Text des Urteils
2 Sa 718/10;
Verkündet am:
10.02.2011
LAG Landesarbeitsgericht
München
Vorinstanzen:
12 Ca 11029/09
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Mitteilung des Arbeitgebers, dass Teile eines Bonus erst 18, 30 bzw. 42 Monate nach Ende der Bonusperiode ausgezahlt werden + nur, wenn noch beschäftigt = unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers
Leitsatz des Gerichts:
§§ 305, 307 BGB
Die Mitteilung des Arbeitgebers, dass Teile eines Bonus erst 18, 30 bzw. 42 Monate nach dem Ende der Bonusperiode ausgezahlt werden und dass Auszahlungsvoraussetzung das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zahlungszeitpunkt ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
In dem Rechtsstreit
C.
C-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D.
D-Straße, D-Stadt
gegen
Firma A.
A-Straße, A-Stadt
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.
B-Straße, A-Stadt
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2011 durch die Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz und die ehrenamtlichen Richter Jagiella-Stüwe und Bäumler für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 15.6.2010 – 12 Ca 11029/09 – wird auf Kosten der Beklagten und mit folgenden Maßgaben zurückgewiesen.
In Höhe von € 50.000,67 ist der Rechtsstreit erledigt. Die Beklagte wird verurteilt, für den erledigten Teil € 2.843,22 Zinsen an den Kläger zu zahlen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, wann Boni für die Jahre 2006 bis 2008 fällig sind bzw. waren.
Der Kläger ist nach einer vorhergehenden Tätigkeit für die Beklagte im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses sowie einer selbständigen Tätigkeit seit 1.7.2003 als Portfoliomanager bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom Juni 2003 (Bl. 10 ff d.A.) erhält er ein Jahresgehalt von € 90.000,-- brutto. Zum Bonus enthält der Arbeitsvertrag in § 7 folgende Regelungen:
„(1) Soweit Verscore dem Mitarbeiter für ein bestimmtes Geschäftsjahr einen Bonus sowie sonstige etwaige Sonderleistungen, Vergütungen oder Gratifikationen gewährt, erfolgt dies freiwillig und unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Widerruflichkeit. Auch bei wiederholter Zahlung erwächst kein Rechtsanspruch auf Zahlung der vorbezeichneten Zuwendungen.
(2) Die Zahlung eines Bonus erfolgt nach Abschluss eines Geschäftsjahres. Voraussetzung für die Auszahlung ist, dass das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt nicht durch Kündigung des Mitarbeiters oder auf grund einer Kündigung seitens Firma A. aus anderen als betriebsbedingten Gründen beendet wurde. Eine Aufhebungsvereinbarung steht einer Kündi gung gleich.
(3) Besteht das Arbeitsverhältnis noch nicht das ganze Bezugsjahr, so wird die Sondervergütung zeitanteilig für jeden Kalendermonat der Betriebszugehö rigkeit gewährt. Das gleiche gilt, wenn der Mitarbeiter im Bezugsjahr mehr als drei Monate gefehlt hat oder die Arbeitspflicht gesetzlich ruht.
(4) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die Sondervergütung zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des dritten, auf das Bezugjahr folgen den Kalendermonats durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag endet Firma A. ist berechtigt, mit einer Rückzahlungsforderung gegen alle etwaigen noch fälligen Zahlungsansprüche des Mitarbeiters aufzurechnen.“
Bei der Beklagten entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr.
Im Rahmen von Mitarbeitergesprächen im ersten Quartal des Jahres 2007 sagte die Beklagte dem Kläger für das Jahr 2006 einen Bar-Bonus von € 30.000,-- sowie Aktienoptionen im Wert von € 70.000,-- zu. Mit Schreiben vom 26.11.2007 (Bl. 18 f d.A.) wurde dem Kläger für die zweite Bonuskomponente ein Wahlrecht zwischen Aktienoptionen und „Deferred Cash“ eingeräumt. Mit Schreiben vom 28.4.2008 (Bl. 20 d.A.) wurde die zweite Bonuskomponente in Höhe von € 70.000,-- bestätigt. In dem Schreiben heißt es u.a.:
„Die Auszahlung des Deferred Cash erfolgt in drei gleichen Tranchen jeweils mit der ersten Gehaltszahlung nach Ablauf des 18., des 30. sowie des 42 Monats nach Ende der Bonusperiode. Voraussetzung für die Auszahlung der jeweiligen Tranche ist, dass zum Zahlungszeitpunkt noch ein Anstellungsverhältnis besteht.“
Für das Jahr 2007 wurden dem Kläger ein Barbonus in Höhe von € 30.000,-- und eine zweite Bonuskomponente in Höhe von ebenfalls € 30.000,-- zugesagt (Bl. 21 f d.A.). Dem Kläger wurde wiederum mitgeteilt, dass die zweite Bonuskomponente mit Ablauf des 18., 30. und 42. Monats nach Ablauf der Bonusperiode ausbezahlt werde.
