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Text des Beschlusses
1 Ws 680/10;
Verkündet am: 
 12.11.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
25 Qs 334 Js 39767/09
Landgericht
Magdeburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Interessenkonflikt zwischen Beschuldigten und Staatsanwaltschaft kann nur dadurch aufgelöst werden, dass die Beschwerdeentscheidung bis zur Gewährung der zunächst verweigerten Akteneinsicht aufgeschoben wird
Leitsatz des Gerichts:
Wird dem Verteidiger die Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft verwehrt und ist das Beschwerdegericht nach § 147 Abs. 5 StPO hieran gebunden, so kann der sich hieraus ergebende Interessenkonflikt zwischen der Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft nur dadurch aufgelöst werden, dass die Beschwerdeentscheidung bis zur Gewährung der zunächst verweigerten Akteneinsicht aufgeschoben wird.
In dem Ermittlungsverfahren
gegen …
Verteidiger: …
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 12. November 2010 durch den Richter am Oberlandesgericht Rüge, den Richter am Oberlandesgericht Halves und die Richterin am Amtssgericht Preissner beschlossen:

Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Magdeburg vom 26. August 2010 (25 Qs 334 Js 39767/09) wird auf ihre Kosten als unbegründet verworfen.


Gründe:


I.

Das Amtsgericht Magdeburg hat gegen die Beschuldigte wegen des Verdachts, sie habe seit 2002 in H. illegal mit Drogen gehandelt, am 07. Juni 2010 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss hinsichtlich der Wohnung der Beschuldigten mit allen Nebenräumen, eventuellen Geschäftsräumen, ihres sonstigen umfriedeten Besitztums in der B. straße in H. , ihrer Person und der ihr gehörenden Sachen einschließlich Kraftfahrzeugen erlassen.

Bei der Durchführung der Durchsuchung am 29. Juni 2010 hat die Polizei bei der Beschuldigten unter anderem ein Handy, eine Feinwaage, diverse Griptüten, eine Spiegelfliese, ein Schniefröhrchen und zwei E. karten, jeweils mit weißen Anhaftungen, sichergestellt. Ein Schnelltest vom gleichen Tage wies für die Anhaftungen an der Spiegelfliese und am Schniefröhrchen auf Amphetamine hin.

Den vom Verteidiger der Beschuldigten am 29. Juni und am 12. Juli 2010 gestellten Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakten lehnte die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 21. Juli 2010 mit der Begründung ab, die Ermittlungsakten seien derzeit nicht verfügbar und könnten nicht übersandt werden.

Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 28. Juli 2010 legte die Beschuldigte gegen den Beschluss vom 07. Juni 2010 Beschwerde ein, die sie mit der bisher verwehrten Akteneinsicht begründete. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Magdeburg half der Beschwerde am 11. August 2010 nicht ab und legte die Akten dem Landgericht Magdeburg zur Beschwerdeentscheidung vor. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft mit Zuschrift vom 11. August 2010 gegen das Beschwerdebegehren eingewandt, dass der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt und die Akteneinsicht verwehrt worden sei, um das Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden.

Hierauf hat die 5. große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg mit Beschluss vom 26. August 2010 die Beschwerdeentscheidung für die Dauer von drei Monaten ausgesetzt. Einerseits dauere der eigentlich angefochtene Eingriff in die Rechte der Beschuldigten durch den Durchsuchungsbeschluss nicht mehr an, sondern sei abgeschlossen. Andererseits gelte trotz des andauernden Rechtsschutzinteresses der Beschuldigten das öffentliche Geheimhaltungsinteresse, um ggf. weitere Ermittlungen fortführen zu können. Beides könne durch Aufschub der Beschwerdeentscheidung für drei Monate miteinander in Einklang gebracht werden, um der Staatsanwaltschaft zum Einen die Möglichkeit zu weiteren Ermittlungen zu verschaffen und zum Anderen vor der Beschwerdeentscheidung den Anspruch der Beschuldigten auf rechtliches Gehör durch Gewährung von Akteneinsicht zu erfüllen.

Hiergegen richtet sich die am 29. September 2010 beim Landgericht Magdeburg eingegangene „weitere Beschwerde“ der Beschuldigten vom 09. September 2010. Trotz fehlenden Antrages wird daraus das Begehren der Beschuldigten nach Gewährung von Akteneinsicht für ihren Verteidiger deutlich.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Antragsschrift vom 08. November 2010 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Gewährung von Akteneinsicht sei hier mit Recht verwehrt worden, weil der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt sei und die vorzeitige Akteneinsicht des Verteidigers den Untersuchungszweck – auch bezüglich der weiteren laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Magdeburg 334 Js 4809/10 und 262 Js 10966/10 – gefährden könne. Deshalb habe das Landgericht die Beschwerdeentscheidung zu Recht zurückgestellt, bis die Ermittlungen abgeschlossen seien und der Beschuldigten mittels Akteneinsicht hinreichendes rechtliches Gehör gewährt worden sei.


II.

Die „weitere Beschwerde“ des Verurteilten ist gemäß § 300 StPO als einfache Beschwerde anzusehen und als solche zulässigerweise erhoben.

Eine - unzulässige - weitere Beschwerde im Sinne von § 310 StPO liegt hingegen nicht vor.

Auf die Beschwerde hin ergangen im Sinne des § 310 Abs. 1 StPO ist eine Entscheidung des Landgerichts nur, wenn der Sachverhalt und die daraus zu ziehenden rechtlichen Folgerungen bereits Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts waren (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. April 2001 – 2 Ws 61/01, NStZ 2001, 496 f., m. w. N.); maßgebend ist insoweit die Würdigung der gesamten Prozesslage (vgl. Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 310 Rn. 3). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil das Landgericht eben ausdrücklich keine Beschwerdeentscheidung getroffen, sondern diese um drei Monate hinausgeschoben hat. Darin liegt, ohne dass insoweit eine überprüfbare Sachentscheidung vorausgegangen war, eine weitere, selbständige Entscheidung, die sich mit dem Rechtsmittelbegehren der Beschuldigten nicht deckt. Diese ist deshalb anfechtbar (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 310 Rn. 3).

Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat seine Beschwerdeentscheidung mit Recht hinausgeschoben, weil das der Beschuldigten durch Akteneinsicht ihres Verteidigers zuvor zu gewährende rechtliche Gehör noch aussteht.

Bei einer Beschwerde gegen einen richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss kann das Beschwerdegericht seine Entscheidung nur auf diejenigen Tatsachen und Beweismittel stützen, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht bekannt sind (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 18. Februar 2010 – 536 Qs 1/10, StV 2010, 352). Wird jedoch – wie im vorliegenden Fall – dem Verteidiger die Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft verwehrt und ist das Beschwerdegericht nach § 147 Abs. 5 StPO hieran gebunden, so kann der sich hieraus ergebende Interessenkonflikt zwischen der Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft nur dadurch aufgelöst werden, dass die Beschwerdeentscheidung bis zur Gewährung der zunächst verweigerten Akteneinsicht aufgeschoben wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. September 2007 – 2 BvR 1009/07, NStZ-RR 2008, 16 ff., zitiert nach juris, Rn. 23, 24; LG Berlin, a. a. O., 353).

In dieser Weise ist das Landgericht folglich zutreffend verfahren.

Die Kostenfolge beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

gez. Rüge gez. Halves gez. Preissner
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