Text des Beschlusses
4 W 44/11;
Verkündet am:
27.01.2011
OLG Oberlandesgericht
Jena
Vorinstanzen:
Mühlhausen
Landgericht
3 OH 1/08;
Rechtskräftig: unbekannt!
Klageverzicht (des Antragstellers) und Erfüllung (des Antragsgegners) sind spiegelbildlich Folgen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Beweissicherungsverfahren
Leitsatz des Gerichts:
§ 494 a Abs. 2 Satrz 1 ZPO
1. Klageverzicht (des Antragstellers) und Erfüllung (des Antragsgegners) sind spiegelbildlich Folgen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Beweissicherungsverfahren. Verzichtet der Antragsteller auf die Erhebung der Hauptsacheklage, hat er grundsätzlich die Kosten des Beweissicherungsverfahrens zu tragen. Erkennt andererseits der Antragsgegner durch (vollständige) Erfüllung die im Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens festgestellten Ansprüche (des Antragstellers) an und vereitelt damit eine Hauptsacheklage, kann er auch nicht eine Kostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO zu seinen Gunsten erzwingen.
2. Verzichtet der Antragsteller auf die Hauptsacheklage nach Teilerfüllung seiner mit dem Beweissicherungsantrag in den Raum gestellten (Hauptsache) Ansprüche, ist nach Zahlung des vom Gutachter festgestellten Schadens-betrages bei von beiden Parteien anerkanntem Beweisergebnis gleichwohl streitig, ob damit alle zu Beginn des Beweissicherungsverfahrens streitigen Ansprüche des Antragstellers erfüllt sind, muss über den Kostenantrag nach § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO entschieden und eine Kostenentscheidung über die Gesamtkosten des Beweissicherungsverfahrens erfolgen. Sachgerecht ist es in diesem Fall, die Kosten nach dem Verhältnis des tatsächlich gezahlten Schadensbetrages zu den ursprünglich im Beweisantrag angesetzten Schadensbeseitigungskosten aufzuteilen und die Kosten entsprechend zu quoteln.
In dem Beweissicherungsverfahren
1. H. Sch.
2. S. Sch.
- Antragsgegner und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
gegen
E. H.
- Antragsteller und Beschwerdegegner -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller als Einzelrichter (gem. § 568 ZPO) auf die (sofortige) Beschwerde der Antragsgegner vom 25.11.2010 gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 03.11.2010/Nichtabhilfe vom 17.01.2011, mit dem die Anträge der Antragsgegner (nach Beendigung des OH-Verfahrens) auf Klageerhebung bzw. Kostenauferlegung verworfen wurden, ohne mündliche Verhandlung am 27.01.2011 beschlossen:
Der (angefochtene) Beschluss wird abgeändert.
Der Antrag der Antragsgegner auf Klageerhebung (§ 494 a Abs. 1 ZPO) hat sich durch den „Klageverzicht“ des Antragstellers erledigt.
Die Kosten des (beendeten) Beweissicherungsverfahrens fallen zu 92 % dem Antragsteller und zu 8 % den Antragsgegnern als Gesamtschuldner zur Last.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten (des Beschwerdeverfahrens) fallen dem Antragsteller zur Last.
Der Beschwerdewert wird auf (aufgerundet) 14.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Mit Antrag vom 17.01.2008 hat der Antragsteller zur Schadensregulierung die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens beantragt, dem das Landgericht – nach Anhörung der Antragsgegner – mit Beschluss vom 14.03.2008, diesem Antrag in vollem Umfang entsprechend, stattgegeben hat.
Dem Gutachter wurde aufgegeben, die Schadensursache(n) der Ansammlung des Wassers im Keller des Hauses des Antragstellers festzustellen, wobei der Antragsteller kumulativ mehrere (denkbare) Schadensursachen, u.a. Rückstau durch drückendes Wasser, Nichtvorhandensein einer Klärgrube auf dem Grundstück der Antragsgegner, unregelmäßiges Abpumpen der Flüssigkeit aus der Jauchegrube, ablaufendes Regenwasser von dem Garagendach der Garage der Antragsgegner, überlaufendes Regenwasser aus dem Brunnen der Antragsgegner und ablaufendes und auf sein Grundstück abfließendesWasser aus einer Rohrleitung unter dem in die Erde eingelassenen Swimmingpool auf dem Grundstück der Antragsgegner, weil die Rohrleitung beschädigt sei, behauptet hat. Der Antragsteller hat in seinem Antragsschriftsatz ferner auch die (voraussichtlichen) Kosten der Schadensbeseitigung mit „mindestens 7.654,46 € (brutto) angegeben und auch zu dieser Schadenshöhe eine sachkundige Feststellung beantragt.
