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Text des Beschlusses
BVerwG 1 WB 44.05;
Verkündet am: 
 11.05.2006
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Repatriierung, besondere Auslandsverwendung, Wehrübung, Ermessensbetätigung, Anhörungspflicht.
Leitsatz des Gerichts:
Die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes eines Soldaten aus gesundheitlichen Gründen bedarf zwingend einer Ermessensausübung und einer vorherigen Anhörung des Betroffenen.
Der Antragsteller, der im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels an einem Auslandseinsatz der Bundeswehr teilnahm, wendet sich gegen seine vorzeitige Repatriierung sowie gegen die vorzeitige Beendigung seiner Wehrübung. Über die Repatriierung hatte der zuständige Kommandeur keine formgerechte Entscheidung getroffen.

Der Antrag festzustellen, dass die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes rechtswidrig ist, hatte nach erfolglosem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Erfolg; im Übrigen wurde der Antrag als unzulässig verworfen.


Gründe:


…

16Der Feststellungsantrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

17Soweit sich der Antragsteller gegen die vorzeitige Beendigung der Wehrübung wendet, ist sein Antrag unzulässig. (wird ausgeführt) …

20Im Übrigen ist der Feststellungsantrag zulässig.

21Der Senat legt den gegen die Beschwerdebescheide des Befehlshabers Einsatzführungskommando und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis gerichteten Aufhebungsantrag sachgerecht als Feststellungsantrag gegen die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes des Antragstellers in der Gestalt dieser Beschwerdebescheide aus. Diese Auslegung ist angesichts der unmissverständlichen Ausführungen des Antragstellers in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geboten, in denen er sich ausdrücklich gegen die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes und die Repatriierung wendet und insoweit seinen Antrag wegen des eingetretenen Zeitablaufs (umfassend) auf eine Feststellung beschränkt.

22Eine Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes eines Soldaten und über seine Rückführung nach Deutschland ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach den Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der Fassung vom 11. August 1998 (VMBl S. 242) Versetzungsrichtlinien zu beurteilen (vgl. z.B. Beschlüsse vom 25. Januar 1995 BVerwG 1 WB 51.94 , vom 22. Juli 1997 BVerwG 1 WB 4.97 BVerwGE 113, 112 = Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 17 und vom 14. Juli 2005 BVerwG 1 WB 66.04). Dies gilt auch dann, wenn diese Entscheidung als „Rückführungsbefehl“ oder „Repatriierungsbefehl“ zu qualifizieren wäre (Beschlüsse vom 15. Juli 1998 BVerwG 1 WB 38.98 , vom 20. Mai 1999 BVerwG 1 WB 1.99 und BVerwG 1 WB 3.99 und vom 14. Juli 2005 BVerwG 1 WB 66.04 ).

23Eine solche Entscheidung (über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes) ist hier getroffen worden.

24Zwar wurde dem Antragsteller in der Zeit vom 3. März bis zu seinem am 5. März 2005 erfolgten Abflug aus X keine schriftliche (Rück )Kom¬mandierungsent¬scheidung ausgehändigt; für ihn war auch nicht erkennbar, wer die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung seines Auslandseinsatzes letztlich traf. Unzweifelhaft war für ihn jedoch, dass eine diesbezügliche Entscheidung getroffen worden war. Dies ergibt sich nicht nur aus den detaillierten Darlegungen in seinem Beschwerdeschreiben. Auch sein damaliger Kompaniechef hat dies in seinem an das Einsatzführungskommando gerichteten Stellungnahme vom 23. März 2005 ausdrücklich bestätigt. Darin führt er aus, „die Repatriierung“ des Antragstellers sei „standardmäßig“ abgelaufen; nachdem die ärztliche Feststellung durch den zuständigen Truppenarzt erfolgt sei, habe er „als BSO die Repatriierung über PECC SanFüKdo“ eingeleitet; der Antragsteller sei allerdings „nicht damit einverstanden (gewesen), aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Auslandseinsatz abgelöst zu werden“; erst nach den mit dem Chef des Stabes geführten Gesprächen sei der Antragsteller bereit gewesen, die „Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, die für das Verfahren der Repatriierung erforderlich war, zu unterschreiben“. Diese Erklärungen belegen, dass nicht nur der Antragsteller, sondern auch sein zuständiger Disziplinarvorgesetzte davon ausging, dass er am 3./5. März 2005 vorzeitig vom Auslandseinsatz in X abgelöst wurde. In Übereinstimmung damit hat auch der Befehlshaber Einsatzführungskommando in seinem Beschwerdebescheid aufgrund der ihm vorliegenden Stellungnahmen und Berichte zum Ausdruck gebracht, dass sich die Beschwerde des Antragstellers „gegen die vorzeitige Beendigung … (seiner) Kommandierung ins Einsatzland“ richtete und dass dem eine Entscheidung zugrunde lag, die Auslandsverwendung des Antragstellers „vorzeitig zu beenden“. (wird ausgeführt) …

