Text des Urteils
5 TaBV 82/10;
Verkündet am:
30.03.2011
LAG Landesarbeitsgericht
München
Vorinstanzen:
6 BV 29/09
Arbeitsgericht
Augsburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Schulträger als Tendenzunternehmen mit erzieherischer Zwecksetzung im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG
Leitsatz des Gerichts:
§ 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG
Schulträger als Tendenzunternehmen mit erzieherischer Zwecksetzung im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG.
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 15. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer und die ehrenamtlichen Richter Speckbacher und Vincioli für Recht erkannt:
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 11.05.2010 – Az. 6 BV 29/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin (Arbeitgeberin) ein Tendenzunternehmen mit erzieherischer Zwecksetzung im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG ist.
Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um einen Schulträger in Form einer gemeinnützigen GmbH. Der Beteiligte zu 2) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.
Gem. § 2 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages der Arbeitgeberin ist Gegenstand des Unternehmens „die Aus- und Fortbildung von Technikern, insbesondere der Fachrichtungen Holz-, Elektro-, Maschinenbau-, Bau-, Sanitär- und Heizungs-Lüftungs-Klimatechnik, sowie die Einrichtung und der Betrieb von Fachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen und Berufsfachschulen sowie Fachakademien“. Gem. § 2 Nr. 3 verfolgt die Arbeitgeberin „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung“.
Die Arbeitgeberin unterrichtet an folgenden Schulen rund 750 Personen:
Fachschule für Maschinenbautechnik Fachschule für Elektrotechnik
Fachschule für Bautechnik Fachschule für Holztechnik
Fachschule für Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik
Berufsfachschule für kaufmännische Assistenten Berufsfachschule für technische Assistenten
Wirtschaftsschule Realschule
Gymnasium.
Bei der Realschule und dem Gymnasium handelt es sich um staatlich genehmigte Ersatzschulen, die weiteren genannten Schulen sind staatlich anerkannte Ersatzschulen. Die von den Beteiligten vorgetragenen Schülerzahlen differieren etwas, ergeben aber ein vergleichbares Bild. Im Schuljahr 2009/2010 besuchten nach Angaben der Arbeitgeberin 756 und nach Angaben des Betriebsrats 730 Schülerinnen und Schüler die von der Arbeitgeberin betriebenen Schulen. Auf die Fachschulen entfielen nach Angaben der Arbeitgeberin 414 Schüler (Betriebsrat: 360), auf die Berufsfachschulen 137 (Betriebsrat: 140), auf die Wirtschaftsschule 129 (Betriebsrat: 140), auf die Realschule 39 und auf das Gymnasium 37 (Betriebsrat: insgesamt 90) Schülerinnen und Schüler.
Der Besuch der Fachschulen setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens ein Jahr Berufserfahrung voraus. Von den insgesamt bei der Arbeitgeberin erteilten wöchentlichen rund 1.050 Unterrichtsstunden entfallen auf die Fachschulen rund 620 Unterrichtsstunden. Der Unterricht wird während zweier Schuljahre (rund 35 Wochenstunden) erteilt (auf die vom Betriebsrat im Rahmen seines Schriftsatzes vom 16.07.2009, dort Seite 6 (Bl. 43 d. A.) vorgetragene Stundentafel und die von der Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 09.11.2009 vorgelegten Stundenpläne (Bl. 68 ff. d. A.) wird Bezug genommen).
An den Berufsfachschulen werden Schülerinnen und Schüler mit einem mittleren Schulabschluss unterrichtet. Die Schüler an der Wirtschaftsschule verfügen über einen Qualifizierenden Hauptschul- oder einen vergleichbaren Abschluss. Der Unterricht an diesen Schulen verteilt sich ebenfalls auf rund zwei Jahre bei 32 bis 36 Wochenstunden.
Der Unterricht an den Fachschulen, den Berufsfachschulen und der Wirtschaftsschule erfolgt nach verbindlichen Lehrplänen, die sowohl allgemeinbildende Fächer, wie z.B. Deutsch und Sozialkunde, als auch fachtechnische Fächer enthalten.
