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Text des Beschlusses
1 UF 93/11;
Verkündet am: 
 19.05.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
2 F 173/07
Amtsgericht
Heilbad Heiligenstadt;
Rechtskräftig: unbekannt!
Es ist zulässig, im Zusammenhang mit weiteren Unbilligkeitsgründen auch die kurze Ehezeit in die Bewertung des Vorliegens einer groben Unbilligkeit mit einzubeziehen
Leitsatz des Gerichts:
18 Abs. 1, 2, 3 VersAusglG, § 27 VersAusglG, § 55 e SVG

1. Es ist zulässig, im Zusammenhang mit weiteren Unbilligkeitsgründen auch die kurze Ehezeit in die Bewertung des Vorliegens einer groben Unbilligkeit mit einzubeziehen.

2. Haben die Eheleute mehr als zwei Jahre zusammen gelebt, ist von einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu sprechen.

3. Eine grobe Unbilligkeit i S des § 27 VersAusglG lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass während der Ehezeit beide Ehegatten in ähnli-cher Weise erwerbstätig gewesen sind und demgemäß jeweils eigene Versorgungsanrechte – in unterschiedlicher Höhe - erworben haben.
In der Familiensache betreffend die Durchführung des Versorgungsausgleichs an der beteiligt sind:

1. E. L., M.
- Antragsteller -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin

2. B. M., G.
- Antragsgegnerin -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt

3. W. S.,
St.
(PA Antragsteller)
- Beschwerdeführerin -

4. D. R. B.,
G.
(VSNR.: Antragsgegnerin)

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3. vom 10.02.2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Heilbad Heiligenstadt vom 26.01.2011, Az. 2 F 173/07, zugestellt am 08.02.2011, durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel beschlossen:

I. Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Heilbad Heiligenstadt vom 26.01.2011 wird abgeändert.

1. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Beteiligten zu 1) bei der W. S. (PA) zu Gunsten der Beteiligten zu 2) ein Anrecht in Höhe von monatlich 49,03 €, bezogen auf den 30.6.2007, übertragen.

2. Der Ausgleich des Anrechts der Beteiligten zu 2.) bei der D. R. B. (VSNR.: ) mit einem Ehezeitanteil von 0,7350 Entgeltpunkten (Ost) unterbleibt.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

III. Der Beschwerdewert wird auf 1.608,- € festgesetzt.



Gründe:


I.

Die am 04.09.2004 geschlossene Ehe der Beteiligten zu 1) und 2) wurde auf den am 20.07.2007 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht – Heilbad Heiligenstadt vom 27.03.2008 geschieden und die Folgesache Versorgungsausgleich durch Beschluss vom 27.03.2008 vom Verbund gemäß § 628 Abs. 4 ZPO abgetrennt.

Mit Beschluss vom 28.04.2008 hat das Familiengericht das Versorgungsausgleichsverfahren sodann vorläufig ausgesetzt und mit Verfügung vom 09.12.2009 gemäß Art. 111 FGG-ReformG i. V. m. §§ 50 Abs. 1 Ziffer 2, 48 VersAusglG und § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG wieder aufgenommen.

Nach den vom Amtsgericht eingeholten Auskünften hat der Beteiligte zu 1) nach Auskunft der W. S. vom 08.03.2010 in der Ehezeit vom 01.09.2004 bis 30.06.2007 nichtangleichungsdynamische Anwartschaften aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis in Höhe von monatlich 98,05 € erworben, was einem Ausgleichswert von 49,03 € mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 10.577,86 € entspricht.

Demgegenüber verfügt die Beteiligte zu 2) nach der Auskunft der D. R. B. vom 01.06.2010 in der allgemeinen Rentenversicherung über ehezeitliche 0,7350 Entgeltpunkte (Ost), die einem Ausgleichswert von 0,3675 Entgeltpunkten (Ost) mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 1.855,56 € entsprechen.

