Text des Beschlusses
2 BvR 482/07;
Verkündet am:
30.04.2008
BVerfG Bundesverfassungsgericht
Vorinstanzen:
A 5 S 722/06
Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Darlegungslast im Berufungszulassungsverfahren für die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 6 VwGO.
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
der Frau M...
- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Karl Joachim Hemeyer in Sozietät Rechtsanwälte Hemeyer, Treimer, Nold, Mühlstraße 14, 72074 Tübingen -
gegen
a) den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. Januar 2007 - A 5 S 722/06 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1. Dezember 2005 - A 9 K 11086/03 - und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Karl Joachim Hemeyer, Tübingen
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Broß, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt
am 30. April 2008 einstimmig
beschlossen:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. Januar 2007 - A 5 S 722/06 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen.
Im Ãœbrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Darlegungslast im Berufungszulassungsverfahren für die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 6 VwGO.
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1. Die 1960 geborene Beschwerdeführerin ist kongolesische Staatsangehörige. Sie reiste im Jahr 2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 11. April 2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ihren Asylantrag ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorlägen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise drohte es die Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo an.
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2. Das Verwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2005 ab: Die Beschwerdeführerin habe nicht nachgewiesen, dass sie nicht aus einem sicheren Drittstaat eingereist sei. Weder habe sie ein asylrechtlich relevantes Vorfluchtschicksal glaubhaft gemacht, noch stünden ihr Nachfluchtgründe zur Seite.
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3. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO). Die mündliche Verhandlung habe am 1. Dezember 2005 stattgefunden. Der Urteilstenor sei nicht binnen vierzehn Tagen der Geschäftsstelle übergeben worden. Das vollständig abgefasste Urteil habe der Geschäftsstelle erst am 23. Mai 2006, also mehr als fünf Monate später vorgelegen. Ergänzend trug die Beschwerdeführerin nach Ablauf der zweiwöchigen Begründungsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG in der bis einschließlich 27. August 2007 gültigen Fassung vom 26. Juni 1992 - BGBl I S. 1126 - (AsylVfG a.F.) vor, aus dem Vermerk der Geschäftsstelle auf dem Urteil und einer Rückfrage bei der Geschäftsstelle habe sich ergeben, dass das Urteil erst am 23. Mai 2006 vollständig abgefasst mit Tenor und Entscheidungsgründen zur Geschäftsstelle gelangt sei. Es bedürfe keiner weiteren Recherchen, wann der Richter in seinem Inneren eine Entscheidung getroffen habe.
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4. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 25. Januar 2007 ab: Für den Fall, dass das Urteil gemäß § 116 Abs. 2 VwGO nicht verkündet, sondern zugestellt werde, sei eine äußerste Grenze erreicht, wenn das Urteil nicht binnen fünf Monaten nach der Niederlegung des Urteilstenors vollständig abgefasst, unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin reiche nicht aus, den geltend gemachten Verfahrensmangel darzulegen. Sie habe nicht ausgeführt, zu welchem Zeitpunkt die Fünfmonatsfrist des § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO in Gang gesetzt worden sei. Dazu hätte sie entweder angeben müssen, zu welchem Zeitpunkt der Urteilstenor der Geschäftsstelle übermittelt, oder, falls dies innerhalb der Zweiwochenfrist des § 116 Abs. 2 VwGO unterblieben sei, zu welchem Zeitpunkt das Urteil beschlossen worden sei. Der Umstand, dass der Einzelrichter den Tenor nicht schriftlich niedergelegt und unterschrieben habe, befreie sie nicht von ihrer Darlegungslast. Im Übrigen habe der Einzelrichter in einer vom Senat in einem Parallelverfahren erbetenen dienstlichen Erklärung ausgeführt, er habe das Urteil seiner Erinnerung nach am 16. Januar 2006 unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub gefällt. Dies verdeutliche, dass es zur Darlegung eines Verfahrensmangels gegebenenfalls der Erkundigung durch den Rechtsmittelführer bedürfe. Soweit die Beschwerdeführerin rüge, der Urteilstenor sei nicht innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle übergeben worden, habe sie einen Verfahrensmangel im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO zwar hinreichend bezeichnet, nicht jedoch innerhalb der zweiwöchigen Frist zur Begründung des Zulassungsantrags dargelegt, zu welchem Zeitpunkt der Einzelrichter das Urteil beschlossen habe. Allein der Vortrag, der Tenor sei nicht fristgerecht der Geschäftsstelle übergeben worden, reiche hierfür nicht. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, das Verwaltungsgericht habe entweder gegen die maßgebliche Fünfmonatsfrist oder aber die Zweiwochenfrist verstoßen, weil das Urteil erst nach mehr als fünf Monaten zur Geschäftsstelle gelangt sei. Ein Verstoß gegen § 116 Abs. 2 VwGO beinhalte nicht stets zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine Fristüberschreitung allein begründe grundsätzlich nicht die Annahme, ein Richter habe sich nicht mehr hinreichend an das Beteiligtenvorbringen erinnern können. Die Beschwerdeführerin hätte darlegen müssen, dass dem Einzelrichter der unmittelbare Eindruck von der mündlichen Verhandlung nicht mehr gegenwärtig gewesen sei. Im Übrigen sei ein Gehörsverstoß wenig wahrscheinlich, da ihr Vorbringen aus der mündlichen Verhandlung im Einzelnen in das Urteil aufgenommen worden sei.