Die Arbeitgeberin beschäftigt 57 angestellte Lehrkräfte, 4 Verwaltungsmitarbeiter, 7 geringfügig Beschäftigte und 25 Lehrkräfte im Rahmen eines Lehrauftrages.
Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, dass alle der von ihr betriebenen Schulen unmittelbar und überwiegend erzieherischen Bestimmungen dienen. Allesamt verfolgten sie den in der bayerischen Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag. Dies sei auch Voraussetzung für die Genehmigung bzw. Anerkennung nach dem bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG). Das Tatbestandsmerkmal des Überwiegens in § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG sei nicht so auszulegen, dass eine Tendenzeigenschaft nur bejaht werden könne, wenn der Unterricht in geisteswissenschaftlich-ideellen Fächern vom zeitlichen Umfang her den Unterricht in Technikfächern überwiege (zum erstinstanzlichen Vortrag der Arbeitgeberin wird auf ihre Schriftsätze vom 05.05.2009, Bl. 1 ff. d. A., 20.10.2009, Bl. 57 ff. d. A., 09.11.2009, Bl. 64 ff. d. A., 25.11.2009, Bl. 82 f. d. A. und 01.12.2009, Bl. 84 ff. d. A., nebst Anlagen, Bezug genommen).
Die Arbeitgeberin hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass es sich bei der Antragstellerin um ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG handelt.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat argumentiert, das Unternehmen der Arbeitgeberin diene nicht überwiegend erzieherischen Zwecken, da der quantitative Schwerpunkt sowohl im Hinblick auf die Zahl der Unterrichtsstunden als auch der Schüler bei den Fachschulen liege. Realschule und Gymnasium nähmen nur eine untergeordnete Stellung ein. Bei den Fachschulen würden allenfalls die allgemeinbildenden Fächer erzieherischen Zwecken dienen. Bei den ganz überwiegend unterrichteten technischen Fächern sei dies nicht der Fall. Insgesamt stehe daher die Vermittlung fachlicher Kenntnisse im Vordergrund (zum erstinstanzlichen Vortrag des Betriebsrats im Einzelnen wird auf dessen Schriftsätze vom 16.07.2009, Bl. 38 ff. d. A., und 17.11.2009, Bl. 77 ff. d. A., nebst Anlagen, Bezug genommen).
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 11.05.2010 dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben und festgestellt, es handele sich bei dieser um ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG.
Auch die Fachschulen verfolgten erzieherische Zwecke. Entscheidend sei, dass die Persönlichkeit des Menschen und seine Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft gefördert werden solle. Auch Erwachsene könnten in ihrer Persönlichkeit noch entsprechend geformt werden. Darüber hinaus handele es sich bei den Schulen um staatlich anerkannte bzw. genehmigte Ersatzschulen (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 11.05.2010, Bl. 117 ff. d. A., Bezug genommen).
Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde den Beteiligten am 02.11.2010 zugestellt. Die Beschwerde des Betriebsrats ging am 10.11.2010 beim Landesarbeitsgericht ein.
Im Rahmen seiner am 09.12.2010 eingegangenen Beschwerdebegründung trägt der Betriebsrat unter Wiederholung und Vertiefung seiner erstinstanzlichen Argumentation insbesondere vor, das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der Frage des quantitativen Überwiegens befasst, sondern in Verkennung des Regelungsgehalts des § 118 Abs.1 BetrVG einfach von „Schule“ auf das Bestehen eines Unternehmens, das überwiegend erzieherischen Bestimmungen diene, geschlossen. Die Mehrzahl der von der Arbeitgeberin betriebenen Schulen dienten nicht überwiegend erzieherischen Bestimmungen, weil die Teilnehmer mit abgeschlossener allgemeiner Schulbildung bzw. bei den Fachschulen sogar als Erwachsene mit abgeschlossener Berufsausbildung und Berufserfahrung in die Schulen kämen und im Vordergrund nicht die Erziehung, sondern die Vermittlung fachlicher Kenntnisse stehe. Insbesondere an den Fachschulen könne von Erziehung nicht die Rede sein, denn deren – erwachsener – Teilnehmerkreis sei bereits erzogen. Die „Kunden“ der Wirtschaftsschule, der Berufsfachschulen und der Fachschulen gäben ca. € 5.000,00 Schulgeld nicht dafür aus, um erzogen zu werden, sondern um Fachwissen vermittelt zu bekommen. Aus dem BayEUG ergebe sich zwar, dass Schulen auch einen Erziehungsauftrag hätten. Das Erziehungsziel überwiege vorliegend aber nicht. Für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals des Überwiegens sei auf das Verhältnis des Personaleinsatzes für „erzieherische“ und „nicht-erzieherische“ Fächer abzustellen (zur Beschwerdebegründung des Betriebsrats im Einzelnen wird auf dessen Schriftsätze vom 09.12.2010, Bl. 154 ff. d. A., und 28.02.2011, Bl. 195 ff. d. A., Bezug genommen).
