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Text des Beschlusses
2 W 105/10;
Verkündet am: 
 29.04.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
10 O 3969/97
Landgericht
Magdeburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Besteht der Gerichtskostenanspruch der Landeskasse gegenüber mehreren Kostenschuldnern, so läuft die Verjährung des Kostenanspruchs gegenüber jedem einzelnen Kostenschuldner
Leitsatz des Gerichts:
1. Besteht der Gerichtskostenanspruch der Landeskasse gegenüber mehreren Kostenschuldnern, so läuft die Verjährung des Kostenanspruchs gegenüber jedem einzelnen Kostenschuldner und unabhängig davon, ob die Verjährung des Kostenanspruchs gegen einen anderen Kostenschuldner gehemmt oder unterbrochen wird (§ 425 Abs. 2 BGB).

2. Der Lauf der Verjährung des Kostenanspruchs der Landeskasse gegenüber einem Zweitschuldner ist zwar gehemmt im Hinblick auf die in § 58 Abs. 2 S. 1 GKG a. F. (entspricht § 31 Abs 2 S 1 GKG n. F.) vorgesehene Sperre für seine Inanspruchnahme.

3. Bleibt jedoch ein Vollstreckungsversuch gegen den Erstschuldner der Gerichtskosten erfolglos, so dass die vorgenannte Sperre wegfällt, so beginnt die Verjährung des Kostenanspruchs der Landeskasse gegenüber dem Zweitschuldner zu laufen.
In dem Rechtsstreit
…

hier: Rechtsmittel gegen die Zweitschuldner-Kostenrechnung

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann am 29. April 2011 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Zweitschuldnerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 8. Oktober 2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerung der Zweitschuldnerin wird die Zweitschuldner-Kostenrechnung des Landgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2009, Kassenzeichen: EFNR ... aufgehoben.

Das Erinnerungsverfahren und das Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.



Gründe


A.

Die Zweitschuldnerin leitete im Jahre 1997 einen Rechtsstreit gegen den Erstschuldner durch ein Mahnverfahren ein, der nach Übergang ins streitige Verfahren durch das 2. Versäumnisurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 4. März 1998 rechtskräftig beendet worden ist.

Die Zweitschuldnerin obsiegte im Rechtsstreit.

Das Landgericht Magdeburg hat die Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 2.013,70 DM (= 1.29,59 €) mit Kostenrechnung vom 16. März 1998, EFNR ... , vom Erstschuldner verlangt. Der Erstschuldner leistete am 29. Juni 2000 eine eidesstattliche Versicherung i.S. der §§ 899 ff. ZPO. Am 11. September 2002 erwirkte die Landeskasse einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen einen Arbeitgeber des Erstschuldners, der jedoch nicht zu Befriedigung der Forderung führte. Am 11. Juli 2005 fragte die Landeskasse beim zuständigen Amtsgericht wegen der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach und erfuhr, dass der Erstschuldner am 18. November 2003 erneut eine Versicherung seiner Vermögenslosigkeit an Eides Statt geleistet hatte. Nach einem mangels Zugang beim Erstschuldner erfolglosen Vollstreckungsauftrag der Landeskasse vom 12. September 2007 wurde am 19. Oktober 2007 ein weiterer Vollstreckungsauftrag versandt; er blieb erfolglos, weil der Erstschuldner am 20. Januar 2007 erneut eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Am 9. Juni 2008 erwirkte die Landeskasse einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen eine Sparkasse, bei der der Erstschuldner ein Konto unterhielt; auch dieser Vollstreckungsversuch blieb erfolglos.

