Text des Urteils
8 Sa 619/94;
Verkündet am:
12.06.1995
LAG Landesarbeitsgericht
Erfurt
Vorinstanzen:
5 Ca 3446/93
Arbeitsgericht
Suhl;
Rechtskräftig: unbekannt!
Die zwischen den Parteien des öffentlichen Dienstes hauptsächlich bestehende Streitfrage, welche Beschäftigungszeit dem Arbeitsverhältnis zugrundezulegen ist, kann zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden
Leitsatz des Gerichts:
1. Die zwischen den Parteien des öffentlichen Dienstes hauptsächlich bestehende Streitfrage, welche Beschäftigungszeit dem Arbeitsverhältnis gem. § 19 BAT zugrundezulegen ist, kann zum Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO gemacht werden (gegen Sächsisches LAG Urteil vom 08.06.1994, 2 Sa 137/94, Der Betrieb 1994, 1684).
2. Die Angestellte im öffentlichen Dienst (hier: Krankenschwester) hat mangels Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen nach § 19 BAT-O in der Regel keinen vertraglichen Anspruch auf Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten, deren Anerkennung vor Inkrafttreten des § 19 BAT-O im Rahmen eines Überleitungsvertrages zwischen einem VEB-B. K. und einem Bezirkskrankenhaus, dessen Aufgaben der jetzige Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes (hier: Freistaat Thüringen) übernommen hat, vereinbart worden war.
Entscheidungstenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 21.03.1994 (5 Ca 3446/93) abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Anerkennung von Beschäftigungszeiten.
Die am 23.11.1952 geborene Klägerin arbeitet derzeit als Fachkrankenschwester für Anästhesie in dem vom beklagten Freistaat getragenen Klinikum S. zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt DM 2.300,00.
Zwischen den beiderseits tarifgebundenen Parteien wurde bei Übernahme des früheren Bezirkskrankenhauses S. durch den Beklagten im Jahre 1991 ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen, dessen Vorlage zu den Gerichtsakten den Parteien aber offensichtlich nicht möglich war.
Zuvor war die Klägerin seit dem 05.07.1976 (vgl. Arbeitsvertrag vom 01.07.1976 Bl. 5 d. A.) im Bezirkskrankenhaus S. als Fachkrankenschwester beschäftigt. Sie wechselte dann auf eigenen Wunsch, weil sie nämlich keine Schichtarbeit mehr ausüben wollte, mit Wirkung vom 16.02.1984 (vgl. Arbeitsvertrag vom gleichen Tag Bl. 5 d. A.) in den VEB B. E. in dessen Kombinatsbetrieb Industriebau Z. und war dort als Mitarbeiterin der gesundheitlichen Betreuung tätig.
Mit Überleitungsvertrag vom 04.04. bzw. 09.04.1990 (vgl. Bl. 7 ff. d. A.) nahm sie dann wieder ab 09.04.1990 ihre alte Tätigkeit als Fachkrankenschwester im Bezirkskrankenhaus S. auf.
Der Überleitungsvertrag enthält in seiner Ziff. 4 unter der Rubrik "zusätzliche Vereinbarung (z. B. Teilbeschäftigung, Dauer des befristeten Arbeitsvertrages, besondere Kündigungsfristen, Regelungen für Heimarbeiter, Werkwohnung, übernommene Ansprüche)" den maschinenschriftlichen Eintrag:
Betriebszugeh.: 16.02.1984
Kündigungsfrist: 3 Monate
Kündigungstermin: nur zum Monatsende
Ziff. 7 des Vertrages lautet wie folgt:
Änderungen der in diesem Überleitungsvertrag vereinbarten Bedingungen können gemäß § 49 AGB nur in Übereinstimmung zwischen den betroffenen Partnern des Überleitungsvertrages erfolgen. Sie bedürfen der Schriftform. Soweit arbeitsrechtliche Bestimmungen andere Regelungen treffen, sind entgegenstehende Vereinbarungen dieses Überleitungsvertrages gegenstandslos.
In diesen Fällen gelten die arbeitsrechtlichen Bestimmungen.