Die Beteiligte zu 2. hat mit Schriftsatz vom 08.11.2010 die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt, nachdem das Amtsgericht zuvor mit Verfügung vom 25.10.2010 darauf hingewiesen hat, dass ein Versorgungsausgleich anlässlich der Ehescheidung gemäß § 3 Abs. 3 VersAusglG bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren nur stattfindet, wenn ein Ehegatte dies beantragt.

Aufgrund dieser Feststellungen hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 26.01.2011, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, wie folgt durchgeführt:

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der W. S. (PA) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 49,03 € monatlich auf dem vorhandenen Versicherungskonto (VSNR.:) bei der D. R. B., bezogen auf den 30.06.2007, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der D. R. B. (VSNR.: ) zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 0,3675 Entgeltpunkten (Ost) auf ein zu begründendes Konto bei der D. R. B., bezogen auf den 30.06.2007, übertragen.

Gegen die Durchfügung des Versorgungsausgleichs wendet sich die W. S. mit ihrer Beschwerde, mit der gerügt wird, dass das Amtsgericht den Ausgleich der öffentlich-rechtlichen Versorgungsanwartschaften des Beteiligten zu 1) entgegen § 55 e SVG im Wege der externen Teilung vorgenommen habe. Gemäß § 55 e SVG i. V. m. § 2 Abs. 1 BVersTG i. V. m. § 10 Abs. 1 VersAusglG werde regelmäßig jede Versorgung innerhalb desjenigen Systems geteilt, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person zum Ende der Ehezeit bestehe.

Der Antragsteller trägt vor, es handele sich um eine kurze Ehezeit. Sollte die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleiches trotz der gegebenen Geringfügigkeit aufrecht erhalten, so werde dem Antrag der W. zur internen Teilung des ehezeitlichen Anrechtes zugestimmt. Die Antragsgegnerin müsse sich die aufgrund der kurzen Ehezeit nur geringfügig erworbenen Anrechte bei der D. R. trotz der gegebenen Geringfügigkeitsgrenze nach § 18 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz zurechnen lassen. Es wäre grob unbillig, die während der kurzen Ehe auf Seiten des Antragstellers begründeten Anwartschaften zu verteilen.

Die übrigen Beteiligten sind der Beschwerde nicht entgegengetreten.

II.

Gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist das seit dem 1.9.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden, obwohl das Verfahren in erster Instanz vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist
(OLG Jena, FamRZ 2010, 1666 – 1667).

Dies beruht darauf, dass das Familiengericht die Folgesache Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund abgetrennt hat. Der Senat folgt insoweit der Auffassung, dass im Interesse der Rechtsklarheit und des Schutzes der Verfahrensbeteiligten davon auszugehen ist, dass die Anwendung des neuen Rechts bei abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren allein von der Anordnung der Abtrennung abhängt (vgl. Schürmann, Alte Versorgungsausgleichssachen und neues Verfahrensrecht, FamRZ 2009, 1800, 1801; Anmerkung Borth, FamRZ 2009, 1965, 1966; Borth, Versorgungsausgleich, 5. Auflage, Rn. 147).

Im isolierten Versorgungsausgleichsverfahren gemäß Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG findet gemäß § 58 Abs. 1 FamFG die Beschwerde statt.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) ist gemäß 58 Abs. 1 FamFG statthaft und in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere ist sie fristgerecht (§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt worden.

Sie führt im Umfang des Beschlusstenors auch zum Erfolg.

Eine Bindung an Beschwerdeanträge in der II. Instanz besteht nicht. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass im Versorgungsausgleich neben dem Interesse des betroffenen Ehegatten auch das Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten betroffen ist. Die Ehegatten müssen deshalb eine der Sach- und Rechtslage entsprechende Entscheidung hinnehmen (Borth, Der Versorgungsausgleich, 5. Auflage, Rn. 1113 m w N).

Nach § 1 VersAusglG sind im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG); mithin dauert die Ehezeit vorliegend vom 01.09.2004 bis 30.06.2007.

Der Ausgleich ist in Form der internen Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG vorzunehmen, indem für den jeweils ausgleichsberechtigten Ehegatten zulasten des Anrechts des jeweils ausgleichspflichtigen Ehegatten ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger übertragen wird, bei dem das Anrecht des Ausgleichspflichtigen besteht. Der Ausgleichswert der Anrechte entspricht jeweils der Hälfte ihres Ehezeitanteils (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG).

Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das Amtsgericht die öffentlich-rechtlichen Versorgungsanwartschaften des Beteiligten zu 1) fehlerhaft im Wege der externen Teilung ausgeglichen hat.

Die Anrechte aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis (insbesondere Beamte, Richter, Soldaten) können intern geteilt werden, sofern dies der jeweilige öffentlich-rechtliche Versorgungsträger zulässt, § 16 Abs. 1 VersAusglG, und kein Ausnahmefall nach § 16 Abs. 2 VersAusglG vorliegt. Im Bereich der Bundesbeamten/-richter bzw. von Personen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis des Bundes ist die interne Realteilung mittels des BVersTG (Bundesversorgungsteilungsgesetz als Art. 5 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs [VAStrRefG] v. 3.4.2009, BGBl 2009 I Nr. 18, S. 716 f.) eingeführt worden. Gleiches gilt für die vorliegende Soldatenversorgung, da § 55e SVG auf die Regelungen des BVersTG verweist.

Die angefochtene Entscheidung ist dementsprechend abzuändern.

Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt, § 3 Abs. 3 VersAusglG. Die Antragsgegnerin hat einen entsprechenden Antrag gestellt.

Nach wirksamer Antragstellung ist der Versorgungsausgleich nach den üblichen Regeln durchzuführen. Das Familiengericht hat die auszugleichenden Versorgungen zu ermitteln und den Versorgungsausgleich nach den Regeln der §§ 10 ff. VersAusglG durchzuführen.

Nach § 18 Abs. 1 VersAusglG ist von einem Ausgleich grundsätzlich abzusehen, wenn die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte gering ist. Damit sollen diejenigen Fälle sachgerecht entschieden werden, in denen beide Ehegatten in der Ehezeit annähernd gleichwertige Anrechte erworben haben, etwa weil sie durchgehend Berufe mit vergleichbarer Vergütung ausgeübt haben. Die Ehegatten, die gerichtliche Praxis und auch die Versorgungsträger empfinden es in diesen Fällen als unangemessen, einen Ausgleich durchzuführen. Im neuen Ausgleichssystem würde sich dieses Problem verschärfen, weil es zu einem Hin-und-her-Ausgleich auch hoher Ausgleichswerte kommen könnte, die sich wertmäßig im Ergebnis dennoch annähernd entsprechen. Die Wertgrenze richtet sich nach Absatz 4 (BT – Drucksache 16/10144, S. 60, 61; OLG Jena, FamRZ 2011, 38 – 39).

Die Prüfung im Sinne des Absatzes 1 erfordert es, sich einen Überblick über alle Versorgungen zu verschaffen, da sämtliche beiderseitige Ausgleichswerte (also auch kleine Ausgleichswerte im Sinne des § 18 Abs. 2 VersAusglG) zu be- rücksichtigen sind. Hierzu ist eine Vorsorgevermögensbilanz auf Kapitalwertbasis zu erstellen, wenn der zu entscheidende Fall Anlass hierfür bietet (siehe Begründung zu § 5 VersAusglG). Nach Absatz 2 ist vom Ausgleich einzelner Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert grundsätzlich abzusehen. Das Gericht kann unmittelbar anhand des mitgeteilten Ausgleichswerts des einzelnen Anrechts entscheiden, ob die Wertgrenze des Absatzes 4 unterschritten ist (BT – Drucksache 16/10144, S. 61).

Das Verhältnis des § 18 Abs. 1 VersAusglG zu § 18 Abs. 2 VersAusglG ergibt sich aus der Gesetzessystematik (OLG Jena, a.a.O.).

