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Text des Beschlusses
2 Verg 1/11;
Verkündet am: 
 31.01.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Zuständigkeit des Vergabesenats eines Oberlandesgerichts für Entscheidungen über eine in Betracht kommende Besorgnis der Befangenheit von Mitgliedern der Vergabekammer in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist nicht begründet
Leitsatz des Gerichts:

Ablehnungsverfahren

1. Eine Zuständigkeit des Vergabesenats eines Oberlandesgerichts für Entscheidungen über eine in Betracht kommende Besorgnis der Befangenheit von Mitgliedern der Vergabekammer in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist – außerhalb eines Beschwerdeverfahrens – nicht begründet.

2. Für die Ablehnung von Mitgliedern der Vergabekammer sind die Vorschriften des einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzes unmittelbar anwendbar.

3. Eine Verpflichtung zur Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof nach § 124 Abs. 2 GWB besteht nur in einem Hauptverfahren. Das Ablehnungsverfahren, Mitglieder der Vergabekammer betreffend, stellt kein Hauptverfahren i. S. dieser Vorschrift dar.
In dem Vergabenachprüfungsverfahren betreffend die u. a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 08. Juni 2010 (S 109-165677) ausgeschriebene Vergabe des Dienstleistungsauftrages „Ausführung der Gebäudeinnenreinigung, der Glas- und Rahmenreinigung, Grund- und Sonderreinigung in den verschiedenen Gebäudekomplexen der ... Universität an verschiedenen Standorten der Stadt H. (Innenstadtbereich, Bereich S. )“,

Verfahrensbeteiligte:

1. …
Bieterin und Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
…

2. …
Vergabestelle und Antragsgegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
…

3. …
Bieterin und Beigeladene,

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Manshausen und den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann am 31. Januar 2011 beschlossen:

Die Vorlage der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen der Beteiligten findet nicht statt.



Gründe


A.

Die Antragsgegnerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, schrieb im Jahre 2010 den oben genannten Dienstleistungsauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2006 - zur Vergabe aus (Tag der Absendung der Bekanntmachung: 28. Mai 2010).

Der Auftrag ist in zwei Gebietslose unterteilt. Die ursprünglich beabsichtigte Vertragslaufzeit umfasste den Zeitraum vom 01. November 2010 bis zum 31. Oktober 2013, d. h. drei Jahre. Der Vertragsentwurf enthielt zwei Verlängerungsoptionen der Antragsgegnerin um je ein weiteres Jahr. Der Netto-Auftragswert liegt erheblich über 193.000,00 €.

Am Vergabeverfahren beteiligten sich insgesamt 16 Unternehmen, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene. Die Antragsgegnerin beabsichtigt ausweislich ihres Vergabevermerkes vom 16. September 2010, den Zuschlag für beide Lose auf das jeweilige Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 27. September 2010 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet werden möge, die Angebotswertung sowohl für das Los 1 als auch für das Los 2 zu wiederholen.

Die Vergabekammer hat die Nachprüfungsverfahren bezüglich Los 1 (2 VK 30/10) und bezüglich Los 2 (2 VK 31/10) mit Beschluss vom 13. Oktober 2010 unter Führung des zuerst genannten Verfahrens verbunden. Sie hat nach anfänglicher Absicht, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, auf die Einwendungen insbesondere der Antragstellerin die Zuschlagsaspirantin für beide Lose beigeladen und einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. In diesem Termin am 21. Dezember 2010 hat der Vorsitzende der 2. Vergabekammer den Verfahrensbeteiligten gegenüber angezeigt, dass einer der Geschäftsführer der Antragstellerin, G. H. , seit September 2009 als ehrenamtlicher Beisitzer der 2. Vergabekammer tätig sei und dass der Baudirektor der Antragsgegnerin H.-D. F. , der maßgeblich auch an den Entscheidungen der Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren mitgewirkt habe, bereits seit 1999 in ununterbrochener Folge als ehrenamtlicher Beisitzer der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt tätig sei. Daraufhin hat die Antragsgegnerin einen Befangenheitsantrag gegen alle drei Mitglieder der erkennenden Vergabekammer gestellt. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2010 hat sie die Abgabe des Nachprüfungsverfahrens an die 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt wegen der festgestellten Besorgnis der Befangenheit beantragt.