Für das Jahr 2008 wurden dem Kläger ein Barbonus in Höhe von € 25.000,-- und eine zweite Bonuskomponente in Höhe von € 50.000,-- zugesagt und zwar mit einer vergleichbaren Mitteilung zur Ratenzahlung wie in den Vorjahren (Bl. 23 d.A.).
Bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens zahlte die Beklagte neben den Barboni für die Jahre 2006 bis 2008 für das Jahr 2006 auf die zweite Bonuskomponente zwei Raten in Höhe von jeweils € 23.333,33 sowie für das Jahr 2007 eine Rate in Höhe von € 10.000,--.
Der Kläger hat erstinstanzlich noch ausstehende Bonusansprüche für die Jahre 2006 bis 2008 in Höhe von insgesamt € 93.333,34 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, seine Bonusansprüche würden sich schon aus § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages ergeben, denn der Freiwilligkeitsvorbehalt sei wegen seiner Verknüpfung mit einem Widerrufsvorbehalt nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Jedenfalls sei die Fälligkeit der Boni in § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages abschließend geregelt. Die ratierliche Auszahlung über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren widerspreche § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages und stelle im Übrigen eine unangemessene Benachteiligung dar (§ 307 Abs. 1 BGB).
Dagegen hat die Beklagte schon erstinstanzlich die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag begründe keinen Bonusanspruch und enthalte keine Regelung zur Fälligkeit der Boni. Sie habe die Fälligkeit der Bonuszahlungen alleine festlegen können.
Mit Endurteil vom 15.6.2010 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 93.333,34 brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Bonusansprüche des Klägers seien fällig. Nach § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages seien die Boni nach Abschluss des Geschäftsjahres, also nach dem 31.12. zu zahlen. Aus der Rückzahlungsvereinbarung für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.3. des Folgejahres folge die Fälligkeit spätestens zum 31.3. des Folgejahres. Die Beklagte habe in den Schreiben vom 28.4.2008, 21.4.2008 und 23.3.2009 die Fälligkeit nicht einseitig ändern können. Es könne dahinstehen, ob der Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam sei, denn die Beklagte habe die Boni in der geltend gemachten Höhe unstreitig zugesagt. Damit kämen die Vorschriften des Arbeitsvertrages zur Fälligkeit zur Anwendung.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses den Beklagtenvertretern am 21.6.2010 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 20.7.2010, die am 20.9.2010 begründet worden ist, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Nach Ansicht der Beklagten verkennt das Arbeitsgericht, dass der Arbeitsvertrag keinen Bonusanspruch begründe und auch die Fälligkeit nicht regele. Erst die einzelnen Bonuszusagen würden den Anspruch begründen und die Fälligkeit regeln. § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages bestimme keinen genauen Termin für die Zahlung. Da der Arbeitsvertrag gemäß § 7 Abs.1 keinen Bonusanspruch begründe, könne der Arbeitgeber auch frei über den Zahlungszeitpunkt entscheiden. Zusagen in den späteren Schreiben würden damit nicht im Widerspruch zum Arbeitsvertrag stehen. Darüber hinaus seien die einseitigen Zusagen in diesen Schreiben nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff BGB unterworfen.
Zum 30.6.2010 zahlte die Beklagte weitere € 23.334,-- für 2006, € 10.000,-- für 2007 und € 16.666,67 für 2008. Nach Auffassung der Beklagten waren diese Beträge zum 30.6.2010 zur Zahlung fällig. Den Restbetrag aus dem Urteil des Arbeitsgerichts leistete die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht lediglich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung.
