Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Text des Beschlusses
2 BvR 957/05;
Verkündet am: 
 22.06.2006
BVerfG Bundesverfassungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Erfordernis vorheriger Erprobungszeiten bei anderem Gericht für Beförderung zum OLG-Richter verstößt, obwohl belastend, nicht gegen die richterliche Unabhängigkeit
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde



des Herrn N…

gegen
a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2005 - RiZ(R) 2/04 -,
b) den Beschluss des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm vom 19. Januar 2004 - 1 DGH 2/03 OLG Hamm,
c) das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Düsseldorf vom 12. November 2002 - DG 4/2002 -,
d) die Überbeurteilung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. April 2002


hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau


gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 22. Juni 2006 einstimmig beschlossen:


Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.


Gründe:


I.

1

Der Beschwerdeführer, ein Richter am Landgericht, rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit durch eine Überbeurteilung des Präsidenten des Oberlandesgerichts. Dieser konnte die Eignung für das angestrebte Amt eines Richters am Oberlandesgericht nicht feststellen, weil der Beschwerdeführer beim Oberlandesgericht nicht erprobt worden sei. Eine solche Erprobung ist nach der Allgemeinverfügung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (AV) vom 19. Januar 1972 (2010-I B. 61, JMBl NW S. 37) vorgeschrieben.

Widerspruch und Klage des Beschwerdeführers hiergegen blieben ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof wies eine vom Beschwerdeführer eingelegte Revision mit Urteil vom 16. März 2005 zurück. Die persönliche Unabhängigkeit werde nicht beeinträchtigt, da die Abordnung der Zustimmung des Richters bedürfe. Ob die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften Ausnahmen vom Erfordernis der Erprobung in Härtefällen zuließen, unterliege der den Verwaltungsgerichten obliegenden allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle.

II.

2

Mit seiner am 28. Mai 2005 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 33 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 2 GG.

3

1. Das Erfordernis einer Erprobung beim Oberlandesgericht beeinträchtige ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit.

Die Erprobung setze ihn einer psychischen Einflussnahme aus. Es bestünden Zweifel an einem wirksamen Einverständnis zu einer Erprobung, weil die formale Zustimmung des zu erprobenden Richters mittelbar - durch die Aussicht auf Beförderung - erzwungen werden könne. Verweigere nämlich der Richter die Zustimmung zu seiner Erprobung, so sei er zugleich gezwungen, auf die Möglichkeit einer Beförderung zu verzichten. Nicht alle Bundesländer forderten eine Erprobung. Zudem sei eine gesetzliche Regelung zwingend erforderlich.

4

2. Eine Verletzung seines Rechts auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt liege darin, dass die Justizverwaltung durch das Erfordernis der Erprobung einem Bewerber abfordere, auf die Ausübung seines Rechts auf Unabhängigkeit zu verzichten.

III.

5

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl.BVerfGE 90, 22 <24 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.

6

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG behauptet, weil die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften keine Ausnahme von dem Erfordernis der Erprobung für bestimmte Härtefälle zuließen. Insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung (vgl. hierzu BVerfGK 3, 207), wonach die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle den Verwaltungsgerichten obliege.

7

2. Die Abordnung an ein Oberlandesgericht zur Erprobung eines Richters auf Lebenszeit für das Beförderungsamt eines Richters am Oberlandesgericht verstößt nicht gegen Art. 97 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 5 GG.

Zwar verbietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsgarantie der richterlichen Unabhängigkeit jede vermeidbare auch mittelbare, subtile und psychologische Einflussnahme der Exekutive auf die Rechtsstellung des Richters (vgl.BVerfGE 12, 81 <88>; 26, 79 <93>; 55, 372 <389> ).

Die Durchführung einer Erprobung eines Lebenszeitrichters ist jedoch mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar.

Auch wenn sich der Richter in einer Erprobung besonderen Herausforderungen stellt, um das angestrebte Beförderungsamt zu erreichen, so liegt doch in der Erprobung als solcher noch keine Verletzung seiner Unabhängigkeit. In seinen Entscheidungsentwürfen und seiner richterlichen Tätigkeit innerhalb des Kollegialorgans ist er weisungsfrei. Von ihm ist gerade beim Erstreben eines Beförderungsamtes zu erwarten, dass er sich sachwidrigen Beeinflussungsversuchen widersetzt und seine richterlichen Entscheidungen nicht vom angestrebten Ziel - der Beförderung - abhängig macht. Eine sachgerechte Beurteilung des zur Erprobung an das Oberlandesgericht abgeordneten Richters wird gerade auch diesen Aspekt, dass der Richter selbst seine persönliche und sachliche Unabhängigkeit wahrt, positiv hervorheben.

Die Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden oder Beurteilungsgrundlagen für ein richterliches Beförderungsamt zu schaffen, erlaubt deshalb die Heranziehung auch solcher Richter an ein Gericht, die nicht planmäßige Richter dieses Gerichts sind (vgl.BVerfGE 4, 331 <345> ; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1996 - 1 BvR 1551/95 -, DtZ 1996, S. 175 f.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 1997 - 2 BvR 2269/93 -, NJW 1998, S. 1053).

Das Verfassungsprinzip der persönlichen Unabhängigkeit der Richter und der Rechtsprechungsorgane gebietet es, die Zahl der Hilfsrichter, die zur Erprobung beim Obergericht eingesetzt werden, so klein wie möglich zu halten und ihren Anteil an der Zahl aller Richter eines Gerichtszweigs nicht über das dringend gebotene Maß hinaus anwachsen zu lassen. Zwingende Gründe für den Einsatz von nicht planmäßig beim Obergericht angestellten Richtern liegen aber nach der Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte zur Eignungserprobung abgeordnet werden (vgl.BVerfGE 14, 156 <164> ; Beschluss des Dreierausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 25. November 1970 - 2 BvR 679/70 -, DRiZ 1971, S. 27; siehe auch BGHZ 95, 22 <26>).

8

Weil die Personalhoheit nach Art. 98 GG den Ländern zusteht, können diese auch die Beförderungsvoraussetzungen unterschiedlich regeln. Ein Gleichheitsverstoß liegt hierin jedenfalls nicht. Da es zu einer längerfristigen Erprobungsabordnung auch der Zustimmung des jeweiligen Richters bedarf, bestehen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts nicht.

9

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

10

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Hassemer Di Fabio Landau
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
       URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS ÜBER UNS IMPRESSUM