Inzwischen haben der Vorsitzende der 2. Vergabekammer, dessen Stellvertreter sowie die beiden weiteren berufenen hauptamtlichen Beisitzer der 2. Vergabekammer eine Selbstanzeige vorgenommen, wonach jeweils wegen ihres besonderen Näheverhältnisses zu einem der beiden Geschäftsführer der Antragstellerin die Besorgnis der Befangenheit bestehen könne. Zudem haben auch der Vorsitzende der 1. Vergabekammer, dessen Stellvertreter und die beiden weiteren berufenen hauptamtlichen Beisitzerinnen eine Selbstanzeige verfasst und jeweils auf ihr besonderes Näheverhältnis zum Baudirektor der Antragsgegnerin gestützt. Der Vorsitzende der erkennenden Vergabekammer hat – in Anlehnung an § 20 Abs. 3 VwVfG (Bund) bzw. an § 47 Abs. 1 ZPO – die Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 31. März 2011 verlängert.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2011 haben der stellvertretende Vorsitzende der 1. Vergabekammer und eine hauptamtliche Beisitzerin dieser Vergabekammer das Nachprüfungsverfahren dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung über die Selbstanzeigen in Bezug auf ihre Person vorgelegt.

Der Senat hat alle Verfahrensbeteiligten zur Frage der Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch und die Selbstanzeigen angehört.


B.

Die Vorlage der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt an den Vergabesenat des Oberlandesgerichts ist unzulässig.

Der Senat ist nicht berufen, eine Entscheidung in einem (Selbst-)Ablehnungsverfahren, welches Mitglieder einer Vergabekammer betrifft, zu erlassen.

I. Eine Zuständigkeit des Vergabesenats des Oberlandesgerichts für Entscheidungen über eine in Betracht kommende Besorgnis der Befangenheit von Mitgliedern der Vergabekammer in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist – außerhalb eines Beschwerdeverfahrens – nicht begründet.

Hierfür kommt es nicht darauf an, ob das Ablehnungsverfahren durch einen der Verfahrensbeteiligten oder durch Selbstanzeige des betroffenen Kammermitglieds in Gang gesetzt worden ist.

1. Die speziellen verfahrensrechtlichen Vorschriften für das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Vierter Teil, §§ 104 bis 115 und 128 GWB, enthalten weder ausdrücklich noch durch Verweisung eine Regelung über das Ablehnungsverfahren.

Es gilt das Gesetz in seiner Neufassung durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (vgl. § 131 Abs. 8 GWB i.V.m. § 3 Abs. 9 VgV analog).

2. Für die Ablehnung von Mitgliedern der Vergabekammer sind die Vorschriften des einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzes unmittelbar anwendbar.

Diese Vorschriften sehen im Ablehnungsverfahren eine Vorlage an ein Gericht nicht vor.

a) Nach wohl einhelliger Auffassung ist das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer seinem Wesen nach ein Verwaltungsverfahren.

Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erfüllt die Voraussetzungen nach § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 9 BVwVfG.

aa) Die Vergabekammer ist als Teil der Verwaltung eine Behörde i.S.v. § 1 Abs. 2 VwVfG LSA; sie ist kein Gericht im Sinne von Art. 92 GG (vgl. nur OVG Hamburg, Beschluss v. 30.06.2005, 1 Bs 182/05 – NVwZ 2005, 1447; Stockmann in: Dreher/Stockmann, Kartellvergaberecht, 4. Aufl. 2008, § 105 Rn. 10 m.w.N.; Portz in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. z. GWB, 2006, § 105 Rn. 3).

Unter einem Gericht versteht man nicht nur eine unabhängige, sondern vor allem auch eine von den Verwaltungsbehörden getrennte Institution (vgl. Art. 20 Abs. 2 GG). Die Vergabekammern werden hingegen nach § 106 GWB bei der Exekutive eingerichtet, von ihr organisiert und auch besetzt. In Sachsen-Anhalt sind die Vergabekammern Bestandteil des Landesverwaltungsamtes (vgl. Richtlinie über die Einrichtung von Vergabekammern in Sachsen-Anhalt, RdErl. MW vom 04.03.1999, 63-32570/03 – MBl. LSA 1999, S. 441, zuletzt geändert am 08.12.2003 – MBl. LSA 2003, S. 942). Organisation und Besetzung der Vergabekammern regelt danach der Präsident des Landesverwaltungsamtes nach Maßgabe der §§ 105 und 106 GWB sowie der vorgenannten Verwaltungsvorschrift.

