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Text des Beschlusses
10 W 66/10;
Verkündet am: 
 30.03.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
10 O 1348/08
Landgericht
Magdeburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Gerichte ihrer Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, nachkommen, auch wenn sie darauf nicht im Einzelnen eingehen
Leitsatz des Gerichts:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Gerichte ihrer Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, nachkommen, auch wenn sie darauf nicht im Einzelnen eingehen. Sie haben keine Verpflichtung, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Parteien im Einzelnen auseinanderzusetzen, vielmehr können sie sich auf eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen beschränken, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
In der Beschwerdesache
…

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Holthaus und die Richterin am Oberlandesgericht Wolter am 30.03.2011 beschlossen:

Die Gehörsrüge der Beklagten vom 13. Januar 2011 gegen den Senatsbeschluss vom 29. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Gegenvorstellung der Beklagten vom 13. Januar 2011 gegen den Streitwertbeschluss des Senats vom 29. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.



Gründe:


I.

Mit Beschluss vom 29. Dezember 2010 hat der Senat die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Landgericht L. zurückweisenden Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 11. August 2010 zurückgewiesen und gleichzeitig den Beschwerdewert auf den Wert der Hauptsache festgesetzt.

Der Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter am 07. Januar 2011 übersandt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. Januar 2011, eingegangen beim Oberlandesgericht Naumburg am 14. Januar 2011, rügt die Beklagte gem. § 321a ZPO die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Der Senat habe den Kern des Beklagtenvorbringens verkannt und über einen nicht zur Entscheidung gestellten Sachverhalt entschieden. Ihr sei es ausschließlich darum gegangen, dass der Einzelrichter ihren Prozessbevollmächtigten während der seit dem 17. Mai 2010 laufenden dreiwöchigen Stellungnahmefrist auf das Sachverständigengutachten bereits am 21. Mai 2010 zu einer allein der richterlichen Terminsvorbereitung dienenden Erklärung über die Ladung des Sachverständigen zur Anhörung veranlasst und dieses Entgegenkommen anschließend fruchtbar gemacht habe, ihr das Recht auf Ablehnung des Sachverständigen aus rein formalen Gründen abzuschneiden. Hiernach habe für sie Anlass bestanden, an der Objektivität und Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln, weil er aus dem anwaltlichen Entgegenkommen für sie prozessuale Nachteile billigend in Kauf genommen habe. Eine inhaltliche Auseinandersetzung hiermit lasse der Senatsbeschluss nicht erkennen.

Gleichzeitig erhebt die Beklagte bezüglich des vom Senat festgesetzten Beschwerdewerts Gegenvorstellung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. Dezember 2003, Az.: II ZB 32/03. Maßgeblich sei allein ihr Interesse an der Besetzung des Gerichts nicht aber an der Hauptsache.


II.

1. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist zulässig.

Sie ist insbesondere innerhalb der Notfrist von zwei Wochen nach Kenntniserlangung gem. § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO erhoben worden. Die Beklagte hat vom Inhalt der Senatsentscheidung nach deren Versendung am 07. Januar 2011 frühestens am Montag, den 10. Januar 2011 Kenntnis erlangt. Die Rüge ist am 14. Januar 2011 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangen.