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5. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG geltend: Der vorliegende Fall werfe die grundsätzliche verfassungsrechtliche Frage auf, ob es im Hinblick auf § 116 Abs. 2 und § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO ausschließlich auf den inneren Vorgang bei dem Richter ankommen könne, wenn zwischen mündlicher Verhandlung und Niederlegung des vollständigen Urteils bei der Geschäftsstelle ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten liege und sich weder aus dem Urteil noch aus der Dokumentation der Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstelle ein Entscheidungszeitpunkt ergebe. Sie habe Einzeltatsachen angegeben, aus denen sich der behauptete Verfahrensfehler ergebe. Im Falle der Überschreitung der Fünfmonatsfrist komme es nicht darauf an, ob die Entscheidungsfindung des Richters innerhalb dieser Frist liege. Der Entscheidungszeitpunkt müsse im Urteil oder aktenmäßig niedergelegt und das vollständige Urteil innerhalb von fünf Monaten zugestellt werden. Die Fünfmonatsfrist stelle verfassungsrechtlich zwingend den äußersten Zeitpunkt für die Niederlegung der Entscheidungsformel mit den Entscheidungsgründen dar. Die Auferlegung von Darlegungspflichten, wie sie der Verwaltungsgerichtshof vorgenommen habe, stelle einen Eingriff in den Kernbereich des Rechtsstaatsprinzips, des rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf justizförmiges Verfahren nach Art. 19 Abs. 4 GG dar.
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6. Das Justizministerium Baden-Württemberg hat von einer Stellungnahme abgesehen.
II.
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Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs richtet, nimmt die Kammer sie zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Zulassung der Berufung unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG verweigert.
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1. Der Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) steht der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen (vgl. zu diesem ErfordernisBVerfGE 35, 382 <397 f.>; 53, 30 <53 f.>; 59, 63 <83 f.>; 76, 1 <40> ). Gegen die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung steht der Beschwerdeführerin kein Rechtsmittel offen, das vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde hätte ausgeschöpft werden müssen. Die Einlegung einer Anhörungsrüge nach § 152a VwGO kam vorliegend nicht in Betracht, da diese offensichtlich unzulässig gewesen wäre. Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe die Darlegungsanforderungen im Berufungszulassungsverfahren überspannt, zielt nicht auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auf eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG.
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2. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum effektiven Rechtsschutz bereits mehrfach entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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3. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die Entscheidung verkennt die grundrechtliche Bedeutung des Rechtsschutzbegehrens der Beschwerdeführerin, indem sie unzumutbar hohe Anforderungen an die Darlegungsverpflichtung im Berufungszulassungsverfahren stellt.
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a) Soweit durch die Prozessordnungen Rechtsbehelfe vorgesehen sind, verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl.BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 77, 275 <284>; 84, 366 <369 f.> ). Dies gilt auch, wenn das Prozessrecht - wie hier § 78 Abs. 3 und Abs. 4 AsylVfG - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. November 1994 - 2 BvR 2079/93 -, DVBl 1995, S. 35; BVerfGK 5, 369 <373 f.>). Deshalb dürfen insbesondere die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl. BVerfGK 5, 369 <373> m.w.N.). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl.BVerfGE 78, 88 <99>; 96, 27 <39>; BVerfGK 5, 369 <374> m.w.N.).