Dieser Überleitungsvertrag kann nur nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen (§§ 51, 53 AGB) aufgelöst werden.
Mit Schreiben vom 28.05.1993 (vgl. Hülle Bl. 71 d. A.) erkannte das Klinikum S. eine Beschäftigungszeit ab 09.04.1990 an. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 23.06.1993 (vgl. Bl. 11 d. A.) die Anerkennung einer Beschäftigungszeit ab 05.07.1976, was das beklagte Land mit dem dem Gericht nicht vorliegenden Schreiben vom 14.07.1993 ablehnte. Nachdem auch ein Schreiben der ÖTV vom 18.08.1993 (Bl. 9 d. A.) keine Anerkennung zur beantragten Beschäftigungszeit brachte, reichte die Klägerin am 29.11.1993 die vorliegende Klage beim Arbeitsgericht ein, die dem Beklagten am 29.12.1993 zugestellt wurde.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sie aus § 19 BAT-O in Verbindung mit der Vereinbarung im Überleitungsvertrag einen Anspruch auf Anerkennung einer Beschäftigungszeit seit 1976 habe.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Klägerin unter Zugrundelegung des Überleitungsvertrages vom 09.04.1990 bei der Beklagten eine ununterbrochene Beschäftigungszeit seit dem 05.07.1976 aufweist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, dass eine Anerkennung der zuerst im Bezirkskrankenhaus S. bzw. im VEB E. zurückgelegten Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O nicht in Frage komme, weil die Klägerin zum einen ihr Arbeitsverhältnis zum Bezirkskrankenhaus im Jahre 1984 auf eigenen Wunsch beendet habe und weil das Land zum anderen nicht die Aufgaben des Baukombinates übernommen habe. Die Anerkennung der dortigen Beschäftigungszeit im Überleitungsvertrag hätte auch einen völlig anderen Regelungsbereich betroffen.
Das Arbeitsgericht Suhl hat in seinem Urteil vom 21.03.1994 der nach seiner Auffassung zulässigen Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe zwar keinen tariflichen Anspruch auf Anerkennung der früheren Beschäftigungszeit, wohl aber einen vertraglichen, weil die Betriebszugehörigkeit beim VEB E. im Überleitungsvertrag ausdrücklich anerkannt worden sei und weil diese Regelung nach dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG weiterhin Gültigkeit habe. Der Beklagte sei deshalb an dieses arbeitsvertraglich zugesagte Anerkenntnis einer Beschäftigungszeit seit dem 16.02.1984 gebunden, was in der Endkonsequenz zur Folge habe, dass die Klägerin seit dem 05.07.1976 beim Beklagten in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung vom 12.06.1995 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Er verteidigt unter Stellungnahme zu den ihm ungünstigen Darlegungen des Arbeitsgerichts seine erstinstanzlich vorgetragene Auffassung über die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit seit 1976 und weist insbesondere darauf hin, dass die Aufnahme der zitierten Klausel in den Überleitungsvertrag unter Umständen gar keine vertragliche Vereinbarung, sondern nur eine schlichte Feststellung darstelle, und dass Ziff. 7 des Überleitungsvertrages eine Öffnungsklausel für anders lautende arbeitsrechtliche Bestimmungen enthalte, worunter auch § 19 BAT-O falle. Darüber hinaus habe die Klägerin mit ihrem Anspruch auch die Ausschlussfrist des § 21 BAT-O nicht gewahrt.
Der Beklagte beantragt,
1. unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichtes Suhl vom 21.03.1994, Az.: 5 Ca 3446/93 die Klage abzuweisen;
2. die Kosten des Rechtsstreites der Klägerin aufzuerlegen:
3. den Streitwert festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
Sie wehrt sich im Einzelnen gegen die Ausführungen des Beklagten im Berufungsverfahren und verteidigt die ihr günstigen Darlegungen im angegriffenen Urteil.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze samt Anhang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und nach dem Beschwerdewert gem. § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige Berufung des Beklagten ist fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 518, 519 Abs. 1 und 3 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und damit insgesamt zulässig.