Nach Durchführung eines Ortstermins und erforderlichen Bauteilöffnungen, denen beide Parteien zugestimmt hatten, erstattete der Sachverständige (für Geotechnik), Herr Dipl.-Ing. E. Gotschol unter dem 24.09.2008 sein schriftliches Gutachten. Als wesentliche Schadensursache stellte er eine Verstopfung der Abwasseraufstauung im Keller der Antragsgegner fest und schätzte die Kosten der Schadensbeseitigung auf 1.064,- €. Hinsichtlich der Ziff. 3 des Beweisbeschlusses und der angegebenen Kosten von 7.654,46 € kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass die im Leistungsverzeichnis der Fa. E. JERGUS, Lengefeld diesem Kostenrahmen zugrunde gelegten Leistungen nicht in kausalem Zusammenhang mit dem Havarieereignis der Leitungsverstopfung auf dem Grundstück der Antragsgegner und dem hierauf zurückzuführenden Rückstauschaden im Keller des Hauses des Antragstellers stünden. Nach Beseitigung der Schadensursache zahlte der Haftpflichtversicherer der Antragsgegner letztlich den für die Schadensbeseitigung erforderlichen Entschädigungsbetrag von 564,- € an den Antragsteller.
Das Beweisergebnis (des Gutachters) haben beide Parteien akzeptiert, woraufhin die Antragsgegner (nach Feststellung der Beendigung des OH-Verfahrens) mit Schriftsatz vom 19.04.2010 die Anordnung der Klageerhebung binnen einer festzusetzenden Frist von 2 Wochen und – für den Fall der Fruchtlosigkeit – Kostenauferlegung auf den Antragsteller beantragten.
Die Parteien waren und sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob mit der Zahlung des durch den Haftpflichtversicherer an den Antragsteller gezahlten Schadensbetrages dessen bei Einleitung des Beweissicherungsverfahrens denkbare Hauptsacheansprüche voll erfüllt wurden oder nicht. Der Antragsteller hatte noch mit Schriftsatz vom 04.12.2008 (nach Erhalt des GAs Gotschol) eine Reparatur der Dachrinne des Hauses der Antragsgegner gefordert, und nach Einigung hierüber mit den Antragsgegnern mit Schriftsatz vom 14.06.2010 erklärt, Abstand von der Erhebung der Hauptsache zu nehmen.
Das Landgericht hat diese Erklärung als Klageverzicht ausgelegt und sodann mit Beschluss vom 03.11.2010 die Anträge der Antragsgegner vom 19.04.2010 – als unzulässig – abgelehnt. Der Antrag auf Klageerhebung sei nach unstreitiger Beseitigung der im Beweisverfahren festgestellten Mängel unzulässig, weil Erfüllung eingetreten sei. Nur darauf komme es – nach dem Verständnis des Einzelrichters unter Bezugnahme auf die angezogene Entscheidung des BGH, Beschl. v. 19.12.2002 – VII ZB 14/02 – NJW-RR 2003, 454 an. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen, ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 12.11.2010 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25.11.2010 – Eingang beim Ausgangsgericht am gleichen Tag – Beschwerde eingelegt. Sie rügen eine Verkennung der Tragweite des Erfüllungsbegriffs, der vom Landgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH zugrunde gelegte Sachverhalts weiche von dem im vorliegenden Fall ab, weil anders als in dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Fall vorliegend gerade keine vollständige Erfüllung der mit dem Beweissicherungsantragsschriftsatz behaupteten Mängelansprüche (des Antragstellers) erfolgt sei. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem hiesigen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Beschwerdegründe ist es sachlich nicht mehr eingegangen.
II.
