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Text des Urteils
5 Sa 104/97;
Verkündet am: 
 10.09.1998
LAG Landesarbeitsgericht
 

Erfurt
Vorinstanzen:
5 Ca 554/96
Arbeitsgericht
Suhl;
Rechtskräftig: unbekannt!
Der Arbeitgeber darf zur Beschaffung eines Schuldanerkenntnisses einer der Kassen- und Warenveruntreuung verdächtigten Angestellten diese nicht in eine Zwangssituation bringen, in der die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit ausgeschaltet wird
Leitsatz des Gerichts:
1) Der Arbeitgeber darf zur Beschaffung eines Schuldanerkenntnisses einer der Kassen- und Warenveruntreuung verdächtigten Angestellten diese nicht in eine Zwangssituation bringen, in der die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit ausgeschaltet wird.

2) Bei der Anhörung einer der Kassen- und Warenveruntreuung verdächtigten Angestellten muss der Arbeitgeber rechtsstaatliche Erfordernisse einhalten. Er darf dieser weder die Bewegungsfreiheit beschränken, noch das Recht abschneiden, den Rat einer Person ihres Vertrauens bzw. eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.

3) Wenn für ein Schuldanerkenntnis die Berechnung des von der Angestellten verursachten Schadens nur im Wege einer Hochrechnung erfolgen kann, muss sichergestellt sein, dass die Hochrechnung frei von Denk- und Rechenfehlern ist und auf hinreichend abgesicherter Grundlage beruht.

4) Der Arbeitgeber darf die Gelegenheit der Aufdeckung einer Kassen- und Warenveruntreuung einer Angestellten nicht dazu nutzen, durch ein von dieser unterzeichnetes Schuldanerkenntnis auch solche Inventurdifferenzen auszugleichen, für die andere Ursachen, als die aufgedeckten strafbaren Handlungen wahrscheinlich sind.
Entscheidungstenor


Das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 28.10.1996 - 5 Ca 554/96 - wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagten weder ein Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis vom 07.11.1995 noch aus dem Schuldanerkenntnis vom 08.11.1995 zusteht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.


Tatbestand


Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit zweier Schuldanerkenntnisse.

Die am 09.07.1976 geborene Klägerin stand seit dem 01.08.1993 in einem Ausbildungsverhältnis mit der Firma R. GmbH & Co KG. Mit Wirkung vom 01.10.1993 wurde dieses Ausbildungsverhältnis mit der R. G. OHG fortgesetzt.

Zumindest ab dem 20.12.1993 wurde die Klägerin auch als Kassiererin beschäftigt.

Am 14.09.1994 erfolgte ein Standortwechsel der R. G. OHG. Vorher - im alten Markt - betrug der Jahresumsatz 18 Mio DM, nachher - im neuen Markt - betrug er 4 Mio DM.

Bereits ab dem Jahr 1993 lagen bei der R. G. OHG Inventurdifferenzen vor, die eine laufende Kontrolle durch die zuständige Revisorin der R.-Gruppe erforderlich machten. Bereits im alten Markt wurden zum 01.10.1993 Inventurdifferenzen von 280.000,00 DM festgestellt. Im Dezember 1994 wurden Inventurdifferenzen von 50.000,00 DM festgestellt, im April 1995 wiederum 80.000,00 DM, 2 Wochen später weitere 50.000,00 DM und 4 Wochen später weitere 13.000,00 DM. Die Überprüfung durch die Revisorin ergab bereits kurz nach der Eröffnung des neuen Marktes das Vorhandensein von Sicherheitsmängeln, wie z.B. nicht abgeschlossene Türen. Da die Inventurdifferenzen auch nach der Anordnung der Revisorin die von ihr entdeckten Sicherheitsmängel abzustellen, weiterhin aufgetreten sind, empfahl diese eine Videoüberwachung des Kassenbereichs. Diese wurde vom 12. Bis 19.10.1995 durchgeführt und ergab bzgl. 4 Mitarbeiterinnen, u.a. der Klägerin den Verdacht unerlaubter Waren- bzw. Geldentnahmen zu Lasten des Marktes. Auf Grund dieses Verdachtes wurde seitens der Marktleitung (Zeugen H. und G.) und der Revisorin der R.-Unternehmensgruppe (der Zeugin W.) mit den betroffenen Mitarbeiterinnen am 07.11.1995 ein Gespräch geführt. Im Rahmen dieses Gespräches wurden die betroffenen Mitarbeiterinnen mit dem aus den Videoaufnahmen folgenden Verdacht konfrontiert. Der weitere Ablauf dieser Gespräche ist zwischen den Parteien streitig. Alle 4 genannten Mitarbeiterinnen, darunter die Klägerin, verfassten im Ergebnis dieser Gespräche handschriftliche Stellungnahmen, in denen sie einräumten, aus dem Markt unberechtigt Ware und Geld in einer bestimmten Höhe entnommen zu haben und unterzeichneten von der Marktleitung vorbereitete Schuldanerkenntnisse, in welche die in den Stellungnahmen angegebenen Summen - bei der Klägerin eine Schuldsumme von 80.000,00 DM - eingetragen wurden. Zwei der Schuldanerkenntnisse wurden noch am 07.11.1995, die beiden anderen - u. a. das der Klägerin - wurden am 08.11.1995 noch einmal in Form einer notariellen Urkunde mit Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel errichtet.

