Text des Urteils
4 Sa 66/11;
Verkündet am:
26.05.2011
LAG Landesarbeitsgericht
München
Vorinstanzen:
37 Ca 3524/10
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Tarifvertragliche Kürzungsvorschriften, nach denen sich Urlaubsansprüche durch Zeiträume des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente entsprechend vermindern, sind grundsätzlich rechtswirksam
Leitsatz des Gerichts:
§§ 7 Abs. 3 BUrlG, 55 Abs. 1 und 44 Abs. 1 BAT/AOK-Neu
Tarifvertragliche Kürzungsvorschriften, nach denen sich Urlaubsansprüche durch Zeiträume des, ebenfalls tarifrechtlich angeordneten, Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente entsprechend vermindern, sind - auch im Hinblick auf die Richtlinie 2003/88/EG und der Rechtsprechung des EuGH hierzu (U. v. 20.01.2009 - Schultz-Hoff -) und nachfolgend des BAG - grundsätzlich rechtswirksam und verhindern damit insoweit bereits das Entstehen von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen.
In dem Rechtsstreit
B.,
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte G.
gegen
A.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Sch.
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie der ehrenamtliche Richter Steinwinter und die ehrenamtliche Richterin Kammler für Recht erkannt:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 26. November 2010 – 37 Ca 3524/10 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch über Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten als seiner früheren Arbeitgeberin auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs für mehrere Urlaubsjahre.
Der - ausweislich der vorgelegten Unterlagen: am 00.00.1900 geborene - Kläger war auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 03.05.1979 (Anl. K1, Bl. 5/6 d. A.) ab 01.05.1979 als Verwaltungsangestellter bei der Beklagten beschäftigt. Nach disem Arbeitsvertrag (dort Ziff. 5.) galten für das Arbeitsverhältnis „die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT/Ortskrankenkassen)“ in ihrer jeweiligen Fassung, wobei die Parteien sich vorliegend einig sind, dass - deshalb - auf das Arbeitsverhältnis zuletzt der „Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Mitglieder der TGAOK (BAT/AOK-Neu)“ vom 07.08.2003 (im Folgenden gemäß der Diktion der Parteien: BAT/AOK-Neu - vollständige Fassung: Bl. 30 bis 79 d. A. -) Anwendung fand. Die Arbeitsvergütung des Klägers hätte zuletzt (2009) 0.000,-- € brutto/Monat (inkl. eines Ehegattenanteils gemäß Angabe des Klägers von 000,-- € brutto) - ggf. zzgl. der hier zunächst weiter streitigen „ZV-Umlage“ - betragen.
Der Kläger war ab November 2004 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog ab 01.09.2006 eine zeitlich befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, weshalb ab diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aufgrund der Bestimmung in § 55 Abs. 1 Satz 5 iVm Satz 4 BAT/AOK-Neu zunächst ruhte und, nachdem dem Kläger mit Wirkung vom 01.01.2010 eine unbefristete Erwerbsminderungsrente bewilligt worden war, nach der einschlägigen tarifvertraglichen Regelung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 BAT/AOK-Neu) sodann mit Ablauf des 31.12.2009 endete.