25Soweit der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis erstmals im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr vorgetragen hat, es sei lediglich „eine rein tatsächliche Verlegung des Antragstellers als Patient von X nach Deutschland erfolgt“, während „eine Entscheidung des Kommandeurs in X über die vorzeitige Beendigung der Kommandierung des Antragstellers gar nicht getroffen worden“ sei, vermag dies an dem festgestellten objektiven Erklärungsgehalt der gegenüber dem Antragsteller getroffenen Entscheidung über seine am 5. März 2005 erfolgte vorzeitige Beendigung seines Auslandseinsatzes nichts zu ändern. Denn für die rechtliche Qualifizierung und die Erfassung der Regelungswirkung einer gegenüber einem militärischen Untergebenen getroffenen Entscheidung kommt es allein auf ihren objektiven Erklärungsgehalt an.

26Diese Entscheidung hat sich mit der tatsächlichen Rückführung des Antragstellers nach Deutschland am 5. März 2005, spätestens mit dem Ablauf des regulären Wehrübungszeitraums im Juni 2005, erledigt. Bei dieser Sachlage war der Antragsteller berechtigt, entweder nach der auch im wehrdienstgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Beschluss vom 22. Juli 1997 BVerwG 1 WB 4.97 a.a.O.) oder nach § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO (Beschlüsse vom 20. Mai 1999 BVerwG 1 WB 1.99 und BVerwG 1 WB 3.99 und vom 14. Juli 2005 BVerwG 1 WB 66.04 ) zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen, mit dem er die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung bzw. dieses Befehls begehrt.

27Die Darlegung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses verlangt § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO nicht. Das für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu fordernde berechtigte Interesse hat der Antragsteller im Übrigen dargetan. (wird ausgeführt) …

28Der danach insoweit zulässige Antrag ist auch begründet.

29Die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes des Antragstellers in der Gestalt der mit Feststellungsantrag angegriffenen Beschwerdebescheide ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.

30Diese Entscheidung wird im Beschwerdebescheid des Befehlshabers Einsatzführungskommando auf Nr. 6 Buchst. a der Versetzungsrichtlinien gestützt. Sie ist vom Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis im Beschwerdebescheid und in der Vorlage an den Senat ausdrücklich bekräftigt worden. (…)

34Nach Nr. 6 Satz 1 der Versetzungsrichtlinien kann ein Soldat (weg-)versetzt oder nach Nr. 23 (zurück-)kommandiert werden, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen und vorrangige dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Nach Nr. 6 Satz 3 Buchst. a der Versetzungsrichtlinien kann ein schwerwiegender persönlicher Grund darin zu sehen sein, dass eine (Weg )Versetzung oder (Rück )Kom¬mandierung aufgrund eines (militär )ärztlichen Zeugnisses wegen des Gesundheitszustandes des Soldaten notwendig ist. Nach dem Gutachten des Truppenarztes B. vom 3. März 2005 war für den damaligen Zeitpunkt eine Verwendungsunfähigkeit des Antragstellers für dessen weitere Verwendung im Auslandseinsatz festzustellen. (…) Der Senat lässt offen, ob diese truppenärztliche Äußerung, der sich der damalige Beratende Sanitätsoffizier nach seinen Äußerungen vom 23. März 2005 und vom 14. Dezember 2005 angeschlossen hat, die „Notwendigkeit“ der Rückkommandierung bzw. der Beendigung des Auslandseinsatzes des Antragstellers belegt.