Es bleibt zu klären, in welchem Verhältnis der Ausschluss gleichartiger Anrechte mit geringem Bilanzunterschied und der Ausschluss einzelner geringwertiger Anrechte zueinander stehen. Könnte man nämlich zunächst einzelne geringwertige Anrechte aus dem Versorgungsausgleich ausschließen, würde dies einen fatalen Effekt erzeugen, wenn mehrere geringwertige Anrechte bei einem Ehegatten vorliegen. Das werthaltige Anrecht des einen Ehegatten würde bei Gleichartigkeit dem Versorgungsausgleich erhalten, während ein geringwertiges Gegenrecht eliminiert würde. Dies könnte zu einer eklatanten Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes führen, die nicht mehr als geringfügig bezeichnet werden kann.

Aus diesem Grund ist im ersten Schritt der Ausschluss gleichartiger Versorgungen mit geringer Bilanzdifferenz nach § 18 Abs.1 VersAusglG zu prüfen. Im zweiten Schritt ist sodann zu prüfen, ob es einzelne Bagatellversorgungen gibt, deren Verzicht auf Bagatellausgleiche im neuen Versorgungsausgleichsrecht nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vorgenommen werden kann. Innerhalb der Norm existiert mithin zur Vermeidung einer Potenzierung von Ausschlussrisiken eine klare Ausschlusshierarchie (vgl. Hauß, Der Verzicht auf Bagatellausgleiche im neuen Versorgungsausgleichsrecht, FPR 2009, 214, 217).

Gemäß § 18 Abs. 1 und 2 VersAusglG sollen beiderseitige Anrechte gleicher Art von geringer Ausgleichswertdifferenz und einzelne Anrechte von geringem Ausgleichswert nicht ausgeglichen werden. Die Geringfügigkeitsgrenze bemisst sich bei Anrechten, deren maßgebliche Bezugsgröße - wie bei den hier vorliegenden - kein Rentenbetrag ist, nach dem Kapitalwert, den der Ausgleichswert des Anrechts am Ende der Ehezeit hatte (§ 18 Abs. 3 VersAusglG).

Bei den gesetzlichen Rentenanwartschaften der Ehegatten kommt es auf den nach § 47 VersAusglG zu berechnenden korrespondierenden Kapitalwert an. Er wird i. d. R. vom Versicherungsträger berechnet (§ 5 Abs. 3 VersAusglG) und ergibt sich aus den vorliegenden Auskünften der Eheleute. Bei dem Kapitalwert handelt es sich um den Betrag, der zum Ende der Ehezeit aufzubringen wäre, um beim Versorgungsträger des Ausgleichspflichtigen für diesen ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts zu begründen (§ 47 Abs. 2 und 3 VersAusglG).

Gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG beträgt die Bagatellgrenze als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Für das Jahr 2007 galt eine Bezugsgröße für die alten Bundesländer in Höhe von 2450,- € (vgl. FamRZ 2010, 95 f.). 120 % davon sind 2940,- €.

Zunächst ist der Wertunterschied der Ausgleichswerte gleichartiger Anrechte an der Bagatellgrenze zu messen. Gleichartig sind die auf Entgeltpunkten beruhenden (d. h. in den alten Bundesländern erworbenen) Anrechte der Ehegatten. Die auf Entgeltpunkten (Ost) basierenden Anrechte der Ehegatten sind dagegen von anderer Art (vgl. Ruland a. a. O. Rn. 488). Diese besondere Dynamik (in der Terminologie des früheren VAÜG: Angleichungsdynamik) führt dazu, dass das Anrecht nach Abschluss der Einkommensangleichung in beiden Teilen Deutschlands den gleichen Wert haben wird wie ein in den alten Bundesländern erworbenes Anrecht. Der wirkliche Wert der Entgeltpunkte (Ost) ist daher - jedenfalls bei Ehegatten, die (wie hier der Beteiligte zu 1.) erst in etwa 20 Jahren in den Ruhestand treten werden - nicht geringer anzusetzen als der Wert von Entgeltpunkten.

Der Ausgleichswert des nichtangleichungsdynamischen Anrechts des Antragstellers bei der W. S. mit einem Kapitalwert von 10577,86 € und der Ausgleichswert des angleichungsdynamischen Anrechts der Antragsgegnerin bei der D. R. B. mit einem Kapitalwert in Höhe von 1855,56 € sind nicht miteinander vergleichbar und übersteigen im Saldo den Grenzwert in Höhe von 2940,- €, so dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht vorliegen.

