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Text des Urteils
3 Sa 894/10;
Verkündet am: 
 17.03.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
23 Ca 14578/08
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Für Klage auf Zahlung der sich aus der geschuldeten Bruttovergütung abzüglich der unstreitig bezahlten Nettovergütung ergebenden Differenz besteht evtl. ein (arbeitsrechtliches) Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz des Gerichts:
§ 611 BGB

Für eine Klage auf Zahlung der sich aus der geschuldeten Bruttovergütung abzüglich der unstreitig bezahlten Nettovergütung ergebenden Differenz besteht ein (arbeitsrechtliches) Rechtsschutzbedürfnis, wenn es nicht um die Frage geht, ob Bestandteile der (Brutto-) Vergütung den gesetzlichen Abführungspflichten unterliegt, sondern um die vorgelagerte Frage, ob überhaupt Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet wurde.
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Rücker und Schachner für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.08.2010 - 23 Ca 14578/08 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.968,68 € brutto abzüglich 21.654,21 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.07.2010 zu zahlen.

2. Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 6/13 und die Beklagte 7/13.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers für geleistete Arbeit, wobei nicht die sich aus dem vom Kläger geltend gemachten Bruttoentgelt ergebende Nettovergütung streitig ist, sondern diejenigen Entgeltbestandteile, die an die zuständigen Stellen aufgrund gesetzlicher Abführungspflichten abzuführen sind.

Der Kläger war seit 01.05.2005 im Betrieb B. beschäftigt, zumeist als Koch, ferner als „Mädchen für alles“ (kleine Reparaturen, Renovierungsarbeiten etc). Diese Arbeiten verrichtete er nach Anweisung der Beklagten bzw. deren Betriebsleiterin, die die Art der Tätigkeit, die täglichen Anfangs-, End- und Pausenzeiten sowie die Beschäftigungstage und Wochenarbeitszeiten bestimmten. Der Kläger war bei der Beklagten ab 15.07.2005 durchgehend beschäftigt mit Ausnahme des Novembers, in dem jeweils Betriebsruhe herrschte. Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis lediglich für die Zeit vom 15.07.2005 bis 30.09.2005, 06.06.2006 bis 05.10.2006 und 01.04.2007 bis 31.07.2007 ab und gab entsprechende Meldungen zur Sozialversicherung ab. Die Abrechnungen für August und September 2005 weisen eine Bruttovergütung in Höhe von jeweils 1.619,50 € aus, die Abrechnungen für Juli 2006 bis einschließlich September 2006 eine Bruttovergütung in Höhe von 1.624,20 € und die die Abrechnungen für April 2007 bis einschließlich Juli 2007 eine Bruttovergütung in Höhe von 1.303,00 €. In der Zeit vom 09.08.2007 bis Januar 2008 war der Kläger mit einem selbstständigen Gewerbe angemeldet. Er verrichtete jedoch während dieser Zeit - wie auch während der Zeiten ohne Meldung zur Sozialversicherung -, abgesehen jeweils vom Monat November, die gleichen Tätigkeiten in gleicher Weise wie in den „angemeldeten“ Zeiten.

Der Kläger trägt vor, in den Zeiten ohne Meldung zur Sozialversicherung bzw. in den Zeiten der Gewerbeanmeldung sei er nur als Scheinselbstständiger tätig gewesen; in Wahrheit sei er Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Da er durchgehend die ihm zustehende Nettovergütung erhalten habe - bis auf einen Betrag in Höhe von 2.000,00 €, den die Beklagte aufgrund der ihr zustehenden Tilgungsbestimmung nicht auf den Nettolohn gezahlt habe -, seien nur noch diejenigen Teile der geschuldeten Bruttovergütung offen, die an die zuständigen Stellen abzuführen seien.

