Text des Beschlusses
1 Ws 455/10;
Verkündet am:
13.12.2010
OLG Oberlandesgericht
Jena
Vorinstanzen:
8 StVK 621/07
Landgericht
Gera;
Rechtskräftig: unbekannt!
Anordnung der Pflicht zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit im Rahmen der Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung kann Weisung im Sinne § 56c Abs.2 Nr. 1 StGB sein
Leitsatz des Gerichts:
StGB §§ 56, 56b Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3; 56c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1; 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2; 57 Abs. 3 Satz 1
Die Anordnung der Pflicht zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit im Rahmen der Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung kann Weisung im Sinne § 56c Abs.2 Nr. 1 StGB sein. Ihre Nichterfüllung berechtigt unter den Voraussetzungen des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zum Widerruf der Strafaussetzung.
Die Frage, ob eine richterliche Anordnung in einem Bewährungsbeschluss Auflage oder Weisung ist, beantwortet sich nach ihrer Zielrichtung. Während die Auflagen der Genug-tuung für das begangene Unrecht dienen (§ 56b Abs. 1 Satz 1 StGB), bezwecken die Weisungen eine Resozialisierung des Täters. Sie sollen ihm beim Erreichen des Bewährungsziels helfen.
Leistungen zur Erfüllung einer Weisung dürfen nicht auf die Strafe angerechnet werden. Eine gleichwohl erfolgte Anrechnung unterliegt dem Verschlechterungsverbot.
gegen T Z,
geb. am in,
:,
ledig, deutscher Staatsangehöriger
Bewährungshelferin: St P
wegen Betruges
hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung
hat auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der des Landgerichts vom 18.10.2010 der des Thüringer Oberlandesgerichts durch , und am 13. Dezember 2010 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.
Gründe:
I.
Durch das seit dem 10.10.2006 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Gera vom 28.06.2006 (Az.: 596 Js 24497/04 1Ls) ist gegen den Verurteilten wegen Betruges in 50 rechtlich selbstständigen Fällen, wobei er in 47 Fällen gewerbsmäßig handelte, eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verhängt worden.
In dem Urteil ist festgestellt, dass sich der seit längerer Zeit arbeitslose Verurteilte häufiger in Spielhallen aufhielt und dort sehr viel Geld ausgab. Zur Finanzierung dieser Leidenschaft bestellte er bei der Fa. Quelle AG in Fürth Waren, bezahlte diese nur zum geringen Teil, veräußerte sie anschließend über die Internetplattform eBay an Dritte und finanzierte mit den Einnahmen aus dem Verkauf seine Spielleidenschaft.
Die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe hat der Verurteilte ab dem 19.01.2007 in der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben verbüßt. Nach Verbüßung von 2/3 hat das Landgericht Gera mit Beschluss vom 11.02.2008 (Az.: StVK 621/07), rechtskräftig seit dem 26.02.2008, die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit ist auf 3 Jahre festgesetzt worden. Für die Dauer der Bewährungszeit ist der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des für seinen jeweiligen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt und weiter angeordnet worden, dass er dessen Ladungen und Weisungen Folge zu leisten hat. Darüber hinaus ist er angewiesen worden, ab dem 03.03.2008 eine Langzeittherapie von 12 Wochen im Asklepios Fachklinikum Wiesen in Wildenfels zu absolvieren und diese nicht ohne Zustimmung der behandelnden Therapeuten abzubrechen.
Da der Verurteilte, als seine Bewährungshelferin ihn unter Hinweis auf die möglichen Konsequenzen nachdrücklich dazu anhielt, die erteilte Therapieweisung zu befolgen, im September 2008 den Kontakt zu ihr abbrach, trotz vorliegender Kostenbewilligung die Therapie nicht antrat und auch vereinbarte Termine bei der Suchtberatung absagte, hat das Landgericht Gera nach persönlicher Anhörung des Betroffenen am 19.08.2009 mit Beschluss vom 24.09.2009 vom Bewährungswiderruf abgesehen und stattdessen die Auflagen und Weisungen aus dem Beschluss vom 11.02.2008 nach Maßgabe des im Anhörungstermin auch mit dem Angeklagten erzielten Einvernehmens geändert und ergänzt.