Der Ausgleichswert des Anrechts der Antragsgegnerin bei der D. R. B. mit einem Kapitalwert in Höhe von 1855,56 € übersteigt nicht den Grenzwert in Höhe von 2940,- €, so dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 VersAusglG vorliegen und ein Ausgleich somit zu unterbleiben hat.

Die als Sollvorschrift ausgestaltete Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG erlaubt dem Gericht, nach seinem Ermessen das betroffene Anrecht trotzdem auszugleichen (Hoppenz, Familiensachen, 9. Auflage, § 18 VersAusglG, Rn. 8).

Nach Absatz 3 Satz 1 hat das Gericht anhand des Einzelfalls zu prüfen, ob trotz geringfügiger Differenz- bzw. Ausgleichswerte ausnahmsweise ein Ausgleich geboten ist, und zwar insbesondere in Anbetracht der gegenseitigen Ausgleichswerte. Hierbei kommt es also auf die Versorgungssituation der Ehegatten an. In den Fällen des Absatzes 2 wäre auch denkbar, dass es der ausgleichsberechtigten Person gerade durch einen geringfügigen Ausgleich gelingt, eine eigene Anwartschaft so aufzufüllen, dass hierdurch eine Wartezeit für den Bezug der Rente erfüllt ist. Auch kann eine Teilung ausnahmsweise erforderlich sein, wenn die insgesamt ausgleichsberechtigte Person dringend auf den Wertzuwachs angewiesen ist (BT-Drucksache 16/10144, S. 62).

Ein solcher Ausnahmefall liegt erkennbar nicht vor. Aus der für den Antragsteller am 14.02.2008 erteilten Auskunft der D. R. M. ergibt sich zwar, dass dieser in der Zeit vom 01.07.1990 bis 21.12.1994 und damit außerhalb der Ehezeit angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von 34,52 € erworben hat. Der Versicherer hat aber mit weiterem Schreiben vom 04.01.2010 mitgeteilt, dass mit Bescheid vom 23.01.2009 dem Antragsteller die Beiträge für die Zeit vom 01.07.1990 bis 30.06.1994 erstattet wurden. Da die zu erfüllende allgemeine Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 50 SGB VI fünf Jahre beträgt und durch Kalendermonate mit Beitragszeiten und mit Ersatzzeiten zu erfüllen ist, ist nach dem gegenwärtigen Sachstand davon auszugehen, dass der Antragsteller, der sich seine Beiträge von der gesetzlichen Rentenversicherung hat erstatten lassen, die Wartezeit nicht erfüllen wird.

Die Voraussetzungen eines Ausschusses des Versorgungsausgleiches hinsichtlich der Anwartschaften des Antragstellers wegen grober Unbilligkeit (§ 27 VersAusglG) liegen nicht vor.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für das VAStrRefG sah in § 3 Abs. 3 noch einen grundsätzlichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei einer Ehezeit von bis zu zwei Jahren vor, um Versorgungsträger und Familiengerichte zu entlasten und dem regelmäßig fehlenden Interesse der Ehegatten an einer gerichtlichen Regelung Rechnung zu tragen. Allerdings ist die geplante Ausschlussklausel nach den Beratungen im Rechtsausschuss nicht Gesetz geworden (BT-Drucksache 16/10144, S. 9 und 48; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Auflage, § 27 VersAusglG, Rn. 33).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen trotz kurzer Ehezeit aufgrund Antragstellung durchzuführenden Versorgungsausgleich. Soweit vor dem 01.09.2009 bei einer ungewöhnlich kurzen Dauer der Ehe ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587c Nr. 1 BGB a.F. (der Vorgängernorm des § 27 VersAusglG) in Betracht kam, ist daran nicht festgehalten worden. Definiert das Gesetz die kurze Ehe in § 3 Abs. 3 VersAusglG mit einer Ehezeit von bis zu drei Jahren, will es aber den Versorgungsausgleich gleichwohl auf Antrag eines Ehegatten durchführen, wäre es widersprüchlich, wenn nach einem solchen Antrag der Versorgungsausgleich wegen kurzer Ehezeit gleichwohl gem. § 27 VersAusglG auszuschließen wäre. Die Länge des ehelichen Zusammenlebens darf daher bei § 27 VersAusglG im Grundsatz keine Beachtung finden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die kurze Ehezeit den alleinigen oder den wesentlichen (ausschlaggebenden) Ausschlussgrund bildet (Götsche, Die kurze Ehe im neuen Versorgungsausgleich, FamRB 2011, 26 – 31).