Wegen des Inhalts der von der Klägerin abgegebenen Stellungnahme, der notariellen Schuldanerkenntnisse des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die mit dem Antrag geführte Klage, die Rechtsunwirksamkeit der Schuldanerkenntnisse der Klägerin vom 07.11.1995 und vom 08.11.1995 festzustellen, abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des der Klägerin am 20.01.1997 zugestellten erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 18.02.1997 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung, die sie am 05.04.1997 begründet hat, nachdem auf den am 10.03.1997 eingegangenen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist diese bis zum 05.04.1997 verlängert wurde.

Die Klägerin macht geltend, die streitgegenständlichen Schuldanerkenntnisse seien auf Grund einer von ihr erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und Drohung, jedenfalls aber wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Nichtigkeit folge zudem aus § 5 Abs. 2 Ziff. 4 Berufbildungsgesetz.

Die Klägerin behauptet, sie habe weder Waren noch Geld entwendet, sie sei auf Grund eines ihre freie Willensbestimmung einschränkenden mehrstündigen Verhörs von den Zeugen W., H. und G. zur Abgabe der beiden Schuldanerkenntnisse gezwungen worden. Für den Fall der Unterzeichnung sei ihr die Weiterbeschäftigung in einem anderen R. Markt in Aussicht gestellt worden. Für den Fall der Nichtunterzeichnung sei ihr mit Strafanzeige und damit gedroht worden, an die Öffentlichkeit zu gehen und ihre Familie im Ort unmöglich zu machen. Die von ihr als Schuldeingeständnis abverlangte Stellungnahme sei ihr diktiert worden. Ein Nachvollziehen des ihr zur Last gelegten Schadens von 80.000,00 DM sei ihr nicht möglich gewesen. Eine Möglichkeit bzgl. der Schadenshöhe mitzureden, habe es nicht gegeben. In den 3 Stunden, in denen sie im Büro des Marktleiters festgehalten worden sei, habe sie nicht auf die Toilette gehen dürfen. Eine Möglichkeit zum Überdenken sei ihr nicht gewährt worden. Bis zur notariellen Beurkundung des Schuldanerkenntnisses am folgenden Tag sei ihr verboten worden, mit jemanden darüber zu reden. Für den Fall der Missachtung dieses Verbots sei ihr mit der Einschaltung der Polizei und für den Fall des Nichterscheinens zum Notartermin oder den Fall, dass sie den Mund aufmache, mit der Abholung durch die Polizei gedroht worden. Im Wartezimmer des Notars sei ihr von den Zeugen W. und G. gesagt worden, dass ihre Papiere erst nach der Unterschriftsleistung ausgehändigt würden. Als die Notarin sie gefragt habe, ob sie sich alles gut überlegt habe, hätten die Zeugen W. und G. aus dem Hintergrund geäußert, sie solle sich gut überlegen, was sie tue, ansonsten würde die Polizei eingeschaltet. Die Arbeitskollegin H. habe unter denselben Zustandekommensbedingungen ein Schuldanerkenntnis abgegeben.

Die Klägerin hat keinen förmlichen Berufungsantrag gestellt. Im letzten Satz ihrer Berufungsschrift hat sie ausgeführt: "Nach alledem ist die Klage begründet und das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl ist aufzuheben".

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin sei weder bei dem Gespräch am 07.11.1995 noch am 08.11.1995 bei der Notarin in ihrer Entschließungsfreiheit beeinträchtigt gewesen oder von den Zeugen W., G. und H. in eine ausweglose Lage manövriert worden. Die Androhung einer Strafanzeige sei rechtens. Andere Drohungen oder Versprechungen seien nicht erfolgt. Die Schuldsumme von 80.000,00 sei in der Stellungnahme vom 07.11.1995 und in den darauf beruhenden Schuldanerkenntnissen nach den Angaben der Klägerin auf der Grundlage einer von ihr freiwillig eingeräumten wöchentlichen Geldentwendung von 200,00 DM und einer wöchentlichen Warenentwendung von 700,84 DM im Wege einer Schadenshochrechnung ermittelt worden. Insbesondere die von der Videokamera am 13.10. und 18.10.1995 aufgenommenen Bilder, nämlich die Übergabe eines in Folie eingeschweißten Schirms an einen Dritten, ohne dafür Geld zu kassieren und das Einstecken von einem Kunden erhaltenen Geldes in ihre Schürzentasche belege den Verdacht strafbarer Handlungen.

