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Text des Beschlusses
1 Ss 15/11;
Verkündet am: 
 29.04.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
370 Js 47942/09 7 Ns
Landgericht
Mühlhausen;
Rechtskräftig: unbekannt!
Zur Zulässigkeit der Berücksichtigung fehlender Wiedergutmachungsbemühungen zum Nachteil des Angeklagten
Leitsatz des Gerichts:
StGB § 46 Abs. 2

Zur Zulässigkeit der Berücksichtigung fehlender Wiedergutmachungsbemühungen zum Nachteil des Angeklagten:

alternativ:

Zwar ist es nicht generell unzulässig, das Fehlen von Wiedergutmachungsbemühungen bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten zu werten. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn dieses Verhalten Ausdruck von Uneinsichtigkeit oder einer mitleidlosen Gesinnung gegenüber dem Tatopfer ist und wenn Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten erwartet werden konnten. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass der Angeklagte mit der von ihm vom Tatrichter erwarteten Wiedergutmachung seine Verteidigungsposition nicht gefährdet hätte.
In der Strafsache

gegen
S S,
geb. am in S,
: T,
ledig, deutscher Staatsangehöriger
Verteidiger: Rechtsanwalt P

wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung

hat auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der. 7. Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch , Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richter am Oberlandesgericht Blaszczak am 29. April 2011 einstimmig beschlossen:

Das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 15.12.2010 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen zurückverwiesen.


Gründe


I.

Das Amtsgericht Mühlhausen verurteilte den Angeklagten am 14.01.2010 wegen einer am 21.08.2008 in Mühlhausen zusammen mit einem Mittäter begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr.

Vor dem Amtsgericht hatte sich der Angeklagte nicht zur Sache eingelassen. Das Gericht sah ihn jedoch aufgrund der Aussage des geschädigten Zeugen als überführt an.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein und beschränkte diese im Termin zur Hauptverhandlung vom 15.12.2010 vor der Berufungskammer des Landgerichts Mühlhausen auf den Rechtsfolgenausspruch. Durch Urteil vom 15.12.2010 verwarf die 7. Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen die Berufung des Angeklagten.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 07.03.2011, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.


II.

Die zulässige Revision hat – zumindest vorläufig – Erfolg.

Die Strafzumessungserwägungen der Berufungskammer halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. In dem Urteil heißt es zur Strafzumessung unter anderem:

„Bei der Ausfüllung dieses Strafrahmens gem. § 46 StGB war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er sich geständig zeigte.

Anderseits musste sich zu Lasten des Angeklagten auswirken, dass der Angeklagte bereits mehrfach wegen Körperverletzung strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und er keinerlei finanzielle Ausgleichszahlungen an das Opfer zahlte.

Zu seinen Gunsten sprach allerdings, dass er sich beim Opfer entschuldigt hat.

Auch die Schwere der Verletzungen des Geschädigten, O, mussten sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken.“


Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Unterbleiben finanzieller Ausgleichszahlungen an das Opfer hier strafschärfend berücksichtigt worden ist.

Zwar ist es nicht generell unzulässig, das Fehlen von Wiedergutmachungsbemühungen bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten zu werten. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn dieses Verhalten Ausdruck von Uneinsichtigkeit oder einer mitleidlosen Gesinnung gegenüber dem Tatopfer ist (siehe etwa BGH, Urteil vom 03.08.1994, 2 StR 245/94; BGHR, StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 22) und wenn Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten erwartet werden konnten (siehe etwa BGH, Urteil vom 27.01.1988, 3 StR 61/87; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 12). Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass der Angeklagte mit der von ihm vom Tatrichter erwarteten Wiedergutmachung seine Verteidigungsposition nicht gefährdet hätte (BGH, a.a.O.).

An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Wie sich dem angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 5 3. Abs.) entnehmen lässt und der Blick in die Akte bestätigt, hat sich der Angeklagte erst in der Berufungshauptverhandlung vom 15.12.2011 geständig gezeigt, und zwar in der Weise, dass er seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. In der ersten Instanz hatte er geschwiegen. Da der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat mithin bis zur Berufungshauptverhandlung, an deren Ende das Urteil erging, nicht eingeräumt hatte, hätte er mit Wiedergutmachungsleistungen an dem Geschädigten seine Verteidigungsposition gefährdet. In der Zeit zwischen der Erklärung der Beschränkung der Berufung im Termin vom 15.12.2010 und der Verkündung des Urteils am Ende dieses Termins dürfte jedoch kaum ausreichend Gelegenheit und finanzielles Vermögen zu einer angemessenen Schmerzensgeldzahlung vorhanden gewesen sein. Jedenfalls stellt das Urteil derartiges nicht fest.

Da es in dem Berufungsurteil ausdrücklich heißt, dass sich das Ausbleiben finanzieller Ausgleichszahlungen „zu Lasten des Angeklagten auswirken musste“, kann der Senat nicht ausschließen, dass die erkannte Freiheitsstrafe von einem Jahr auf dem vorgenannten Rechtsfehler beruht.

Mithin war das angefochtene Urteil, das infolge der Beschränkung allein den Rechtsfolgen zum Gegenstand hat, insgesamt aufzuheben und war die Sache an das Landgericht Mühlhausen zurückzuverweisen.

Schulze Blaszczak
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