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Text des Urteils
4 U 515/10;
Verkündet am: 
 19.04.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
3 O 1079/06
Landgericht
Gera;
Rechtskräftig: unbekannt!
Voraussetzung eines Regressanspruchs des Sachversicherers gegen Dritten (= potentiellen Drittschädiger) ist, dass dem Versicherungsnehmer (des Sachversicherers) seinerseits ein ersatzfähiger Schadensersatzanspruch gegen den Dritten zusteht
Leitsatz des Gerichts:
§ 67 VVG a.F.

1. Voraussetzung eines Regressanspruchs des Sachversicherers gegen einen Dritten (= potentiellen Drittschädiger) ist, dass dem Versicherungsnehmer (des Sachversicherers) seinerseits ein ersatzfähiger Schadensersatzanspruch gegen den Dritten zusteht (als bürgerlich-rechtlicher Ersatzanspruch), d.h. erforderlich ist zunächst Kongruenz zwischen diesem Anspruch des Versicherungsnehmers und der (von dem Sachversicherer an ihren Versicherungsnehmer) gezahlten Versicherungsleistung (auf Grund dessen versicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs). Diese Kongruenz fehlt in dem Umfang, in dem der Sachversicherer eine weitergehende Schadenskompensation verspricht, als sie seinem Versicherungsnehmer aus dem bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch zustünde.

Das ist in Fällen einer Neuwertversicherung regelmäßig der Fall. In diesen Fällen ist der Drittschädiger gegenüber dem Eigentümer der geschädigten Sache nur zum Ersatz des Zeitwertes verpflichtet. Kongruent ist in diesem Fall daher nur der (sog.) Sachsubstanzschaden auf der Basis des Zeitwerts, so dass ein Übergang nach § 67 VVG (a.F.) nur in diesem Umfang in Betracht kommt.

Der Zeitwert (des Sachsubstanzschadens) berechnet sich dann nach dem Neuwert der Sache abzüglich des Abnutzungswerts (entsprechend dem Alter und der Abnutzung des versicherten Gegenstandes).

2. Ist der Drittschädiger Auftragnehmer eines Werkvertrages (hier Austausch einer Wellasbestdacheindeckung gegen Trapezbleche), so treffen ihn – wie jeden Werkunternehmer – vertragliche Nebenpflichten (Fürsorge- und Obhutspflichten, Beratungs-, Hinweis- und Aufklärungspflichten) in Bezug auf den Erfolg der übernommenen Arbeit, d.h. der Vermeidung der Verletzung der Rechtsgüter des Auftraggebers. Diese Nebenpflichten sind im Regelungsgehalt des Grundsatzes von Treu und Glauben enthalten, müssen also stets beachtet werden; sie bestehen insbesondere hinsichtlich erkennbarer Sicherheitsmängel.

Eine solche Pflichtenlage folgt auch aus dem allgemeinen Grundsatz, bei mangelbehafteten Vorarbeiten (eines anderen Unternehmers) die Geeignetheit solcher Vorarbeiten für den übernommenen Auftrag (dessen Erfolg) zu prüfen und gegebenenfalls auf (vorhandene) Sicherheitsmängel hinzuweisen.

Zwar richtet sich grundsätzlich der Umfang einer solchen Prüfpflicht (Nebenpflicht) zunächst nach dem vom Auftragnehmer übernommenen vertraglichen Leistungsumfang, also nach den Umständen des Einzelfalls, der Prüfungsumfang wird also durch den vertraglichen Leistungsumfang begrenzt. Eine Prüfpflicht besteht aber auch bei eingeschränktem Leistungsumfang hinsichtlich gravierender Sicherheitsmängel (hier fehlende Windsog-Sicherung eines Hallendaches.)

3. Bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist bei der weiteren Frage nach einer entsprechenden aus der Prüfpflicht folgenden Hinweispflicht (auf sicherheitsrelevante Mängel) auch zu bedenken, ob – bei entsprechender Kenntnis des Auftraggebers – eine stillschweigende Risikoübernahme (des Auftraggebers) in Betracht zu ziehen ist.

