Text des Beschlusses
4 U 111/08 ;
Verkündet am:
08.06.2011
OLG Oberlandesgericht
Jena
Vorinstanzen:
7 O 2347/02
Landgericht
Erfurt;
Rechtskräftig: unbekannt!
Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO erfordert eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung
Leitsatz des Gerichts:
§ 321 a ZPO
1. Die Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO erfordert eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung. Als Sonderfall einer Verfahrensrüge unterliegt daher auch dieser Rechtsbehelf den gleichen Anforderungen, die an die Zulässigkeitsprüfung einer Revisionsbegründung (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO) gestellt werden.
2. Der strenge Prüfungsmaßstab verlangt eine substantiierte Darstellung des (angeblichen) Gehörsverstoßes und seiner Entscheidungserheblichkeit für die angegriffene Entscheidung. Dabei müssen die den behaupteten Verstoß begründenden Tatsachen so detailliert dargestellt werden, dass sich der Verfahrensmangel (allein) auf der Grundlage der Rügeschrift beurteilen lässt.
In dem Rechtsstreit
1. A. O. D.
2. I. D.
- Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Zentralklinik B. B. GmbH,
- Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser am 08.06.2011 beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Berufungskläger vom 28.03.2011 gegen den Beschluss des Senats vom 09.03.2011 wird kostenpflichtig verworfen.
Gründe:
I.
Nachdem er die wegen (streitiger) Fehlbehandlung erhobene Arzthaftungsklage in erster Instanz verloren und gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Erfurt Berufung eingelegt hatte, verstarb der Kläger Silvio Dahlke am 31.01.2010.
Seine Eltern Arno und Ingrid Dahlke haben das (noch) von ihrem Sohn selbst begonnene Berufungsverfahren als dessen Erben und Rechtsnachfolger fortgeführt. Mit dem die Aufnahme des Rechtsstreits (anstelle des verstorbenen Klägers) erklärenden Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.04.2010 (Bd. III Bl. 532f.) haben die (neuen) Berufungskläger zugleich den Antrag angekündigt, ihnen gemäß § 780 ZPO die beschränkte Erbenhaftung für die bis zur Aufnahme entstandenen Kosten vorzubehalten.
Im Verhandlungstermin vom 31.08.2010 (Verhandlungsprotokoll Bd. III Bl. 561ff.) hat der Prozessbevollmächtigte der Berufungskläger – in Anwesenheit und nach Rücksprache mit der Berufungsklägerin zu 2. – die Berufungsrücknahme erklärt; weitere Prozesserklärungen oder Sachanträge wurden nicht abgegeben, bzw. gestellt. Im Anschluss an die Berufungsrücknahme hat der Senat sogleich noch im Verhandlungstermin (bei fortdauernder Präsenz der Berufungsklägerin zu 2. und der Prozessbevollmächtigten beider Parteien) den Kostenbeschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO verkündet, der lautet wie folgt:
„Die Kläger sind des Rechtsmittels der Berufung verlustig; sie haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 516 Abs. 3 ZPO).“
Mit Schriftsatz vom 13.10.2010 – eingegangen an diesem Tag – haben die Berufungskläger die Berichtigung, bzw. (hilfsweise) Ergänzung des Kostenbeschlusses um den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung beantragt.
Diesen Antrag hat der Senat mit dem nun angegriffenen Beschluss vom 09.03.2011 als unzulässig verworfen.
Die tragenden Erwägungen hierfür lauten wie folgt:
„Eine mithin mögliche Aufnahme des Haftungsvorbehalts in den deklaratorischen Kostenbeschluss des § 516 Abs. 3 ZPO ist hier mit der Folge versehentlich unterblieben, dass nur ein Beschlussergänzungs-, nicht aber ein Beschlussberichtigungsverfahren in Betracht kam.
§ 321 ZPO kommt zur Anwendung, wenn ein geltend gemachter Anspruch völlig übergangen; d.h. überhaupt nicht Gegenstand der Entscheidung war. Ergibt sich hingegen eindeutig aus den Urteilsgründen, dass eine Entscheidung über den Anspruch gewollt und nur der Urteilsausspruch (insoweit) in der Formel unterlassen wurde, ist auf § 319 ZPO zurückzugreifen.