In der Berufungsverhandlung ist unstreitig gewesen, dass die Inventurdifferenzen vom Oktober 1993 und Dezember 1994 nicht durch Diebstahlhandlungen von Angestellten des Marktes verursacht worden sind und dass bei den von der Beklagten als Beleg für strafbare Handlungen der Klägerin angeführten Videobildern nicht erkennbar ist, ob es sich bei den jeweiligen Kontaktpersonen der Klägerin um Kunden gehandelt hat. Darüber hinaus hat der zuständige Bezirksleiter der R.-Gruppe erklärt, dass es schon Wochen vor dem 07.11.1995 seitens der R.-Gruppe Zweifel an der ordnungsgemäßen Betriebsführung des R.-G. Marktes und Anhaltspunkte dafür gegeben hat, dass die Marktleitung des R.-G. Marktes die Richtlinien des Partnerschaftsvertrages wie Kassenordnung und ordnungsgemäße Führung der 20 - 25 Punkte umfassenden täglich zu kontrollierenden Kontrollliste nicht eingehalten hat und dass infolge dessen der mit der R.-Gruppe bestehende Partnerschaftsvertrag der des R.-G. GmbH am 22.11.1995 einvernehmlich aufgelöst und die Firma liquidiert wurde.

Wegen des weiteren Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A., W., H., G. und H. sowie durch Augenscheinnahme eines Videos.

Entscheidungsgründe


Die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig. Zwar hat die Klägerin innerhalb der auf den 05.04.1997 verlängerten Berufungsbegründungsfrist keinen förmlichen Berufungsantrag gestellt, der Bestimmung des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO genügt es jedoch, wenn sich aus der Berufungsbegründung mit hinreichender Klarheit ergibt, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Im letzten Satz ihrer am 05.04.1997 per Telefax eingegangen Berufungsbegründungsschrift, bei der die Seite 2 mit den Berufungsanträgen gefehlt. hat, hat sie ausgeführt: "Nach alledem ist die Klage begründet und das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl ist aufzuheben". Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel so gestellt werden will, als hätte sie mit den erst-instanzlich gestellten Anträgen, die Rechtsunwirksamkeit der Schuldanerkenntnisse vom 07.11.1995 und 08.11.1995 festzustellen, obsiegt.

Die Berufung ist auch begründet.

Die Klage ist als Feststellungsklage (§ 256 ZPO) zulässig. Ihr fehlt auch nicht das Rechtsschutzinteresse, weil die Klägerin Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) erheben konnte (offengelassen in BAG, Urteil vom 24.05.1989, 8 AZR 748/87). Letzteres betrifft allerdings nur die von der Klägerin gegen das notarielle Schuldanerkenntnis vom 08.11.1995 geltend gemachten Einwendungen. Denn nur dieses ist auf Grund der darin enthaltenen Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel ein Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, auf den § 767 ZPO, allerdings mit Ausnahme dessen Absatz 2, Anwendung findet. Bezüglich des im Schuldanerkenntnis vom 07.11.1995 festgeschriebenen Rechtsverhältnisses hat die Klägerin ohnehin ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung seiner Rechtsunwirksamkeit, denn sie muss im Falle der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des notariellen Schuldanerkenntnisses damit rechnen, dass ihr auch aus diesem Schuldanerkenntnis rechtliche und wirtschaftliche Nachteile im Falle einer darauf gestützten Klage der Beklagten entstehen. Aber auch bezüglich des notariellen Schuldanerkenntnisses vom 08.11.1995 fehlt einer Klage nach § 256 ZPO nicht das notwendige Rechtsschutzinteresse. Dies wäre nur dann der Fall, wenn insoweit eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit bestehen würde. So fehlt das Rechtsschutzinteresse in der Regel immer dann, wenn auch auf Leistung geklagt werden könnte. Die im Streitfall einzig bestehende Möglichkeit der Klägerin, bezüglich des notariellen Schuldanerkenntnisses vom 08.11.1995 eine Vollstreckungsgegenklage zu erheben, begründet aber keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit. Die Vollstreckungsgegenklage würde nämlich lediglich die Vollstreckbarkeit des notariellen Schuldanerkenntnisses beseitigen und dessen Rechtswirkungen im Übrigen unberührt lassen. Die Klägerin müsste dann auch im Hinblick auf dieses Schuldanerkenntnis die bereits mit dem Schuldanerkenntnis vom 07.11.1995 verbundenen Rechtsfolgen, nämlich eine Inanspruchnahme durch Klage befürchten. Dabei spielt es an dieser Stelle keine Rolle, ob es sich bei den beiden Schuldanerkenntnissen um sogenannte deklaratorische oder konstitutive Schuldanerkenntnisse gehandelt hat. In beiden Fällen wäre die Rechtsposition der Klägerin gegenüber der Beklagten durch die rechtsgültige Anerkennung eines von ihr verursachten Schadens in Höhe von 80.000,00 DM erheblich schlechter, als wenn die Beklagte den von der Klägerin angeblich verursachten Schaden voll nachweisen müsste. Die vorliegende Feststellungsklage ist geeignet, die zwischen den Parteien bestehende Rechtsunsicherheit über diese Frage und damit die Wirksamkeit der mit der Klage angegriffenen beiden Schuldanerkenntnisse zu beheben. Sie dient damit der Rechtssicherheit und der Prozessökonomie. Anwendungsbereich und Zulässigkeit einer Feststellungsklage sind durch diese Aufgabenstellung bestimmt (Zöller-Greger, 19.Aufl., § 256 ZPO Rnr. 1).

