Text des Urteils
5 U 57/10;
Verkündet am:
28.09.2010
OLG Oberlandesgericht
Jena
Vorinstanzen:
2 O 1780/08
Landgericht
Gera;
Rechtskräftig: unbekannt!
Die nach § 355 II BGB mögliche Nachbelehrung gilt auch für Darlehensverträge, die vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossen worden sind
Leitsatz des Gerichts:
BGB §§ 187, 355, 358; EGBGB Art. 229 § 9 Abs.2; BGB-InfoVO § 14 Abs.1 und Anlage 2 zu § 14
1. Die nach § 355 Abs.2 BGB mögliche Nachbelehrung gilt auch für Darlehensverträge, die vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossen worden sind.
2. Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung für einen in einer Haustürsituation geschlossenen Darlehensvertrag.
3. Der Lauf der Widerrufsfrist wird durch eine Widerrufsbelehrung, die die gesetzlichen Anforderungen nach § 355 Abs.2 BGB nicht erfüllt, auch dann nicht in Gang gesetzt, wenn diese wörtlich der im Belehrungszeitpunkt gültigen Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGBInfoVO entspricht.
Der Vertrauensschutz des die Musterbelehrung Verwendenden darf das umgekehrt genauso schützenswerte Vertrauen des Verbrauchers darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht durch den Verodnungsgeber herabgesetzt werden, nicht verkürzen.
In dem Rechtsstreit
Volksbank B. e.G.
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Sch.,
gegen
1. M. Sch.,
2. C. Sch.,
- Kläger und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G.,
hat der 5. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, Richterin am Oberlandesgericht XXX und Richter am Landgericht XXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2010 für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 14.12.2009, Az.: 2 O 1780/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung fehlender Zahlungspflicht, Rückabtretung und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Dem zugrunde liegt der Erwerb von 3 Anteilen an den W.-Fonds Nr. 35, der von den Klägern durch Abschluss eines Darlehensvertrages finanziert wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Kläger hätten den Darlehensvertrag wirksam widerrufen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Darlehensvertrag in einer Haustürsituation i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziffer 1 HaustürWG geschlossen worden sei. Der mit Anwaltsschrift vom 20.06.2008 erklärte Widerruf sei auch nicht verfristet, da die Widerrufsfrist mangels einer, den Klägern erteilten ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen habe.
Zwar sei die den Klägern erteilte Nachbelehrung auch in einem, wie hier vorliegenden Altfall, nach § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. Artikel 229 § 9 Abs. 2 EGBGB noch möglich gewesen.
Die nachträgliche Widerrufsbelehrung sei aber ebenfalls fehlerhaft. Soweit dort nämlich darauf hingewiesen worden sei, dass die Frist frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform beginne, sei dies im Hinblick auf § 187 Abs. 1 BGB fehlerhaft, da danach die Frist frühestens am Tag nach Erhalt der Belehrung zu laufen beginnen könne. § 187 Abs. 1 BGB gehe insoweit als höherrangiges Recht der niederrangigen BGB-InfoVO vor.
Auch wenn die den Klägern nachträglich erteilte Widerrufsbelehrung dem unter Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO abgedruckten Text in der 2003 geltenden Fassung entspreche, komme der Beklagten infolge dieses Fehlers in der Belehrung der Schutz des § 14 Abs. 2 und 3 InfoVO nicht mehr zugute.
Die Verjährungseinrede der Beklagten habe ebenfalls keinen Erfolg, da die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB infolge des am 20.06.2008 erklärten Widerrufes erst am 31.12.2008 zu laufen begonnen habe.
Aufgrund des Widerrufes stehe der Beklagten gegen die Kläger aus dem Darlehensvertrag kein Zahlungsanspruch mehr zu. Damit müsse die Beklagte den Klägern auch die abgetretenen Ansprüche aus den Lebensversicherungen zurück abtreten, sowie die Originalversicherungsscheine herausgeben, Zug um Zug gegen Übereignung der 3 Fondsanteile.
Ferner habe die Beklagte den Klägern als Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB deren vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten.
Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 21.12.2009 zugestellte Urteil des Landgerichts Gera hat die Beklagte mit einem vorab per Fax am 20.01.2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit weiterem, ebenfalls vorab per Fax am 05.03.2010 bei Gerichts eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom10.02.2010 bis zum 22.03.2010 verlängert worden war.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der von den Klägern erklärte Haustürwiderruf nicht fristgerecht erklärt worden sei.
Entgegen der von dem Landgericht vertretenen Ansicht sei die Nachbelehrung wirksam und auch hinsichtlich des Fristbeginnes nicht fehlerhaft. Durch die hier vorliegende Widerrufsbelehrung werde anders als in den von dem Landgericht zitierten Entscheidungen (BGHZ 126, 256; Thür. OLG NJOZ 03, 875) nicht der Eindruck erweckt, dass der Tag der Aushändigung der Widerrufsbelehrung bei der Fristberechnung mitgezählt werde.
Im übrigen habe der hier verwendete Text der Widerrufsbelehrung bereits dem Wortlaut der §§ 2 Abs. 1 S. 1, 2 HaustürWG ; 355 Abs.2 S. 1 BGB entsprochen.
Auch der Zusatz, dass der Lauf der Widerrufsbelehrung „frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung in Textform“ beginne, sei nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 13.1.09, Az. XI ZR 118/08 ; Urt. v. 13.01.09, Az. XI ZR 508/07) unschädlich.
Die Benennung des, den Fristenlauf auslösenden Ereignisses sei zur Belehrung völlig ausreichend.
Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass die den Klägern erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO in der 2003 geltenden Fassung entsprochen habe. In ihrem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Regelungen des Gesetzgebers müsse sie, die Beklagte, geschützt werden.
Darüber hinaus habe das Landgericht aber auch fehlerhaft den Nachweis einer Haustürsituation als erbracht angesehen. Das Landgericht habe insoweit verkannt, dass eine vorherige Bestellung vorgelegen habe. In diesem Zusammenhang habe das Landgericht auch den, zwischen den Klägern und dem Zeugen O. vorab geschlossenen Beratungsvertrag, in dessen Folge die streitgegenständlichen Vertragsschlüsse erst erfolgt seien, nicht berücksichtigt. Offengeblieben sei auch, wann die Kläger aufgrund des bestehenden Wirtschaftsberater-Servicevertrages eine neue Kraftfahrtversicherung und eine Unfallversicherung abgeschlossen hätten.
Auch habe sich das Landgericht nicht damit auseinander gesetzt, dass die Aussage des Zeugen O. im Hinblick auf die Chronologie der Vertragsakquisition zu der Sachverhaltsdarstellung der Kläger in Widerspruch stehe. So habe der Zeuge nicht die Behauptung der Kläger bestätigt, dass diese schon beim ersten Hausbesuch die Fondsbeteiligung gezeichnet hätten.
Die von den Klägern behauptete Chronologie der Vertragsakquisition könne auch schon deshalb nicht stimmen, weil das Zusammentreffen des Klägers zu 2) mit dem Zeugen O. nicht erst im November 1994 stattgefunden haben könne, sondern schon bereits Mitte Oktober 1994 bei dem Höhlerfest in Gera stattgefunden haben müsse.
Hinsichtlich der, von den Klägern ferner geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus einem verbundenen Geschäft, nimmt die Beklagte außerdem auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Gera vom 14.12.2009, Az. 2 O 1780/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die für sie günstige Entscheidung des Landgerichts.
Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen eine wirksame Nachbelehrung nicht erteilt worden sei.
Selbst wenn man die Möglichkeit einer Nachbelehrung auch für sogenannte Altfälle nach Art. 229 § 9 Abs 2 EGBGB für gegeben ansehe, sei die Nachbelehrung hier nämlich aus mehreren Gründen unrichtig.
So werde in dieser bereits nicht auf die Widerrufsfolgen gemäß § 358 Abs.1 BGB bei dem hier vorliegenden Verbundgeschäft gemäß § 358 Abs. 5 BGB hingewiesen. Insoweit nämlich fehle der Hinweis nach § 358 Abs. 1 BGB, dass, wenn der Verbraucher den Beitrittsvertrag wirksam widerrufen habe, er auch an den diesen finanzierenden Verbraucherdarlehensvertrag nicht mehr gebunden sei.