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b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. Januar 2007 nicht gerecht. Er stellt unzumutbar hohe Anforderungen an die Darlegungsverpflichtung im Berufungszulassungsverfahren gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG und lässt insoweit ein der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehendes Rechtsmittel leerlaufen, indem er der Auffassung ist, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Vortrag zur Überschreitung der Fünfmonatsfrist des § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO den Berufungszulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 6 VwGO nicht hinreichend dargelegt habe.
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aa) Der Verwaltungsgerichtshof hält der Beschwerdeführerin vor, ihr Vortrag reiche nicht aus, den geltend gemachten Verfahrensmangel - das Nichtvorliegen von Urteilsgründen (§ 138 Nr. 6 VwGO) wegen Überschreitung der Fünfmonatsfrist, deren Einhaltung § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO erfordert - darzulegen. Sie habe nicht ausgeführt, zu welchem Zeitpunkt die Frist von fünf Monaten in Gang gesetzt worden sei. Es habe der Beschwerdeführerin oblegen, zum Nachweis der Fristüberschreitung entweder den Zeitpunkt der Hinterlegung des Tenors auf der Geschäftsstelle oder aber, falls dies verfahrensfehlerhaft innerhalb der Zweiwochenfrist des § 116 Abs. 2 VwGO unterblieben sei, den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Einzelrichter darzulegen. Der Umstand, dass der Einzelrichter den Tenor nicht schriftlich niedergelegt und unterschrieben habe, befreie sie nicht von ihrer Darlegungslast.
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bb) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Beschwerdeführerin das Vorliegen des Zulassungsgrundes nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 6 VwGO hinreichend substantiiert. Sie hat zur Begründung ihres Antrags vorgetragen, dass die mündliche Verhandlung am 1. Dezember 2005 stattgefunden habe, der Tenor jedoch entgegen § 116 Abs. 2 VwGO nicht binnen vierzehn Tagen der Geschäftsstelle übergeben worden sei und das vollständig abgefasste Urteil dieser erst am 23. Mai 2006 vorgelegen habe. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass sie ihre Erkenntnisse aus dem Vermerk der Geschäftsstelle auf dem Urteil gewonnen habe. Eine Rückfrage bei der Geschäftsstelle habe ergeben, dass das Urteil erst am 23. Mai 2006 vollständig abgefasst mit Tenor und Entscheidungsgründen zur Geschäftsstelle gelangt sei. Dem Umstand, dass der ergänzende Vortrag erst nach Ablauf der Begründungsfrist erfolgt ist, kommt vorliegend keine Bedeutung zu. Zwar weist der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf § 116 Abs. 2 VwGO auf den Fristablauf hin, er sieht jedoch davon ab, den Antrag deshalb a limine zu verwerfen, und setzt sich stattdessen inhaltlich und unter Konkretisierung der Zulassungsanforderungen mit dem Vortrag auseinander.
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cc) Der Beschwerdeführerin kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte im Hinblick auf den (nicht in der Gerichtsakte vermerkten) Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Einzelrichter weitere Ermittlungen anstellen müssen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen die Frist des § 116 Abs. 2 VwGO entschieden, dass es nicht genüge, wenn der Kläger lediglich mit Nichtwissen bestreite, dass die Übergabe der unterschriebenen Urteilsformel an die Geschäftsstelle innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 VwGO geschehen sei. Der Kläger müsse vielmehr die Einzeltatsachen angeben, aus denen sich der behauptete Verfahrensfehler ergebe. Soweit es sich dabei um gerichtsinterne Vorgänge handele, müsse er sich um Aufklärung bemühen oder jedenfalls darlegen, dass seine Versuche um Aufklärung der entsprechenden Tatsachen vergeblich gewesen seien (BVerwG, Beschluss vom 9. August 2004 - 7 B 20/04 -, juris, Rn. 13). Soweit der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage dieser Maßstäbe zu der Auffassung gelangt, die Beschwerdeführerin hätte, da eine Niederlegung des Tenors nicht erfolgt sei, darlegen müssen, zu welchem Zeitpunkt der Einzelrichter den Beschluss über den Urteilsausspruch gefasst habe, überspannt er jedoch die Darlegungsanforderungen erheblich und erschwert dadurch die Beschreitung des Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise. Die in keiner Weise nach außen dokumentierte Willensbildung des Einzelrichters kann nicht tauglicher Anknüpfungspunkt für den Lauf der im Rahmen des § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO maßgeblichen Fünfmonatsfrist (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OBG 1/92 -, BVerwGE 92, 367 <372 ff.>) sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat außer Acht gelassen, dass Darlegungs- und Beweislasten nicht in einer Weise zugeordnet werden dürfen, die es den belasteten Verfahrensbeteiligten faktisch unmöglich macht, sie zu erfüllen (vgl.BVerfGE 54, 148 <157 f.>; 59, 128 <160> ; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Oktober 2007 - 2 BvR 1538/06, 2 BvR 1828/06 -, juris, Rn. 21).