Die Beklagte meint, der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Sie bringt vor, der Kläger sei in den streitgegenständlichen Zeiträumen nicht als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 12.08.2010 - 23 Ca 14578/08 -, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt, die Klage sei schon unzulässig, weil es dem Kläger nur um die Feststellung des Vorliegens eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für die genannten Zeiträume gehe. Dieses Feststellungsbegehren sei lediglich in das Gewand einer Forderungsklage gekleidet worden, ohne dass sich am eigentlichen Begehren des Klägers etwas geändert habe. Es bestehe jedoch kein arbeitsrechtliches Rechtsschutzinteresse an der nachträglichen Feststellung des durch die Betriebszugehörigkeit vermittelten Sozialstatus. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil es dem Kläger nicht gelungen sei, substantiiert darzulegen, dass er in den streitgegenständlichen Zeiträumen tatsächlich als weisungsunterworfener Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei und somit die Bruttovergütung abzüglich der geleisteten Nettovergütung geschuldet sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 16.08.2010 zugestellte Endurteil vom 12.08.2010 mit einem am 09.09.2010 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und bringt vor, das Arbeitsgericht habe unzutreffend der Sache nach eine Feststellungsklage angenommen. Der Kläger habe nicht vorgetragen, er sei netto voll vergütet worden, vielmehr darauf hingewiesen, dass noch ein Nettolohnrest in Höhe von 2.000,00 € offen sei. Der Kläger meint, er habe substantiiert dargelegt, dass er auch in den streitigen Zeiträumen als Arbeitnehmer beschäftigt worden sei. Da die Beklagte das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses außerhalb der streitigen Zeiträume unstreitig gestellt habe, sei die Behauptung des Fortbestehens unveränderten Bedingungen in den Zwischenzeiten ausreichend schlüssig und substantiiert dargelegt; das einfache Bestreiten der Beklagten genüge nicht.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12.08.2010 - 23 Ca 14578/08 - wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.567,95 € brutto abzüglich 21.654,21 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Sie bringt - in Verteidigung des Endurteils - vor, die Klage sei bereits unzulässig, jedoch auch offensichtlich unbegründet. Es sei nicht schlüssig vorgetragen, wann, wo und in welcher Form ein Arbeitsvertrag geschlossen worden sei.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 09.09.2010 und 27.01.2011 sowie der Beklagten vom 20.09.2010 verwiesen, ferner auf die Sitzungsniederschrift vom 03.02.2011.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten für die streitigen Zeiträume die Zahlung derjenigen Lohnbestandteile verlangen, die den gesetzlichen Abführungspflichten nach dem Sozialversicherungs- und dem Lohnsteuerrecht unterliegen.

1. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Erstgerichts zulässig.

Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben.

Dem Kläger geht es im Rahmen der Zahlungsklage ausdrücklich um die Zahlung derjenigen Lohnbestandteile, die im Rahmen des behaupteten Arbeitsverhältnisses für die streitigen Zeiträume an die zuständigen staatlichen Stellen abzuführen sind. Es geht ihm somit um Teile der geschuldeten Bruttovergütung im behaupteten Arbeitsverhältnis. Auch wenn die Frage der Abführungspflicht eine in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fallende sozialversicherungsrechtliche Streitigkeit ist (vgl. z. B. für ähnliche Fälle BAG 21.01.2003 - 9 AZR 695/01; BAG 05.10.2005 - 5 AZB 27/05), ist vorliegend davon auszugehen, dass nicht lediglich die Frage streitig ist, ob das unstreitige Bruttoentgelt der Sozialversicherungspflicht unterfällt, sondern die vorgelagerte Frage, ob überhaupt ein Entgelt aufgrund von Diensten geschuldet ist, die in einem Arbeitsverhältnis geleistet wurden. Dies ist eine genuin arbeitsrechtliche Frage, weil der Kern der Streitigkeit somit den Status des Klägers als Arbeitnehmer oder aber Nicht-Arbeitnehmer betrifft.

Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen kann im Ergebnis dahinstehen, weil sie im zweiten Rechtszug nicht mehr geprüft wird (§ 65 ArbGG, § 17a Abs. 5 GVG - vgl. BAG 21.01.2003 - 9 AZR 695/01).

2. In der Sache gilt, dass zwischen den Parteien in den streitgegenständlichen Zeiträumen ein Arbeitsverhältnis bestand, aufgrund dessen die Beklagte dem Kläger - bis auf den Monat November, in dem der Betrieb ruhte - die geschuldete Vergütung zahlen musste.

a) Entgegen der Beklagten ist auch vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in den Zeiten zwischen den „offiziell gemeldeten“ Zeiten schlüssig und substantiiert dargelegt.