In der Berufung streiten die Parteien zuletzt noch über Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von jeweils 20 Urlaubs-/Arbeitstagen für die Urlaubsjahre 2007 bis 2009, welche die Beklagte im Hinblick auf die tarifvertragliche Regelung in § 44 Abs. 2 BAT/AOK-Neu - wonach sich die Dauer des Erholungsurlaubs bei befristeter Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden vollen Kalendermonat des Ruhens des Arbeitsverhältnisses um 1/12 verringert - ablehnt, während der Kläger diese tarifvertragliche Vorschrift als den einschlägigen europarechtlichen Regelungen sowie der Rechtsprechung des EuGH und des BAG widersprechend und deshalb unwirksam ansieht, weil die tarifvertragliche Kürzungsvorschrift hiernach nicht in Fällen gelten könne, in denen der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – und ebenso Erwerbsminderung - gehindert sei, seinen Urlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses anzutreten.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug zum noch rechtshängigen Streitgegenstand im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 26.11.2010, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24.12.2010 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses - anders als weitergehenden Ansprüchen des Klägers auf Urlaubsabgeltung für die Urlaubsjahre 2005 und 2006 (anteilig) sowie auf Abgeltung des Zusatzurlaubes für schwerbehinderte Menschen – die noch streitgegenständlichen Urlaubsabgeltungsansprüche hinsichtlich des jeweiligen gesetzlichen Mindesturlaubs von jeweils 20 Urlaubs-/Arbeitstagen für die Urlaubsjahre 2007 bis 2009 insoweit mit der Begründung abgewiesen hat, dass durch das durch die tarifvertraglichen Vorschriften angeordnete Ruhen des Arbeitsverhältnisses im hier streitgegenständlichen Zeitraum bis 31.12.2009 aufgrund befristet gewährter Erwerbsminderungsrente des Klägers die wechselseitigen Hauptleistungspflichten entfallen seien und nach der tarifvertraglichen Kürzungsvorschrift in § 44 Abs. 2 BAT/AOK-Neu damit auch der Urlaubsanspruch des Klägers für diesen Zeitraum wegfalle. Diese tarifliche Kürzungsregelung verstoße nicht gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG in der Auslegung, die diese Bestimmung durch die Rechtsprechung des EuGH in der Entscheidung vom 20.01.2009 (Schultz-Hoff) erfahren habe. Hier gehe es nicht um das Erlöschen von Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen im Falle längerfristiger Erkrankung, sondern um das Nichtentstehen von Urlaubsansprüchen bei Ruhen eines Arbeitsverhältnisses. Während die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis unberührt lasse und lediglich eine Leistungsstörung bewirke, werde das Arbeitsverhältnis im Falle des Ruhens inhaltlich umgestaltet und bestehe unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten nur noch als Rahmen. Seien aber Arbeitsleistung und Vergütung von vornherein ausgeschlossen, fehle es an einem Austauschverhältnis, aus dem Urlaubsansprüche erwachsen könnten, weshalb ein ruhendes Arbeitsverhältnis keinen Urlaub generiere - wie dies auch in den spezialgesetzlichen Kürzungsregelungen des § 4 Abs. 1 ArbPlSchG und § 17 Abs. 1 BEEG seinen besonderen Ausdruck gefunden habe. Damit könne einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung wie hier nicht die Wirksamkeit versagt werden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 19.01.2011, am 20.01.2011 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er auf nach seinen Antrag erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 17.03.2011 mit am 16.03.2011 eingegangenem Schriftsatz vom 15.03.2011 ausgeführt hat, dass, wie bereits in der vom Arbeitsgericht - wenngleich unzutreffend ablehnend - angezogenen Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 29.04.2010 (11 Sa 64/09) ausgeführt sei, es nach der EuGH-Rechtsprechung den Mitgliedsstaaten nur möglich sei, die Modalitäten für die Inanspruchnahme und Gewährung des Urlaubs, nicht jedoch die Frage des Entstehens und Erlöschens des Urlaubsanspruches festzulegen - weshalb die maßgebliche Tarifregelung in § 44 Abs. 2 i. V. m. § 55 Abs. 1 BAT/AOK-Neu rechtsunwirksam sei, da sich hiernach der Urlaub „vermindern“, damit erst gar nicht entstehen solle. Diese tarifvertraglichen Vorschriften widersprächen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG sowie der Rechtsprechung des EuGH und des BAG hierzu und seien daher richtlinienkonform dahin auszulegen, dass diese nicht anwendbar seien, wenn der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert sei, seinen Urlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses anzutreten. Dies gelte auch im vorliegenden Fall, wo der Kläger im noch streitgegenständlichen Zeitraum über die durchgehende Arbeitsunfähigkeit hinaus eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen habe. Hätte er diese nicht erhalten, hätte er Anspruch auf die streitgegenständliche Urlaubsabgeltung in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Mindesturlaubs gehabt.