In Ziff. 1 dieses Beschlusses ist dem Verurteilten aufgegeben worden, binnen einer Frist von 9 Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses 500 Stunden gemeinnützige Arbeit nach näherer Weisung der Bewährungshelferin zu leisten, wobei das Ruhen dieser Auflage angeordnet wurde, solange der Verurteilte eine sozialversicherungspflichtige Arbeit, eine Umschulung oder Berufsausbildung oder sonstige Maßnahme nach den Bestimmungen des Arbeitsförderungsrechts von wenigstens 30 Stunden wöchentlich absolviert.
Darüber hinaus ist der Verurteilte angewiesen worden, sich ernsthaft und nachhaltig um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu bemühen und diese Bemühungen schriftlich der Bewährungshilfe mindestens einmal pro Monat unaufgefordert nachzuweisen.
Ferner hat er die Weisung erhalten, die in Anspruch genommene Suchtberatung fortzuführen, bis ihm die Nichterforderlichkeit einer weiteren stationären oder auch nur ambulanten Therapie schriftlich bescheinigt werde.
Dem Verurteilten ist weiter aufgegeben worden, sämtliche noch vorhandenen Schulden aus den vorangegangenen Straftaten nach Kräften abzubauen, hierüber unaufgefordert und regelmäßig der Bewährungshilfe zu berichten und entsprechende Unterlagen zum Nachweis vorzulegen. Die mit Beschluss des Landgerichts vom 11.02.2008 getroffene Anordnung einer Langzeittherapie wurde vorläufig aufgehoben, wobei sich das Gericht jedoch ausdrücklich deren erneute Anordnung im Bedarfsfalle vorbehielt.
Nachdem der Verurteilte in der Folgezeit nur bis zum 09.03.2010 zur Bewährungshelferin Kontakt hielt, weiteren Terminsladungen keine Folge mehr leistet und bis zum 26.04.2010 von den insgesamt 500 gemeinnützigen Arbeitsstunden lediglich 207 absolvierte, hat die Staatsanwaltschaft Gera mit Verfügung vom 20.09.2010 beantragt, die dem Verurteilten mit Beschluss des Landgerichts Gera vom 11.02.2008 gewährte Reststrafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen.
Nach mündlicher Anhörung des Verurteilten am 15.10.2010, in der der Verurteilte angab, er habe sich aus psychischen Gründen nicht mehr in der Lage gesehen, die beim Caritasverband Ostthüringen e.V. geleistete gemeinnützige Arbeit fortzusetzen, hat das Landgericht Gera mit Beschluss vom 18.10.2010 die dem Verurteilten gewährte Reststrafaussetzung zur Bewährung widerrufen und auf die noch zu vollstreckende Reststrafe die von dem Verurteilten geleisteten 207 gemeinnützigen Arbeitsstunden mit 30 Tagen (1 Tag zu je 7 Stunden) angerechnet.
Gegen diesen ihm am 21.10.2010 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte durch eigenes Schreiben vom 25.10.2010, eingegangen beim Landgericht am 27.10.2010, sofortige Beschwerde eingelegt, die entgegen anders lautender Ankündigung in diesem Schreiben bis dato nicht begründet worden ist.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlage der Akten an den Senat am 09.11.2010 beantragt,
die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zu verwerfen, dass auf die noch zu vollstreckende Reststrafe die von dem Verurteilten geleisteten 207 gemeinnützigen Arbeitsstunden mit 35 Tagen angerechnet werden.
II.
Die nach § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte und sowohl frist- als auch formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht Gera hat die dem Verurteilten mit Beschluss vom 11.02.2008 bewilligte Reststrafaussetzung zur Bewährung mit Recht widerrufen.
Der Bewährungswiderruf ist im Hinblick darauf, dass der Verurteilte nur 207 der ihm auferlegten 500 Stunden gemeinnützige Arbeit abgeleistet und den Kontakt zu seiner Bewährungshelferin abgebrochen hat, gerechtfertigt.
a) Die Verweigerung der vollständigen Ableistung der Arbeitsstunden erfordert den Widerruf der Strafaussetzung zumindest wegen des Hinzukommens der unzureichenden Kooperation mit der Bewährungshilfe.
aa) Der Umstand, dass der Verurteilte nur 207 der ihm auferlegten 500 Arbeitsstunden geleistet hat, würde als Widerrufsgrund ausscheiden, wenn die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit in Ziff. 1 des Beschlusses vom 24.09.2009 im Sinne des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO gesetzeswidrig und deshalb als Widerrufsgrund ungeeignet wäre.
