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Text des Beschlusses
BVerwG 1 WB 59.06;
Verkündet am: 
 26.06.2007
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Sicherheitsüberprüfung; Strafverfahren; Einstellung; Beurteilungsspielraum.
Leitsatz des Gerichts:
Der Vorwurf aus einem Strafverfahren gegen einen Soldaten, das nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, kann nicht ohne eigene Sachverhaltsermittlungen des zuständigen Geheimschutzbeauftragten die Feststellung eines Sicherheitsrisikos rechtfertigen.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die im Wesentlichen mit dem Hinweis auf eine von ihm begangene strafbare Handlung begründet wurde. Das Strafverfahren war gemäß § 153 a Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der zuständige Geheimschutzbeauftragte hatte keine eigenen Sachverhaltsermittlungen durchgeführt.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hatte Erfolg.


Aus den Gründen:
...

25Der Geheimschutzbeauftragte hat die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Schreiben vom 26. April 2006 nicht gesondert begründet, sondern lediglich auf sein Anhörungsschreiben vom 7. März 2006 Bezug genommen und erklärt, er schließe die Sicherheitsüberprüfung des Antragstellers „nach der Aktenlage“ ab. Diese Feststellung ist rechtswidrig, weil der Geheimschutzbeauftragte dabei von einem unvollständigen und damit unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. In der Folge dieses Mangels erweist sich die erforderliche Prognose als fehlerhaft. Dieser Mangel ist auch in der Vorlage des Bundesministers der Verteidigung an den Senat nicht geheilt worden.

26Zwar können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, im Einzelfall daraus ergeben, dass der Betroffene Straftaten begangen hat, die ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lassen (vgl. Beschlüsse vom 20. Mai 1981 BVerwG 1 WB 35.80 , vom 28. November 2000 BVerwG 1 WB 97.00 und vom 30. Januar 2001 BVerwG 1 WB 119.00 Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats ebenso, wenn der Betroffene einer Straftat dringend verdächtig ist oder ein Dienstvergehen begangen hat (Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 BVerwG 1 WB 113.96 , vom 27. Januar 1998 BVerwG 1 WB 34.97 und vom 20. August 2003 BVerwG 1 WB 15.03 Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 16 = NZWehrr 2004, 108). Der Geheimschutzbeauftragte hat in seinem Anhörungsschreiben das dem Antragsteller zur Last gelegte Unterschlagungsdelikt als feststehende auch „strafrechtlich geahndete“ Handlung bezeichnet. Dem ist der Bundesminister der Verteidigung in der Vorlage an den Senat gefolgt und hat die „strafbare Handlung“ des Antragstellers in Gestalt der Unterschlagung als Versagen im Kernbereich und damit als wesentlichen Grund für Zweifel im Sinne des § 5 Abs. 1 SÜG bezeichnet.

27Hinsichtlich der dem Antragsteller vorgeworfenen Unterschlagung liegen allerdings keine im vorliegenden Verfahren „bindenden“ tatsächlichen Feststellungen durch ein Strafgericht vor. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Antragsteller durch das Amtsgericht T. gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a Abs. 2 StPO stellt zwar keinen Freispruch mangels Beweises dar, sondern dient der vereinfachten Verfahrenserledigung bei Vergehen (Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 BVerwG 1 WB 113.96 und vom 14. Juni 2006 BVerwG 1 WB 8.06 NZWehrr 2006, 246). Andererseits ist die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO aber nicht widerlegt. Mit einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschuldigte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht. Diese Einstellungsentscheidung setzt keinen Nachweis der Tat voraus. Insoweit besteht die Unschuldsvermutung fort, die sich als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips darstellt, die kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland ist (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 1 BvR 1326/90 NJW 1991, 1530 = MDR 1991, 891; Beschluss vom 14. Juni 2006 a.a.O.). Vor diesem rechtlichen Hintergrund und auch in Ermangelung einer Sachverhaltsfeststellung in einem Disziplinarverfahren hätte der Geheimschutzbeauftragte in seinem Schreiben an den Antragsteller vom 26. April 2006 eigene Feststellungen im Rahmen seiner Sachverhaltsermittlung treffen müssen, um auf dieser Basis eine fundierte Aussage über die Frage zu treffen, ob der Antragsteller tatsächlich die ihm vorgeworfene Unterschlagung begangen hat. Insoweit enthält das Anhörungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten, auf das er sich bezieht, lediglich die pauschale Aussage einer strafbaren Handlung des Antragstellers. Der Geheimschutzbeauftragte lässt gänzlich den Inhalt der schriftlichen Äußerung des Antragstellers vom 29. März 2006 außer Acht. Darin hat der Antragsteller mit eingehender Begründung die schuldhafte Begehung einer Straftat der Unterschlagung bestritten. Insbesondere hat er im Einzelnen dargelegt, dass die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage auf einem „Deal“ beruhe. Vor diesem Hintergrund war der Schluss des Geheimschutzbeauftragten nicht gerechtfertigt, dass der Antragsteller die ihm vorgeworfene Unterschlagung tatsächlich begangen hat.

28In der Bewertung des Geheimschutzbeauftragten steht der Vorwurf der „begangenen“ Unterschlagung im Zentrum der Feststellung eines Sicherheitsrisikos; ausweislich der Anhörungsverfügung „verstärken“ die Angaben des Antragstellers im Rahmen der Sicherheitserklärung und das Wachvergehen lediglich die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Damit ist aus den Äußerungen des Geheimschutzbeauftragten nicht erkennbar, dass ohne den Vorwurf strafrechtlichen Verhaltens des Antragstellers die übrigen diesem zur Last gelegten Verhaltensweisen allein die Feststellung eines Sicherheitsrisikos getragen hätten. Damit fehlt es zugleich an einer ordnungsgemäßen Prognose, mit welchem Gewicht die dem Antragsteller vorgehaltenen Verhaltensweisen in die Zuverlässigkeitseinschätzung eingehen sollten.
...

Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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