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Text des Beschlusses
BVerwG 1 WB 8.06;
Verkündet am: 
 14.06.2006
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Zulassung; Laufbahn; Feldwebel; Eignung; Strafgericht.
Leitsatz des Gerichts:
Der Vorwurf aus einem Strafverfahren gegen einen Soldaten, das nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, kann nicht ohne eigene Sachverhaltsermittlungen der zuständigen Stelle einer Entscheidung über die Rückführung in die frühere Laufbahn zugrunde gelegt werden.
Der Antragsteller war als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel zugelassen worden. Ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wurde gemäß § 153a Abs. 2 StPO endgültig eingestellt. Die für ihn zuständige Stammdienststelle führte ihn unter Hinweis auf dieses Strafverfahren in seine bisherige Laufbahn zurück. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.

Der Senat hat den Rückführungsbescheid und den Beschwerdebescheid aufgehoben.


Gründe:


20Nach § 6 Abs. 4 Satz 2 SLV, der sich insoweit auf § 55 Abs. 4 Satz 3 SG stützt, werden Feldwebelanwärter, die als Fachunteroffiziere zu einer Laufbahn der Feldwebel zugelassen worden sind und noch einen ihrer bisherigen Laufbahn entsprechenden Dienstgrad führen, in ihre bisherige Laufbahn zurückgeführt, wenn sich herausstellt, dass sie sich nicht zum Feldwebel eignen. Entsprechende Regelungen sind in den vom BMVg hierzu erlassenen Bestimmungen der ZDv 20/7 (Nrn. 443 und 445) getroffen.

21Bei der Prüfung der Frage, ob im Sinne des § 55 Abs. 4 Satz 3 SG und § 6 Abs. 4 Satz 2 SLV die Eignung zum Feldwebel fehlt, steht der zuständigen Stelle ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Rechtmäßigkeitsprüfung hat sich demgemäß darauf zu beschränken, ob die zuständige Stelle den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Dagegen können fachliche Erwägungen, die zur Feststellung der Eignung und damit auch der Nichteignung geführt haben, nicht Gegenstand gerichtlicher Überprüfung sein (stRspr, u.a. Beschlüsse vom 31. Januar 1996 BVerwG 1 WB 73.95 DokBer B 1996, 239 und vom 19. Dezember 2001 BVerwG 1 WB 44.01 Buchholz 236.11 § 34 SLV Nr. 1).

22Für die Beurteilung der (prognostischen) Frage, ob und inwieweit ein Soldat die für eine Laufbahn zu stellenden Anforderungen erfüllt bzw. erfüllen wird, ob er sich im hier vorliegenden Zusammenhang für die vorgesehene Verwendung als Feldwebel eignet oder nicht (mehr) eignet, sind neben seiner fachlichen Qualifikation auch seine persönlichen, d.h. charakterlichen, geistigen und körperlichen Eigenschaften maßgebend (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 6. April 2005 BVerwG 1 WB 53.04 Buchholz 236.110 § 6 SLV 2002 Nr. 3 und vom 24. August 2005 BVerwG 1 WDS-VR 3.05 m.w.N.).

23Die Stammdienststelle des Heeres (SDH) und der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) haben in den angefochtenen Bescheiden die in Rede stehende charakterliche Eignung des Antragstellers in Frage gestellt, ohne hierzu bezüglich des Vorfalls am 17. Oktober 2004 einen konkreten, mit Fakten belegten Sachverhalt festzustellen. Der Senat ist deshalb außerstande zu überprüfen, ob die SDH und der BMVg bezüglich des Vorfalls vom 17. Oktober 2004 von einem richtigen oder unrichtigen bzw. von einem vollständigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sind. Da die Feststellung des Sachverhalts, der der Eignungsprognose zugrunde liegen soll, im Rahmen des Beurteilungsspielraumes der SDH als der zuständigen militärischen Stelle obliegt, ist der Senat daran gehindert, insoweit eigene Feststellungen zu treffen. Die angefochtene Entscheidung der SDH und der sie bestätigende Beschwerdebescheid des BMVg sind deshalb aufzuheben.

