Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Pressemitteilung
C-352/09 P;
C-216/09 P;
C-210/09 P;
Verkündet am: 
 29.03.2011
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
EuGH bestätigt Entscheidungen der Kommission, mit denen Geldbußen von 10 Mio. Euro gegen ArcelorMittal Luxembourg und 3,17 Mio. Euro gegen ThyssenKrupp Nirosta wegen ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens verhängt wurden
Leitsatz des Gerichts:
Der Gerichtshof bestätigt die Entscheidungen der Kommission, mit denen Geldbußen von 10 Mio. Euro gegen ArcelorMittal Luxembourg und 3,17 Mio. Euro gegen ThyssenKrupp Nirosta wegen ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens verhängt wurden

Die Kommission kann nach Auslaufen des EGKS-Vertrags Verfahrensvorschriften, die auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassen wurden, auf Zuwiderhandlungen gegen den EGKS-Vertrag anwenden
1994 verhängte die Kommission Geldbußen gegen die an einem Kartell auf dem Stahlträgermarkt beteiligten Unternehmen, zu denen ArcelorMittal Luxembourg (vormals ARBED) gehörte. Die Kommission erließ ihre Entscheidung1 gemäß dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der für den Stahlsektor eine besondere Wettbewerbsregelung enthielt.

Ebenfalls auf der Grundlage des EGKS-Vertrags verhängte die Kommision mit einer 1998 erlassenen Entscheidung2 eine Geldbuße gegen ThyssenKrupp Nirosta (vormals ThyssenKrupp Stainless) wegen ihrer Beteiligung an einem Kartell im Sektor für Flacherzeugnisse aus rostfreiem Stahl (Legierungszuschlag).

Diese von beiden Unternehmen angefochtenen Entscheidungen wurden vom Gericht und vom Gerichtshof 2003 bzw. 2005 wegen einer Verletzung der Verteidigungsrechte für nichtig erklärt3.

Die Kommission leitete daraufhin wegen derselben Zuwiderhandlungen gegen den EGKS-Vertrag neue Verfahren ein. Mit Entscheidung vom 8. November 20064 stellte sie fest, dass ArcelorMittal Luxembourg und ihre Tochtergesellschaften vom 1. Juli 1988 bis zum 16. Januar 1991 an einer Reihe von Vereinbarungen und verabredeten Praktiken teilgenommen hätten, die die Festsetzung von Preisen, die Zuteilung von Quoten und einen Informationsaustausch auf dem Trägermarkt in der Gemeinschaft bezweckt oder bewirkt hätten. Aus diesem Grund setzte die Kommission eine Geldbuße in Höhe von 10 Mio. Euro gegen diese Unternehmen fest.

Mit Entscheidung vom 20. Dezember 20065 stellte die Kommission fest, dass ThyssenKrupp durch abgestimmte Änderung der Referenzwerte der Formel zur Berechnung des Legierungszuschlags und durch Anwendung dieser Änderung gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen habe, und setzte gegen sie aus diesem Grund eine Geldbuße in Höhe von 3,17 Mio. Euro fest.

In diesen neuen Entscheidungen wandte die Kommission die am 23. Juli 2002 ausgelaufenen materiell-rechtlichen Vorschriften des EGKS-Vertrags an, soweit die tatbestandlichen Handlungen vor diesem Datum erfolgt waren. Bezüglich der Verfahrensvorschriften und ihrer eigenen Befugnis zur Verhängung der Sanktionen stützte sich die Kommission hingegen auf eine Regelung, die nach Auslaufen des EGKS-Vertrags auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassen worden war6.

Die Gruppe ArcelorMittal und ThyssenKrupp riefen daraufhin das Gericht an, das die Entscheidung der Kommission, soweit sie die Tochtergesellschaften von ArcelorMittal Luxembourg betraf, mit der Begründung für nichtig erklärte, dass diesen Unternehmen gegenüber Verjährung eingetreten sei. Dagegen wies das Gericht sämtliche Klagegründe der Muttergesellschaft ArcelorMittal Luxembourg7 und von ThyssenKrupp8 zurück.