Allein der Umstand, dass den Mitgliedern der Vergabekammer in § 105 Abs. 1 GWB für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine richterähnliche Rechtsstellung in Form einer Unabhängigkeit im Rahmen der Gesetze eingeräumt worden ist, im Übrigen aber keine richtergleiche Rechtsstellung (siehe nur § 105 Abs. 4 GWB), steht der Behördeneigenschaft der Vergabekammern nicht entgegen. Dies verleiht der Vergabekammer lediglich einen besonderen Status innerhalb der Behördenstruktur. Ebenso ist insoweit nicht erheblich, ob einer Vergabekammer Gerichtsqualität i.S. von Art. 267 AEUV (vorher: Art. 234 EG bzw. Art. 177 EGV) zukommt oder nicht (vgl. hierzu Stockmann, a.a.O., § 105 Rn. 11).

bb) Die Entscheidungen der Vergabekammer ergehen nach § 114 Abs. 3 S. 1 GWB durch einen Verwaltungsakt.

cc) Der Charakter des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer als Verwaltungsverfahren zeigt sich schließlich auch in mehrfachen Verweisungen des Gesetzgebers auf Vorschriften des Verwaltungsverfahrens (z. Bsp. in §§ 110 Abs. 2 S. 5, 114 Abs. 3 S. 3, 115a und 128 Abs. 4 S. 4 GWB) bzw. in Parallelen zum Verwaltungsverfahren (z. Bsp. in §§ 107 Abs. 1, 109, 110 Abs. 1, 114 Abs. 3 S. 2 und 128 Abs. 1 GWB).

b) Nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 1 Abs. 1 letzter Halbs. VwVfG (Bund – künftig nur Angabe der Vorschrift im VwVfG Bund) sind dessen Vorschriften für das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer anzuwenden, soweit Rechtsvorschriften des Bundes zum Nachprüfungsverfahren keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Bestimmungen enthalten.

Das ist beim Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wie ausgeführt, nicht der Fall.

c) Aus den vorgenannten Gründen kommt – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – eine unmittelbare Anwendung des § 54 Abs. 1 VwGO, der für die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die entsprechende Geltung der §§ 41 bis 49 ZPO verweist, nicht in Betracht.

Eine Vergabekammer erfüllt die Voraussetzungen nach §§ 1 f. VwGO, ein Verwaltungsgericht zu sein, nicht.

d) Nach § 71 Abs. 3 S. 4 VwVfG i.V.m. §§ 20 Abs. 4 und 21 Abs. 1 und 2 VwVfG entscheidet über ein Befangenheitsgesuch bzw. eine Selbstanzeige grundsätzlich die Vergabekammer selbst unter Ausschluss des betroffenen Mitglieds, allerdings stets in einer Besetzung mit drei Mitgliedern (wegen der vorrangigen Spezialregelung des § 105 Abs. 2 S. 1 GWB).

Kommt es auf Grund von Ablehnungsgesuchen bzw. Selbstanzeigen zur Beschlussunfähigkeit der Vergabekammer und zur Erschöpfung der behördlich vorgesehenen Vertretungskette, wie hier (zur Vertretung vgl. § 3 Abs. 2 Gemeinsame Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Sachsen-Anhalt – MBl. LSA 2009, 691), so hat nach allgemeiner Auffassung zum Verwaltungsverfahrensrecht das für die Einsetzung des Ausschusses zuständige Organ, hier also der Präsident des Landesverwaltungsamtes, über die Besorgnis der Befangenheit sowie – im Falle der Begründetheit des Ablehnungsgesuchs und der Selbstanzeigen – über die Besetzung der Vergabekammer zu entscheiden (vgl. Sachs/Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 71 Rn. 39; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 71 Rn. 22).