Die Beklagte stellt folgende Anträge:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Aktenzeichen: 12 Ca 11029/09, verkündet am 15.6.2010, zugestellt am 21.6.2010 wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat den Rechtsstreit in Höhe von € 50.000,67 für erledigt erklärt. Hinsichtlich der bezahlten Teilbeträge beantragt er, die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von € 2.843,22 zu verurteilen.
Er beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Arbeitsgerichts für zutreffend. Selbst beim Vorliegen eines wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalts könne der Arbeitsgeber nur über das Ob der Bonuszahlungen frei entscheiden, hinsichtlich des Wie sei er jedoch an die getroffenen Vereinbarungen gebunden (BAG vom 28.3.2007 – 10 AZR 261/06). § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages regle die Fälligkeit und sei hinreichend bestimmt. Der Bonus sei mit Ablauf des 31.12. des jeweiligen Jahres zu zahlen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 20.9.2010 und 1.2.2011 sowie des Klägers vom 26.7.2010 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 10.2.2011.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche spätestens zum Zeitpunkt der auf die einzelnen Jahre bezogenen Zusagen fällig waren.
Dabei kann dahinstehen, ob der Freiwilligkeitsvorbehalt in § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages wirksam ist und ob § 7 Abs. 2 die Fälligkeit von Bonusleistungen bindend regelt. Die Fälligkeit zu den Zeitpunkten der drei schriftlichen Zusagen ergibt sich jedenfalls daraus, dass die Festlegung zeitlich gestaffelter Zahlungstermine in den Schreiben vom 28.4.2008, 21.4.2008 und 23.3.2009 wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers unwirksam ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Soweit der Kläger den Rechtsstreit in Höhe von € 50.000,67 für erledigt erklärt hat, handelt es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Beschränkung des Klageantrags (Zöller-Vollkommer, ZPO, Rn 34 zu § 91 a). Der darin liegende Antrag, die teilweise Erledigung der Hauptsache festzustellen, ist begründet. Unstreitig wurde die Hauptsache teilweise dadurch erledigt, dass die Beklagte Zahlungen in Höhe von € 50.000,67 leistete. Bei Eintritt des erledigenden Ereignisses, also bei Zahlung durch die Beklagte, war die Klage insgesamt begründet.
Dabei kann offenbleiben, ob § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages eine wirksame Fälligkeitsbestimmung enthält, die nachträglich nicht mehr einseitig durch die Beklagte geändert werden konnte (so das Arbeitsgericht und der Kläger). Die vom Kläger geltend gemachten Forderungen waren jedenfalls bei Mitteilung der dem Kläger zustehenden Boni in den Schreiben vom 28.4.2008, 21.4.2008 und 23.3.2009 zur Zahlung fällig, denn die in diesem Schreiben mitgeteilten Auszahlungszeitpunkte für die zweiten Bonuskomponenten stellen eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, die nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.
1. Die Schreiben sind einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB zu unterziehen.
Sie beinhalten allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um einseitige Schreiben der Beklagten handelt, denen der Kläger jedenfalls nicht insgesamt zugestimmt hat. Das Bundesarbeitsgericht hat auch einseitige Erklärungen wie einen Freiwilligkeitsvorbehalt auf eine Gehaltsabrechnung als allgemeine Geschäftsbedingungen angesehen (BAG vom 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535; ErfK/Preis, §§ 305 bis 310 BGB Rn 22). Entscheidend ist, dass der Inhalt des Arbeitsverhältnisses geregelt werden soll.
2. Für die Anwendung der §§ 305 ff BGB kommt es weiter nicht darauf an, ob die Beklagte die Formulierungen in ihren Schreiben mehrmalig verwendet.
Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet § 307 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Arbeitnehmer sind beim Abschluss der Arbeitsverträge Verbraucher i.S. von § 13 BGB (BAG vom 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111). Der Kläger konnte auf den Inhalt der Schreiben der Beklagten keinen Einfluss nehmen.
3. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.
Die Feststellung einer unangemessenen Benachteilung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenarten des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG vom 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – NZA 2008, 1004).