Dass der Verurteilte den Beschluss vom 24.09.2009 nicht angefochten und über die darin enthaltenen Anordnungen in der vorangegangenen Anhörung auch mit ihm Einvernehmen erzielt worden ist, stünde dem nicht entgegen, denn auf eine Zuwiderhandlung gegen unzulässige Weisungen darf der Widerruf nicht gestützt werden. Die Zulässigkeit muss das Gericht im Widerrufsverfahren von Amts wegen prüfen, auch wenn der Verurteilte die Anordnung (Auflage oder Weisung) nicht angefochten oder beanstandet hatte (LK-Hubrach, StGB, 12.Aufl., § 56f Rdnr. 18 m.w.N.).
bb) Gesetzeswidrig wäre die Anordnung, wenn es sich um eine Arbeitsauflage im Sinne von § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB handeln würde.
Das ist jedoch nicht der Fall.
Nach der klaren Verweisung in StGB auf die §§ 56a bis 56e StGB ist die Erteilung von Auflagen auch bei einer Reststrafenaussetzung grundsätzlich möglich. Voraussetzung ist aber, dass diese Auflagen der (noch erforderlichen) Genugtuung für das begangene Unrecht dienen (§§ 57 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 56b Abs. 1 Satz 1 StGB). Im Fall der nachträglichen Erteilung einer Auflage muss dabei zusätzlich beachtet werden, dass dies nur zulässig ist, um das Genugtuungsbedürfnis der sich innerhalb der Bewährungszeit verändernden Bewährungssituation anzupassen, so etwa, wenn sich die Vermögensverhältnisse oder die Wiedergutmachungsvoraussetzungen wesentlich geändert haben (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.11.1990, 1 Ws 582/90, bei juris, m.w.N.).
Grundsätzlich ist durch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nicht nur dem Genugtuungsinteresse der Rechtsgemeinschaft, sondern auch dem der geschädigten Tatopfer genügt (OLG Dresden, Beschluss vom 23.07.2009, 2 Ws 368/09, bei juris; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 126 f.; OLG Celle StV 1981, 554). Dies gilt auch für die nach der Regelung des § 57 StGB teilverbüßte Freiheitsstrafe, weshalb die rechtlich vorgesehene Möglichkeit, die Reststrafaussetzung mit der Erteilung von Auflagen zu verbinden, besonderer Prüfung bedarf (vgl. LK-Hubrach, a.a.O., § 57 Rdnr. 57). Hierbei sind die Genugtuungsbelange einerseits besonders sorgfältig mit den berechtigten Wiedereingliederungsinteressen des Verurteilten andererseits einzelfallbezogen abzuwägen (OLG Frankfurt, a.a.O.).
Diesem strengen Maßstab würde der Beschluss des Landgerichts Gera vom 24.09.2009 nicht genügen, wenn die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit Auflage im Sinne des § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB wäre. Denn der Beschluss lässt nichts dafür erkennen, dass die dem Verurteilten unter Ziff. 1 des Beschlusses erteilte Arbeitsanordnung überhaupt der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen sollte. Er enthält deshalb auch keine Erwägungen dazu, dass das Genugtuungsbedürfnis der sich innerhalb der Bewährungszeit verändernden Bewährungssituation anzupassen war.
Dem Beschluss lässt sich auch nichts dafür entnehmen, dass die angeordnete Leistung gemeinnütziger Arbeitsstunden repressive Reaktion auf die mangelnde Bereitschaft des Verurteilten zur Zusammenarbeit mit der Bewährungshelferin und/oder seiner hartnäckigen Weigerung der im Beschluss des Landgerichts Gera enthaltenen Therapieweisung sein sollte. Mit dieser Zwecksetzung wäre die Arbeitsanordnung ohnehin unzulässig, denn eine Auflage im Sinne einer „Bewährungsstrafe“ für Zuwiderhandlungen gegen die dem Verurteilten auferlegten Bewährungspflichten kennt das Strafrecht nicht (OLG Zweibrücken, a.a.O.).
Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Anhörung vom 19.08.2009 ergibt, lag der in Ziff. 1 des Beschlusses vom 24.09.2010 getroffenen Anordnung vielmehr die Überlegung zu Grunde, dem Verurteilten Hilfestellung zur Lebensführung zu leisten, ihm insbesondere zu einem strukturierten Tagesablauf zu verhelfen, um ihn dadurch einerseits zur Wiederaufnahme der von ihm abgebrochenen Zusammenarbeit mit seiner Bewährungshelferin zu bewegen und ihn andererseits bei Vermeidung einer stationären Therapie darin zu unterstützen, mit seiner Spielleidenschaft, die Ursache für die der Verurteilung zugrunde liegenden Betrugstaten gewesen ist, umzugehen. Nach diesen mit der gemeinnützigen Arbeit verfolgten Zwecken handelt es sich um eine Weisung im Sinne von des § 56f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 56c StGB, denn es geht letztlich allein darum, dem Verurteilten bei seinem Bemühen zu helfen, keine Straftaten mehr zu begehen (vgl. LK-Hubrach, a.a.O., § 56c Rdnr. 1 m.w.N.). Hierfür spricht auch, dass nach der in Ziff. 1 des Beschlusses vom 24.09.2009 getroffenen Regelung die Arbeitsleistung ruhen sollte, solange der Verurteilte eine sozialversicherungspflichtige Arbeit, eine Umschulung oder Berufsausbildung oder sonstige Maßnahme nach den Bestimmungen des Arbeitsförderungsrechts von wenigstens 30 Stunden wöchentlich absolviert. Eine solche Regelung wäre nicht einsichtig, wenn die angeordnete Arbeitsleistung der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen sollte.
cc) Als Weisung ist die getroffene Anordnung nicht im Sinne des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO gesetzeswidrig.
Rechtsgrundlage für die erteilte Weisung ist § 56c Abs.2 Nr. 1 StGB. Die mit der vorbeschriebenen Zweckrichtung angeordnete Ableistung gemeinnütziger Arbeit zählt zu den die Freizeit betreffenden Anordnungen (LK-Hubrach, a.a.O., § 56c Rdnr. 8; SK-Schall, StGB, § 56c Rdnr. 10).
Soweit in der Kommentarliteratur demgegenüber die Auffassung vertreten wird, die Anordnung, gemeinnützige Arbeit zu leisten, sei keine Weisung, sondern immer eine Auflage nach § 56b StGB (MK-Groß, StGB, § 56c Rdnr. 22), sodass stets dessen Voraussetzungen vorliegen müssten, steht dem entgegen, dass die Abgrenzung, ob eine richterliche Anordnung in einem Bewährungsbeschluss Auflage oder Weisung ist, nach ihrer Zielrichtung vorzunehmen ist. Während die Auflagen der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen (§ 56b Abs. 1 Satz 1 StGB), bezwecken die Weisungen eine Resozialisierung des Täters (§ 56c Abs. 1 Satz 1 StGB). Sie sollen ihm beim Erreichen des Bewährungsziels helfen. Aus dem Umstand, dass gemeinnützige Leistungen in § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB ausdrücklich genannt sind, in § 56c StGB dagegen nicht, ist nicht der Schluss zu ziehen, derartige gemeinnützige Leistungen dürften nur dann angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen des § 56b StGB vorliegen, diese Anordnung also insbesondere der Genugtuung für das begangene Unrecht dient. Anders verhielte es sich nur dann, wenn der Katalog der in § 56c Abs.2, 3 StGB genannten Weisungen abschließend wäre. Das ist bereits nach dem Wortlaut des § 56c Abs. 2 StGB, wonach das Gericht „namentlich“ die genannten Weisungen erteilen kann, und auch nach dem bereits dargestellte Sinn und Zweck der Weisungserteilung jedoch nicht der Fall. Das verfolgte Ziel der Vermeidung neuer Straftaten erfordert es, die Weisungen den Notwendigkeiten des Einzelfalles anpassen zu können. Damit wäre ein abschließender Weisungskatalog unvereinbar (LK-Hubrach, a.a.O., § 56c Rdnr. 3).
