Text des Beschlusses
1 W 49/10;
Verkündet am:
28.09.2010
OLG Oberlandesgericht
Naumburg
Vorinstanzen:
4 O 144/10
Landgericht
Halle;
Rechtskräftig: unbekannt!
Zwar ist bei Klagerücknahme in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ein Sonderfall der Kostentragungspflicht geregelt
Leitsatz des Gerichts:
Zwar ist bei Klagerücknahme in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ein Sonderfall der Kostentragungspflicht geregelt. Dieser setzt aber voraus, dass ein Anlass zur Klageerhebung bestand, der vor Rechtshängigkeit weggefallen ist.
Hiervon unabhängig ist ein Kläger nicht gezwungen, sich nur deshalb durch Klagerücknahme in die Rolle des Unterlegenen zu begeben, weil das erledigende Ereignis vor Rechtshängigkeit eintrat. In einem solchen Fall kann er an der Klage festhalten und seinen Antrag auf Erstattung der durch die Klageerhebung entstandenen Kosten umstellen. Kann er diese noch nicht beziffern, ist auch ein entsprechender Feststellungsantrag zulässig.
In der Beschwerdesache
…
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Grimm als Einzelrichter am 28. September 2010 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 24.08.2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 1.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit dem vorliegenden Klageverfahren machte der Kläger als Subunternehmer der Beklagten einen Anspruch auf Sicherung einer Forderung gemäß § 648 a BGB in Höhe von insgesamt 31.792,70 € geltend.
Zuvor hatte die Beklagte auf eine entsprechende Schlussrechnung des Klägers in der genannten Höhe vom 17.11.2009 mit Schreiben vom 18.01.2010 angekündigt, 15.413,23 € zu zahlen. Hierauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 20.01.2010, in welchem er der Beklagten u.a. eine Frist zur Gutschrift des angekündigten Betrages auf seinem Konto bis zum 22.01.2010 setzte. Das Schreiben vom 20.01.2010 ist der Beklagten auf dem Postweg am 22.01.2010 zugegangen. Am 25.01.2010, einem Montag, erfolgte die Zahlung des angekündigten Betrages.
Ebenfalls am 25.01.2010 reichte der Kläger Klage auf Sicherung des Werklohnanspruchs nach § 648 a BGB in voller Höhe von 31.792,70 € ein. Am 29.01.2020 erhielt der Kläger eine Bürgschaft zur Bauhandwerkersicherung in Höhe der streitigen Restforderung von 16.380,00 €. Die Klage wurde am 03.02.2010 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 23.02.2010 nahm der Kläger seine Klage zurück und beantragte, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. Die Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO sei zwingend geboten. Zur Begründung verwies er auf die Erledigung vor Rechtshängigkeit und den ursprünglichen Verzug der Beklagten mit der Stellung einer Sicherheit.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat gemeint, sie habe zur Klageerhebung keine Veranlassung geboten, sondern die geforderte Sicherheit umgehend beschafft.
Mit Beschluss vom 24.08.2010 hat das Landgericht den Parteien die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte auferlegt. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, die Beklagte habe nur insoweit Anlass zur Klageerhebung gegeben, als sie die Zahlung verweigert habe. In Höhe des von ihr anerkannten Betrages von 15.413,23 € aber habe am 25.01.2010 kein Sicherungsinteresse mehr bestanden.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der nach wie vor der Ansicht ist, die Beklagte müsse alle Kosten tragen. Eine Veranlassung zur Klage habe schon deshalb bestanden, weil sein Anspruch aus § 648 a BGB begründet gewesen sei und die Beklagte sich in Verzug befunden habe. Ein bloßes Zahlungsversprechen könne daran nichts ändern.
II.
Die angefochtene Ermessensentscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.
In Höhe einer Zahlung von 15.413,23 €, die etwa der Hälfte der zu sichernden Forderung entsprach, hatte die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung geboten.
Es entsprach deshalb billigem Ermessen, der Beklagten gemäß § 269 Abs. 3 ZPO nur die Hälfte der Kosten aufzuerlegen.
1. Wer eine Klage zurücknimmt, trägt grundsätzlich alle Kosten des Rechtsstreits, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
a) Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 23.02.2010 meint, die von ihm beantragte Verfahrensweise sei allein deshalb „zwingend geboten“, weil eine Erledigungserklärung mangels Rechtshängigkeit nicht zulässig gewesen sei, irrt er über den Umfang seiner prozessualen Möglichkeiten.
Ein Kläger ist nicht gezwungen, sich nur deshalb durch Klagerücknahme in die Rolle des Unterlegenen zu begeben, weil das erledigende Ereignis vor Rechtshängigkeit eintrat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erlaubt es dem Kläger in einem solchen Fall, an der Klage festzuhalten und seinen Antrag auf Erstattung der durch die Klageerhebung entstandenen Kosten umzustellen (vgl. BGH, NJW 2006, 775; Zöller-Greger, 28. Aufl. 2010, § 269, Rdn. 18 d).