Der Kläger beantragt:
In Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 26.11.2010 - Aktenzeichen: 37 Ca 3524/10 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere EUR 11.559,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.01.2010 zu bezahlen.
(In der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren am 26.05.2011 haben die Parteien hinsichtlich der bis dahin weitergehend streitigen und die Höhe der jeweiligen Urlaubsabgeltungsansprüche beeinflussenden Frage einer Berücksichtigung der jeweiligen ZV-Umlage als Vergütungsbestandteil einen Teilvergleich geschlossen und den Rechtsstreit damit - auch - im Umfang eines Betrages von 0.000,-- € - wie dieser im gestellten Antrag noch enthalten ist - erledigt).
Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung vor, dass es vorliegend um den Fall des Nichtentstehens eines Urlaubsanspruches infolge Ruhens des Arbeitsverhältnisses und nicht um einen Erlöschensfall und somit auch nicht um die Anwendung der Richtlinie in der Auslegung der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH gehe.
Die Kürzungsregelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 BAT/AOK-Neu trage der Tatsache Rechnung, dass dann, wenn ein Ruhenstatbestand gegeben sei, für die Zeit des Ruhens die beiderseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert seien. Es verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, wenn die Tarifpartner bei Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente grundsätzlich davon ausgingen, dass das Arbeitsverhältnis beendet sei - lediglich bei Gewährung einer Zeitrente sähen die Tarifvertragsparteien auch im öffentlichen Dienst keine Auflösung, sondern lediglich ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor, weshalb die Frage der Auflösung oder eines Ruhen nur von der Frage einer Zeitrente oder unbefristeten Rente abhänge. Da bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses die arbeitgeberseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert seien, sei es ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer während des Ruhens ein anzuerkennendes Bedürfnis auf das Entstehen eines Erholungsurlaubsanspruches habe. Das Arbeitsgericht habe sich in seiner Entscheidung hierzu zutreffend auch auf vergleichbare gesetzliche Ruhenstatbestände bezogen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen hierzu wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 15.03.2011, vom 12.04.2011 und vom 12.05.2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung - soweit noch rechtshängig - hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung zutreffend entschieden, dass der Kläger aufgrund der, rechtswirksamen, Kürzungsregelung in § 44 Abs. 2 Satz 1 BAT/AOK-Neu keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Urlaubsjahre 2007 bis 2009 in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 3 Abs. 1 BUrlG), wie allein noch geltend gemacht, hat.
1. Zur Klarstellung wird – nochmals - festgehalten, dass im Berufungsverfahren nunmehr allein noch die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs in Höhe von jeweils 20 Arbeits-/Urlaubstagen (Fünftagewoche) für die Urlaubsjahre 2007, 2008 und 2009 streitgegenständlich sind.
Hinsichtlich der in der Berufung zunächst noch weitgehend weitergehend streitigen Frage der Einbeziehung der „ZV-Umlage“ (zusätzliche betriebliche Altersversorgung, offensichtlich gemäß § 42 BAT/AOK-Neu) in die Berechnung der Höhe von Urlaubsabgeltungsansprüchen (§§ 48 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i. V. m. 43 Abs. 2 BAT/AOK-Neu) hatte das Arbeitsgericht ebenfalls die Klage abgewiesen. Nachdem der Kläger auch insoweit Berufung eingelegt hatte, haben die Parteien über diesen Streitpunkt in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren am 26.05.2011 einen unbedingten Teilvergleich geschlossen - weshalb diese Frage, ungeachtet deren etwaiger Entscheidungserheblichkeit, nicht mehr berufungsgegenständlich ist.