Die Gehörsrüge gegen den unanfechtbaren Senatsbeschluss vom 29. Dezember 2010 ist jedoch unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß § 321a Abs. 1 Ziff. 2 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich zweifelsfrei ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 19.10.2004, Az: 2 BvR 779/04, EuGRZ 2004, 656; BGH, Beschluss vom 27.03.2003, Az: V ZR 291/02, BGHZ 154, 288). Hier hat der Senat das als übergangen gerügte Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Das Beklagtenvorbringen wurde auch nicht missverstanden. Der Sinn des Vorbringens der Beklagten wurde vielmehr erfasst. Der Senat hat sich bei der Prüfung des Beschwerdevorbringens sowohl mit dem tatsächlichen als auch mit dem rechtlichen Vorbringen umfassend auseinandergesetzt und dieses in seine Würdigung einbezogen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Gerichte ihrer Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, nachkommen, auch wenn sie darauf nicht im Einzelnen eingehen (BVerfG, Beschluss vom 01. Februar 1978, Az: 1 BvR 426/77, BVerfGE 47, 182; BVerfG, Beschluss vom 08. Oktober 2003, Az: 2 BvR 949/02, RdL 2004, 68; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2009, Az: V ZR 105/09, NSWGG Art. 103 - BGH – intern - zitiert nach juris). Die Entscheidungsgründe enthalten nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Es besteht keine Verpflichtung, sich mit jedem Vorbringen der Parteien in den Gründen im Einzelnen auseinanderzusetzen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Senat hier nicht verkannt, dass sie meinte, es habe für sie Anlass bestanden, an der Objektivität und Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln, weil er prozessuale Nachteile für sie aus einem Entgegenkommen ihres Prozessbevollmächtigten hingenommen habe. Ihr Ablehnungsgesuch vom 24. Juni 2010 war zweifelsfrei damit begründet worden, sie müsse sachfremde Erwägungen befürchten, wenn ihr aus dem kooperativen Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten prozessuale Nachteile entstünden. Diese prozessualen Nachteile sah die Beklagte erkennbar in der Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuches gegen den Sachverständigen als verspätet. Hiermit hat sich der Senat befasst, indem er festgestellt hat, der Inhalt des Beschlusses des abgelehnten Einzelrichters vom 15. Juni 2010, wonach das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen auch verspätet sei, sei im Ergebnis letztlich nicht geeignet, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit und innere Einstellung zu rechtfertigen.

Der Senat hat auch im übrigen dem Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs genügt. Er hat den Vortrag der Beklagten, der Richter habe ein anwaltliches Entgegenkommen genutzt, ihr das Recht auf Ablehnung des Sachverständigen aus formalen Gründen abzuschneiden, weshalb sie dessen Voreingenommenheit besorge, erwogen und festgestellt, diese Besorgnis sei nicht gerechtfertigt. Es gäbe keinen Anhalt dafür, dass der abgelehnte Einzelrichter das kooperative Verhalten des Beklagtenvertreters dazu genutzt habe, das Ablehnungsverfahren schnell durch eine Zurückweisung des Gesuchs als verspätet erledigen zu können.

2. Auch die Gegenvorstellung bezüglich der Festsetzung des Beschwerdewertes führt zu keiner abweichenden Entscheidung.

Die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. Dezember 2003 rechtfertigt keine andere Beurteilung (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2003, Az: II ZB 32/03, AGS 2004, 159 - 160, zitiert nach juris). Hiernach richtet sich der Beschwerdewert in Ablehnungsverfahren, wovon auch der Senat ausgeht, gemäß § 3 ZPO grundsätzlich nach dem Interesse an der begehrten Entscheidung. Dass der Bundesgerichtshof in dem dort zugrundeliegenden Verfahren ein Drittel des Hauptsachestreitwertes als angemessen angesehen hat, wurde mit der eingeschränkten Bedeutung und Rolle des Sachverständigen im Prozess begründet. Gegenstand des Verfahrens war die Ablehnung eines Sachverständigen. Hier aber richtete sich die Beschwerde der Beklagten gegen den das Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Einzelrichter zurückweisenden Beschluss. Dessen Entscheidung bestimmt - anders als das Gutachten eines Sachverständigen, das dem Richter nur die notwendigen fachlichen Erkenntnisse für seine Entscheidung vermitteln soll (vgl. BGH, ebenda) - den Ausgang des Verfahrens. Der Senat hat daher das Interesse der Beklagten ermessensfehlerfrei gemäß § 3 ZPO hier auf den Wert der Hauptsache geschätzt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

gez. Schubert gez. Dr. Holthaus gez. Wolter
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