Mit ihrer Einordnung als Weisung wird die in Ziff. 1 des Beschlusses vom 24.09.2010 getroffene Anordnung auch nicht unzulässigerweise ‚umgewidmet’ (vgl. SK-Horn, a.a.O., § 57 Rdnr. 19). Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn die Anordnung ursprünglich der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen sollte, was jedoch nicht der Fall ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft in Bezug genommenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Dresden (a.a.O.) und Hamm (Beschluss vom 13.12.2007, 3 Ws 688/07, bei juris). Diese verhalten sich gerade nicht zu als Weisung im Sinne des § 56c StGB auferlegten gemeinnützigen Leistungen, sondern zu solchen, die ausdrücklich zum Zwecke der Genugtuung für das begangene Unrecht angeordnet wurden und deshalb als Auflage nach § 56b StGB zu behandeln waren.
Die Arbeitsweisung ist geeignet, zu einer straffreien Lebensführung des Verurteilten beizutragen, verstößt auch ansonsten nicht gegen das Übermaßverbot und ist weder grundrechtswidrig noch im Übrigen mit der Verfassung oder einfachgesetzlichen Vorschriften unvereinbar.
Insbesondere missachtet die Anordnung nicht § 56c Abs. 4 StGB, wonach das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig absieht, wenn der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung macht und deren Einhaltung zu erwarten ist. Obwohl sich der Verurteilte mit den ihm dann durch Beschluss vom 24.09.2009 erteilten Weisungen im Anhörungstermin vom 19.08.2009 einverstanden erklärt hatte, war von deren Erteilung nicht abzusehen. Grund für den Anhörungstermin vom 19.08.2009 und den nachfolgenden Beschluss vom 24.09.2009 waren gerade vorangegangene Verstöße des Verurteilten gegen die ihm mit Beschluss vom 11.02.2008 erteilten Weisungen. Deshalb war nicht damit zu rechnen, dass der Verurteilte die im Anhörungstermin vom 19.08.2009 gemachten Zusagen einhalten werde.
dd) Die Voraussetzungen für einen Widerruf wegen Weisungsverstoßes nach §§ 57 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB sind erfüllt.
Danach widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person gegen Weisungen gröblich und beharrlich verstößt und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird.
Indem der Verurteilte lediglich 207 Stunden der ihm auferlegten 500 Stunden gemeinnützige Arbeitsleistungen erbracht hat, hat er gröblich und beharrlich gegen Ziff.1 des Beschlusses vom 24.09.2010 verstoßen.
Der Begriff gröblich bezeichnet einen objektiv erheblichen Verstoß. Subjektiv ist jedenfalls erforderlich, dass der Proband den Verstoß verschuldet hat, also bei gutem Willen, wenn auch mit Anstrengungen zur Erfüllung in der Lage war (vgl. LK-Hubrach, a.a.O., § 56 f Rdnr. 19 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Verurteilte hat lediglich 207 der ihm auferlegten 500 Arbeitsstunden geleistet. Der Verstoß ist damit objektiv erheblich. Der Verurteilte hat den Verstoß auch verschuldet. Auf die Bedeutung dieser zur Vermeidung des Bewährungswiderrufs gemäß § 56f Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nachträglich erteilten Weisung ist der Verurteilte bereits im Termin zur Anhörung am 19.08.2009, in den Gründen des Beschlusses vom 24.09.2009 und durch die Bewährungshelferin nachdrücklich hingewiesen worden. Dafür, dass die vom Verurteilten im Anhörungstermin vom 15.10.2010 angegebenen aber nicht näher ausgeführten psychischen Gründe so gravierend gewesen sind, dass er seine gemeinnützige Tätigkeit beim Caritasverband Ostthüringen nicht fortsetzen konnte, gibt es keine Anhaltspunkte. Überdies ist nicht erkennbar, dass der Verurteilte sich darum bemüht hätte, die gemeinnützige Arbeitsleistung bei einer anderen Stelle erbringen zu dürfen.