Die rechtzeitig und verfahrensfehlerfrei eingelegte und begründete Beschwerde der Antragsgegner ist zulässig (§§ 494 a Abs. 2 i.V.m. § 567 ff ZPO); sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zu der aus dem Beschlusssatz ersichtlichen Abänderung.
Mit der – vertretbar – als Klageverzicht ausgelegten Erklärung des Antragstellers, von einer Erhebung der Hauptsacheklage Abstand zu nehmen, hat sich der Antrag der Antragsgegner zur Anordnung der Klageerhebung binnen einer auf 2 Wochen festzusetzenden Klagefrist in der Sache erledigt. Mangels Rechtsschutzbedürfnis durfte das Landgericht daher den Antrag nach § 494 a Abs. 1 ZPO ablehnen.
Gleiches gilt aber nicht für den Kostenantrag nach § 494 a Abs. 2 ZPO. Insoweit hat das Landgericht zwar die angezogene Entscheidung des BGH vom 19.12.2002 (NJW-RR 2003, 454) in ihrem Kerngehalt mit der Prüfung der Erfüllung möglicher Hauptsacheansprüche zutreffend erfasst, aber deren Tragweite für den vorliegenden Fall rechtsfehlerhaft verkannt. Denn nachdem der Antragsteller – offensichtlich – seine ursprünglichen Schadensbehauptungen nicht (mehr) aufrecht erhält und mit seiner Stellungnahme zu den Anträgen auf Klageerhebung bzw. Kostenauferlegung in seinem Schriftsatz vom 20.07.2010 ausgeführt hat, mit der Zahlung des Haftpflichtversicherers (der Antragsgegner) sei Erfüllung des Hauptsacheanspruchs eingetreten, war tatsächlich zu prüfen, ob Erfüllung der auf der Grundlage des Beweissicherungsantrags vom 17.01.2008 denkbaren Hauptsacheansprüche unstreitig eingetreten war (so BGH NJW-RR 2003, 454).
Das war aber hier nicht der Fall. Denn das Ausgangsgericht hat übersehen, dass hier mit der Zahlung des Entschädigungsbetrages von 564,- € keine vollständige Erfüllung der mit dem Beweisantrag angedeuteten Hauptsacheansprüche (des Antragstellers) eingetreten, die Erfüllungswirkung der Zahlung von 564,- € gerade nicht unstreitig zwischen den Parteien ist. Die Parteien haben lediglich die im Beweisverfahren geklärte Ursache des im Wochenendhaus des Antragstellers im Dezember 2006/ Winter 2007 eingetretenen Wasserschadens (die Herkunft des Wassers) – wie vom Gutachter Gotschol festgestellt – unstreitig gestellt. Zu Recht haben die Antragsgegner aber auch ausgeführt und darauf hingewiesen, dass ein wesentliches Begehren des Antragstellers auch die Feststellung weiterer Ursachen und die Feststellung der Kosten der Schadensbeseitigung auf mindestens 7.654,46 € war. Die angenommene Schadenshöhe war auch Grundlage der Streitwertfestsetzung für das OH-Verfahren.
Das Landgericht hat das Beweissicherungsverfahren für beendet erklärt, ohne auf die Rücknahme des Antrags auf Klageerhebung hinzuwirken, nachdem es die Erklärungen in dem Schriftsatz des Antragstellers vom 14.06.2010 als Klageverzicht gewertet hat (s. Verfügung vom 12.07.2010 Bl. 109 Rs d.A.). Erfolgt aber eine Anordnung nach § 494 a Abs. 1 ZPO nicht, bleibt die Kostenbelastung bestehen und ist über diese auch auf den zweiten Antrag der Antragsgegner in deren Schriftsatz vom 19.04.2010 in der Sache zu entscheiden. Für eine Verwerfung auch dieses Kostenantrags ist kein Raum, wenn – wie oben ausgeführt – keine vollständige Erfüllung aller mit dem Beweissicherungsantrag angedeuteten Hauptsacheansprüche eingetreten ist.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Äußerung des Antragstellers, von der Hauptsacheklage Abstand zu nehmen, einen (endgültigen) Klageverzicht darstellt; jedenfalls hat der Antragsteller damit bekundet, keine Hauptsacheklage erheben zu wollen. Klageverzicht (des Antragstellers) und Erfüllung (der Antragsgegner) sind spiegelbildlich Folgen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Beweissicherungsverfahren. Der Verzichtende unterlässt die Klageerhebung (in der Hauptsache) und hat deshalb grundsätzlich die Kosten des Beweissicherungsverfahrens zu tragen; das entspricht der ratio des § 494 a ZPO (im Einklang mit den allg. Kostenvorschriften). Anders ist dies nur, wenn seinerseits der Antragsgegner durch vollständige (unstreitige) Erfüllung der Hauptsacheklage zuvorkommt; der Erfüllende „vereitelt“ quasi die Klageerhebung (also das Hauptsacheverfahren) und kann daher nicht eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten erzwingen. Zur Kostenentscheidung entsprechend dem Antrag (der Antragsgegner) nach § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO auf Auferlegung der Kosten auf den Antragsteller kann und darf es daher bei unstreitiger und vollständiger Erfüllung des Hauptsacheanspruchs nicht kommen.