4. Haftungsrelevant wird die Verletzung einer solchen Prüf- und Hinweispflicht aber erst, wenn darauf der vom Versicherer ersetzte Schaden kausal beruht.
In dem Rechtsstreit
A. Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstand,
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen
D.T. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2011 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 17.05.2010 – 3 O 1079/06 – wird zurückgewiesen.

Der Klägerin fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Das Urteil ist – wegen der Kosten – vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert der Berufung beträgt 140.556,28 €.



Gründe:


I.

Die Klägerin ist Sachschadensversicherer einer bei ihr versicherten landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle (Baujahr in den 60-ger Jahren, wahrscheinlich 1968), die am 16.12.2005 durch einen Orkansturm zerstört wurde;
Versicherungsnehmerin war die Agrarproduktionsgenossenschaft B. eG.

Die Schadensversicherung schloss das Risiko „Sturm“ ein. Ende Mai/Anfang Juni 2002 erhielt die Beklagte – ein Fachbetrieb für Dacheindeckungen – von der Versicherungsnehmerin den Auftrag zur Neueindeckung des Daches; dieses bestand (noch) aus Wellasbest. Grund (für die Neueindeckung) war die Entsorgung der Asbestplatten. Der Austausch der Asbestplatten erfolgte durch leichtere Trapezbleche; unstreitig fehlte (bereits) bei der alten Dacheindeckung eine Abhebesicherung (sog. Windsog-Sicherung). Eine solche baute die Beklagte auch bei der Neueindeckung nicht ein; hierzu war sie auch nicht beauftragt. Hinsichtlich der weiteren baulichen Einzelheiten der Halle und dem Inhalt des Auftrags wird auf die nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts in seinem Urteil vom 17.05.2010 Bezug genommen.

Für Abriss, Neuerrichtung der Halle mit (leichteren) Trapezblechen und den Schaden an den eingelagerten Gütern zahlte die Klägerin an die Versicherungsnehmerin insgesamt 150.480,- €; außerdem wandte sie für ein (vorgerichtliches) Schadens-Gutachten einen Betrag von 4.136,28 € auf. Mit der auf § 67 VVG (alt) gestützten Regressklage fordert sie von der Beklagten insgesamt einen Betrag i.H.v. 140.556,28 €. Hinsichtlich der Schadensberechnung im Einzelnen wird auf die Klageschrift (nebst Anlagen) Bezug genommen.

Haftungsgrund sei die nicht ausreichende (fehlende) Absicherung gegen Windsog. Auch wenn eine solche nicht im Umfang des Auftrags zur Neueindeckung enthalten gewesen sei, habe für die Beklagte – als Fachbetrieb – doch Veranlassung zu einer Überprüfung der Altkonstruktion und wegen der Gefahrerhöhung durch die leichtere Neueindeckung auch eine entsprechen- de Hinweispflicht bestanden. Die Verletzung solcher Prüf- und Hinweispflichten habe im Zusammenhang mit der fehlenden Abhebesicherung zu dem Schaden geführt. Die Dachkonstruktion als der schwächste Bauteil habe dem Orkansturm – am 16.12.2005 – nicht widerstehen können und zu dem Einsturz der gesamten Halle geführt. Hierfür streite schon ein Anscheinsbeweis.

Die Beklagte bestreitet eine Verletzung von Prüf- und Hinweispflichten im Hinblick auf den nur eingeschränkten Auftragsumfang; die Erbringung von Planungsleistungen und statischen Berechnungen habe sie nicht geschuldet. Der Auftraggeberein sei es zudem allein um die Entsorgung der Asbestplatten gegangen; ein (eventueller) Hinweis auf die fehlende Windsog-Sicherung sei nicht veranlasst gewesen, weil die Auftraggeberin hiervon Kenntnis gehabt habe. Im Übrigen wäre die Halle auch in dem alten Zustand eingestürzt. Ohnehin sei wegen des Alters der Halle (nur) ein kaum messbarer Schaden entstanden, weil die Halle ihre Lebensdauer nahezu erreicht habe; von einer erheblichen Restnutzungsdauer sei jedenfalls nicht mehr auszugehen.