Der Weisungsverstoß des Verurteilten ist auch beharrlich, denn der Verurteilte hat die begonnene Ableistung der Arbeitsstunden nicht fortgesetzt, obwohl ihn die Bewährungshelferin hierzu aufgefordert hatte.
b) Der Widerruf der Strafaussetzung ist ferner deshalb berechtigt, weil sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung seiner Bewährungshelferin beharrlich entzogen hat.
aa) Dieser Widerrufsgrund nach § 57 Abs. 5 StGB i.V.m. § 56f Abs.1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist nicht deshalb verbraucht, weil das Landgericht fehlende Kooperation des Verurteilten mit der Bewährungshelferin bereits zum Anlass für seinen Beschluss vom 24.09.2009 genommen hat.
Damit ist lediglich die vor dem 24.09.2009 liegende fehlende Kooperation des Verurteilten mit seiner Bewährungshelferin, nicht aber die danach liegende verbraucht.
bb) Die durch den Beschluss des Landgerichts Gera vom 11.02.2008 angeordnete Unterstellung des Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers war rechtmäßig, denn sie entsprach der in § 57 Abs. 3 Satz 2 StGB bestimmten Regelfolge.
cc) Ein „beharrliches Sichentziehen” im Sinne des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB erfordert ein in objektiver Hinsicht wiederholtes bzw. andauerndes Verhalten des Verurteilten, das auf einer endgültig ablehnenden Haltung gegenüber der Beaufsichtigung durch den Bewährungshelfer beruht (OLG Dresden, a.a.O., m.w.N.).
So verhält es sich hier. Das gesamte Bewährungsverhalten des Verurteilten ist dadurch geprägt, dass er nur unzureichend Kontakt zu seiner Bewährungshelferin gehalten hat. Auch nachdem das Landgericht Gera als Reaktion auf den bis dahin unbefriedigenden Bewährungsverlauf mit Beschluss vom 24.09.2009 die Auflagen und Weisungen modifiziert, jedoch die Weisung der Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin aufrechterhalten hatte, war der Kontakt des Verurteilten zur Bewährungshelferin nur ungenügend. Nachdem der Verurteilte ausweislich der Schreiben der Bewährungshelferin vom 09.02 und 02.09.2010 zunächst die vereinbarten Gesprächstermin eingehalten hatte, brach er den Kontakt zu ihr erneut ab.
So hat die Bewährungshelferin in ihrem Schreiben vom 02.09.2010 mitgeteilt, dass das letzte Bewerbungsgespräch am 09.03.2010 stattgefunden habe. Den Ladungen zu den Terminen am 20.04., 27.04, 11.05, 27.07. und 12.08.2010 sei der Verurteilte trotz deutlicher Verweise auf die möglichen Konsequenzen ohne Entschuldigung ferngeblieben. Dies hat der Verurteilte in seiner mündlichen Anhörung am 15.10.2010 auch eingeräumt.
Hiernach hat sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin auch nach dem 24.09.2009 beharrlich entzogen.
c) Der Verstoß gegen die Weisung, 500 gemeinnützige Arbeitsstunden abzuleisten, und der Abbruch des Kontakts zu seiner Bewährungshelferin geben Anlass zu der Besorgnis, dass der Verurteilte erneut Straftaten begehen wird.
Dabei hat sich die neu zu stellende Prognose an den ursprünglichen Voraussetzungen des § 56 StGB oder hier des § 57 StGB auszurichten. Zwar rechtfertigt der Weisungsverstoß für sich alleine noch keine ungünstige Prognose, ist hierfür jedoch indiziell. Entscheidend ist, welches Gewicht dieses Indiz bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung im Einzelfall gewinnt und ob es durch andere Tatsachen entkräftet oder gestützt wird (Fischer, StGB, 57. Auflage, § 56f Rn. 11 m.w.N.).
Die hiernach sowohl durch die nur teilweise geleisteten gemeinnützigen Arbeitsstunden als auch durch den Abbruch des Kontakts zu seiner Bewährungshelferin indizierte Besorgnis, dass der Verurteilte erneut Straftaten begeht, wird durch die im Übrigen in die Gesamtwürdigung einzustellenden Umstände, insbesondere den bisherigen Bewährungsverlauf, gestützt.