Die Berufung ist auch begründet, weil das Arbeitsgericht Suhl zu Unrecht festgestellt hat, dass die Klägerin beim Beklagten eine Beschäftigungszeit ohne Unterbrechung seit dem 05.07.1976 zurückgelegt hat. Diese Feststellung beruht auf einer unrichtigen Anwendung des sogenannten tariflichen Günstigkeitsprinzips im konkreten Falle.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts wie auch der Parteien hält das Berufungsgericht die vorliegende Feststellungsklage für zulässig.
Es schließt sich damit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, das in seinem Urteil vom 04.11.1965 (2 AZR 65/95 AP 1 zu § 19 BAT) entschieden hat, dass eine Klage auf Feststellung, dass bestimmte Vordienstzeiten auf die Beschäftigungs- und Dienstzeiten i. S. der §§ 19 und 20 BAT anzurechnen sind, nach § 256 ZPO jedenfalls dann zulässig ist, wenn der Arbeitgeber - wie vorliegend - die Beschäftigungs- und Dienstzeiten bereits festgesetzt hat.
Das Bundesarbeitsgericht weist in diesem allgemein zustimmend aufgenommenen Urteil zu Recht darauf hin, dass zum einen die Tarifpartner, wie die Vorschrift des § 21 BAT zeige, selbst davon ausgingen, dass es sinnvoll sei, schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Festsetzung der Beschäftigungszeit zu ermöglichen, dass zum zweiten die Festsetzung von Beschäftigungszeiten unmittelbare Auswirkungen auf tarifliche Ansprüche habe und dass sie zum dritten bedeutsam seien für eine unübersehbar große Zahl von Ermessensentscheidungen des Dienstherren.
Die dagegen vom sächsischen Landesarbeitsgericht in seinem - nach Rücknahme der Revision rechtskräftig gewordenen - Urteil vom 08.06.1994 (2 Sa 137/94 Der Betrieb 94, 1684 = Arbeit und Arbeitsrecht 1995, 27 ff.) erhobenen Einwände hält das Gericht nicht für stichhaltig.
Sicherlich ist richtig, dass die Gerichte nicht dazu berufen sind, Rechtsgutachten zu erstatten und Rechtsfragen zu entscheiden, die ohne aktuelle oder absehbare künftige Bedeutung für die Parteien sind.
Darum geht es aber im eigentlichen bei den zahlreichen in den neuen Bundesländern anhängigen Rechtsstreitigkeiten über die Anrechnung von früheren Beschäftigungszeiten gar nicht.
Die Frage der richtigen Berechnung der Beschäftigungszeit hat unmittelbare und jederzeit aktuelle Auswirkungen auf zahlreiche tarifliche Ansprüche und Regelungen, wie etwa nach § 53 BAT-O für die Berechnung der Kündigungsfrist, nach § 27 BAT-O für die Berechnung der Grundvergütung, nach § 37 Abs. 4 BAT-O wie Dauer des Krankengeldzuschusses und nach § 39 BAT-O für den Anspruch auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung, ganz zu schweigen von Auswirkungen auf Bewährungs-, Tätigkeits- und Berufstätigkeitsaufstiege nach §§ 23 a, 23 b BAT-O, § 2 Nr. 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1-BAT-O.
Es wäre nun im höchsten Maße prozessunökonomisch und wider die vernünftigen Interessen beider Parteien, wenn in jedem einzelnen Streitfall stets neu die Frage geprüft werden müsste, welche Beschäftigungszeit bei Berechnung der Ansprüche oder der Länge der Kündigungsfrist zugrunde zu legen ist. Denn eine gerichtliche Entscheidung über die der Berechnung des Krankengeldzuschusses zugrunde zu legende Beschäftigungszeit hätte mangels Rechtskrafterstreckung keine Bedeutung für die später etwa notwendig werdende Festsetzung der Fälligkeit des Jubiläumsgeldes, und diese wieder hätte keine Bedeutung für die später etwa notwendig werdende Berechnung der richtigen Kündigungsfrist. In allen diesen Einzelfällen müssten ggf. die Gerichte im ungünstigsten Falle immer wieder neu mit der richtigen Berechnung der Beschäftigungszeit befasst werden. Dies wäre weder den Parteien noch den Gerichten zumutbar und in wirtschaftlich-finanzieller Hinsicht unsinnig und überflüssig.