Das Landgericht hat – nach umfänglicher Beweisaufnahme – die Klage abgewiesen, weil der Klägerin nicht der Nachweis der Ursächlichkeit eines schuldhaften haftungsbegründenden Verhaltens der Beklagten (bzw. ihrer Mitarbeiter) gelungen sei. Es hätte nicht geklärt werden können, welche Bauteile letztlich zum Einsturz der Halle geführt hätten. Tatsächliche Feststellungen zur Schadensursache habe der gerichtliche Sachverständige nicht treffen können. Wegen der näheren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Unter Wiederholung und Vertiefung ihrer gegensätzlichen Standpunkte haben die Parteien im Termin vom 22.03.2011 streitig im Umfang der erstinstanzlich gestellten Anträge verhandelt.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 17.05.2010 die Beklagte zur Zahlung von 140.556,28 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2006 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts verteidigend,

die Berufung (der Klägerin) zurückzuweisen.


II.

Die ordnungsgemäß und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist zulässig; sie erweist sich aber unter Berücksichtigung aller für die streitgegenständliche Regressklage erheblichen Umstände letztlich als unbegründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auch unter Berücksichtigung und Annahme einer Verletzung der aus dem Vertrag – Auftrag vom 29.05./10.06.2002 – abzuleitenden Prüf- und Hinweispflichten (der Beklagten) scheidet eine Haftung der Beklagten für den hier eingetretenen Hallenschaden aus. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau aller in diesem Fall zu wertenden Gesichtspunkte aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und der letztlich nicht mit der für den Haftungsgrund der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht notwendigen Sicherheit einer darauf beruhenden und nachweisbaren Schadensursache.

Im Einzelnen stützt der erkennende Einzelrichter des Senats dieses Ergebnis auf die Überlegungen, die auch schon Gegenstand des gerichtlichen Vergleichsvorschlags (Beschluss vom 22.03.2011) waren und die – mit der für eine Urteilsfindung allerdings notwendigen Festlegungen zum Haftungsgrund – nach wie vor relevant sind.

1. Die vorliegende Regressklage (nach § 67 VVG [alt]) hat zum Gegenstand, ob die Beklagte nach geleisteter Schadensregulierung durch die Klägerin nach Einsturz der Halle auf Grund eines Orkans am 16.12.2005 in Mithaftung genommen werden kann, weil sie 2002 bei der betroffenen Halle die Dacheindeckung erneuert hatte.

Gegenstand des BGB-Werkvertrags (s. hierzu den schriftlichen Auftrag vom 29.05./10.06.2002; Anlage BK 2, Bl. 508, Bd. III d.A.) war (nur) die Demontage der Wellasbestdacheindeckung und deren Austausch durch Trapezbleche; Grund war die Entsorgung der Asbestplatten, wofür Fördergelder gezahlt wurden. Streitig ist zwischen den Parteien, ob durch die Leichtbauweise, (diese hat die Gefahr einer Abhebung des Daches bei starkem Wind erhöht), und wegen fehlender Prüfung der Geeignetheit (der Unterkonstruktion) bei unstreitig fehlender Abhebesicherung (Windsog-Sicherung) und fehlendem Hinweis auf diesen Umstand die Beklagte (als Dachdeckerunternehmen) in Regress genommen werden kann, weil sie – davon geht der Senat letztlich aus – gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin eine entsprechende Prüf- und Hinweispflicht verletzt hatte. Die Klägerin als Gebäudeversicherer – mitversichert war die Gefahr „Sturm- und Hagel“ – hat für Abriss, Neuerrichtung der Halle und deren (beschädigten) Inhalt an die Versicherungsnehmerin insgesamt 150.480,- € gezahlt; sie fordert von der Beklagten einen Teilbetrag von 140.556,28 € (s.o. unter I.).

