermeintlich) bindende vertragliche Abrede über die Betreuung der Kinder des Beklagten und/oder die Führung des gemeinsamen Haushalts ihren Darlegungen nicht zu entnehmen.

Zum Anderen lassen ihre Ausführungen nicht erkennen, dass der Grad der Weisungsunterworfenheit das für ein Arbeitsverhältnis erforderliche Ausmaß erreicht hat. Der allgemeine Hinweis auf das Eigentum des Beklagten an der gemeinsam genutzten Wohnung ist hierfür ebenso ohne Aussagekraft wie die – mangels elterlicher Sorgeberechtigung – fehlende Befugnis der Klägerin, rechtsverbindliche Entscheidungen hinsichtlich der Kinder des Beklagten zu treffen. Ihre wertende Einschätzung, ihre Tätigkeit sei mit der einer Tagesmutter im Arbeitsverhältnis vergleichbar, sowie ihre nicht näher konkretisierten Hinweise auf Vorgaben des Beklagten zur Kinderbetreuung oder Weisungen zur Haushaltsführung lassen die erforderliche Substanz vermissen. Was aus dem Umstand, dass der Beklagte die Elternabende selbst besucht hat, für die Ausgestaltung der Diensterbringung der Klägerin folgen soll, ist nicht nachzuvollziehen. Dass die Klägerin sich vor allem in den Zeiten um die Kinder gekümmert hat, in denen der Beklagte berufsbedingt von zu Hause abwesend war, reicht nicht hin, um eine persönliche Abhängigkeit annehmen zu können.

Es verbleibt hiernach bei der Verweisung an das Landgericht Augsburg.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.


IV.

Die Rechtsbeschwerde (§§ 574 ff. ZPO, § 78 ArbGG) war gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG als weitere Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG zuzulassen
(vgl. hierzu: BAG, Beschluss vom 26.09.2002 – 5 AZB 15/02, NZA 2002, 1302 f.).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss kann die Klägerin Rechtsbeschwerde einlegen.

Für den Beklagten ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des Beschlusses.

Die Rechtsbeschwerde muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.

Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände

- für ihre Mitglieder

- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder

oder

von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,

- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt

- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Rechtsbeschwerdeeinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de

Dyszak
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