Des Weiteren werde mit der Belehrung nicht eindeutig darauf hingewiesen, dass hier tatsächlich ein Verbundgeschäft vorliege und damit im Falle des Widerrufes nicht die Darlehensvaluta zurückgezahlt, sondern nur die Fondsbeteiligung herausgegeben werden müsse.
Zudem habe aber auch das Landgericht zu Recht erkannt, dass mit der Formulierung, dass die Frist frühestens „mit Erhalt“ der Belehrung zu laufen beginne, der unzutreffende Eindruck entstehe, dass der Tag des Erhalts der Widerrufsbelehrung bei der Fristberechnung bereits mitzähle.
Außerdem fehle in der nachträglichen Widerrufsbelehrung der Hinweis nach § 355 Abs. 2 S. 3 BGB, dass bei einem schriftlich abzuschließenden Vertrag, wozu ein Verbraucherdarlehensvertrag gehöre, die Frist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden.
Auch eine Haustürsituation habe das Landgericht zutreffend bejaht.
Wann die Kläger zuvor eine Kraftfahrt- bzw. eine Unfallversicherung abgeschlossen hätten, sei dabei unerheblich.
Eine vorausgegangene Bestellung könne nach der Aussage des Zeugen O. gleichfalls nicht angenommen werden.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei Gericht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das Landgericht hat der Klage nach Auffassung des Senates im Ergebnis zutreffend stattgegeben.
Die Kläger haben ihre auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam mit Anwaltsschriftsatz vom 20.06.2008 widerrufen.
Zu diesem Widerruf waren die Kläger nach §§ 1 HaustürWG, 312, 355 BGB berechtigt, da die Kläger, wie das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme zutreffend und ohne Beweiswürdigungsfehler festgestellt hat, in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden sind.
Die gegen die Beweiswürdigung des Landgerichtes gerichteten Berufungsangriffe bleiben ohne Erfolg.
Gemäß § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO hat das Berufungsgericht bei seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte bestehen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Derartige Anhaltspunkte vermag die Berufungsbegründung nach Auffassung des Senates vorliegend nicht aufzuzeigen.
Vielmehr ergibt sich aus der durch das Landgericht protokollierten Aussage des Zeugen O., dass die Kläger zum Abschluss des Darlehensvertrages durch mündliche Verhandlungen in ihrer Privatwohnung ohne vorangegangene Bestellung bestimmt worden sind. Ausreichend insoweit ist, dass die in der Wohnung der Kläger geführten Verhandlungen für den späteren Abschluss des Darlehensvertrages mitursächlich waren, auch wenn der Darlehensvertrag selbst nicht in der Wohnung der Kläger unterzeichnet worden ist und anlässlich des ersten Besuchstermins in der Wohnung der Kläger weder der Darlehensvertrag, noch die Fondsbeteiligung unterzeichnet wurden. Der vorliegend nur geringe zeitliche Abstand von 10 Tagen zwischen der Vorstellung des W.-Fonds Nr. 35 bei den Klägern und dem am 13.12.1994 von ihnen unterzeichneten Darlehensvertrag indiziert das Fortwirken der Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrages.
Der von den Klägern am 03.12.1994 unterzeichnete Wirtschaftsberater- Servicevertrag hat demgegenüber für die Frage, ob die Haustürsituation fortgewirkt hat, ebenso wenig Bedeutung, wie die Frage, wann die Kläger aufgrund dieses Vertrages neue Kraftfahrt- und Unfallversicherungen abgeschlossen haben.
Auch eine vorhergehende Bestellung zu Vertragsverhandlungen durch die Kläger kann im Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht nicht als bewiesen angesehen werden. Hierzu reicht ein allgemeines Interesse an einem Hausbesuch nicht aus, auch dann, wenn dieser zum Zwecke der allgemeinen Information erfolgen soll. Vorliegend kommt hinzu, dass, wie aufgrund der Aussage des Zeugen O. feststeht, dem ersten Termin in der Wohnung der Kläger keine konkrete Abrede dazu, um was es bei diesem Termin gehen sollte, vorausgegangen war.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht darüber hinaus die Widerrufserklärung der Kläger vom 20.06.2008 nicht als verfristet gewertet, da vorliegend die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen hat.