Die Klage ist begründet, denn die beiden streitgegenständlichen Schuldanerkenntnisse sind nichtig.

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ergibt sich die Nichtigkeit der beiden Schuldanerkenntnisse allerdings nicht aus § 5 Abs. 2 Ziff. 4 Berufsbildungsgesetz oder aus §§ 142 Abs. 1, 123 BGB.

Die vorliegenden Schuldanerkenntnisse, die der vereinfachten Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen der Beklagten dienen, sind vom Schutzbereich des § 5 Abs. 2 Ziff. 4 Berufsbildungsgesetz nicht erfasst. Die Vorschrift schützt die berufliche Entschließungsfreiheit der Auszubildenden. Sie schützt diese aber nicht vor rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Wiedergutmachung von Schäden, die der Auszubildende dem Arbeitgeber durch strafbare Handlungen zugefügt hat.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung scheidet aus, weil die von der Klägerin behaupteten Anfechtungsgründe entweder nicht vorliegen oder nicht bewiesen sind. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass der Klägerin für den Fall der Unterzeichnung der Schuldanerkenntnisse eine Weiterbeschäftigung in der R.-Gruppe oder einem anderen Verkaufsmarkt zugesagt wurde und sie auf Grund einer solchen in Täuschungsabsicht abgegebenen, später nicht eingehaltenen Zusage zur Unterzeichnung der Anerkenntnisse bestimmt worden ist. Sie ist auch nicht widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe der Anerkenntnisse bestimmt worden. Die Drohung mit einer Strafanzeige ist rechtmäßig, wenn sie nur dazu dient, den Täter zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen und ein innerer Zusammenhang zwischen der Straftat und dem Schaden besteht (so ausdrücklich für den Fall eines Schuldanerkenntnisses BAG, Urteil vom 03.05.1963 1 AZR 136/62, MK-Kramer 3. Aufl., Bd. 1 § 123 BGB Rnr. 36 m. w. N.). Träfe die Behauptung der Klägerin zu, für den Fall der Nichtunterzeichnung sei ihr damit gedroht worden, an die Öffentlichkeit zu gehen und ihre Familie im Ort unmöglich zu machen, würde das als widerrechtliche Drohung zu bewerten sein, denn dies hätte nur das Ziel, den Ruf der Familie der Klägerin zu schädigen. Die Beweisaufnahme hat das Vorliegen dieser Tatsachenbehauptungen allerdings nicht ergeben. Die Zeugin H. hat insoweit zwar ausgesagt, dass das Stichwort "Familie" in dem mit der Klägerin geführten Gespräch gefallen ist, aber nur in dem Zusammenhang, dass es für die Familie blamabel wäre, wenn von den Vorfällen etwas nach außen dringen würde. Es kann dahinstehen, ob die Zeugin H. insoweit die Wahrheit gesagt hat, denn auch die anderen Zeugenaussagen ergeben keine Anhaltspunkte dafür, dass insoweit eine Drohung erfolgte und die erforderliche Überzeugungsbildung für das Gericht für den entsprechenden Einwand der Klägerin nicht möglich ist.

Die beiden Schuldanerkenntnisse sind aber nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Der Begriff der guten Sitten wird durch die herrschende Rechts- und Sozialmoral, die der Rechtsordnung zugrundeliegenden Werte und Prinzipien bestimmt. Sittenwidrig sind daher solche Rechtsgeschäfte, die grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung, z.B. das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem verletzen. Ist das Rechtsgeschäft nicht bereits seinem objektiven Inhalt nach sittenwidrig, sondern ergibt sich die Sittenwidrigkeit aus seinem Gesamtcharakter, insbesondere auch aus seinem Beweggrund und den Umständen seines Zustandekommens, dann muss ein persönliches Verhalten hinzukommen, welches den Beteiligten zum Vorwurf gemacht werden kann. Für ein sittenwidriges Verhalten gegenüber einem Geschäftspartner ist es zumindest erforderlich, dass der Handelnde die Umstände kennt oder kennen muss, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt (Palandt-Heinrichs, 54. Aufl. § 138 BGB Rnr. 2 ff. m. w. N.).