Diese Grundsätze zur Abgrenzung des (auf Beschlüsse entsprechend anwendbaren) Urteilsergänzungsverfahrens nach § 321 ZPO und des (bei Beschlüssen gleichfalls entsprechend anwendbaren) Urteilsberichtigungsverfahrens nach § 319 ZPO vorausgeschickt, kann auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nur § 321 ZPO (entsprechende) Anwendung finden. Mit der versehentlich übergangenen Einrede der beschränkten Erbenhaftung liegt nicht nur eine Tenorierungs-, sondern eine Entscheidungslücke vor, die nur mit dem Ergänzungsverfahren des § 321 ZPO hätte geschlossen werden können (ebenso OLG Schleswig MDR 2005, 350; OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1160).
Einen solchen allein statthaften Ergänzungsantrag haben die Berufungskläger – wenn auch nur hilfsweise – zwar gestellt; dabei aber die Zwei-Wochen-Frist zur Antragseinlegung versäumt.“
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 14.03.2011 zugestellten Beschluss wenden sich die Berufungskläger mit ihrer – an diesem Tag eingegangenen – Anhörungsrüge vom 28.03.2011.
Zur Begründung der Rüge bringen sie vor, der Kostenbeschluss vom 31.08.2010 wie auch der dessen Berichtigung / Ergänzung ablehnende Beschluss vom 09.03.2011 seien „greifbar gesetzeswidrig“, da der Ausspruch der vorbehaltenen Erbenhaftung zwingend gewesen, und nicht etwa einem Beurteilungsspielraum des Senats unterlegen hätte. Die Unvollständigkeit des Kostenbeschlusses stelle daher nur eine nach § 319 ZPO zu berichtigende Tenorierungslücke und keine – dem Ergänzungsverfahren des § 321 ZPO unterfallende – Entscheidungslücke dar, was der Senat bei der Beschlussfassung vom 09.03.2011 übersehen und deshalb – da bei richtiger Gesetzesanwendung die Entscheidung anders ausgefallen wäre – das rechtliche Gehör der Berufungskläger verletzt habe.
II.
Die Anhörungsrüge (Gehörsrüge) bleibt ohne Erfolg.
Sie ist bereits unzulässig; im Übrigen wäre sie aber auch unbegründet.
Die Gehörsrüge gegen den im Instanzenzug unanfechtbaren und deshalb rügefähigen Beschluss vom 09.03.2011 ist zwar von den durch ihn beschwerten und deshalb rügeberechtigten Berufungsklägern statthaft (§ 321 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch fristgerecht (§ 321 Abs. 2 Satz 1 ZPO) eingelegt worden. dennoch scheitert der Rechtsbehelf schon an einem formalen Mangel. Die Rügeschrift genügt nämlich nicht den Anforderungen an die Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung.
Wie aus § 321 a Abs. 2 Satz 5, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO folgt, muss die Rüge das Vorliegen eines Falls der entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung darlegen. Hierbei handelt es sich um den Sonderfall einer Verfahrensrüge. Es gelten daher dieselben Grundsätze wie bei der Zulässigkeitsprüfung einer Revisionsbegründung nach § 551 Abs. 3 Nr. 2b ZPO oder einer Wiedereinsetzungsbegründung nach § 236 Abs. 2 ZPO (Zöller, ZPO, 28. Aufl., Rdnr. 13 zu § 321 a). Zusätzlich hat sich die Gehörsrüge nach § 321 a ZPO stets auch auf die Beruhensfrage zu erstrecken; insoweit gehen die gesetzlichen Prüfungskriterien sogar noch über die strengen Anforderungen an die strafprozessuale (revisionsrechtliche) Verfahrensrüge des § 337 StPO hinaus (vgl. hierzu den Beschluss des erkennenden Senats v. 14.03.2011; Az.: 4 U 523/09; OLG Bamberg, Beschluss v. 30.03.2010 – Az.: 4 U 138/09 -, beide veröffentlicht in der juris-Datenbank).
Der sich hieraus ergebende besondere (strenge) Prüfungsmaßstab verlangt eine substantiierte Darstellung des (angeblichen) Gehörsverstoßes und seiner Entscheidungserheblichkeit. In der Rügebegründung sind die einzelnen Umstände (Tatsachen, Verfahrenssituation u.a.) darzulegen, aus denen sich die (behauptete) Gehörsverletzung ergibt, ferner, warum die Entscheidung ohne die Gehörsverletzung möglicherweise anders ausgefallen wäre (Zöller a.a.O.; Musielak, ZPO, 6. Aufl., Rdnr. 9 zu § 321 a; MK-ZPO, 3. Aufl., Rdnr. 5 zu § 321 a).