3. Selbst wenn man – entgegen der Auffassung des Senats – davon ausginge, dass eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Ablehnung von Mitgliedern der Vergabekammer nicht eröffnet sei, wären diese Vorschriften entsprechend anwendbar.

a) Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers liegt allerdings eine planwidrige Gesetzeslücke nicht vor. Ausweislich der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfes zum Vergaberechtsänderungsgesetz (BT-Drs. 13/9340, S. 13 ff.) ging der Gesetzgeber von einer unmittelbaren subsidiären Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes bzw. der Länder aus (vgl. BT-Drs. 13/9340, zu § 118 RegE, zu § 120 RegE – beide S. 18, linke Spalte; zu § 124 Abs. 3 RegE – S. 19, rechte Spalte).

Im Übrigen orientierte er sich an den Regelungen zum kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren (so auch Dreher in: Dreher/ Stockmann, a.a.O., vor §§ 97 ff. Rn. 126 f.).

b) Angesichts der Absicht des Gesetzgebers, ein zweistufiges, in beiden Stufen rechtsstaatlich ausgestaltetes Nachprüfungsverfahren zu schaffen, in dem insbesondere auch der allgemeine Grundsatz des fairen Verfahrens gelten soll, liegt dem Verfahren vor der Vergabekammer jedenfalls die Vorstellung zugrunde, dass die Nachprüfung von nicht beteiligten und nicht vorbefassten Dritten ausgeübt werden soll (vgl. Jaeger in: Byok/Jaeger, Komm. z. Vergaberecht, 2. Aufl. 2005, § 105 Rn. 875; zum rechtsstaatlichen Grundprinzip BVerfG, Beschluss v. 29.04.1954, 1 BvR 328/52 – BVerfGE 3, 377, nach juris Tz. 14; Beschluss v. 09.05.1962, 2 BvL 13/60 – BVerfGE 14, 56, in juris Tz. 43 ff.; Beschluss v. 24.11.1964, 2 BvL 19/63 – BVerfGE 18, 241, in juris Tz. 54 ff.).

Eine bestimmte Vorgabe für das Vorgehen bei der Feststellung des Vorliegens dieser Voraussetzungen, also für das Ablehnungsverfahren, resultiert hieraus jedoch nicht. Insbesondere ist es nicht notwendig, von vornherein eine richterliche Entscheidung über die ordnungsgemäße Besetzung herbeizuführen.

c) Erachtet man die verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften nicht unmittelbar für anwendbar, so läge deren analoge Anwendung näher als die analoge Anwendung von Bestimmungen über ein gerichtliches Ablehnungsverfahren und insbesondere der Vorschrift des § 45 Abs. 3 ZPO über die Ersatzzuständigkeit des im Rechtszug zunächst höheren Gerichts (im Ergebnis wie hier: Portz in: Kulartz/Kus/Portz, a.a.O., § 105 Rn. 4 f.; Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Aufl. 2011, § 105 Rn. 6; Diemon-Wies in: Hattig/Maibaum, Praxiskomm. Kartellvergaberecht, 2010, § 105 Rn. 37 ff.).

Gerade die vorliegende Konstellation zeigt dies deutlich. Für den Fall, dass der Senat zur Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder der beiden Vergabekammern berufen wäre, und weiter unterstellt, dass alle Ablehnungsgesuche bzw. Selbstanzeigen in der Sache begründet wären, so wäre das Ablehnungsverfahren in der Ersatzzuständigkeit des Senats nicht geeignet, eine beschlussfähige unparteiliche Nachprüfungsinstanz beim Landesverwaltungsamt zu bestimmen.

d) Schließlich wird den Beteiligten durch die Auffassung des Senats eine in letzter Instanz gerichtliche Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung der Vergabekammer nicht abgeschnitten.

Es ist allgemein anerkannt, dass die Entscheidung der Vergabekammer im Ablehnungsverfahren nicht selbständig angefochten werden kann (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.04.2008, VII-Verg 24/08, zitiert nach juris, m.w.N.). Die Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache unterliegt jedoch der gerichtlichen Nachprüfung nach § 116 GWB; im Rahmen des Beschwerdeverfahrens kann unter anderem auch die fehlerhafte Besetzung der Vergabekammer geltend gemacht werden.

II. Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof ist nicht geboten.