Der Arbeitgeber hat in dem Fall, in dem er durch gegen sein Vermögen gerichtete Straftaten eines seiner Arbeitnehmer geschädigt wird, zwar grundsätzlich das Recht, sich die Wiedergutmachung des Schadens durch Beschaffung eines Schuldanerkenntnisses zu erleichtern. Er darf hierzu aber nicht jedes Mittel einsetzen. Insbesondere darf er den betroffenen Arbeitnehmer nicht in eine Zwangssituation bringen, in der dessen wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit ausgeschaltet wird. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit auch die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen gehört zu dem Bestand der Grundprinzipien der Rechtsordnung. Dies folgt schon aus der verfassungsrechtlichen Verankerung dieses Rechts. Die Autonomie jedes Einzelnen, auch zu seinem Nachteil Verträge zu schließen, beruht auf dieser Prämisse. Hat der Arbeitgeber durch sein Verhalten die von der Verfassung für die Vertragsautonomie vorausgesetzte Geschäftsgrundlage beseitigt und ist ein von ihm angestrebtes Rechtsgeschäft dem Arbeitnehmer aufgezwungen worden, dann ist dies mit der herrschenden Rechtsmoral nicht zu vereinbaren und deshalb ungültig. Bei der Anhörung des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber rechtsstaatliche Erfordernisse beachten. Er darf weder die Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers beschränken noch ihm das Recht abschneiden, eine Person seines Vertrauens, z. B. einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Wenn für ein Schuldanerkenntnis die Berechnung des vom Arbeitnehmer verursachten Schadens mangels Berechenbarkeit der genauen Höhe im Wege einer Hochrechnung erfolgt, muss sichergestellt sein, dass die Hochrechnung frei von Denk- und Berechnungsfehlern ist und auf hinreichend abgesicherter Grundlage beruht. Keinesfalls darf der Arbeitgeber die Gelegenheit der Aufdeckung von Diebstahlshandlungen durch einen Mitarbeiter dazu nutzen, durch ein von diesem unterzeichnetes Schuldanerkenntnis auch solche Inventurdifferenzen auszugleichen, für die andere Ursachen als die von dem betroffenen Arbeitnehmer eingeräumte Schädigung in Betracht kommen oder sogar wahrscheinlich sind.

Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, hat die Beklagte bei der Erlangung der streitgegenständlichen Schuldanerkenntnisse gegen diese Rechtsprinzipien verstoßen.

Die Beklagte hat nach Überzeugung des Gerichts die Klägerin am 7.11.1998 unter dem Vorwand einer Kassenschulung in das Marktleiterzimmer gebeten, ab ca. 16.00 Uhr dort 3 bis 4 Stunden in einer kreuzverhörähnlichen Situation festgehalten, sie solange in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt, von Außenkontakten isoliert und nicht eher nach Hause gehen lassen, bis ein Schuldeingeständnis und ein Schuldanerkenntnis über 80.000,00DM unterzeichnet war, das der Höhe nach nicht auf den Angaben der Klägerin, sondern den Zielvorgaben der Beklagten beruhte und selbst von dem von der Beklagten behaupteten rechnerischen Umfang der Diebstahlshandlungen der Klägerin der Höhe nach nicht gedeckt ist. In der Zeit bis zum Notartermin am 08.11.1995, an dem das Schuldanerkenntnis nochmals notariell erstellt wurde, durfte die damals 19-jährige Klägerin unter dem Druck der Beklagten mit niemanden über die Sache reden. Die Beklagte hat daher für die Klägerin Bedingungen geschaffen, in denen ihre Entschließungs- und Überlegungsfreiheit auf Null reduziert war. Diese Bedingungen hat die Beklagte nach Überzeugung des Gerichts auch gezielt und gerade deshalb geschaffen, um eine willensbeschränkende Drucksituation zu erzeugen. Schließlich steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass mit den in den beiden streitgegenständlichen Schuldanerkenntnissen angegebenen Schuldbeträgen von Seiten der Marktleitung der R.-G. OHG nicht nur der von der Klägerin voraussichtlich verursachte Schaden, sondern auch der Teil der Inventurdifferenzen mit abgedeckt worden ist, der durch die schlampige Geschäftsführung der Marktleitung entstanden war und zwar aus dem Grund, die persönliche Verlustbeteiligung des Zeugen G. zu verringern.

All dies steht fest auf Grund der Aussagen der Zeugen W., H., G. und H. und den Einlassungen der Klägerin in der Berufungsverhandlung. Die Zeugin H. war zwar nicht anwesend bei der Vernehmung der Klägerin durch die Zeugen W., H. und G.. Sie wurde aber ebenfalls wegen Diebstahlverdacht am gleichen Tage wie die Klägerin von den Zeugen W., H. und G. vernommen. Auch sie wurde unter dem Vorwand einer Kassenschulung in das Marktleiterzimmer gerufen und zunächst über den ordnungsgemäßen Ablauf der Kassentätigkeit befragt, auch sie musste eine Stellungnahme und ein Schuldanerkenntnis unterschreiben, welches in diesem Fall am gleichen Tage nochmals notariell errichtet wurde. Die Kammer ist deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass auch der sonstige Ablauf der Vernehmung der Zeugin H. nach einem einheitlichen Verhaltensmuster der Zeugen W., H. und G. erfolgt und mit dem Ablauf im Falle der Klägerin identisch ist. Für die Einheitlichkeit des Ablaufs der Vernehmung in den fraglichen Fällen spricht im Übrigen auch die Aussage der Zeugin W., dass es eine Weisung der Revisionsabteilung der R.-Gruppe gibt, in derartigen Fällen nach Möglichkeit noch am selben Tag eine notarielle Beurkundung der Schuldanerkenntnisse durchzuführen.