2. Voraussetzung eines Regressanspruchs der Klägerin als Sachversicherer gegen die Beklagte als einen (potentiellen) Drittschädiger ist, dass dem Versicherungsnehmer (der Klägerin, also der Agrarproduktionsgenossenschaft Blankenhain) seinerseits ein ersatzfähiger Schadensersatzanspruch (als bürgerlich-rechtlicher Ersatzanspruch) gegen den Dritten (die Beklagte) zusteht, d.h. erforderlich ist zunächst Kongruenz zwischen diesem Anspruch des Versicherungsnehmers und der (von der Klägerin an ihren Versicherungsnehmer) gezahlten Versicherungsleistung (auf Grund dessen versicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs).

Diese Kongruenz fehlt in dem Umfang, in dem der Versicherer (hier die Klägerin) eine weitergehende Schadenskompensation verspricht, als sie ihrem Versicherungsnehmer aus dem bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch zustünde. In Fällen einer Neuwertversicherung (wie hier) ist der Drittschädiger aber nur zum Ersatz des Zeitwertes verpflichtet. Kongruent ist in diesem Fall nur der (sog.) Sachsubstanzschaden auf der Basis des Zeitwerts, so dass ein Übergang nach § 67 VVG (alt) nur in diesem Umfang in Betracht kam(vgl. Römer-Langheid, VVG-Komm., 2. Aufl., § 67 Rz. 8 ff, 10). Der Zeitwert (des Sachsubstanzschadens) berechnet sich nach dem Neuwert der Sache abzüglich des Abnutzungswerts entsprechend dem Alter und der Abnutzung des versicherten Gegenstandes (hier der Halle).

Den eingetretenen Sachsubstanzschaden an der nahezu „erschöpften“ Halle (der Senat geht bei einer anzusetzenden Gesamtnutzungsdauer von 40 Jahren – die Halle wurde in den 60-ger Jahren erbaut [wahrscheinlich 1968,s.o. unter I.] – von einer zum Schadenseintritt nur noch kurzen Restnutzungsdauer von allenfalls 3 Jahren zum Zeitpunkt des Schadens [Ende 2005]) aus), schätzt der Senat – angesichts der nur noch kurzen Restlebensdauer – auf nur noch 9.200,- € (vgl. hierzu Beschluss vom 22.03.2011). Mit dem weiter anzusetzenden Inhaltsschaden – von etwa 20.000,- € – und den Kosten des vorgerichtlichen Gutachtens in Höhe von 4.136,28 € war überhaupt nur ein Gesamtschaden in Höhe von 33.336,28 € kongruent, die Klage im Übrigen schon in dem darüber hinaus geltend gemachten Umfang abweisungsreif.

3. In Betracht kommt im vorliegenden Fall nur ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung einer (vertraglichen) Nebenpflicht.

Die sich aus dem Vertragsinhalt (s. Anlage BK 1) ergebenden Hauptpflichten - Demontage und Entsorgung der alten Asbestplatten nach TRSG 519 und Montage der neuen Trapezbleche (auf der alten und bestehen bleibenden Unterkonstruktion) – hat die Beklagte fehlerfrei erbracht. Das ist zwischen den Parteien in zweiter Instanz unstreitig.

4. Den Auftragnehmer (Unternehmer) treffen auch beim BGB-Werkvertrag – wie er hier vorliegt – verschiedene Nebenpflichten gegenüber dem Bauherrn, insbesondere auch Fürsorge- und Obhutspflichten, aber auch Beratungs-, Hinweis-, Anzeige- und Aufklärungspflichten, um die Verletzung der Rechtsgüter des Auftraggebers (Bauherrn) zu verhindern (Werner-Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl Rz. 1770 mit zahlreichen Nw zur Rspr. in FN 46).