Die Bestimmung, dass Teilbeträge der Boni erst 18, 30 bzw. 42 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, für das sie geleistet werden, ausgezahlt werden und dass zum Auszahlungszeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis bestehen muss, soll aus der Sicht der Beklagten Schlüsselmitarbeiter binden. Es gibt ein berechtigtes Interesse vieler Arbeitgeber, bei der Gewährung von Sonderzahlungen die künftige Betriebstreue zu honorieren. Die Bestimmung, dass das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt Voraussetzung für die Auszahlung ist, greift allerdings in ähnlicher Weise wie Rückzahlungsklauseln bei Sonderzahlungen oder bei Weiterbildungskosten, die der Arbeitgeber aufgewendet hat, in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Dieses umfasst auch das Recht, einen gewählten Arbeitsplatz wieder aufzugeben. Die Aussicht, einen zugesagten Bonus bei einem Ausscheiden ganz oder teilweise nicht zu erhalten, kann einen Arbeitnehmer von einer Kündigung abhalten.
Vor diesem Hintergrund hält das Bundesarbeitsgericht beispielsweise einzelvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich für zulässig, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ausnahmsweise können derartige Zahlungsverpflichtungen, die an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, gegen Treu und Glauben verstoßen. Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BAG vom 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542).
Bei Klauseln über die Rückzahlung von Einmalzahlungen wird allgemein angenommen, dass bei einer Zahlung von weniger als einem Monatsgehalt eine Bindungsfrist bis zum 31.3. des Folgejahres zulässig ist. Bei einer Zahlung von einem vollen Monatsgehalt oder mehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Bindung bis maximal zum 30.6. des Folgejahres zulässig (Küttner/Griese, Personalbuch 2010, Einmalzahlungen Rz 18 m.w.H. auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).
In seinem Urteil vom 24.10.2007 (10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40) hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen, ob bei der Inhaltskontrolle von Bindungsklauseln zwischen Stichtags- und Rückzahlungsklauseln zu differenzieren ist. Allerdings spricht nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts viel dafür, dass in Fällen, in denen eine Sonderzahlung mindestens 25 % der Gesamtvergütung ausmacht, der mit der Sonderzahlung verfolgte Zweck einer zusätzlichen Vergütung bei der Abwägung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien und damit bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Bindungsklausel maßgebend ist und die Zielsetzung, künftige Betriebstreue zu belohnen und den Arbeitnehmer zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivieren, dahinter zurückzutreten hat.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung kann hier zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt werden, dass bei der vorliegenden hohen Grundvergütung des Klägers sowie des sofort fälligen Barbonus eine weitergehende Bindung zulässig ist als bei einem deutlich niedrigeren Verdienst. Außerdem ist das Interesse der Beklagten berechtigt, einen Portfoliomanager wie den Kläger längerfristig zu binden und möglicherweise riskante Geschäfte, die langfristig nicht den Interessen der Kunden dienen, nicht durch hohe Boni zu honorieren. Gleichwohl stellt die vorliegende Bindung von bis zu dreieinhalb Jahren eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar. Bei einer Zusammenrechnung von Grundvergütung und Bonus betrug der Anteil der frühestens zwölf Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres auszuzahlenden Boni im Jahre 2006 über 36 %, im Jahre 2007 20 % und im Jahre 2008 über 30 %. Je größer der Teil der Boni ist, der nicht sofort ausgezahlt wird, desto größer ist auch das Hemmnis für den Arbeitnehmer, eine Kündigung zu erklären. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Bindung von bis zu dreieinhalb Jahren weit über die vom Bundesarbeitsgericht für zulässig gehaltene Bindung bei Rückzahlungsklauseln hinausgeht. Auch wenn man annimmt, eine Rückzahlungsverpflichtung stelle ein noch größeres Kündigungshindernis dar als die Aussicht, einen Bonusanteil gar nicht erst zu erhalten, ist die Bindungsdauer unverhältnismäßig lang.
Die Unwirksamkeit der Stichtagsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich weiter daraus, dass in den einzelnen Schreiben nur auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung abgestellt wird und nicht darauf, wer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages setzt die Auszahlung des Bonus zwar voraus, dass das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeit punkt nicht durch Kündigung des Mitarbeiters oder aufgrund einer Arbeitgeberkündigung aus anderen als betriebsbedingten Gründen beendet wurde und in ähnlicher Weise heißt es im Schreiben der Beklagten vom 26.11.2007, bei einer durch den Mitarbeiter zu vertretenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses würden die noch einer Wartefrist unterliegenden Anteile verfallen. Gleichwohl kommt es für die Frage der Wirksamkeit der Stichtagsklausel nicht darauf an, ob allein der Bestand des Arbeitsverhältnisses maßgeblich ist (so der Wortlaut der drei Schreiben) oder auch die Frage, wer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vertreten hat. Die Klausel ist in beiden Fällen unwirksam.