Die Zeugin G, hat angeben, ca. 4 Stunden lang verhört worden zu sein. Dabei sei ihr die Vorlage von Beweismitteln verwehrt worden. Ein Telefongespräch mit einem Bekannten oder Rechtsanwalt sei nicht zugelassen worden. Ihr sei der Personalausweis abgenommen und mitgeteilt worden, dass sie die Unterlagen für das Arbeitsamt erst nach den Unterschriftsleistungen bekomme. Nach dem vierstündigen Verhör sei sie so fix und fertig gewesen, dass sie keinen klaren Gedanken mehr habe fassen können. Zwischendurch habe sie eine Beruhigungstablette nehmen müssen und der Zeuge G. habe ihr Schnaps angeboten. Bei der Berechnung des im Schuldanerkenntnis ausgewiesenen Betrages von 20.000,00 DM sei sie nicht beteiligt gewesen, der Zeuge G. habe zunächst 17.000,00 DM ausgerechnet, die Zeugin W. habe daraufhin auf 20.000,00 DM aufgerundet. Das Gericht hat keinen Anlass, den Wahrheitsgehalt der Angaben der Zeugin H. anzuzweifeln. Ihre Aussage ist frei von Widersprüchen. Sie hat eigene Verfehlungen ohne Wenn und Aber eingeräumt. Auch der Zeuge G. hat bestätigt, der Zeugin H. den Personalausweis abgenommen und ihr Schnaps angeboten zu haben, weil sie ihm nach der Befragung durch die Zeugin W. so käsig erschienen sei. Wenn die Zeugen W., H. und G. ansonsten betont haben, bei ihren Vernehmungen am 07.11.1995 keinen unzulässigen Druck ausgeübt zu haben, so glaubt dies das Gericht nicht. Im Fall der Zeugin H. stehen dem schon die vom Zeugen G. selbst eingeräumten eben angegebenen Umstände entgegen. Im Fall der Klägerin stehen dem die Rückschlüsse auf die Sachbehandlung des Falles der Klägerin zulassende Aussage der Zeugin H. und die Aussage der Zeugin H. entgegen, nach Anweisung durch die Zeugin W. die Klägerin auch nicht in einer der Befragungspausen im Aufenthaltsraum alleine zu lassen. Dem steht aber auch entgegen, dass die Zeugin W., wie sich aus der Aussage der Zeugin H. ebenfalls ergibt, die schuldeingestehende Stellungnahme der Klägerin zu einem weit überwiegenden Teil diktiert hat. Anders ist die Aussage der Zeugin H., die Klägerin habe auch ein paar Sätze selbst geschrieben, nicht erklärlich. Auch der aus den Aussagen der Zeugen A. und H. folgende Umstand, dass seitens der Beklagtenvertreter der Notartermin für das Schuldanerkenntnis der Klägerin schon am 07.11.1995 vor 18.00 Uhr vereinbart wurde, spricht im Fall der Klägerin eher für das Vorliegen einer von den Zeugen W., G. und H. verursachten, die freie Willensentfaltung der Klägerin beeinträchtigenden Zwangssituation. Der Termin wurde schon weit vor Abschluss des Verhörs vereinbart. Die Zeugen W., G. und H. mussten deshalb - und auf Grund der Vorgabe der bereits angeführten Richtlinie der Revisionsabteilung - sicherstellen, dass er eingehalten wird. Wie er selbst und die Zeugin W. eingeräumt haben, hat der Zeuge G. am Morgen des 08.11.1995 der Notarin, der Zeugin A., eine Flasche Sekt und einer Packung Mon Cherie mitgebracht. Die Notarin hat die Annahme dieses Geschenks zwar abgelehnt, gleichwohl stellt ein solches Verhalten des Zeugen G. nichts anderes als den Versuch dar, die beurkundende Notarin für das vom Zeugen G. verfolgte Beurkundungsanliegen gewogen zu machen. Nachdem der Zeuge G. offenbar auch vor strafrechtlich relevantem Verhalten zur Sicherstellung der Beurkundung der streitgegenständlichen Schuldanerkenntnisse nicht zurückgeschreckt hat, glaubt das Gericht auch der Behauptung der Klägerin, dass ihr unter Androhung von Nachteilen verboten wurde, bis zum Abschluss des Notartermins am nächsten Tag mit irgend jemandem über die Sache zu reden.

Darüber hinaus ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen H., W., G. und H. für das Gericht zweifelsfrei, dass die den beiden Schuldanerkenntnissen zugrundeliegende Schadensberechnung nicht auf den Angaben der Klägerin, sondern auf undurchsichtigen Berechnungen der Beklagten beruht, deren vom Gericht einzig noch nachvollziehbares Ziel darin bestanden hat, auf 4 unter Verdacht geratene Mitarbeiter alle 1995 in dem fraglichen Lebensmittelmarkt angefallenen Inventurdifferenzen abzuwälzen, obwohl ganz offensichtlich auch andere Ursachen als die den betroffenen Arbeitnehmern zur Last gelegte Schädigungen in Betracht kommen oder sogar wahrscheinlich sind.

Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen W., G. und H. sind die schon 1993 und 1994 aufgetretenen Inventurdifferenzen in Höhe von insgesamt 330.000,00 DM nicht der Klägerin anzulasten. Nach Aussage der Zeugin W. hatten die Zeugen G. und H. mit ihrem R.-Markt bereits ab 1993 eine sogenannte A-Markt Einstufung, die eine laufende Kontrolle des Marktes durch sie erforderlich machte, wobei von ihr schon im Dezember 1994 erhebliche Sicherheitsmängel, wie nicht abgeschlossene Türen, festgestellt worden sind. Die Zeugin H. hat ausgesagt, dass im Kassenbereich die Sicherheitsvorschriften der R.-Gruppe nur dann eingehalten wurden, wenn die Zeugin W. den Markt besucht hat, eine vorschriftsmäßige Wareneingangskontrolle hätte auf Anweisung des Zeugen G. nie stattgefunden, es seien noch nicht einmal die Zahl der Paletten auf Vollständigkeit überprüft worden, im Marktleiterbüro habe das Geld oben auf dem Tisch gelegen, die Zeugin H. habe die Tageseinnahmen am Wochenende mit nach Hause genommen, in dem Markt sei auf Anweisung der Marktleitung gegen die Kassenordnung und jede Regel der Kunst verstoßen worden. Der Zeuge G. hat die Aussage der Zeugin H. bezüglich der fehlenden Wareneingangskontrolle bestätigt, die Zeugin H. die Missachtung der Kassenrichtlinien insoweit, als an bestimmten Tagen an einer Kasse hintereinander mehrere Mitarbeiterinnen eingesetzt wurden, ohne dass mit dem Wechsel eine Kassenabschlussrechnung erfolgt ist. Der Zeuge G. hat darüber hinaus erklärt, dass es für ihn unvorstellbar sei, dass die im April/Mai entstandene Inventurdifferenz in Höhe von 130.000,00 über die Kasse entstanden sind. Die Zeugin W. hat sich ähnlich geäußert. Der Bezirksleiter H. der Beklagten hat in der Berufungsverhandlung angegeben, dass es schon Wochen vor dem 07.11.1995 Zweifel an der ordnungsgemäßen Betriebsführung des R.-G. Marktes und Anhaltspunkte dafür gegeben hat, dass die Marktleitung des R.-G. Marktes die Richtlinien des Partnerschaftsvertrages wie Kassenordnung und ordnungsgemäße Führung der 20 - 25 Punkte umfassenden täglich zu kontrollierenden Kontrollliste nicht eingehalten hat und dass infolge dessen der mit der R.-Gruppe bestehende Partnerschaftsvertrag der des R.-G. GmbH am 22.11.1995 einvernehmlich aufgelöst und die Firma liquidiert wurde. Trotz dieser ganz massiven Anhaltspunkte dafür, dass auch die 1995 aufgelaufenen Inventurdifferenzen in Höhe von insgesamt 143.000,00 DM noch auf andere Ursachen als Straftaten von Mitarbeiterinnen zurückzuführen waren, hat die Marktleitung nach dem durch die Videoüberwachung auf 4 Mitarbeiterinnen gefallenen Verdacht keine weitergehende Ursachenforschung bezüglich der Schäden betrieben und versucht, diese mittels Abforderung von Schuldanerkenntnissen komplett auf die betreffenden Mitarbeiterinnen abzuwälzen. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass die Gesamtsumme der in den Schuldanerkenntnissen angegebenen Beträge die den Mitarbeitern zur Last gelegten Inventurdifferenzen um 7.000,00 DM übersteigt. Nach Aussage der Zeugin A. betrug die von den 4 Mitarbeiterinnen anerkannte Gesamtsumme nämlich 150.000,00 DM.

