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Text des Beschlusses
V S 6/07;
Verkündet am: 
 11.05.2007
BFH Bundesfinanzhof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Anhörungsrüge und Gegenvorstellung
Leitsatz des Gerichts:
1. Die Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Entzug des gesetzlichen Richters) durch Nichteinholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nach § 133a FGO nicht statthaft.

2. Eine Gerichtsentscheidung, in der ein letztinstanzliches Gericht eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt hat, verstößt nur dann gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat.
Gründe


I.

Die vorliegende "Verfahrensrüge (Anhörungsrüge, § 133a FGO)" richtet sich gegen das Urteil des Senats vom 23. November 2006 V R 67/05 (BFH/NV 2007, 630).

II.

1. Die Anhörungsrüge (§ 133a der Finanzgerichtsordnung --FGO--) der Klägerin, Revisionsklägerin und Rügeführerin (Rügeführerin) vom 16. Februar 2007 ist nicht statthaft und deshalb gemäß § 133a Abs. 4 Satz 1 FGO als unzulässig zu verwerfen.

a) Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn

1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

b) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO kann mit der Anhörungsrüge nur vorgebracht werden, das Gericht --im Streitfall der beschließende Senat-- habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verstoßen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFH/NV 2005, 1458, m.w.N.; vom 14. Oktober 2005 V S 20/05, BFH/NV 2006, 563).

c) Die Rügeführerin rügt mit ihrer Eingabe vom 16. Februar 2007 der Sache nach nicht die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), sondern die Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch "willkürlichen Entzug des gesetzlichen Richters", weil der Senat trotz ihrer Anregung keine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) eingeholt habe.

Zwar erfüllt das rechtliche Gehör letztlich nur dann seinen Zweck voll, wenn es von dem zuständigen Richter, der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts vorweg nach objektiven Grundsätzen zur Entscheidung bestimmt ist, gewährt wird (vgl. Kopp, Archiv des öffentlichen Rechts --AöR-- 1981, 604, 612). Trotzdem ist bisher keine Entscheidung ersichtlich, in der das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch Art. 103 Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang näher geprüft hat (vgl. Kopp, AöR, 1981, 612 f.).

Die Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nach § 133a FGO nicht statthaft (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 3; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a Rz 3; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 133a FGO Rz 5). Das folgt aus dem Wortlaut des § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. dazu Bergkemper, a.a.O., § 133a FGO Rz 2) und der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 15/3706, S. 14).

2. Soweit die Rügeführerin für den Fall, dass die "Verfahrensrüge nicht statthaft" sein sollte, darum bittet, "die Rüge als Gegendarstellung auszulegen", hat ihre Eingabe vom 16. Februar 2007 ebenfalls keinen Erfolg.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob eine derartige Auslegung möglich ist. Offen bleiben kann auch, ob eine Gegenvorstellung (bereits) nicht statthaft ist, weil sie den verfassungsmäßigen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügt (vgl. dazu Ruban, a.a.O., Vor § 115 Rz 29; Lange, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 115 bis 134 FGO Rz 55 ff.). Denn der von der Rügeführerin behauptete Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG und damit gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht vor.

Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG abgelehnt wird, verstößt nur dann gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hätte, z.B. dann, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 9. November 1987 2 BvR 808/82, EuGRZ 1988, 109; vom 3. Oktober 1989 2 BvR 440/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1990, 446). Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 23. November 2006 V R 67/05 (BFH/NV 2007, 630) die von der Rügeführerin angeregten Vorabentscheidungsfragen wörtlich aufgeführt (Urteil, S. 7) und ist nach ausführlicher Erörterung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH (Urteil, S. 9 bis 17) zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Rügeführerin aufgeworfenen Fragen durch die Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt sind (Urteil, S. 17).

Der Senat hat bei seiner Entscheidungsfindung sämtliche von der Rügeführerin schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente berücksichtigt. Dass er der Auffassung der Rügeführerin --insbesondere deren Verständnis bestimmter EuGH-Urteile-- nicht gefolgt ist und dass er in den Entscheidungsgründen nicht in der von der Rügeführerin gewünschten Breite auf ihre Argumentation eingegangen ist, bedeutet nicht, dass der Senat wesentliche entscheidungserhebliche Argumente außer acht gelassen habe.

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO).

4. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (vgl. Anlage 1 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl I 2004, 718, Teil 6 Gebühr Nr. 6400 i.d.F. von Art. 11 Nr. 7 Buchst. h des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004; BFH-Beschluss vom 23. März 2006 XI S 5/06, BFH/NV 2006, 1483).
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