Nach den im Urteil des Amtsgerichts Gera vom 28.06.2006 getroffenen Feststellungen hat der Verurteilte die verfahrensgegenständlichen Betrugsstraftaten begangen, um seine Spielleidenschaft zu finanzieren. Unter Berücksichtigung seiner hartnäckigen Weigerung, sich wegen seiner Spielleidenschaft einer stationären Langzeittherapie (diese mit Beschluss vom 11.02.2008 erteilte Weisung ist erst mit Beschluss vom 24.09.2009 vorläufig aufgehoben worden) zu unterziehen, und unter weiterer Berücksichtigung, dass der Verurteilte nach wie vor ohne festes Arbeitseinkommen ist, steht zu befürchten, dass er erneut Straftaten begehen wird, um seine Spielleidenschaft zu finanzieren.
2. Die Strafvollstreckungskammer hat auch zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für das Absehen vom Widerruf gem. § 57 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 56f Abs. 2 Satz 1 StGB nicht vorliegen.
Bereits mit dem Beschluss vom 24.09.2009 hat das Landgericht Gera den Versuch unternommen, das defizitäre Bewährungsverhalten des Verurteilten im Wege der nachträglichen Modifizierung von Weisungen positiv zu beeinflussen. Dies hatte jedoch nur kurzfristig Erfolg.
3. Die Beschwerde hat auch im Hinblick auf die Anrechnung erbrachter Arbeitsstunden auf die zu verbüßende Strafe (§ 57 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB) keinen Erfolg.
Leistungen in Erfüllung einer Weisung sind in § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB nicht genannt. Sie sind auch nicht in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift anzurechnen, da sie anders als die Auflagen nicht der Genugtuung dienen und daher mit dem Bewährungswiderruf nicht nachträglich ihre Rechtfertigung verlieren (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.11.1992, Az.: 2 Ws 332/92, bei juris; LK-Hubrach, a.a.O., § 56f Rdnr. 53; MK-Groß, a.a.O., § 56f Rdnr. 34 m.w.N.). Ob für den Fall, dass die Weisung wie bei der nach § 56c Abs. 3 Nr. 2 StGB erteilten – Aufenthalt in einem Heim oder in einer Anstalt – mit erheblichen Freiheitsbeschränkungen verbunden ist, eine Ausnahme gemacht werden muss (LG Freiburg StV 1983, 292) kann dahinstehen, denn eine die Freiheit ebenso erheblich beschränkende Weisung wie die in § 56c Abs. 3 Nr. 2 StGB genannte steht bei der in Ziff. 1 des Beschlusses vom 24.09.2009 erteilten Arbeitsweisung nicht in Rede.
Die in dem angegriffenen Beschluss erfolgte Anrechnung der von dem Verurteilten geleisteten 207 gemeinnützigen Arbeitsstunden mit 30 Tagen auf die noch zu vollstreckende Restfreiheitsstrafe ist daher zu Unrecht erfolgt.
Der Senat ist jedoch wegen des auf diese Fallgestaltung anzuwendenden Verschlechterungsverbots gehindert, die rechtsfehlerhafte Anrechnung aufzuheben.
Das Verschlechterungsverbot ist zwar ausdrücklich in den §§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2 StPO nur für das Berufungs-, Revisions- und Wiederaufnahmeverfahren bestimmt und soll grundsätzlich im Beschwerdeverfahren keine Anwendung finden (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., vor § 304 Rdnr. 5 m.w.N.). Rechtsprechung und Literatur machen jedoch u.a. dann eine Ausnahme, wenn eine Rechtsfolge endgültig festgelegt wird, was insbesondere bei Beschlüssen, durch die bei Widerruf der Strafaussetzung Leistungen zu Unrecht nach § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB angerechnet worden sind, der Fall ist (Meyer-Goßner, a.a.O.; OLG München MDR 1980, 517; OLG Hamm NStZ 1996, 303, 304).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Das Verschlechterungsverbot beruht auf dem Gedanken, dass der Rechtsmittelführer nicht soll befürchten müssen, durch die Einlegung eines Rechtsmittels seine Lage zu verschlechtern. Das gilt auch bei Festschreibung der noch zu verbüßenden Strafe durch einen Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung mit Anrechnung von erbrachten Leistungen. Dies rechtfertigt es, das Verschlechterungsverbot auf einen Fall wie den vorliegenden anzuwenden, auch wenn damit ein Rechtsfehler bestehen bleibt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.-----------------------------------------------------
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