Da hier - wie in den anderen typischen Fällen auch - nur eine einzige Streitfrage, nämlich die Frage der richtigen Berechnung der Beschäftigungszeit, zwischen den Parteien zu klären ist, und da davon auszugehen ist, dass durch eine einzige gerichtliche Entscheidung diese Rechtsfrage zwischen den Parteien ein für alle mal geklärt und für sie verbindlich entschieden wird, spricht schon der Grundsatz der Prozessökonomie dafür, den Parteien zur Klärung dieser Streitfrage die Feststellungsklage nach § 256 ZPO zur Verfügung zu stellen (vgl. BAG Urteil vom 20.07.1994 - 5 AZR 169/93 - EzA § 256 ZPO Entscheidung 43). Wenn durch die gerichtliche Entscheidung einer Feststellungsklage eine abschließende Klärung erreicht werden kann und wenn sie damit ein einfacherer und sachgerechter Weg ist, dann liegt in aller Regel das sogenannte Feststellungsinteresse vor (vgl. BAG Urteil vom 08.05.1984 AP 20 zu § 7 BetrVG).
Aus diesen Gründen hat es etwa die Rechtsprechung für zulässig gehalten, die Frage, ob ein bestimmter Tarifvertrag auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung findet oder nicht, zum Gegenstand einer Feststellungsklage zu machen (vgl. BAG Urteil vom 27.07.1956 AP 3 zu § 4 Tarifvertragsgesetz Geltungsbereich; LAG Berlin Urteil vom 02.03.1992 - 9 Sa 59/91 - LAGE § 156 ZPO Entscheidung 6; Germelmann-Matthes-Prütting Arbeitsgerichtsgesetz 1. Aufl. § 46 Rz. 72).
Warum diese der Prozessökonomie unter Vermeidung künftiger Streitigkeiten dienende Rechtsprechung auf das Problem der richtigen Berechnung der Beschäftigungszeit nicht auch Anwendung finden kann, vermag die Kammer nicht einzusehen (gegen das sächsische Landesarbeitsgericht auch LAG Brandenburg Urteil vom 07.02.1994 - 5 (2) Sa 604/93 Arbeit und Arbeitsrecht 1995, 28).
2. Die Feststellungsklage ist aber nicht begründet.
a) Dabei steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Klägerin keinen tariflichen direkt aus § 19 BAT-O folgenden Anspruch auf Anrechnung einer Beschäftigungszeit seit 1976 hat.
Denn zum einen war sie nicht bei dem selben Arbeitgeber i. S. des Abs. 1 dieser Vorschrift seit 1976 beschäftigt, weil sie von 1976 bis 1984 im Bezirkskrankenhaus S. und danach von 1984 bis 1990 beim VEB B. E. beschäftigt war und weil der Beklagte weder i. S. des Abs. 2 den VEB übernommen hat noch dieser i. S. der Übergangsvorschrift Nr. 2 ein zentrales oder örtliches Staatsorgan oder eine nachgeordnete Einrichtung oder ein Betrieb war, dessen Aufgaben bzw. Aufgabenbereich das Land ganz oder überwiegend übernommen hat.
Und zum anderen kann die Zeit von 1976 bis 1984 trotz Unterbrechung nicht als Beschäftigungszeit angerechnet werden, weil die Klägerin nach Abs. 1 Unterabsatz 3 aus eigenem Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Bezirkskrankenhaus S. ausgeschieden ist, ohne dass sie im Prozess das tatbestandliche Vorliegen der Ausnahmeregelung dieser Vorschrift nachgewiesen hat.
b) Die Klägerin hat aber - entgegen der Auffassung des Vordergerichts - auch keinen vertraglichen Anspruch auf Anerkennung der in den Jahren 1976 bis 1990 zurückgelegten Beschäftigungszeit.
aa) Das Gericht sieht zwar in der im Tatbestand wiedergegebenen Klausel aus dem Überleitungsvertrag eine zwischen den drei Parteien dieses Vertrages abgeschlossene vertragliche Regelung im Hinblick auf die Anrechnung der beim VEB zurückgelegten Beschäftigungszeit für die Zeit des nachfolgenden Beschäftigungsverhältnisses mit dem Bezirkskrankenhaus S.