Im Rahmen eines BGB-Werkvertrags sind diese Pflichten im Regelungsgehalt des Grundsatzes von Treu und Glauben enthalten, müssen solche Pflichten also auch beachtet werden sind (sie bestehen besonders hinsichtlich erkennbarer Sicherheitsmängel (Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 631 Rz. 14; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1210).

Mit den Ausführungen der Sachverständigen Sch. (Allianz) und Dr. W. (Gerichtsgutachter) geht der erkennende Einzelrichter des Senats davon aus, dass hier – wegen des offensichtlichen Fehlens einer Windsogschutzvorrichtung und auch der – einer Fachfirma erkennbaren – Schwachstellen der Konstruktion, also wegen der bestehenden Sicherheitsmängel der gesamten Dachkonstruktion Prüf- und Hinweispflichten bestanden, denen die Beklagte nicht nachgekommen ist. Zusammenfassend ist auszuführen, dass hieraus eine allgemeine Bedenken- und Hinweispflicht bezüglich der (fehlenden) Standsicherheit der Halle zu Lasten der Beklagten bestand, nicht zuletzt, weil sie auch die schwerere Wellasbesteindeckung, die bis 2002 bestand, gegen eine leichtere aus Trapezblechen bestehende Dacheindeckung austauschte, was von den genannten Sachverständigen als wesentliche und mitausschlaggebende Schadensursache gewertet wurde.

Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen und die Auswertung der Ausführungen der genannten Sachverständigen in dem Beschluss des Senats vom 22.03.2011 (dort kursiv) verwiesen.

Da nach beiden Gutachtern eine allgemeine Prüf- und Hinweispflicht bestand, wozu auch die Prüfung der Eignung der Unterkonstruktion (insbesondere der Befestigungspunkte) gehört hätte, sich andererseits die anzumeldenden Bedenken auf die durch Augenschein wahrnehmbaren Feststellungen zu beschränken seien, ist nach Auffassung des Senats von einer solchen auszugehen, auch wenn der (von der Beklagten eingeschaltete Gutachter Kurz sich gegen eine Prüf- und Hinweispflicht ausgesprochen hat (s. dazu Gegen-GA K., ebenfalls kursiv knapp zitiert im Beschluss des Senats vom 22.03.2011).

Eine solche Pflichtenlage folgt auch aus einem allgemeinen Grundsatz bei mangelbehafteter Vorarbeit (eines anderen Unternehmers; hier des Altzustands der Halle). Jeder Auftragnehmer, der seine Arbeit in engem Zusammenhang mit der Vorarbeit eines anderen Unternehmers oder mit den ihm vom Auftraggeber gelieferten Stoffen oder Bauteilen oder überhaupt nach dessen Planung auszuführen hat, muss prüfen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Planungen eine geeignete Grundlage bilden und keine Eigenschaften besitzen, die den Erfolg seiner Arbeit in Frage stellen könnten (OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 405; vor der Montage von Leichtmetallprofilen für eine Wintergartenüberdachung auch AG Nürnberg NJW-RR 1993, 406).

5. Ob die Beklagte überhaupt die Unterkonstruktion geprüft hat, mag dahin stehen; jedenfalls hat sie – das ist unstreitig – nicht auf erkennbare Mängel hingewiesen.

Die Beweislast für die Erfüllung der Prüf- und Hinweispflicht liegt beim Unternehmer (BGH BB 1962, 428). Hierzu fehlt es bereits an einem entsprechenden Vortrag (der Beklagten).

6. Dass eine (notwenige) Windsog-Sicherung hier gefehlt hat, ist nach Auffassung des Senats einem Fachbetrieb erkennbar.

Der Senat setzt hier objektiv an dem Sorgfaltsmaßstab, der unter normalen Umständen bei einem auf dem betreffenden Fachgebiet tätigen Unternehmer vorausgesetzt werden muss, an, geht also von der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers, der über den jeweils anerkannten Stand der Technik orientiert ist, aus.