Zulässig ist es dagegen, im Zusammenhang mit weiteren Unbilligkeitsgründen auch die kurze Ehezeit in die Bewertung des Vorliegens einer groben Unbilligkeit mit einzubeziehen. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 27 VersAusglG kann berücksichtigt werden, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft wegen außergewöhnlich kurzen Zusammenlebens erst gar nicht entstanden ist oder durch eine lange Trennung der Ehegatten aufgehoben wurde. In diesen Fällen fehlt dem Versorgungsausgleich die eigentlich rechtfertigende Grundlage, denn jede Ehe ist infolge der auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft schon während der Phase der Erwerbstätigkeit im Keim eine Versorgungsgemeinschaft, die der beiderseitigen Alterssicherung dienen soll (BGH, FamRZ 2005, 2052, 2053).

In der Literatur wird ein Ausschluss bei sehr kurzen Ehen (maximal bis 6 Monate) angenommen. Wurde die Ehe aber einige Monate geführt, ist dies kein Grund für einen Ausschluss (Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O., § 27 VersAusglG, Rn. 34; Borth, a.a.O., 6. Kapitel, Rn. 786). Im hier zu entscheidenden Fall haben die Eheleute aber nicht nur wenige Tage oder ein halbes Jahr, sondern gemäß ihren Angaben bei ihrer Anhörung am 27.03.2008 von September 2004 bis Oktober 2006 und damit mehr als zwei Jahre zusammen gelebt, so dass von einer ehelichen Lebensgemeinschaft gesprochen werden kann.

Besondere Verhältnisse lassen sich auch nicht allein daraus herleiten, dass während der Ehezeit beide Ehegatten in ähnlicher Weise erwerbstätig gewesen sind und demgemäß jeweils eigene Versorgungsanrechte – in unterschiedlicher Höhe - erworben haben (Borth, a.a.O.). Es entsprach zwar einem vordringlichen Anliegen des Gesetzgebers, durch den Versorgungsausgleich die früher unbefriedigende soziale Lage einer nicht oder nicht voll erwerbstätigen geschiedenen Ehefrau zu verbessern. Darin erschöpft sich jedoch der Sinn des Versorgungsausgleichs nicht. Die Inanspruchnahme desjenigen, der während der Ehezeit die werthöheren Versorgungsanwartschaften begründet hat, wird durch den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft gerechtfertigt, die selbst während einer beiderseitigen vollen Erwerbstätigkeit im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist; trennt sich das Versorgungsschicksal der beiden Ehegatten wegen des Scheiterns der Ehe, so bewirkt der Versorgungsausgleichs, dass die ehezeitlich erworbenen Anrechte gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden (BGH, FamRZ 1988, 709).

Der Antragsteller ist während der Ehezeit durchgängig erwerbstätig gewesen. Aber auch die Antragsgegnerin hat während der Ehezeit vom 01.09.2004 bis 30.06.2007 mit Ausnahme einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 07.07.2005 bis 14.08.2005 durchgängig Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet und hat somit einen Anspruch auf (hälftige) Teilhabe an den in der Ehe erwirtschafteten Anrechten.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG; § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 50 FamGKG (2 Anrechte x 10 % des in drei Monaten vor Anhängigkeit der Ehesache erzielten Einkommens der Beteiligten von 8.040 € - siehe Streitwertbeschluss vom 27.03.2008 - = 1608,- €; vgl. Senat, FamRZ 2010, 2099).

Parteina Knöchel Martin
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