Wenn man annimmt, allein der Inhalt der drei Schreiben sei maßgeblich, ergibt sich die unangemessene Benachteiligung daraus, dass dem Kläger insbesondere bei einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung keine Möglichkeit eingeräumt wird, den noch nicht ausgezahlten Bonusteil zu erhalten. Bei der Rückzahlung von Ausbildungskosten muss die Klausel nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts danach differenzieren, wessen Verantwortungsbereich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist. Danach ist eine Rückzahlungsklausel in der Regel unwirksam, wenn der Arbeitnehmer die Rückzahlungsverpflichtung wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nicht durch Betriebstreue vermeiden kann (BAG vom 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG vom 18.11.2008 – 3 AZR 192/07 – NZA 2009, 435). Diese Überlegungen lassen sich auf die vorliegende Klausel übertragen, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses in weiter Zukunft zur Voraussetzung für eine Auszahlung macht. Wie ausgeführt kann eine Stichtagsklausel dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers entsprechen, den Arbeitnehmer zu binden und künftige Betriebstreue zu honorieren. Deshalb ist eine solche Stichtagsklausel nicht interessengerecht, wenn der Arbeitnehmer die Auszahlungsvoraussetzungen gar nicht selbst herbeiführen kann.
Wenn man annimmt, die drei Schreiben würden die Auszahlungsvoraussetzungen nicht abschließend regeln, sondern insoweit gelte auch § 7 des Arbeitsvertrages, liegt die unangemessene Benachteiligung in einer denkbaren Irreführung des Vertragspartners. Klauseln, die einen unzutreffenden Eindruck erwecken und geeignet sind, den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abzuhalten, sind nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (BAG vom 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233). Sie liegt der Fall hier. Die Beklagte vertritt die Auffassung, da der Arbeitsvertrag keinen Bonusanspruch begründe, sei auch eine mögliche Fälligkeitsregelung in § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages nicht bindend. In vergleichbarer Weise könnte auch argumentiert werden, die Anspruchsvoraussetzungen für die heraus geschobenen Auszahlungen seien abschließend in den drei Schreiben geregelt. Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, ist der unterschiedliche Inhalt des Arbeitsvertrages und der Schreiben geeignet, den Kläger von der Geltendmachung seines Bonusanspruchs abzuhalten.
4. Wegen der Unwirksamkeit der Stichtagsklauseln waren die Bonusansprüche des Klägers sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB).
Es ist insbesondere nicht zu prüfen, welche kürzere Bindungsdauer mit den §§ 307 ff BGB noch zu vereinbaren ist. § 306 BGB regelt nicht, das unwirksame Klauseln auf einen noch zulässigen Regelungsgehalt zurückzuführen sind. Eine Aufrechterhaltung der Klausel mit eingeschränktem Inhalt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff BGB vereinbar. Das Gesetz will auf einen angemessenen Inhalt der verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen hinwirken. Dieser Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen zunächst seine eigenen Interessen deutlich in den Vordergrund stellen und dann im Fall eines späteren Rechtsstreits den Regelungsgehalt auf das noch Zulässige zurückführen könnte (BAG vom 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40).
Es kann offen bleiben, ob die Ansprüche des Klägers jeweils bereits am 31.12. der jeweiligen Jahre fällig waren oder erst nach Abschluss der Mitarbeitergespräche, in denen die Boni zugesagt wurden. Die Ansprüche waren jedenfalls zu den Zeitpunkten fällig, in denen dem Kläger die Boni schriftlich bestätigt wurden. Der Kläger macht keine Ansprüche geltend, die noch eine noch früher liegende Fälligkeit voraussetzen würden. Zinsen macht er erst am 30.5.2009 geltend.
5. Der nun bezifferte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
II.
Nach § 97 Abs. 1 ZPO trägt die Beklagte die Kosten ihrer erfolglosen Berufung.
III.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn der Kläger ist nicht beschwert, und es gibt keinen Grund, für die Beklagte die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.
Waitz Jagiella-Stüwe Bäumler-----------------------------------------------------
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