Die den Klägern am 16.12.2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung ist auch nach Auffassung des Senates aus mehreren Gründen nicht ordnungsgemäß und fehlerhaft und von daher nicht geeignet gewesen, die einmonatige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB in Lauf zu setzen.
Zwar war eine Nachbelehrung der Kläger vorliegend, wovon auch das Landgericht zu Recht ausgeht, nach § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229, § 9 Abs. 2 BGB möglich. Aus § 355 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass eine nicht ordnungsgemäße Belehrung nachgeholt werden kann. Diese Regelung gilt nach Art. 229, § 9 Abs. 2 EGBGB auch für Altverträge, unabhängig davon, wann sie abgeschlossen worden sind, also auch für Altverträge, die – wie vorliegend – noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes stammen (vgl. auch Palandt-Grüneberg, 69. Aufl., Randnote 4 zu Art. 229, § 9 EGBGB).
Wie bereits ausgeführt ist diese damit an sich mögliche Nachbelehrung vorliegend aber aus mehreren Gründen nicht wirksam erfolgt.
So hat schon das Landgericht – wenn auch nur im Ergebnis zutreffend - angenommen, dass die nachträgliche Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Fristbeginns fehlerhaft sei.
Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht dabei nach Auffassung des Senates allerdings in der hierfür gegebenen Begründung, wenn darin darauf abgestellt wird, dass sich aus der Belehrung nicht ergebe, dass nach § 187 Abs. 1 BGB eine Frist dann, wenn auf ein Ereignis abzustellen ist, frühestens am Tag nach Erhalt der Belehrung beginne.
Wenn auch der Inhalt der Widerrufsbelehrung nicht nur zutreffend, sondern auch unmissverständlich sein muss und über den Fristbeginn belehrt werden muss, dürfen an die Widerrufsbelehrung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Insoweit ist es auch als ausreichend anzusehen, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, dass nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, d.h. hier die Aushändigung der Widerrufsbelehrung in Textform. Eine zusätzliche Belehrung über den Inhalt der §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB, aus denen sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist ergeben, ist deshalb nicht erforderlich (vgl. auch BGHZ 126, 56).
Nach Auffassung des Senates ist die Formulierung in der nachträglichen Widerrufsbelehrung vom 16.12.2003 hinsichtlich der notwendigen Belehrung über das, den Fristbeginn auslösende Ereignis allerdings aus einem anderen Grunde zu ungenau. Wenn es dort nämlich heißt, dass die Frist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform“ beginnt, begegnet diese Formulierung nach Auffassung des Senates gerade wegen des Einschubes „frühestens“ Bedenken. Diese Formulierung ist zu ungenau, um dem Verbraucher den Fristbeginn deutlich vor Augen zu führen, da aus der verwandten Formulierung nicht entnommen werden kann, dass die Widerrufsfrist hier nicht nur „frühestens“ an dem Tag (also unter Umständen auch nicht noch später) zu laufen beginnt, sondern der Fristenlauf tatsächlich ausnahmslos mit dem Erhalt der Belehrung in Gang gesetzt werden soll (so auch OLG Schleswig MDR 2008, 254 – zitiert nach juris -).
Soweit die Beklagte demgegenüber mit der Berufungsbegründung auf die Entscheidungen des BGH vom 13.01.2009, Az.: XI ZR 118/08 und XI ZR 508/07 verweist, stehen diese den vorstehend dargelegten Bedenken des Senates an der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung ebenso wenig entgegen, wie die weiter von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 27.04.1994, Az.: VIII ZR 223/93 (BGHZ 126, 56) und des Thüringer Oberlandesgerichtes (NJOZ 03, 875).
Sämtliche dieser Entscheidungen sind nämlich mit der vorliegenden Fallgestaltung nach Auffassung des Senates nicht vergleichbar.
So lagen den dortigen Entscheidungen teilweise andere Formulierungen der Widerrufsbelehrung zu Grunde, wie die Worte „ab heute“ für den Fristbeginn, die durch den BGH als missverständlich angesehen wurden, da mit dieser Formulierung der unzutreffende Eindruck erweckt werde, dass der Tag der Aushändigung der Vertragsurkunde bei der Fristberechnung („ab heute“) mitgezählt werde.