Der Betriebsrat beantragt:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 04.05.2010, Az. 6 BV 29/09, wird aufgehoben.
2. Der Antrag der Antragstellerin vom 05.05.2009 wird zurückgewiesen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts. Auch die Fachschulen, die Berufsfachschulen und die Wirtschaftsschule erbrächten Erziehungsleistungen. Die erzieherische Komponente sei zwingender Bestandteil des Schulauftrages für jede Schule. Ohne Nachweis der erzieherischen Tätigkeit würde keine Schule (auch keine Ersatzschule) eine staatliche Zulassung erhalten. Eine Differenzierung zwischen Erwachsenenbildung und Jugendbildung sei nicht vorzunehmen. Auch Erwachsene könnten in ihrer Persönlichkeit noch geformt und in ihrer Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft noch weiter gefördert werden (zur Beschwerdeerwiderung der Arbeitgeberin im Einzelnen wird auf deren Schriftsatz vom 11.02.2011 Bezug genommen).
II.
Die Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 11.05.2010 ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 89 Abs. 1 und Abs. 2, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519,520 ZPO).
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg ist nicht - wie im Beschwerdeantrag irrtümlich angegeben - am 04.05.2010, sondern am 11.05.2010 verkündet worden. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde begann nicht mit der Zustellung des Beschlusses am 02.11.2010, sondern gemäß § 66 Abs. 1 S. 2 (2. Halbsatz) ArbGG mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (11.10.2010) und endete gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG einen Monat später, also am 11.11.2010. Die am 10.11.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Beschwerde ist somit fristgerecht eingelegt.
Die falsche Angabe des Verkündungsdatums im Beschwerdeantrag des Betriebsrates ist unschädlich, weil aufgrund der korrekten Angabe des Aktenzeichens und des erstinstanzlichen Gerichts sowie der Beifügung einer Beschlussausfertigung keine Zweifel bestehen, gegen welche gerichtliche Entscheidung sich das Rechtsmittel richtet.
2. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin auf Feststellung, dass es sich bei ihr um ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG handelt, zu Recht stattgegeben.
a) Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Bei der Frage, ob ein Unternehmen den Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 BetrVG genießt, handelt es sich um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Mit der Entscheidung darüber, ob es
sich bei der Arbeitgeberin um ein Tendenzunternehmen handelt, wird zugleich die Art des zwischen ihm und dem Betriebsrat bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses i. S. d. § 256 Abs. ZPO bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass die abstrakte Klärung des betriebsverfassungsrechtlichen Grundverhältnisses zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat keine Aussage über eine Vielzahl weiterer konkreter Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten, insbesondere die Reichweite einzelner Beteiligungsrechte des Betriebsrats, trifft (BAG, Beschluss vom 21.07.1998 – 1 ABR 2/98, AP Nr. 63 zu § 118 BetrVG 1972).
b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet.
Das Unternehmen der Arbeitgeberin dient unmittelbar und überwiegend erzieherischen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG.
AA) Eine solche Tendenz ist nur dann anzunehmen, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit von Menschen geformt werden soll.
Dagegen genügt es nicht, wenn die Tätigkeit eines Unternehmens lediglich auf die Vermittlung gewisser Kenntnisse und Fähigkeiten gerichtet ist, wie zum Beispiel bei einer Sprachschule, die nach einer bestimmten Methode Fremdsprachenunterricht erteilt. Unerheblich ist dabei, ob die erzieherische Tätigkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen oder gegenüber Erwachsenen ausgeübt wird (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Beschluss vom 14.09.2010 – 1 ABR 29/09, NZA 2011, S. 225; Beschluss vom 23.03.1999 – 1 ABR 28/98, AP Nr. 66 zu § 118 BetrVG 1972; Beschluss vom 31.01.1995 – 1 ABR 35/94, AP Nr. 56 zu § 118 BetrVG 1972; Beschluss vom 03.07.1990 – 1 ABR 36/89, AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972).