Im Ergebnis bedeutet das, dass die den behaupteten Verstoß enthaltenden Tatsachen – einschließlich der den Bezugsrahmen der Bewertung bildenden Verfahrenssituation (Zöller a.a.O.) – so detailliert und genau dargestellt werden müssen, dass das Vorliegen (oder auch Fehlen) des in Rede stehenden Verfahrensmangels allein auf Grundlage der Rügeschrift beurteilt werden kann.
Die hier zu beurteilende Rügeschrift ist von diesen Vorgaben weit entfernt. Eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung ist nicht vorgetragen. Die Rügeschrift beschränkt sich vielmehr darauf, die rechtliche Bewertung des Antrags der Berufungskläger vom 13.10.2010 durch den Senat als falsch anzugreifen. Angriffe dieser Art sind aber für die auf die Gehörskontrolle beschränkte Rüge des § 321 a ZPO nicht geeignet. Rügegegenstand kann nur (jede) Verletzung des rechtlichen Gehörs sein; also des aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruchs, dass das erkennende Gericht das Parteivorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht.
Dass der Senat diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen mit dem angefochtenen Beschluss nicht gerecht geworden sein soll, ist nicht dargetan. Ein Übergehen entscheidungserheblichen Tatsachen- oder Rechtsvortrags ist nicht behauptet. Gerügt – und zwar als falsch – werden nur die der Auffassung der Berufungskläger nicht folgenden Rechtsausführungen des Senats zu der von den Parteien streitig diskutierten Frage, ob das Berichtigungsverfahren des § 319 ZPO oder aber das Ergänzungsverfahren des § 321 ZPO zur Anwendung kommt. Eine solche Rechtsrüge kann aber nicht Gegenstand der Gehörsrüge des § 321 a ZPO sein; und zwar auch nicht mit dem Argument der – so die Formulierung der Rügeschrift – „greifbaren Gesetzeswidrigkeit“ der angegriffenen Entscheidung.
Soweit dem Senat hiermit ein Verstoß gegen das objektive Willkürverbot vorgeworfen sein sollte, kann dahin stehen, ob ein solcher Grundrechtsverstoß (in Gestalt einer sachlich nicht zu rechtfertigenden und deshalb willkürlichen Behandlung – hier prozessualer – Rechtsfragen) ohne eine zugleich behauptete Gehörsverletzung überhaupt Gegenstand der Anhörungsrüge des § 321 a ZPO sein kann. Vorliegend fehlt es nämlich bereits an der substantiierten Darlegung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden und deshalb nicht nur falschen, sondern willkürlichen Behandlung des Antrags vom 13.10.2010 durch den Senat. Das – sich mit den Beschlussausführungen des Senats vom 09.03.2011 überhaupt nicht auseinandersetzende – plakative Behaupten einer „offenbaren Unrichtigkeit“ und „greifbaren Gesetzeswidrigkeit“ ersetzt den gebotenen Vortrag, warum die Behandlung als Ergänzungsantrag nach § 321 ZPO unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar (und deshalb willkürlich) sein soll, nicht.
Da die Rügebegründung – was aus § 321 a Abs. 4 Satz 1 ZPO („gesetzliche Form“) folgt – Zulässigkeitsvoraussetzung ist, war die Gehörsrüge der Berufungskläger nach alledem als unzulässig zu verwerfen.
Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass die Gehörsrüge auch in der Sache haltlos ist, d.h. im Übrigen – wenn nicht bereits unzulässig – jedenfalls unbegründet wäre. Der Senat hat seiner Verpflichtung aus Art. 103 Abs. 1 GG genügt und das tatsächliche, wie auch das rechtliche Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und sich hiermit auseinandergesetzt. Dass der (in der Rügeschrift nur anklingende, nicht aber ausformulierte) Vorwurf des Verstoßes gegen das Willkürverbot ersichtlich haltlos ist, mögen sich die Berufungskläger mit Blick auf ihren Hilfsantrag vom 13.10.2008 vor Augen führen: Dieser lautete nämlich darauf, den Kostenbeschluss vom 31.08.2010 „gemäß § 321 ZPO um den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zu ergänzen“.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wegen der Erfolglosigkeit ihrer Gehörsrüge haben die Berufungskläger die im Verfahren nach § 321 a ZPO angefallenen Gerichtskosten zu tragen. Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten findet hingegen nicht statt, weil die Klägerin im Rügeverfahren von demselben Prozessbevollmächtigten wie in der Berufungsinstanz vertreten wurde; weitere Anwaltskosten sind mithin nicht angefallen (vgl. Zöller a.a.O., Rdnr. 17, 20 zu § 321 a).
(Müller) (Billig) (Friebertshäuser)-----------------------------------------------------
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