24Ausgangspunkt der Sachverhaltsermittlung der SDH und des BMVg ist ausdrücklich kumulativ die Anknüpfung an den mit der Disziplinarbuße geahndeten Vorfall am 16. Januar 2004 sowie das Verhalten des Antragstellers am 17. Oktober 2004 in X. Die der Disziplinarbuße zugrunde liegende Verhaltensweise stellt der Antragsteller nicht in Frage. Auf diesen Vorfall allein ist jedoch die Rückführungsentscheidung der SDH nicht gestützt. … (wird ausgeführt)

25Hinsichtlich des Verhaltens des Antragstellers am 17. Oktober 2004 liegen keine im vorliegenden Verfahren „bindenden“ tatsächlichen Feststellungen durch ein Strafgericht vor. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Antragsteller durch das Amtsgericht X. gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a Abs. 2 StPO stellt keinen Freispruch mangels Beweises dar, sondern dient der vereinfachten Verfahrenserledigung bei Vergehen (Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 BVerwG 1 WB 113.96 und vom 27. Januar 1998 BVerwG 1 WB 34.97 ). Andererseits ist die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO nicht widerlegt. Mit einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschuldigte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht. Eine Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO setzt keinen Nachweis der Tat des Angeklagten voraus. Insoweit besteht die Unschuldsvermutung fort, die sich als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips darstellt, die kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland ist (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 1 BvR 1326/90 NJW 1991, 1530 = MDR 1991, 891). Vor diesem rechtlichen Hintergrund hätte die SDH zu dem Vorfall vom 17. Oktober 2004 eigene Feststellungen im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlung treffen müssen, um auf dieser Basis im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes eine fundierte Eignungsprognose finden zu können. Diesbezüglich enthält der angefochtene Ausgangsbescheid lediglich die Sachverhaltsfeststellung, dass der Antragsteller am 17. Oktober 2004 gegen 04.30 Uhr, während der Veranstaltung „K…“ auf dem M…platz in X., sich der vorläufigen Festnahme durch die Polizei widersetzt habe, die daraufhin mit unmittelbarem Zwang habe durchgesetzt werden müssen. Im Beschwerdebescheid des BMVg wird als Sachverhaltsfeststellung festgehalten, dass sich der Antragsteller in der Nacht vom 16. auf den 17. Oktober 2004 einer aufgrund seines vorhergehenden Verhaltens erforderlich gewordenen vorläufigen Festnahme widersetzt und dabei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet habe. Diesen Sachverhaltsangaben ist der Antragsteller im Antrag auf gerichtliche Entscheidung substantiiert entgegen getreten. Schon in seiner Beschwerde hatte er auf seinen Einspruch gegen den Strafbefehl hingewiesen und betont, dass der dem Strafbefehl zugrunde liegende Sachverhalt keinesfalls einer Begründung zur Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere des Fachdienstes zugrunde gelegt werden könne. Hiernach hätten die SDH und im Beschwerdeverfahren der BMVg die Aussagen des in der Hauptverhandlung vom Strafgericht vernommenen Zeugen H. im Verhältnis zu den Aussagen der im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen, insbesondere der Zeugen K., Ko. und H., eigenständig prüfen und im Rahmen einer eigenen, ihnen im Beurteilungsspielraum obliegenden Würdigung den Sachverhalt feststellen müssen. Da die genannten Zeugen unterschiedliche Angaben zum Tatvorwurf gemacht haben, hätte in den angefochtenen Bescheiden konkret festgestellt werden müssen, welche Sachverhaltslage der angefochtenen Rückführungsentscheidung zugrunde gelegt wird. Das ist indessen nicht geschehen. Dabei hätte auch geprüft werden müssen, was aus dem Umstand folgt, dass sich der Antragsteller in der Hauptverhandlung bei den beiden Polizeibeamten H. und B. entschuldigt hat und dass diese seine Entschuldigung angenommen haben. Insbesondere kam es insoweit auf den genauen Inhalt dieser Entschuldigung an.

…
Dr. Frentz Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth
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