2. a) Dass die Regelungen des „Manteltarifvertrages für die Beschäftigten der Mitglieder der DGAOK (BAT/AOK-Neu)“ vom 01.01.2004 (in der vorgelegten Fassung vom 04.12.2009) jedenfalls aufgrund der Verweisungsklausel - kleine dynamische Bezugnahmeklausel - im Arbeitsvertrag vom 03.05.1979 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden, ist unstreitig.
b) Der Kläger bezog im Zeitraum vom 01.09.2006 bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2009 unstreitig eine (zunächst) befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 SGB VI), weshalb in diesem Zeitraum sein Arbeitsverhältnis aufgrund Tarifrechts ruhte (§ 55 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. Satz 4 BAT/AOK-Neu) und sich sein tariflicher (§ 44 Abs. 1 BAT/AOK-Neu) - und damit gesetzlicher - Urlaubsanspruch nach diesem Tarifvertrag damit für jeden vollen Kalendermonat dieses Ruhens um 1/12 verminderte (§ 44 Abs. 2 Satz 1 BAT/AOK-Neu) - was hier Urlaubs- und damit Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers für die noch streitgegenständlichen vollen Kalender-/Urlaubsjahre 2007 bis 2009, in denen aufgrund Rentenbezugs das Arbeitsverhältnis jeweils vollständig ruhte, vollständig ausschloss.
c) Die Tarifregelung zur Kürzung des (Grund-)Urlaubsanspruches für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund Bezugs seiner befristeten Erwerbsminderungsrente in § 44 Abs. 2 Satz 1 BAT/AOK-Neu ist rechtswirksam - verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen europarechtliche Bestimmungen und die Rechtsprechung des EuGH und des BAG, wie der Kläger geltend macht.
aa) Ein Verstoß dieser Tarifregelung zur Kürzung des (Mindest-)Urlaubsanspruches gegen die gesetzliche Regelung zum Anspruch auf Teilurlaub gemäß § 5 Abs. 1 lit. c i. V. m. § 13 Abs. 1 BUrlG scheidet bereits deshalb aus, weil das Arbeitsverhältnis bereits zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres im streitgegenständlichen Zeitraum der Urlaubsjahre 2007 bis 2009 geruht hat (so auch LAG Düsseldorf, U. v. 01.10.2010, 9 Sa 1541/09, juris - Rzn. 60 f - ; aA etwa – unter Verweis auf die Unabdingbarkeitsregelung des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BUrlG - Boecken/Jacobsen, ZTR 2011, S. 267 f/270 f – unter 2.1.3 -).
bb) Diese tarifrechtliche Kürzungsregelung verstößt nicht gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG in der Auslegung der Rechtsprechung des EuGH (U. v. 20.01.2009, C350/06 und C520/06 - Schultz-Hoff -).
Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie steht hiernach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krank geschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie verbietet auch nationale Rechtsvorschriften, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krank geschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Hiernach ist § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG richtlinienkonform so zu interpretieren, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig sind (ebenso BAG, U. v. 24.03.2009, 9 AZR 983/07, AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG).
Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um das Erlöschen von entstandenen Urlaubs- - bzw. Urlaubsabgeltungs- - Ansprüchen aufgrund längerfristiger Erkrankung, sondern um das Nichtentstehen von Urlaubsansprüchen aufgrund Ruhens des Arbeitsverhältnisses überhaupt:
Die Tarifregelung zur „Kürzung“ des Urlaubsanspruches bei Ruhen des Arbeitsvertrages aufgrund befristeten Rentenbezuges - wie jetzt etwa §§ 34 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. 26 Abs. 2 lit. c TVöD bzw. §§ 33 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. 26 Abs. 2 lit. c TV-L und die Vorgängerregelungen im BAT (§§ 59 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 48 Abs. 3 Satz 1) - meint eigentlich - auf der Hand liegend, auch nach der übereinstimmenden Rechtsansicht beider Parteien hierzu -, dass für diese Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses von vornherein kein Urlaubsanspruch entsteht, nicht ein entstandener Urlaubsanspruch erst nachträglich gekürzt wird. Durch diese Tarifregelung wird die Urlaubsdauer, die Zahl der (gesetzlichen) Urlaubstage, bereits hinsichtlich ihres Entstehens damit naheliegend und nachvollziehbar von vornherein annähernd proportional an die Dauer des aktiven, nicht lediglich ruhenden, Beschäftigungsverhältnisses geknüpft.