1. Allerdings haben sich Vergabesenate verschiedener Oberlandesgerichte jeweils im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache mit der Frage der ordnungsgemäßen Besetzung der Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren und insoweit mit der etwaigen Besorgnis der Befangenheit gegenüber einem oder mehreren abgelehnten Kammermitgliedern befasst.

In den ergangenen Entscheidungen wurde der inhaltliche Prüfungsmaßstab voneinander abweichend z.T. nach den entsprechenden Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (so im Ergebnis: Thüringer OLG, Beschluss v. 22.12.1999, 6 Verg 3/99 – OLGR 2000, 14; OLG Naumburg, Beschluss v. 03.03.2000, 1 Verg 2/99 – OLGR 2000, 321), z.T. jedoch auch nach den Vorschriften der ZPO in analoger Anwendung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse v. 23.01.2006, VII-Verg 96/05 – NZBau 2006, 598; und v. 28.04.2008, VII-Verg 24/08 – zitiert nach juris; jeweils offen gelassen: KG Berlin, Beschluss v. 25.07.2000, Kart Verg 11/00; OLG Frankfurt, Beschluss v. 02.03.2007, 11 Verg 15/06 – in juris Tz. 26 ff.) bestimmt. Von diesen Entscheidungen weicht der erkennende Senat schon deshalb nicht ab, weil hier nicht die Frage des inhaltlichen Prüfungsmaßstabes, sondern die verfahrensrechtliche Frage der gerichtlichen (Ersatz-) Zuständigkeit für die Durchführung des Ablehnungsverfahrens zu klären ist.

2. Eine Vorlagepflicht besteht darüber hinaus nur in einem Hauptverfahren des Oberlandesgerichts.

Ein solches Hauptverfahren stellt das Ablehnungsverfahren nicht dar.

a) Bereits nach seiner systematischen Stellung bezieht sich § 124 Abs. 2 GWB auf endgültige, nicht weiter anfechtbare Entscheidungen des Vergabesenats.

Die Vorschrift des § 124 GWB ergänzt mit seinen beiden Absätzen den § 123 GWB als zentrale Regelung über die zu treffende Beschwerdeentscheidung. Danach wird in § 124 Abs. 2 GWB eine Vorlagepflicht begründet für den Fall einer beabsichtigten Abweichung von der Rechtsauffassung eines anderen Vergabesenats, welche für Endentscheidungen über sofortige Beschwerden nach § 116 Abs. 1 und Abs. 2 GWB entscheidungserheblich ist. Hinsichtlich dieser Endentscheidungen ist allerdings nicht weiter zu differenzieren zwischen Entscheidungen über den Ausspruch der Vergabekammer in der Hauptsache, über die Kostengrundentscheidung, etwaige Kostenfestsetzungsentscheidungen im Rahmen der Hauptsacheentscheidung oder auch über Vollstreckungsentscheidungen der Vergabekammer.

b) Zudem lässt auch der Wortlaut des § 124 Abs. 2 GWB erkennen, dass die Vorlagepflicht nicht uneingeschränkt besteht.

Ausdrücklich ausgenommen hiervon sind Entscheidungen des Vergabesenats in den bei ihm selbst anhängigen Eilverfahren nach §§ 118 Abs. 1 S. 3 bzw. 121 GWB. Denn damit ergeht nur eine vorläufige Entscheidung, wenn auch mit u.U. weit reichenden Folgen. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber dem Beschleunigungsgebot Vorrang vor dem Allgemeininteresse an einer einheitlichen Rechtsprechung eingeräumt. Diese Wertung lässt sich auf das Ablehnungsverfahren übertragen. Von seiner Rechtsnatur ist das Ablehnungsverfahren ein selbständiges Zwischenverfahren des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer, d. h. sein Ergebnis trägt nicht nur vorläufigen Charakter, sondern ist auch Bestandteil des weiteren erstinstanzlichen Verfahrens.


C.

Eine Kostengrundentscheidung ist nicht veranlasst.

Das gerichtliche Ablehnungsverfahren ist gebührenfrei; die anwaltliche Tätigkeit ist nach § 15 Abs. 1 RVG durch die Geschäftsgebühr nach VV RVG Nr. 2300 ff. abgegolten.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Verfahrens war unter Berücksichtigung dessen entbehrlich.

gez. Dr. Engel gez. Manshausen gez. Wiedemann
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