Diesen – zutreffenden – Ansatz hat der Einzelrichter des Landgerichts auch nicht verkannt. Ist aber die Erfüllung der mit der Einleitung des Beweissicherungsverfahrens in den Raum gestellten Hauptsacheansprüche nicht vollständig erledigt und zwischen den Parteien streitig, verzichtet der Antragsteller gleichwohl auf die Erhebung der Hauptsacheklage, bedarf es auf den Kostenantrag (der Antragsgegner) nach § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO auch einer Entscheidung darüber, in welchem Umfang dem Antragsteller wegen seines Klageverzichts die Kosten des Beweissicherungsverfahrens aufzuerlegen sind. Mit dieser Entscheidung ist untrennbar verbunden eine Gesamtkostengrundentscheidung (über die Kosten des OH-Verfahrens), da eine solche mangels eines nachfolgenden Hauptsacheverfahrens nicht mehr (im Hauptsacheverfahren) erfolgen kann.
Die mithin in diesem Ausnahmefall zu treffende Kostenentscheidung kann sich nur danach richten, in welchem Umfang die Antragsgegner durch tatsächliche Übernahme der Kosten der Schadensbeseitigung den ursprünglichen Anträgen des Antragstellers entsprochen und diese damit anerkannt und erfüllt haben; im Umkehrschluss, in welchem Umfang der Antragsteller mit seinem Beweissicherungsantrag unterlegen ist, ohne dass hierüber eine Hauptsacheentscheidung gefällt werden konnte. Sachgerecht ist es, diesen (jeweiligen) Umfang nach den ins Verhältnis zu setzenden Kostenbeträgen – tatsächliche Kosten der Schadensbeseitigung gegenüber den ursprünglich beantragten Kosten – zu bestimmen und die zu treffende Kostenentscheidung nach diesem Verhältnis zu quoteln. Nur in diesem Umfang haben die Antragsgegner den mit dem Beweisantrag angedeuteten Hauptsacheanspruch gegenstandlos gestellt. Es entspricht (auch) der ratio des § 494 a Abs. 2 ZPO, dass der Antragsteller durch Unterlassen der Hauptsacheklage nicht seiner Kostenpflicht entgehen soll, die sich bei (Teil)Abweisung der Hauptsacheklage im Verhältnis des festgestellten Schadens zum Umfang des (ursprünglichen) Beweisantrags ergeben hätte (ebenso § 92 Abs. 1 ZPO). Entsprechend waren die Kosten des OH-Verfahrens daher – unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts – zu verteilen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, weil die Antragsgegner mit ihrer Beschwerde Erfolg haben (GKG-KV 1812 findet nur Anwendung bei unzulässiger oder unbegründeter Beschwerde); die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (RVG-VV 3500, 0,5 Geb. nach § 13 RVG) fallen dem Antragsteller zur Last (§ 91 Abs. 1 ZPO analog).
Den Beschwerdewert setzt der Senat nach dem (aufgerundeten) Kostenstreitwert (einschließlich der Kosten des Sachverständigen) in Höhe der mit der Beschwerde beantragten Quote fest (§ 3 ZPO).
(Müller)-----------------------------------------------------
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