Dem liegt eine evidente, grundsätzliche, ratio zugrunde, die auch in vergleichbaren gesetzlichen Reglungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG oder in § 4 Abs. 1 ArbPlSchG ihren Ausdruck gefunden hat, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat: Während eines Ruhens des Arbeitsverhältnisses sind die Hauptleistungspflichten - Arbeits- und Vergütungspflicht (§ 611 Abs. 1 BGB) - suspendiert, das Arbeitsverhältnis besteht in diesem Fall lediglich als leere Hülle, als rein formaler Rahmen. „Urlaub“ ist jedoch von seiner Funktion her „Erholung“ - von der Arbeitsleistung („Erholungsurlaub“, so der Wortlaut des § 1 BUrlG) - und gleichzeitig Kraftschöpfen für die zukünftige weitere Erbringung der Arbeitsleistung. Besteht jedoch von vornherein keine Arbeitspflicht, wird das Arbeitsverhältnis nicht aktiv vollzogen, kann keine Freistellung von einer sonst bestehenden Arbeitspflicht zum Zwecke der Urlaubnahme erfolgen, begrifflich keine Erholung von erbrachter Arbeitsleistung (samt Kraftholen für weitere Arbeitsleistung) stattfinden.
Eine „Kommerzialisierung“ des Urlaubs, den eine verbreitete Auffassung der Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 und nachfolgend des BAG vom 24.03.2009 (jeweils aaO) entnimmt, kann nicht dazu führen, dass der Urlaubs- und der Urlaubsabgeltungsanspruch völlig unabhängig von tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung sind, ein aus dem arbeitsvertraglichen Synallagma vollständig ausgenommener „Sozialanspruch“, der von der Frage einer grundsätzlich bestehenden Arbeitspflicht als vorhandener Hauptleistungspflicht und damit allererst der Möglichkeit einer Freistellung hiervon zu Urlaubszwecken, zum Zwecke der Erholung - als „Erholungs“-Urlaub -, abstrahiert ist.
Im Falle des „Ruhens“ des Arbeitsverhältnisses aufgrund durchgängigen Rentenbezuges geht es somit nicht um Erlöschen eines zunächst bestehenden Urlaubsanspruches - dieser entsteht im zeitlichen Umfang des Ruhens von vornherein, insoweit, nicht. Dies ist damit grundsätzlich anders als im Fall, in dem ein entstandener Urlaubsanspruch erst nachträglich erlöschen soll, weil innerhalb des vorgesehenen Urlaubsverwirklichungszeitraumes (Urlaubsjahr und Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 BUrlG) aufgrund von Arbeitsunfähigkeit keine Verwirklichungs- und tatsächliche Urlaubnahmemöglichkeit im Wege der Arbeitsbefreiung besteht, was von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und deren Auslegung durch die Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 und dem folgend die nunmehrige Rechtsprechung des BAG (aaO) verhindert wird. Entsteht jedoch, wie im vorliegenden Fall, aufgrund Ruhens des Arbeitsverhältnisses in allen drei streitgegenständlichen Urlaubsjahren von vornherein (ggf. insoweit) kein Urlaubsanspruch, kann auch kein solcher erlöschen und ein solches Erlöschen durch europarechtliche Vorgaben sodann verhindert werden.