Denn die maschinenschriftliche Eintragung steht unter der Überschrift "zusätzliche Vereinbarungen" und ihr folgt die ohne Zweifel als vertragliche Abrede zu qualifizierende Regelung der Kündigungsfrist und des Kündigungsendtermines.
Diese Eintragung stellt also deshalb nicht nur eine rein tatsächliche Feststellung darüber dar, wie lange die Klägerin bei dem VEB beschäftigt war - was sollte eine solche bloße Feststellung im Hinblick auf ein aufgelöstes Arbeitsverhältnis im Überleitungsvertrag auch für einen Sinn haben? -, sondern eine vertragliche Vereinbarung über die Anrechenbarkeit dieser Zeit auf die Zeit der nachfolgenden Beschäftigung beim Bezirkskrankenhaus.
bb) Es ist auch zweifelhaft, ob die im Tatbestand wiedergegebene Klausel in Ziff. 7 des Überleitungsvertrages die Anerkennung dieser vereinbarten Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszeit deshalb ausschließt, weil § 19 BAT-O nach seinem Inkrafttreten am 01.12.1991 eine andere Regelung der Beschäftigungszeit trifft und die vertragliche Vereinbarung damit gegenstandslos werden lässt. Denn die Formulierung dieser Klausel könnte dafür sprechen, dass nur im Frühjahr 1990 bereits geltende andersartige arbeitsrechtliche Regelungen Vorrang haben sollten, nicht aber solche, die erst nach dem Zusammenbruch der DDR und dem Untergang des dortigen Rechtssystems Geltungskraft erlangen sollten.
Diese Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil es auf sie zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.
cc) Denn die vereinbarte Anrechnung der früheren Betriebszugehörigkeit kann nach Inkrafttreten von § 19 BAT-O für das zwischen den Parteien neu begründete Arbeitsverhältnis deshalb keine Auswirkung haben, weil sie gegenüber der Regelung in § 19 BAT-O eine gänzlich andersartige Regelung darstellt und weil sie deshalb auch nicht nach dem sog. Günstigkeitsprinzip i. S. des § 4 Abs. 3 TVG Fortgeltung beanspruchen darf.
Die Vereinbarung im Überleitungsvertrag hatte nämlich nicht eine umfassende soziale Bestandssicherung der Klägerin im Auge, sondern wollte nur die Rechtsfolgen herbeiführen, die sich bei der damaligen Rechtslage aus einer verlängerten Betriebszugehörigkeit ergaben.
Sie enthält deshalb nicht wie § 19 BAT-O eine Regelung der Zeit der tatsächlichen Beschäftigung, sondern regelt nur die Dauer der Betriebszugehörigkeit als Grundlage für die Berechnung einzelner aus dem Folgearbeitsverhältnis ggf. sich ergebender Ansprüche. Die Regelung konnte Bedeutung für Ansprüche aus Rahmenkollektivverträgen haben, wie etwa Jahresendprämien, Treueprämien, Treueurlaub und Jubiläumszuwendung (vgl. Dobberahn-Erasmy NZA 1994, 107 ff.), hatte aber keine Auswirkungen auf die Berechnung von Kündigungsfristen, von Krankengeldzuschüssen, von Grundvergütung, von Sozialplanansprüchen, von Bewährungsaufstiegen usw. (vgl. BAG Urteil vom 16.03.1994 - 10 AZR 606/93 - EzA § 112 BetrVG Entscheidung 73; BAG Urteil vom 30.03.1994 - 10 AZR 352/93 - EzA § 112 BetrVG Entscheidung 74; BAG Urteil vom 31.05.1994 - 3 AZR 599/93 - NZA 95, 236 ff.).