Am 1. Dezember 2009 erließ das Landgericht Magdeburg eine Änderungsanordnung, wonach nunmehr die Kostenbeitreibung gegen die Zweitschuldnerin veranlasst werden sollte. Am selben Tage hat das Landgericht Magdeburg die Kostenrechnung EFNR ... über 1.029,60 € gegen die Zweitschuldnerin erlassen (im Folgenden: Kostenrechnung II). Die Zweitschuldnerin hat mit eMail vom 4. Februar 2010 die Einrede der Verjährung erhoben. Mit weiterem Schreiben vom 12. März 2010 hat die Zweitschuldnerin Erinnerung gegen die Kostenrechnung II erhoben und zur Begründung erneut auf den Eintritt der Verjährung verwiesen. Nach Anhörung der Bezirksrevisorin beim Landgericht Magdeburg und erneuter Stellungnahme der Zweitschuldnerin hat der Einzelrichter der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg durch Beschluss vom 8. Oktober 2010 die „als sofortige Beschwerde gewertete“ Erinnerung der Zweitschuldnerin gegen die Kostenrechnung II als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat er sich die Auffassung der Bezirksrevisorin zu Eigen gemacht, wonach jede der o.g. Vollstreckungsversuche der Landeskasse zu einer erneuten Unterbrechung der Verjährung gegenüber der Zweitschuldnerin geführt habe, weshalb die vierjährige Verjährungsfrist des § 10 GKG a.F. zum Zeitpunkt des Zahlungsverlangens gegenüber der Zweitschuldnerin im Dezember 2009 noch nicht vollendet gewesen sei.

Die Zweitschuldnerin hat gegen diese, ihr am 14. Oktober 2010 zugestellte Entscheidung mit einem am 12. November 2010 beim Justizzentrum Magdeburg eingegangen und am 15. November 2010 dem Landgericht Magdeburg zugeleiteten Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Auf den Inhalt der Beschwerdeschrift vom 10. November 2010 wird Bezug genommen. Im Beschwerdeverfahren haben die Bezirksrevisorin beim Landgericht Magdeburg und die Zweitschuldnerin nochmals Stellung genommen. Das Landgericht Magdeburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.


B.

I. Für die Erhebung der Gerichtskosten ist nach §§ 72 Nr. 1 i.V. mit 71 Abs. 1 GKG n.F. das Gerichtskostengesetz – GKG – in seiner vor dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung anzuwenden, weil der zugrunde liegende Rechtsstreit vor dem 1. Juli 2004 anhängig gemacht worden war.

Ebenso gilt grundsätzlich das Verjährungsrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB.

II. Die Beschwerde der Zweitschuldnerin ist nach § 5 Abs. 2 S. 1 GKG a.F. (ebenso § 66 Abs. 2 S. 1 GKG n.F.) zulässig.

Die Beschwerde ist nach § 5 Abs. 3 S. 3 GKG a.F. nicht an eine Frist gebunden. Die Mindestbeschwer ist erheblich überschritten.


III. Die Beschwerde der Zweitschuldnerin hat auch in der Sache Erfolg.

Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur ufhebung der angegriffenen Kostenrechnung.

1. Die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren können nicht mehr von der Zweitschuldnerin angefordert werden.

Zwar sind die gesetzlichen Anforderungen nach §§ 58 Abs. 2 i.V.m. 49 GKG a.F. erfüllt. Die Zweitschuldnerin ist als diejenige Prozesspartei, die im Mahnverfahren den Erlass eines Vollstreckungsbescheides beantragt hat, gesamtschuldnerisch neben dem Erstschuldner auch Schuldnerin der Gerichtskosten. Die Sperre nach § 58 Abs. 2 S. 1 GKG a.F. ist entfallen. Für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren kann offen bleiben, ob insoweit an den ersten erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuch im September 2002 anzuknüpfen ist oder ob ggf. bereits ausreichend war, dass der Erstschuldner im Juni 2000 eine eidesstattliche Versicherung nach §§ 899 ff. ZPO abgegeben hatte, aus der sich die Aussichtslosigkeit einer Zwangsvollstreckung ergab.

2. Der Inanspruchnahme der Zweitschuldnerin steht der Eintritt der Verjährung des gegen sie gerichteten Kostenanspruchs der Landeskasse entgegen.

a) Nach § 10 Abs. 1 GKG a.F. verjähren Kostenansprüche nach vier Jahren, beginnend mit dem Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem der Rechtsstreit durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten beendet worden ist.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass die Verjährungsfrist der gegen die Zweitschuldnerin gerichteten Kostenansprüche grundsätzlich am 31. Dezember 1998 zu begonnen hat und dass sie zunächst nach § 202 Abs. 1 BGB a.F. (direkt oder in analoger Anwendung) in ihrem Ablauf gehemmt war, solange das Hindernis der Inanspruchnahme der Zweitschuldnerin als Kostenschuldnerin nach § 58 Abs. 2 S. 1 GKG a.F. nicht beseitigt war. Spätestens am 11. September 2002 begann der Lauf der Verjährungsfrist für den Kostenanspruch der Landeskasse gegen die Zweitschuldnerin.

b) Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin und – ihr folgend – des Landgerichts führten die nachfolgenden weiteren Vollstreckungsversuche der Landeskasse gegen den Erstschuldner weder zu einem „Wiederaufleben“ der Sperre nach § 58 Abs. 2 GKG a.F. – für deren Wegfall kommt es allein auf die Erfolglosigkeit „eines“ Vollstreckungsversuches (im Sinne eines Zahlwortes) an – noch zu einer Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist des Kostenanspruchs gegen die Zweitschuldnerin.

aa) Die letzt genannte Auffassung findet keine rechtliche Grundlage im GKG a.F..

Dieses enthält keine besonderen Vorschriften zum Lauf der Verjährung bei Kostenansprüchen gegen mehrere Kostenschuldner.

bb) Nach § 10 Abs. 3 S. 1 GKG a.F. sind auf den Lauf der Verjährung eines Kostenanspruches der Landeskasse subsidiär, d.h. soweit das GKG keine besonderen Regelungen enthält, die allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB anzuwenden.

Nach § 194 Abs. 1 BGB ist die Verjährung auf ein konkretes Recht eines Rechtssubjekts gegenüber einem anderen bezogen, d.h. das grundsätzlich jeder Anspruch gesondert und unabhängig von der Verjährung eines anderen Anspruchs verjährt, es sei denn, etwas Anderes ist geregelt. Für die Mehrheit von Schuldnern in Form der Gesamtschuldnerschaft bestimmt § 425 BGB sogar ausdrücklich, dass die Verjährung eines Anspruches, aber auch deren Neubeginn, Hemmung und Ablaufhemmung nur für die Person eintritt, der gegenüber sie bewirkt worden ist. Daraus folgt, dass bei Kostenansprüchen der Landeskasse gegenüber mehreren Kostenschuldnern die Verjährungsfrist für jeden Kostenschuldner gesondert und unabhängig vom Lauf der Frist gegenüber anderen Kostenschuldnern verläuft (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 10.05.2001, 8 W 364/00 – JurBüro 2001, 597; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.10.2007, I-10 W 114/07 – OLGR 2008, 232; OLG Celle, Beschluss v. 29.02.2008, 19 WF 41/08 – JurBüro 2008, 324; vgl. auch AG Bremen, Beschluss v. 16.07.2008, 40 IK 197/01 – zitiert nach juris).

c) Die Landeskasse wird durch diese klare gesetzliche Regelung auch nicht unzumutbar belastet.

Die Verjährungsfrist von vier Jahren ist ausreichend bemessen. Die Landeskasse ist gehalten, diese Zeit nicht fruchtlos verstreichen zu lassen, sondern unverzüglich und effektiv gegen den Erstschuldner vorzugehen (vgl. LG Stendal, Beschluss v. 03.09.2004, 23 O 189/92 – JurBüro 2005, 317 – nur Ls. – hier zitiert nach juris). Diese Verpflichtung ist im vorliegenden Falle erheblich verletzt worden. Der erste Vollstreckungsversuch gegen den Erstschuldner ist erst kurz vor Ablauf der vierjährigen regulären Verjährungsfrist unternommen worden; auch in der Folge hatten die Vollstreckungsaufträge eher Alibi-Charakter. Entscheidend aber ist, dass die Landeskasse gegenüber der Zweitschuldnerin nach Wegfall der Sperre des § 58 Abs. 2 GKG a.F. keinerlei behördliche oder sonstige Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat. In zeitlicher Hinsicht legt die erstmalige Geltendmachung eines Kostenanspruches gegen die Zweitschuldnerin nach elf Jahren eine Verwirkung dieses Anspruchs nahe.

IV. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 5 Abs. 6 GKG a.F. (ebenso § 66 Abs. 8 GKG n.F.).

gez. Wiedemann Richter am Oberlandesgericht
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