Das Gericht glaubt auch der Klägerin, dass der von ihr anerkannte Schadensbetrag in Höhe von 80.000,00 DM nicht mit ihr, sondern von den Zeugen W. und G. selbst ausgerechnet worden ist. Dafür spricht zunächst die den Fall H. betreffende, dementsprechende Aussage der Zeugin H. zur Schadensermittlung aus der, wie bereits ausgeführt, Rückschlüsse auf das Verhalten der Zeugen W. und G. im Fall der Klägerin gezogen werden können. Dafür sprechen aber auch die zum Beklagtenvortrag und untereinander völlig im Widerspruch stehenden Aussagen der Zeugen W., G. und H.. Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe in der Woche 200,00 DM an Geld und 700,84 DM an Ware entwendet, aus der Hochrechnung dieser Beträge auf die Dauer der Beschäftigung ergebe sich eine Summe von 80.000,00 DM, ist schon mit dem Wortlaut der von der Klägerin abverlangten Stellungnahme nicht erklärlich. Denn ausweislich dieser Stellungnahme betrafen die oben angegebenen Beträge nur die Tätigkeit der Klägerin in dem alten Markt bis zum 14.09.1994. Für den neuen Markt fehlt eine entsprechende Angabe. Die Zeugin W. hat ausgesagt, bei den Beträgen von 200,00 DM Geld und 700,84 DM Ware habe es sich um die Gesamtsumme der im alten Markt veruntreuten Werte gehandelt. Im neuen Markt habe die Klägerin nach ihrer Erinnerung täglich 180,00 DM Ware und Geld entwendet. Die 180,00 DM habe der Zeuge G. ausgerechnet. Diese Zahl sei maßgeblich für die Berechnung der Schadenssumme von 80.000,00 DM gewesen. Dabei sei nach ihrer Erinnerung ein Zeitraum von eineinhalb Jahren zugrundegelegt worden. Nach entsprechendem Vorhalt, dass die Berechnung der Schadenssumme auf der Basis von 180 DM/Tag und eineinhalb Jahren als Berechnungsgrundlage keine 80.000,00 DM, sondern sich nur ein Schaden von 48.000,00 DM zuzüglich der im alten Markt entstandenen 200,00 DM Geld und 700,84 DM Waren ergeben könnte, erklärte die Zeugin, dies sei korrekt, sie habe die 80.000,00 DM auf der Basis der Angaben von Frau H. und Herrn G. errechnet und sich darauf verlassen. Auf der Basis der Angaben der Zeugin W. wäre der von der Klägerin verursachte Gesamtschadensbetrag allerdings deshalb noch erheblich niedriger als 48.000,00 DM ausgefallen, weil die Beschäftigungszeit der Klägerin im neuen Markt bis zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses nur 14 Monate und nicht 18 Monate betragen hat. Nach der Version der Zeugin W. läge also auch selbst bei einem Betrag von 48.000,00 DM noch eine mehr als 20%ige Überhöhung des Schadens vor. Der Zeuge G. hingegen hat bekundet, dass die Schadensberechnung auf der Grundlage von 200,00 DM Geld und 700,84 DM Ware über die Dauer der gesamten Beschäftigungszeit der Klägerin ermittelt worden sei. In der Beweisaufnahme hat sich aber nach Vorlage des Ausbildungsbuches ergeben, dass die Klägerin erst ab Dezember 1993 und in den unmittelbar darauf folgenden Monaten auch nicht regelmäßig täglich an der Kasse gearbeitet hat. Der Zeuge G. hat desweiteren ausgesagt, die notariellen Schuldanerkenntnisse seien für ihn eine Möglichkeit gewesen, einen Anteil der von seinem Geschäftsanteil zu vertretenden Inventurdifferenzen zurückzubekommen. Die Zeugin H. wiederum hat angegeben, Grundlage der Berechnung des Schadensbetrags von 80.000,00 DM sei es gewesen, dass die Klägerin pro Woche einen Betrag von 200,00 DM an Geld und Waren im Wert von 500,00 beiseite geschafft habe. Diese Beträge hätten von der Zeugin W. gestammt. Der Zeuge G. habe dann auf der Basis dieser Beträge einen Schaden von 80.000,00 DM hochgerechnet. Aus alledem ergibt sich, dass der Vortrag der Beklagten, die Klägerin selbst habe die wochenbezogene Schadenssumme der von ihr begangenen strafbaren Handlungen festgelegt, nicht richtig sein kann. Anders ist es nicht erklärbar, dass die Zeugen W., G. und H. selbst nicht übereinstimmende Angaben zur Berechnungsgrundlage der Gesamtschadenssumme machen konnten. Übereinstimmung in den Aussagen bestand nur bezüglich der im Ergebnis ermittelten 80.000,00 DM. Die Anerkenntnissumme ist nach der Überzeugung des Gerichts somit nicht im Wege einer seriösen Hochrechnung auf Grund feststehender Angaben der Klägerin ermittelt worden, sondern bezogen auf die Schadensverursachung durch die Klägerin willkürlich, wobei im Ergebnis eine bestimmte Anerkenntnissumme zur Abdeckung der Inventurdifferenzen erreicht werden musste, die weit über dem Schaden gelegen hat, zu dem die Beklagte bei einer ordnungsgemäßen Berechnung hätte kommen müssen, so daß sich die Sittenwidrigkeit der beiden streitgegenständlichen Schuldanerkenntnisse insgesamt nicht nur aus dem Gesichtspunkt ihrer unerlaubten Erzwingung, sondern auch wegen unberechtigter Inanspruchnahme der Klägerin für nicht von ihr verursachte Inventurdifferenzen ergibt.

Die Beklagte hat als die im Berufungsrechtszug unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht gesehen, insbesondere liegt keine Divergenz zu obergerichtlicher Rechtsprechung vor. Die vorliegende Entscheidung steht nicht im Widerspruch mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.1984 (BB 1985 S. 802) und vom 24.5.1989 (8 AZR 748/87 n. v.) betrafen Fälle, denen ein zwar ähnlicher, im Einzelnen aber anders gelagerter Sachverhalt zugrundegelegen hat.
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