Auch die Entscheidungen des BGH vom 13.01.2009 sind hinsichtlich der Formulierungen der Widerrufsbelehrung mit der vorliegend zu beurteilenden Formulierung nicht vergleichbar. Während die, in den zitierten Entscheidungen verwendete Widerrufsbelehrung zum Fristenlauf folgende Formulierung enthielt:
„Der Lauf der Frist beginnt frühestens, wenn Ihnen diese Belehrung über Ihr Widerrufsrecht ausgehändigt worden ist, jedoch nicht bevor Sie die von uns gegengezeichnete Ausfertigung des Darlehensvertrages erhalten haben“
heißt es hier in der den Klägern erteilten Nachbelehrung diesbezüglich lediglich wie folgt:
„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform“.
Fehlt somit aber in der hier vorliegenden Widerrufsbelehrung der Zusatz, dass der Lauf der Frist nicht vor dem Erhalt einer gegengezeichneten Ausfertigung des Darlehensvertrages beginnt, fehlt es zugleich an einem Anknüpfungspunkt für den weiteren Formulierungszusatz „frühestens“. Anders als in den Entscheidungen des BGH vom 13.01.2009 kann damit vorliegend ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsverbot deshalb auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass aus dem Zusammenhang mit dem weiteren Belehrungstext klar werde, dass für den Fristbeginn die Aushändigung der Belehrung maßgeblich sei, der Verbraucher also durch das Wort „frühestens“ nicht über die für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblichen Ereignisse im Unklaren gelassen werde. Gerade dies ist, wie vorstehend ausgeführt, vorliegend nämlich anders, da die hier verwendete Formulierung nicht deutlich zum Ausdruck bringt, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, sondern, wie dargelegt, den – falschen – Eindruck einer auch erst unbestimmt später, im Anschluss an den Erhalt der Widerrufsbelehrung beginnenden Widerrufsfrist erweckt.
Darüber hinaus ist die nachträgliche Widerrufsbelehrung vom 16.12.2003 vorliegend nach Auffassung des Senates aber auch noch aus anderen, nachstehend dargelegten Gründen unwirksam.
So fehlt es in dieser an dem nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB bei schriftlichen Verträgen erforderlichen Hinweis, dass die Frist nicht zu laufen beginnt, „bevor ihnen auch eine Vertragsurkunde, ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages zur Verfügung gestellt worden ist“. Dieser Hinweis war hier nach Auffassung des Senates aber erforderlich, weil § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB vorliegend gemäß Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB anwendbar ist, da die Nachbelehrung erst am 16.12.2003 erfolgt ist.
Außerdem ergibt sich die Fehlerhaftigkeit der Nachbelehrung nach Ansicht des Senates daraus, dass die Kläger mit dieser entgegen § 358 Abs. 5 BGB nicht auf die sich aus § 358 Abs. 1 BGB ergebenen Widerrufsfolgen hingewiesen wurden. Hiernach nämlich ist eine Belehrung darüber erforderlich, dass ein wirksamer Widerruf des Beitrittsvertrages die Bindung an das Darlehen beendet, wie auch umgekehrt, dass der Widerruf des Darlehensvertrages zu einer Beendigung der Bindung an den Beitrittsvertrag führt. Vorliegend jedoch wurden die Kläger nur über letzteres, nicht jedoch über den erstgenannten Fall mit der Nachbelehrung belehrt.
Auch die den Klägern ursprünglich bei Abschluss des Darlehensvertrages vom 13.12.1994 erteilte Widerrufsbelehrung hat eine Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt, da die darin enthaltene Erklärung, dass dann, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen hat, der Widerruf als nicht erfolgt gilt, wenn er das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufes oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt, einen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 HaustürWG unzulässigen und unrichtigen Zusatz enthalten hat (vgl. hierzu z.B. BGH NJW 06, 497 (498); OLG Frankfurt/Main, OLGR Frankfurt 2009, 293 (293/294) jeweils mwN).