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Auch kann das Unterbleiben der in § 117 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz VwGO vorgeschriebenen Übermittlung des Urteilstenors an die Geschäftsstelle nicht dazu führen, dass die Fünfmonatsfrist überhaupt nicht in Lauf gesetzt und auf diese Weise das Eingreifen des absoluten Revisionsgrundes des § 138 Nr. 6 VwGO verhindert wird.
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Andernfalls würde dem in § 116 Abs. 2 und § 117 Abs. 4 VwGO zum Ausdruck kommenden und in dem erwähnten Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes aufgegriffenen Bestreben des Gesetzgebers, durch zwingende und für Richter wie Prozessbeteiligte gleichermaßen deutliche Bestimmungen zu gewährleisten, dass das Urteil auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und dem Beratungsergebnis beruht, nicht Genüge getan werden. Die Auslegung des Begriffs „alsbald“ in § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO mittels Rückgriffs auf die Fünfmonatsfrist des § 552 ZPO in der bis einschließlich 31. Dezember 2001 gültigen Fassung vom 13. Juni 1980 (BGBl I S. 677) dient diesem Zweck ebenso wie die Qualifizierung einer Urteilsschrift, die wegen Überschreitung dieser Frist seine Beurkundungsfunktion nicht mehr erfüllen kann, als nicht mit Gründen versehen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO, was auf entsprechende Rüge dessen Aufhebung zur Folge hat. Die Handhabung des Rechtsmittelrechts muss auf die Effektuierung dieses Anliegens gerichtet sein.
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dd) Im Übrigen ist ein sachlicher Grund dafür, der Beschwerdeführerin die Darlegungslast für die gerichtsinternen Abläufe aufzuerlegen, nicht ersichtlich. Der Umstand, dass der Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Gericht mangels schriftlicher Fixierung nicht mehr nachweisbar ist, hat seine Ursache allein in der Sphäre des Gerichts. Die Möglichkeit, den Nachweis zu führen, zu welchem Zeitpunkt der Einzelrichter nach der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2005 und vor Übergabe des vollständig abgefassten Urteils an die Geschäftsstelle am 23. Mai 2006 die Entscheidung getroffen hat, liegt nicht im Einflussbereich der Beschwerdeführerin. Soweit der Verwaltungsgerichtshof verlangt, dass ein Kläger sich bei gerichtsinternen Vorgängen um Aufklärung bemühen bzw. zumindest darlegen müsse, warum seine Ermittlungen ergebnislos geblieben seien, kann sich dies grundsätzlich nur auf die Einsichtnahme in die Gerichtsakten und die Einholung von Auskünften bei der Geschäftsstelle beziehen. Dem ist die Beschwerdeführerin nachgekommen. Darüber hinausgehende Ermittlungen, namentlich solche, die auf die Erforschung der internen Arbeitsabläufe eines Richters gerichtet sind, sind einer Prozesspartei jedenfalls nicht ohne weiteres innerhalb der hier maßgeblichen Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG a.F. möglich (vgl. zu den Grenzen der Akteneinsicht § 100 Abs. 3 VwGO) und bereits daher auch nicht zumutbar.
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4. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass der Verwaltungsgerichtshof bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, der Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
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5. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG den Beschluss auf und verweist die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück. Darauf, ob die weiteren gerügten Verfassungsverstöße vorliegen, kommt es nicht an.
III.
22
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen; insoweit wird von einer Begründung abgesehen (§ 93a Abs. 2, § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
IV.
23
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
24
Mit der Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren (vgl.BVerfGE 62, 392 <397>; 71, 122 <136 f.>).
Broß Lübbe-Wolff Gerhardt-----------------------------------------------------
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