BB) Alle von der Arbeitgeberin betriebenen Schulen entsprechen den vorgenannten Maßstäben.
Für die Realschule und das Gymnasium wird das vom Betriebsrat zu Recht nicht in Zweifel gezogen. Aber auch die anderen Schulen dienen unmittelbar erzieherischen Bestimmungen. Das gilt nach Auffassung der Beschwerdekammer auch für die zwischen den Beteiligten im Zentrum der inhaltlichen Auseinandersetzung stehenden Fachschulen.
Eine Einordnung der von der Arbeitgeberin betriebenen Schulen kann nicht – wie sich das der Betriebsrat vorstellt – dergestalt erfolgen, dass jedes einzelne Schulfach entweder der erzieherischen oder der fachlichen Zwecksetzung zugeordnet und anschließend nach der überwiegend unterrichteten Kategorie eine quantitative Bestimmung in die eine oder andere Richtung vorgenommen wird. Entscheidend ist vielmehr, ob die Schule insgesamt nur auf die Vermittlung gewisser Kenntnisse und Fertigkeiten ausgerichtet ist, oder ob an der Schule durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemein- oder berufsbildender Fächer auch die Persönlichkeit der unterrichteten Schülerinnen und Schüler geformt werden soll. Erziehung kann dabei nicht nur im Rahmen eines allgemeinbildenden Unterrichts erfolgen, sondern auch Bestandteil fachtechnischer Fächer sein. Wissensvermittlung und Erziehung stehen dabei nicht in einem Alternativverhältnis. Eine trennscharfe Aufspaltung in Erziehungsinhalte und reine Wissensvermittlung wird weder an allgemeinbildenden Schulen noch an mehr fachlich orientierten Schulen möglich sein. Bei einem Bildungsangebot, das im Rahmen eines Gesamtkonzepts sowohl erzieherische, als auch Bildungsziele verfolgt, ist Wissensvermittlung und Erziehung eng miteinander verwoben. So kann z. B. die Art und Weise der Wissensvermittlung zugleich einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler leisten und somit erzieherischen Zwecken dienen.
Wegen dieser engen und oftmals untrennbaren Verbindung zwischen Wissensvermittlung und Erziehung kann das Tatbestandsmerkmal des „überwiegenden“ Dienens nicht so verstanden werden, dass bei einem Bildungsangebot, das in seiner Gesamtheit unzweifelhaft gleichzeitig beiden Bestimmungen unmittelbar dient, eine Entscheidung zu treffen ist, auf welchem Aspekt der Schwerpunkt liegt.
CC) Auch an den Fachschulen und sonstigen Schulen der Beklagten werden nicht bloße Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt.
Die fachspezifischen Fächer sind eingebettet in einen umfassenden und inhaltlich breit angelegten Lehrplan. Die Unterrichtung erfolgt auch zeitlich nachhaltig über zwei Jahre hinweg bei hoher wöchentlicher Stundenzahl. Schüler und Absolventen der jeweiligen Schule sollen durch den umfassenden Ansatz und damit durch die planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemein oder berufsbildender Fächer auch in ihrer Persönlichkeit geformt werden. Das ist schon deshalb notwendig, weil mit dem erfolgreichen Abschluss solcher Schulen neue Berufsfelder mit mehr Verantwortung erschlossen werden sollen. Ziel einer Ausbildung an einer Fachschule ist es etwa, Fachkräfte mit beruflicher Erfahrung zu befähigen, Aufgaben im mittleren Funktionsbereich zu übernehmen.
