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Text des Beschlusses
BVerwG 2 WD 3.05;
Verkündet am: 
 16.05.2006
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Sexuelle Belästigung; entwürdigende und/oder ehrverletzende Behandlung Untergebener; Alkoholkrankheit im Tatzeitraum; nicht selbst verschuldete Trunkenheit.
Leitsatz des Gerichts:
Bei Vorliegen einer erheblichen Alkoholkrankheit des Soldaten im Tatzeitraum liegt ein Fall der nicht selbstverschuldeten Trunkenheit vor.
Der Soldat, ein Hauptfeldwebel, griff wiederholt in die Intimsphäre sowie die Ehre und Würde untergebener Kameraden ein. Im Tatzeitraum litt der Soldat an einer Alkoholkrankheit. Das Truppendienstgericht setzte ihn in den Dienstgrad eines Feldwebels herab. Auf die Berufung des Soldaten hob der Senat das Urteil des Truppendienstgerichts auf und setzte den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels herab.


Gründe:

…

Der Senat schließt sich insoweit der nachvollziehbaren und überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen an, der in seinem in der Berufungshauptverhandlung erläuterten Gutachten zur Frage der Anwendbarkeit des § 20 oder § 21 StGB zur Tatzeit von einem wahrscheinlichen Blutalkoholgehalt „wohl über zwei Promille“ bzw. „zwischen zwei und drei Promille“ und damit jedenfalls von einer fehlenden Schuldunfähigkeit ausging. …

Zugunsten des Soldaten ist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen bezüglich der Anschuldigungspunkte 1 und 9 jedoch von einer verminderten Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB auszugehen. Dem steht hier ausnahmsweise nicht die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit dieses Umstands bei selbstverschuldeter Trunkenheit (Urteile vom 27. März 2003 3 StR 435/02 NJW 2003, 2394 und vom 27. Januar 2004 3 StR 479/03 NStZ 2004, 495), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. dazu Urteil vom 24. November 2005 BVerwG 2 WD 32.04 NZWehrr 2006, 127 = NVwZ 2006, 608) entgegen. Denn wegen einer im gesamten Tatzeitraum bestehenden erheblichen Alkoholkrankheit des Soldaten mit damit zusammenhängendem Kontrollverlust über die Trinkmenge , die der Senat mit Hilfe des oben erwähnten Sachverständigengutachtens sowie der dazu erläuternden nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen festgestellt hat, liegt hier im Tatzeitraum ein Fall der nicht selbstverschuldeten Trunkenheit vor. Erst im Zuge einer vom Soldaten selbst initiierten Entwöhnungstherapie in einem Bundeswehrkrankenhaus von Februar bis April 2003 trat diesbezüglich eine deutliche Besserung ein, die in der „Entlassungsdiagnose: Alkoholkrankheit, während der Behandlung abstinent…“ zum Ausdruck kommt.

Das Vorliegen einer Alkoholkrankheit im jeweiligen Tatzeitraum stellt zugleich einen Milderungsgrund in den Umständen der Tat dar (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2003 BVerwG 2 WD 10.03 DokBer 2004, 193 = Blutalkohol 42, 179 (2005)). Sie ist als eine sonstige außergewöhnliche Besonderheit zu werten, die ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten des Soldaten nach den Umständen des Einzelfalles nicht mehr erwarten ließ und nicht vorausgesetzt werden konnte (Urteil vom 28. Oktober 2003 a.a.O.).

…

Zugunsten des Soldaten ist das Fehlen einer hinreichenden Dienstaufsicht zu berücksichtigen. Obwohl der damalige Kompaniechef des Soldaten sowohl von dessen exzessiven Trinkgewohnheiten als auch von dessen Gepflogenheit, Untergebene anzufassen und sie mit obszönen Worten anzureden, Kenntnis hatte, unternahm er nichts dagegen. Insoweit trifft ihn ein gewisses Maß an Mitverschulden, das sich für den Soldaten tatmildernd auswirkt (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2002 BVerwG 2 WD 14.02 Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127). …

Prof. Dr. Widmaier Dr. Frentz Dr. Deiseroth
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