35Denn jedenfalls hat eine nach Nr. 6 Satz 1 der Versetzungsrichtlinien erforderliche Ermessensbetätigung durch den zuständigen truppendienstlichen Vorgesetzten nicht stattgefunden.

36Der Kommandeur des Einsatzkontingents in X war zur Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes des Antragstellers berufen. (…) Eine Ermessenbetätigung des Kommandeurs (oder seines Stellvertreters) über diese Beendigung des Auslandseinsatzes in der Gestalt der angefochtenen Beschwerdebescheide ist vorliegend nicht festzustellen. Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis erklärt selbst, der „Kontingentführer“ habe den „sanitätsinternen medizinischen Vorgang“ gebilligt, „ohne dass damit … eine das Unterstellungsverhältnis des Antragstellers betreffende Verwendungsentscheidung im Sinne der Versetzungsrichtlinien … verbunden war“. Damit räumt der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis an dieser Stelle ein, dass die „Billigung“ des Kontingentführers nicht an den Versetzungsrichtlinien orientiert war und deshalb auch nicht die erforderliche Ermessensbetätigung enthielt. Auch nachdem sich der Antragsteller zeitnah nach der Beendigung seines Auslandseinsatzes im März 2005 im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz vorgestellt hatte und das auf dieser Untersuchung basierende Gutachten vom 21. März 2005 eine Verwendungsfähigkeit des Antragstellers ausdrücklich nicht in Frage stellte, unterblieb bis zum Zeitpunkt der Vorlage an den Senat eine Würdigung dieses Gutachtens im Rahmen der Ermessensprüfung.

37Darüber hinaus ist die getroffene Entscheidung über die vorzeitige Ablösung des Antragstellers auch deshalb rechtswidrig, weil vor ihrem Ergehen die erforderliche Anhörung des Antragstellers zu der beabsichtigten vorzeitigen Beendigung seines Auslandseinsatzes nicht stattgefunden hatte.

38Die ermessensbindenden Versetzungsrichtlinien sehen in Nr. 9 Abs. 3 und 4 ausdrücklich vor, dass der Soldat zu den Gründen für einen (Weg )Versetzungsvorschlag entsprechend Nr. 23 der Versetzungsrichtlinien zu den Gründen für eine (Rück-)Kommandierung gehört werden muss; ihm ist Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Diese Anhörungspflicht gilt zwar ausdrücklich nur für Versetzungen nach Nr. 5 Buchst. g und h der Versetzungsrichtlinien. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 GG) gebietet jedoch, allen Personen, gegen die eine belastende Maßnahme eines Hoheitsträgers getroffen wird, grundsätzlich vor deren Erlass rechtliches Gehör zu gewähren (Beschluss vom 22. Juli 1997 BVerwG 1 WB 4.97 a.a.O.). Deshalb ist eine Anhörungspflicht auch im Rahmen der Nr. 6 Satz 3 Buchst. a der Versetzungsrichtlinien dann geboten, wenn wie hier mit der (Weg )Versetzung bzw. (Rück ) Kommandierung des Soldaten seine gesundheitliche Eignung (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 SG) für die von ihm wahrgenommene Verwendung im Sinne der Versetzungsrichtlinien in Frage gestellt wird. Zur Wahrung seiner Rechte muss er Gelegenheit haben, von den Gründen für die beabsichtigte Maßnahme Kenntnis zu nehmen und dazu Stellung zu nehmen. Denn nach § 6 Satz 1 SG hat ein Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger, soweit diese Rechte nicht nach § 6 Satz 2 SG im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt sind. Eine solche gesetzliche Beschränkung ist im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich.

39Die danach erforderliche Anhörung des Antragstellers zur Beendigung seines Auslandseinsatzes ist nicht erfolgt. (wird ausgeführt)

Dr. Frentz Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth
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