Zwar folgt grundsätzlich der Umfang der Prüfpflicht zunächst dem vom Auftragnehmer übernommen (vertraglichen) Leistungsumfang. Inhalt und Umfang richten sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere aber auch nach dem Beratungsbedarf des Bestellers; der Prüfungsumfang wird durch die vertragliche Leistungspflicht begrenzt. Am geringsten ist die Prüfungspflicht hinsichtlich der vorgesehenen Art der Ausführung, weil diese grundsätzlich dem Planungsbereich angehört. Eine Planung wurde von der Beklagten aber nicht geschuldet.

7. Wenn der Senat nach den vorstehenden Ausführungen auch von einer aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben abzuleitenden allgemeinen Prüf- und Hinweispflicht ausgeht, ist andererseits in Abwägung der Gesamtumstände im Weiteren auch der Zweck des Vertrags – (nur) Austausch der Asbestplatten – zu berücksichtigen, der bei unterstelltem Wissen des Eigentümers der Halle, dass die zu DDR-Zeiten errichtete Halle keine Windsogschutzvorrichtung hatte, im Übrigen die Halle auch gegen Sturmschäden versichert war, diese Pflichtenlage der Beklagten doch deutlich relativiert.

Ob im Übrigen die Agrarproduktionsgenossenschaft B. bei entsprechendem Hinweis überhaupt eine Abhebesicherung – wegen erheblicher Mehrkosten – hätte einbauen lassen, erscheint mehr als fraglich.

8. Darüber hinaus könnte man ferner, wenn der Halleneigentümer von der fehlenden Windsog-Sicherung Kenntnis hatte, auch eine stillschweigende Risikoübernahme (des Versicherungsnehmers und des Sachversicherers) annehmen, weil eine entsprechende Sachversicherung – unter Einschluss des Risikos „Sturm“ – bei der Klägerin bestand, obwohl dieses mitversicherte Risiko sich bei fehlender Absicherung (gegen Windsog) doch deutlich erhöht gegenüber einer (anderen) durch Abhebesicherung geschützten Dachkonstruktion darstellt.

Möglich ist durchaus, dass die Klägerin entweder gewusst hat, dass eine solche Sicherung fehlte oder sie hat eine solche bei der alten Halle nicht für notwendig erachtet oder sie hat schlicht nur ihre eigenen Risikogrundsätze verletzt. Auch wenn Feststellungen dazu fehlen und wohl nicht mehr getroffen werden können, können diese Gesichtspunkte bei einer Wertung/Abwägung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben.

9. Letztlich fehlt es aber, insoweit erweist sich das erstinstanzliche Urteil unter Würdigung aller Gesamtumstände des Falles und der erhobenen Beweise frei von Rechts- und Wertungsfehlern, an der Kausalität des auf einer angenommenen (anzunehmenden) Pflichtverletzung beruhenden Schadens. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt ein Anscheinsbeweis vorliegend nicht in Betracht.

Dieser gewohnheitsrechtlich anerkannte Beweisgrundsatz (dazu Zöller-Greger, ZPO-Komm., 28. Aufl vor § 284 Rz. 29, § 286 Rz. 19) erfordert einen typischen Geschehensablauf, d.h. einen Sachverhalt, bei dem nach der Lebenserfahrung auf Grund eines Verhaltens auf eine ganz bestimmte Folge oder Verursachung geschlossen werden kann. Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Verletzung der Prüf- und Hinweispflicht (Nebenpflichten) der Beklagten zwingend die Folge des eingetretenen Halleneinsturzes unter Hinzutreten des Orkansturms hatte.

10. Das lässt sich mit den Feststellungen des gerichtlichen, aber auch der übrigen Sachverständigen gerade nicht feststellen.

Selbst wenn die leichtere Trapezeindeckung zu einer Gefahrerhöhung geführt hatte und damit als eine wesentliche Mitursache für das Abheben des Daches angenommen werden kann, folgt daraus doch nicht zwingend der Einsturz der übrigen Hallenteile, die nach den weiteren Ausführungen der Sachverständigen doch auch dem Umstand der unzureichenden (schlechten) Altbausubstanz (der Halle) geschuldet war. Der Gerichtssachverständige Dr. W. hat nicht zuletzt die Mängel der Unterkonstruktion als schadensursächlich gewertet und den Halleneinsturz auch in dem Altzustand (der Wellasbesteindeckung) nicht ausschließen können.