Die Beklagte hat hierzu zu Recht, grundsätzlich, auch darauf hingewiesen, dass das Tarifrecht bei, jedenfalls längerfristigem, Rentenbezug ein Ende des Arbeitsverhältnisses unmittelbar anordnen könnte, durch tarifrechtliche Befristung des Arbeitsvertrages bzw. auflösende Bedingung aus diesem Grund. Die hier einschlägige Tarifnorm - wie diejenigen in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes, nach wie vor, üblich - differenziert dies jedoch so, dass erst bei Gewährung einer unbefristeten Rente, auch Altersrente (hier: § 56 Abs. 1 BAT/AOK-Neu), das Arbeitsverhältnis dadurch tarifrechtlich konstitutiv endgültig endet, während es bei lediglich befristeter Rentengewährung, also einer damit noch nicht ausschließbaren Perspektive einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und der Möglichkeit einer Reaktivierung des Beschäftigungsverhältnisses, lediglich ruht und formal zunächst weiter besteht - was das Risiko des Arbeitnehmers ausschließt, im Falle tarifrechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch in einer solchen Konstellation und späterer Beendigung des befristeten Rentenbezuges den Arbeitsplatz endgültig und entschädigungslos verloren zu haben.
Eine bei (zunächst) befristetem Rentenbezug hiernach tarifrechtlich normierte Suspendierung der Hauptleistungspflichten - vor allem Arbeitspflicht - kann vor diesem auf der Hand liegenden tarifpolitischen Hintergrund nicht zum trotzdem entstehenden Urlaubs-/Urlaubsabgeltungsansprüchen führen: Gibt es aufgrund Suspendierung der Hauptleistungspflichten keine Arbeitspflicht und wird - und kann - deshalb nicht aktiv gearbeitet (werden), kann auch kein „Erholungs“-Urlaub generiert werden (s. o.). Anders ausgedrückt: Auch wenn die nunmehrige Rechtsprechung des EuGH als letztlich grundsätzliche Kommerzialisierung des Urlaubsanspruches (miss-)verstanden wird: Wenn aufgrund Suspendierung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages kein Vergütungsanspruch besteht, kann auch kein Annex- oder Neben- oder Sekundäranspruch auf Urlaub(-sabgeltung) bestehen (so auch LAG Köln, U. v. 29.04.2010, 6 Sa 103/10, ZTR 2010, S. 589 f; LAG Düsseldorf, U. v. 01.10.2010, 9 Sa 1541/09, AuR 2011, S. 128 (LS) - auch juris - , und LAG Düsseldorf, U. v. 05.05.2010, 7 Sa 1571/09, ZTR 2010, S. 662 f; Fieberg, NZA 2009, S. 929 f/9334; aA LAG Baden-Württemberg, U. v. 29.04.2010, 11 Sa 64/09, ZTR 2010, S. 415 f - dazu Berscheid in jurisPR-ArbR 37/2010 Anm. 4 -; LAG Baden-Württemberg, U. v. 02.12.2010, 22 Sa 59/10, juris; LAG Köln, U. v. 17.09.2010, 4 Sa 584/10, juris; LAG Schleswig-Holstein, U. v. 16.12.2010, 4 Sa 209/10, BB 2011, S. 372 (LS) - auch juris -; LAG Düsseldorf, U. v. 08.02.2011, 16 Sa 1574/10, juris - jeweils Revision zugelassen und eingelegt -; Boecken/Jacobsen, aaO, S. 267 f).
d) Damit bestehen keine Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers für die hier noch streitgegenständlichen Urlaubsjahre 2007 bis 2009, weshalb das Arbeitsgericht die Klage insoweit zurecht abgewiesen hat und die Berufung ebenfalls zurückzuweisen ist - ohne dass es noch auf die Frage der Berechnung der Höhe eines Abgeltungsanspruches - auch: Höhe des „Ehegattenanteils“ (000,-- € brutto/Monat bzw. 000,-- € brutto/Monat) - sowie die Frage der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 61 BAT/AOK-Neu (siehe die zahlreichen Revisionsverfahren beim BAG hierzu, auch U. der erkennenden Kammer vom 24.06.2010, 4 Sa 1029/09 – nicht rechtskräftig, Az. des BAG: 9 AZR 486/10 -) ankommt.
III.
Der Kläger hat damit die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
IV.
Die Berufungskammer hat die Revision wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG) zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.
Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.
Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder
oder
von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de/.
Burger Steinwinter Kammler-----------------------------------------------------
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