Denn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch des Klägers bleibt von der prozessualen Gestaltungsmöglichkeit nach § 269 ZPO unberührt (vgl. BGH, NJW 2004, 223) und ein Rechtsschutzbedürfnis wird auf Grund der nur summarischen Prüfung in diesem Verfahren nicht verneint werden können. Kann der Kläger diese Kosten nicht beziffern, ist nach herrschender Ansicht auch ein entsprechender Feststellungsantrag zulässig (vgl. Greger, a.a.O. m.N.).
Von dieser prozessualen Möglichkeit, seinen materiell-rechtlichen Kostenanspruch zu sichern, hat der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen hat er die Klage insgesamt zurückgenommen.
b) Nach einer solchen Klagerücknahme trägt im Regelfall die klagende Partei grundsätzlich alle Kosten des Rechtsstreits, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie entschieden wurde, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die weitere dort bestimmte Ausnahme \"oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind\" bezog sich allein auf § 93 d ZPO a.F. (vgl. BGH NJW 2004, 223; Zöller-Greger, a.a.O., § 269 Rn. 18). Diese den Kläger treffende Kostenlast gilt ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage (BGH, a.a.O.). Die Regelanordnung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist eine Ausprägung des all¬gemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrundeliegenden Prinzips, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger die Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen (BGH NJW-RR 1995, 495). Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt, ist ohne Bedeutung. Letzteres betrifft allein den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber die davon zu unterscheidende prozessuale Kostenlast (vgl. BGH NJW 2004, 223 m.w.N.; BGHZ 45, 251, 256 f.; BGHZ 111, 168, 170 f.). Bei nur teilweiser Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO sind die Kosten entsprechend § 92 ZPO quotenmäßig zu verteilen (vgl. insgesamt OLG Rostock, MDR 2008, 593 f.).
2. Eine Ausnahme von der dargestellten Kostenlast des Klägers kann zwar nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO in Betracht kommen, wenn ein Anlass zur Klageerhebung bestand, der vor Rechtshängigkeit weggefallen ist, und es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen entspricht.
Dies hat das Landgericht aber insoweit zu Recht verneint, als es sich um den schon vor Rechtshängigkeit gezahlten, Teilbetrag von 15.413,23 € handelte. Denn jedenfalls in dieser Höhe hat die Beklagte keine Veranlassung mehr zur Klageerhebung gegeben.
a) Der Kläger irrt, wenn er annimmt, für die Ermessensentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO komme es nur auf die materiell-rechtliche Begründetheit des ursprünglichen Klageanspruchs und auf den Verzug der Beklagten an, die nach seiner Auffassung zur Sicherheitsleistung nach § 648 a BGB verpflichtet war.
Indem er allein auf die materielle Begründetheit seines Anspruchs abstellt, übersieht der Kläger, dass § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO außerdem in prozessualer Hinsicht einen Anlass zur Klageerhebung voraussetzt (vgl. Greger, a.a.O. Rdn. 18 f i.V.m. Zöller-Herget, § 93, Rdn. 3). Ein solcher liegt vor, wenn das Verhalten des Beklagten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und auf die materielle Rechtslage (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1982, 1082; OLG Hamm, OLGR 1993, 182; OLG Stuttgart, OLGR 1999, 414) so war, dass der Kläger annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2006, 1660; Herget, a.a.O. § 93 Rdn. 3).
b) Diese Annahme des Klägers war hier im Hinblick auf den Teil der zu sichernden Forderung von 15.413,23 € auf Grund des eigenen Verhaltens des Klägers nicht gerechtfertigt.
aa) Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18.01.2010 eine Zahlung in Höhe von 15.413,23 € angekündigt hatte, hat der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 20.01.2010 selbst noch eine weitere Frist zur Vorlage der Sicherheit eingeräumt und zugesagt, die bereits vorbereitete Klage erst einzureichen, wenn die angekündigte Zahlung nicht innerhalb der Nachfrist bis 22.01.2008 eingehe.
bb) Dies ist zwar nicht geschehen.
Die der Beklagten zur Zahlung gesetzte Nachfrist von zwei Tagen war jedoch unangemessen kurz. Das gilt erst recht, da das Schreiben der Beklagten vom 20.01.2009 auf dem Postweg erst am 22.01.2010, also dem Tag des Fristablaufs zugegangen ist. Da es sich bei dem 22.01.2010 um einen Freitag handelte, war es der Beklagten schwerlich möglich, die Überweisung rechtzeitig durchzuführen. Unstreitig erfolgte die Zahlung am nächsten Bankarbeitstag, also am Montag dem 25.01.2010. An diesem Tag hatte der Kläger aber bereits die Klage eingereicht, obwohl er auf Grund der selbst gesetzten kurzen Frist zu diesem Zeitpunkt noch nicht annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
gez. Grimm Richter am Oberlandesgericht-----------------------------------------------------
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