Die in § 19 BAT-O geregelte Beschäftigungszeit stellt auf die bei demselben Arbeitgeber zurückgelegte tatsächliche Beschäftigung ab und nicht auf vertragliche Anrechnung fiktiver Betriebszugehörigkeitszeiten (zu dieser Abgrenzung vgl. auch LAG Chemnitz Urteil vom 09.12.1992 - 6 (4) Sa 85/92 - LAGE § 112 BetrVG Entscheidung 22).
Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass die Tarifpartner diese fiktiv angerechneten Zeiten nicht als Beschäftigungszeiten ansehen. Denn es steht in ihrem gerichtlicherseits nur sehr beschränkt überprüfbaren Ermessen, welche Zeiten in der früheren DDR sie als Beschäftigungszeit i. S. des § 19 BAT-O anrechnen wollen (vgl. BAG Urteil vom 23.06.1994 - 6 AZR 911/93 - Der Betrieb 95, 278; BAG Beschluss vom 01.04.1993 - 4 AZR 73/93 - AP 4 zu § 1 Tarifvertragsgesetz - Bewachungsgewerbe).
Auch Sinn und Zweck des § 19 BAT-O, der die bei demselben Arbeitgeber zurückgelegten Beschäftigungszeiten und damit die vom Arbeitnehmer gezeigte Treue und seine Bindung an den Arbeitgeber honorieren will, sprechen dagegen, dass der neue Vertragspartner des öffentlichen Dienstes nach Inkrafttreten des BAT-O und seines § 19 an vertragliche Vereinbarungen über Betriebszugehörigkeitszeiten gebunden sein soll, die unter der Geltung eines andersartigen Rechtssystems getroffen wurden und die Zeiten bei einem Arbeitgeber anrechnen, der keinerlei aufgabenbezogene Beziehungen zu dem neuen Arbeitgeber hatte, geschweige denn mit ihm in irgendeiner Form identisch ist. Die Anrechnung solcher Betriebszugehörigkeitszeiten, die den oben dargestellten sehr beschränkten Zweck hatten, konnten und können nicht zu einer umfassenden Bindung der Länder oder der Kommunen führen, weil dadurch die auf sie durch die Übernahme einzelner Einrichtungen wie hier des Klinikums S. zukommenden Belastungen nicht mehr kalkulierbar waren bzw. sind und weil dadurch auch missbräuchliche Handhabung Tür und Tor geöffnet würde (vgl. zum letzteren Dobberan-Erasmy a. a. O. S. 110).
Es ist deshalb durchaus nachvollziehbar, weshalb das Rundschreiben des VkA vom 26.02.1992 - R 71/92 - für den kommunalen Bereich die Anrechnung von früheren Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber auf der Grundlage eines Überleitungsvertrages ausschließt.
Nach alledem stellt also die in § 19 BAT niedergelegte Berechnung Beschäftigungszeit eine gegenüber der im Überleitungsvertrag getroffenen Vereinbarung andersartige Regelung dar, so daß die Berechnung der Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O ohne Rücksicht auf diese vertragliche Vereinbarung erfolgen kann und die vertragliche Regelung nicht als günstiger i. S. des § 4 Abs. 3 TVG angesehen werden kann.
Der Beklagte hat also die Beschäftigungszeit der Klägerin richtig berechnet. Ihr darüber hinausgehendes Feststellungsbegehren kann keinen Erfolg haben.
3. Bei diesem Ergebnis bedarf es keiner Beantwortung der Frage, ob die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 23.06.1993 die Ausschlussfrist des § 21 BAT-O eingehalten hat.
Das Gericht hat allerdings in der Berufungsverhandlung schon darauf hingewiesen, dass davon auszugehen sein dürfte, weil es keiner weiteren von der Klägerin zu beschaffenden Nachweise der früheren Beschäftigungszeit bedurfte, sämtliche Unterlagen lagen dem Klinikum S. vor.
Es ergibt sich, dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist. Dies war unter Abänderung des angefochtenen Urteils auszusprechen.
Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).
Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.-----------------------------------------------------
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