Vor dem Gerichtshof treten diese beiden Unternehmen insbesondere der Feststellung des Gerichts entgegen, dass ihnen die Kommission nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrags wegen davor begangener Zuwiderhandlungen aufgrund einer Kombination der materiell-rechtlichen Vorschriften des EGKS-Vertrags und der später auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassenen Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften eine Geldbuße habe auferlegen können.

Zunächst stellt der Gerichtshof zur Zuständigkeit der Kommission fest, dass es dem Zweck und der Kohärenz der Verträge zuwiderliefe und mit der Kontinuität der Unionsrechtsordnung unvereinbar wäre, wenn die Kommission nicht befugt wäre, eine einheitliche Anwendung der Normen sicherzustellen, die im Zusammenhang mit dem EGKS-Vertrag stehen und auch nach dessen Außerkrafttreten Wirkungen weiterhin zeitigen.

Sodann führt der Gerichtshof aus, dass wegen der Erfordernisse insbesondere im Zusammenhang mit der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz im vorliegenden Fall die Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften des EGKS-Vertrags geboten war. Dieser enthielt zur Tatzeit eine klare Rechtsgrundlage für die verhängten Sanktionen, so dass die Unternehmen über die Folgen ihres Verhaltens nicht in Unkenntnis sein konnten.

Da die Verträge bereits vor dem Tatzeitpunkt die Zuwiderhandlungen sowie Art und Umfang der ihretwegen verhängbaren Sanktionen klar definierten, konnte ein sorgfältiges Unternehmen zu keinem Zeitpunkt über die Folgen seines Verhaltens in Unkenntnis sein oder sich darauf verlassen, dass der Umstand, dass der rechtliche Rahmen des EG-Vertrags an die Stelle des rechtlichen Rahmens des EGKS-Vertrags trat, zur Folge haben werde, dass es jeder Ahndung entgehen werde.

Zur Rechtsgrundlage für die Verhängung der Sanktionen und zu den anwendbaren Verfahrensvorschriften weist der Gerichtshofs darauf hin, dass Sanktionen auf eine Rechtsgrundlage gestützt sein müssen, die zum Zeitpunkt ihrer Verhängung in Kraft ist. Verfahrensvorschriften wiederum sind im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt anwendbar, zu dem sie in Kraft treten.

Der Gerichtshof kommt zum einen zu dem Ergebnis, dass sich die Befugnis der Kommission zur Verhängung der Geldbußen aus den auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassenen Vorschriften ergab und dass das Verfahren gemäß diesen Vorschriften geführt werden musste. Zum anderen stellt er fest, dass der EGKS-Vertrag das die Sanktion vorsehende anwendbare materielle Recht war.

Folglich weist der Gerichtshof die Rechtsmittel von ArcelorMittal Luxembourg und ThyssenKrupp zurück und bestätigt die Urteile des Gerichts.

-----------------------------------------------------
1 Entscheidung 94/215/EGKS vom 16. Februar 1994 in einem Verfahren nach Artikel 65 des EGKS-Vertrags betreffend Vereinbarungen und verabredete Praktiken von europäischen Trägerherstellern.
2 Entscheidung 98/247/EGKS vom 21. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag (Sache IV/35.814 – Legierungszuschlag).
3 Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, C-176/99 P, ARBED/Kommission; Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, T-45/98 und T-47/98, Krupp Thyssen Stainless u. a./Kommission, Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 2005, C-65/02 P und C-73/02 P, ThyssenKrupp/Kommission.
4 Entscheidung K(2006) 5342 endg. der Kommission vom 8. November 2006 in einem Verfahren nach Artikel 65 des EGKS-Vertrags betreffend Vereinbarungen und verabredete Praktiken von europäischen Trägerherstellern (Sache COMP/F/38.907 – Stahlträger).
5 Entscheidung der Kommission vom 20. Dezember 2006 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag (Sache COMP/F/39.234 − Legierungszuschläge, Neuentscheidung).
6 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln.
7 Urteil des Gerichts vom 31. März 2009, T-405/06, ArcelorMittal u. a./Kommission.
8 Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2009, T-24/07, ThyssenKrupp Stainless/Kommission.

_____________________________________
HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
       URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS ÜBER UNS IMPRESSUM