Aufgrund der damit insgesamt gegenüber den Klägern fehlenden ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung wurde die Widerrufsfrist vorliegend niemals wirksam in Lauf gesetzt.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die den Klägern am 16.12.2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung wörtlich der unter Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO abgedruckten Musterbelehrung in der im Jahr 2003 geltenden Fassung entsprochen hat.
Ebenso wenig verkennt der Senat, dass § 14 Abs. 1 BGB-InfoV eine Fiktion dahingehend enthält, dass die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches genügt, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird. Dies kann nach Auffassung des Senates aber nicht gelten, wenn die Musterbelehrung, wie auch hier, hinter den Anforderungen des BGB zurückbleibt. Wenn auch einerseits der Vertrauensschutz des die Musterbelehrung Verwendenden, d.h. hier der Beklagten, Berücksichtigung verdient, darf dies nach Auffassung des Senates nicht dazu führen, dass sich dies zu Lasten des Verbrauchers auswirkt, was jedoch der Fall wäre, wenn eine – tatsächlich unzureichende – Widerrufsbelehrung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten als zutreffend fingiert würde. Hierfür spricht nach Auffassung des Senates, dass auch das – umgekehrte - Vertrauen des Verbrauchers darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht durch den Verordnungsgeber herabgesetzt werden können, gleichermaßen schützenswert ist. Der Senat schließt sich insoweit der auch in anderen Teilen der Rechtsprechung und der Literatur (vgl. z.B. OLG Schleswig MDR 2008, 254; LG Koblenz BB 2007, 239; LG Halle BB 2006, 1817 – jeweils zitiert nach juris -; Münchener Kommentar 5. Aufl. Randnote 57 zu § 355 BGB; Staudinger/Kaiser (2004) Randnote 4 zu § 255 BGB; Staudinger/Kaiser (2003) Randnote 3 zu Art. 245 EGBGB) vertretenen Ansicht an, in der zutreffend und überzeugend darauf hingewiesen wird, dass der Verordnungsgeber keine Ermächtigung zur Abänderung der gesetzlichen Vorgaben des BGB als höherrangiges Recht besitzt. Soweit die Musterbelehrung hinter den Anforderungen des BGB zurückbleibt, ist diese deshalb wegen Überschreitens der Ermächtigungsgrundlage und wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig.
Soweit demgegenüber die Beklagte darauf verweist, dass sie auf die Ordnungsgemäßheit der Musterbelehrung haben vertrauen dürfen, ist einerseits darauf hinzuweisen, dass kein Vertrauensschutz auf eine höherrangiges Recht verletzende Norm besteht und sich andererseits, wie bereits ausgeführt, Vertrauensgesichtspunkte der Beklagten nicht zu Lasten der Kläger auswirken dürfen, da nicht diese, sondern allenfalls der Verordnungsgeber bei der Beklagten ein Vertrauen auf die Ordnungsgemäßheit der Musterbelehrung begründet haben. Würde man demgegenüber aber die hinter den Anforderungen des BGB zurückbleibende Widerrufsbelehrung wegen ihrer Übereinstimmung mit der Musterbelehrung als wirksam ansehen, würden zu Lasten der Kläger die Anforderungen an die Widerrufsbelehrung gegenüber den gesetzlichen Vorgaben verkürzt. Von daher können Vertrauensgesichtspunkte nach Auffassung des Senates allenfalls im Rahmen von eventuellen Schadensersatzansprüchen Bedeutung erlangen, welche aber weder gegenüber den Klägern bestehen, noch hier streitgegenständlich sind (so auch Staudinger/Kaiser (2003) Randnote 4 zu § 245 EGBGB).
Nach alledem ist die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis zutreffend und damit die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, da die von dem Senat verneinte Frage eines auch gegenüber dem Verbraucher wirkenden Vertrauensschutzes bei nicht ordnungsgemäßer, aber dem Text der im Zeitpunkt der Belehrung aktuellen Musterbelehrung entsprechender Widerrufsbelehrung von grundsätzlicher Bedeutung ist und eine einheitliche Rechtsprechung hierzu nicht existiert.
XXX XXX zugleich für den urlaubsbedingt an der Unterschrift gehinderten RLG XXX-----------------------------------------------------
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