Soweit der Betriebsrat in seiner Beschwerdebegründung die von der Arbeitgeberin vorgelegten Textpassagen aus der Einführung zu den Lehrplänen (Bl. 11 ff. d. A.) als allgemeine Ausführungen des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung bezeichnet, wobei die Arbeitgeberin nicht dargelegt habe, dass sie diese Leitgedanken in ihrer Schule auch verfolge, sind diese Ausführungen nicht verständlich. Die Lehrpläne für die Fachschulen werden vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus verantwortet und vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung lediglich herausgegeben. Will der Betriebsrat damit zum Ausdruck bringen, dass diese Lehrpläne für die Arbeitgeberin und die hier unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer nicht verbindlich seien?
Das wäre schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil es sich bei den von der Arbeitgeberin betriebenen Fachschulen, Berufsfachschulen und der Wirtschaftsschule um staatlich anerkannte Ersatzschulen im Sinne des Art. 100 BayEUG handelt. Das setzt nach Art. 100 Abs. 1 BayEUG voraus, dass sie die Gewähr dafür bieten, dass sie dauernd die an gleichartige oder verwandte öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllen. Dass eine Fachschule nicht nur auf die Vermittlung gewisser Kenntnisse und Fähigkeiten gerichtet ist, bringt Art. 15 BayEUG zum Ausdruck, wonach die Fachschule der vertieften beruflichen Fortbildung oder Umschulung dient und die Allgemeinbildung fördert. Die Berufsfachschule ist nach Art. 13 BayEUG eine Schule, die ohne eine Berufsausbildung vorauszusetzen, der Vorbereitung auf eine Berufstätigkeit oder der Berufsausbildung dient und die Allgemeinbildung fördert. Die Wirtschaftsschule schließlich vermittelt nach Art. 14 BayEUG eine allgemeine Bildung und eine berufliche Grundbildung im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung und bereitet auf eine entsprechende berufliche Tätigkeit vor. Insgesamt gilt für alle Schulen nach dem BayEUG der Bildungs- und Erziehungsauftrag nach Art. 1, wonach die Schulen unter anderem Wissen und Können vermitteln sowie Geist und Körper, Herz und Charakter bilden sollen. Art. 2 BayEUG zählt als Aufgaben der Schulen nicht nur die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, sondern auch die Entwicklung von vielfältigen Fähigkeiten auf, die allesamt dem Bereich der Persönlichkeitsbildung zuzurechnen sind. All dies gilt auch für die von der Beklagten betriebenen staatlich anerkannten Ersatzschulen. Dementsprechend hat das BAG mit Beschluss vom 22.05.1979 (1 ABR 45/77, AP Nr. 12 zu § 118 BetrVG 1972) ausgeführt, dass sich allein daraus, dass es sich um eine staatlich anerkannte Ersatzschule handele, ohne weiteres insoweit die unmittelbare und zumindest überwiegende erzieherische Zweckbestimmung und damit der Tendenzcharakter ergebe.
DD) Für das Tatbestandsmerkmal des „überwiegenden“ Dienens ist bestimmend, in welcher Größenordnung das Unternehmen seine personellen und sonstigen Mittel zur Verwirklichung seiner tendenzgeschützten bzw. seiner nicht tendenzgeschützten Ziele regelmäßig einsetzt.
Bei personalintensiven Unternehmen ist in erster Linie auf den Personaleinsatz abzustellen und zu prüfen, ob mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Personals zur Tendenzverwirklichung eingesetzt werden (BAG, Beschluss vom 03.07.1990 – 1 ABR 36/89).
Die gesamte Unterrichtstätigkeit der Lehrkräfte sowohl an den staatlich anerkannten Ersatzschulen als auch an der Realschule und dem Gymnasium sind als tendenzverwirklichende Arbeitszeit einzustufen. Da die Arbeitgeberin ganz überwiegend Lehrkräfte beschäftigt und diese im Rahmen ihrer Schulen tendenzbezogen einsetzt, dient das Unternehmen unmittelbar und überwiegend erzieherischen Bestimmungen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Betriebsrat gemäß §§ 92 Abs. 1 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss kann der Beteiligte zu 2) Rechtsbeschwerde einlegen.
Für die Beteiligte zu 1) ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses.
Die Rechtsbeschwerde muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.
Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder
von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Rechtsbeschwerdeeinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de
Dr. Wanhöfer Speckbacher Vincioli-----------------------------------------------------
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