Der gerichtliche Gutachter konnte zunächst wegen des eingetretenen Gebäudeschadens/Zerstörung der Halle im Nachhinein die Ursache des Schadens nicht eindeutig festmachen, insbesondere in Bezug auf die fehlende Windsog-Sicherung. (Bl. 268/II; Hauptgutachten). In seinem Ergänzungsgutachten sieht dieser Gutachter zwar in dem Austausch der leichteren Dacheindeckung eine wesentliche Schadensursache (deutliche Gefahrerhöhung) und führt im Ergebnis aus, dass bei Anbringung einer fachgerechten Windsog-Sicherung der Schadensfall hätte verhindert werden können (S. 30 Erg.-GA). Bei seiner Anhörung i.T. vom 25.3.2010 verwies er aber auch auf die eklatanten Mängel in der Binderkonstruktion, erwähnte zusätzlich die Materialermüdung und rostende Nägel. Auch die alte Asbesteindeckung hätte zu dem Schaden geführt (Bl. 405/III). Die Dachkonstruktion bezeichnete er als den „schwächeren Bauteil“. Damit hat er den Ursachenzusammenhang wieder deutlich relativiert.

Auch nach dem Gutachter K. wäre der Schaden an der Lagerhalle bei einer Windgeschwindigkeit von 120 km/h sowieso eingetreten.

Das Gutachten G. steht dem nicht entgegen; es ist schon nicht eindeutig.

Nur der Gutachter Sch. geht (als Parteigutachter der Allianz) von einer Pflichtverletzung der Beklagten und einem kausalen Schaden aus. Auch er

nennt aber einerseits gravierende Konstruktions- und Ausführungsfehler, schon der Binderkonstruktion (Nagelverbindung von 1968), aber auch die fehlende Windsog-Sicherung und Verringerung der Eigenlast der Dacheindeckung. Dieses Parteigutachten kann aber nach Auffassung des Senats die Ausführungen der übrigen Gutachter nicht wesentlich erschüttern.

11. Daher bleibt es bei der vollen, der Klägerin obliegenden Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

Diesen Vollbeweis hat die Klägerin nicht geführt und kann sie nicht (mehr) führen. Die beschädigte Halle ist abgebaut, eine neue Halle errichtet worden. Daher muss es bei den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen bleiben, dass die Schadensursache letztlich nicht geklärt werden kann. Auf die insoweit fehlerfreien Ausführungen der Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts kann Bezug genommen werden.


III.

1. Die Nebenentscheidungen bezüglich Kosten und vorläufiger Vollstreckbarkeit folgen aus dem Gesetz (§§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO).

Den Streitwert der Berufung hatte der Senat nach dem Berufungsantrag (der Klägerin) festzusetzen (§§ 47 Abs. 1 u. 2, 63 Abs. 2 GKG).

2. Für eine Revisionszulassung fehlt es an Gründen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Es handelt sich um einen Einzelfall ohne Relevanz für andere Fälle. Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung im Übrigen nicht konträr zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen oder abweichend von gängigen Rechtsmeinungen geäußert. Die vorliegende Entscheidung beruht im Wesentlichen auf der Anwendung allgemeiner Grundsätze, insbesondere des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB); dabei ist immer eine Einzelfallabwägung veranlasst. Letztlich hat die Beweiswürdigung im Einzelfall den Ausschlag gegeben; bei der Beweiswürdigung steht dem Ausgangsgericht ein Beurteilungsermessen zu: Dieses Ermessen hat der erstinstanzliche Richter nicht verletzt. Die dem Berufungsgericht nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung lässt Rechtsfehler nicht erkennen; einer Revision ist dies nicht zugänglich.

(Müller)
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