Denn die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers, er sei auch in diesen Zeiten einvernehmlich nahtlos mit den gleichen Tätigkeiten in der gleichen Weise wie zuvor weisungsgebunden, also hinsichtlich Zeit, Ort und Art und Weise der Tätigkeit fremdbestimmt tätig gewesen, nicht entgegengetreten. Aus diesem Vortrag des Klägers ergibt sich jedoch schlüssig das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte hat sich nicht inhaltlich mit diesem Vortrag zur Art und Weise der Beschäftigung auseinandergesetzt, sondern ohne Bezug auf konkrete Tatsachengrundlagen nur pauschal eine andere Statusbeurteilung vorgenommen. Dies ist nicht als substantiiertes Bestreiten zu werten; die Beklagte ist insoweit ihrer Einlassungslast (vgl. dazu z. B. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 138 Rn. 8, 8a) nicht nachgekommen. Mit dem Vortrag des Klägers zur Weisungsgebundenheit, zur Fremdbestimmung in örtlicher und zeitlicher Hinsicht und zur Eingliederung in den Betrieb hat sie sich nicht inhaltlich auseinandergesetzt.

b) Somit hat der Kläger für die streitigen Zeiträume Anspruch auf Arbeitsentgelt für geleistete Arbeit aufgrund konkludent geschlossenen Arbeitsvertrages i. V. m. § 611 BGB.

c) In Bezug auf die Höhe der noch geschuldeten Vergütung ist davon auszugehen, dass die Beklagte nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers diesem jeweils - auch für die streitigen Zeiträume - die geschuldete Nettovergütung gezahlt hat - bis auf 2.000,00 € netto, die nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers nicht auf den Nettolohnanspruch des Klägers, sondern als Arbeitgeberdarlehen gezahlt wurden.

Somit sind für die jeweiligen Zeiten noch diejenigen Teile der Bruttovergütung offen, die den gesetzlichen Abführungspflichten unterliegen. Gleichwohl hat auch der Kläger als Arbeitnehmer einen Anspruch auf Leistung dieser Vergütungsbestandteile (vgl. BAG GS 07.03.2001 - GS 1/00).

Da nach dem Vortrag des Klägers der Betrieb jeweils im November geschlossen war und der Kläger in diesem Monat keine Arbeit geleistet hat, da der Kläger auch keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich für diesen Monat jeweils ein Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung ergäbe - z. B. aufgrund von Urlaubserteilung -, hat die Beklagte dem Kläger die von diesem geltend gemachte Lohndifferenz nur für die Zeit vom 01.05.2005 bis 14.07.2005 (= 2,5 Monate), für 01.10.2005 bis 31.10.2005 und 01.12.2005 bis 30.06.2006 (= 8 Monate), für 06.10.2006 bis 31.03.2007 (= 4 26/31 Monate statt wie geltend gemacht 6,0 Monate) sowie für 01.08.2007 bis 31.10.2007 und 01.12.2007 bis 31.01.2008 (= 5 Monate statt wie geltend gemacht 6 Monate) zu zahlen.

Hieraus ergibt sich ein Bruttobetrag in Höhe von 28.968,68 € und nicht, wie vom Kläger errechnet, in Höhe von 34.567,95 €. Dabei sind für die jeweils von der Beklagten nicht abgerechneten Zeiträume diejenigen Monatsvergütungen (brutto) zugrunde zu legen, die im jeweils vorangegangenen, abgerechneten Zeitraum gezahlt wurden. Dies bedeutet, dass für die Zeit zwischen dem 01.05.2005 und dem 30.06.2008 ein monatlicher Bruttobetrag in Höhe von 1.619,50 € anzusetzen ist, für die Zeit zwischen dem 06.10.2006 und dem 31.03.2007 ein Monatsbetrag in Höhe von 1.624,20 € brutto und für die Zeit zwischen dem 01.08.2007 und dem 31.01.2008 ein monatlicher Bruttobetrag in Höhe von 1.303,00 €.

Von dem sich ergebenden Bruttobetrag in Höhe von 28.968,68 € sind die geleisteten Nettovergütungen in Höhe von insgesamt 21.654,21 € (nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers sich ergebende Nettovergütung in Höhe von 23.654,21 € abzüglich 2.000,00 €, die nicht auf die Nettovergütung, sondern als Darlehen an den Kläger gezahlt wurden) abzuziehen.

d) Hinsichtlich des darüber hinaus geltend gemachten Betrags war die Klage nach dem vorstehend Ausgeführten abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

4. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Dr. Rosenfelder Rücker Schachner
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