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Text des Beschlusses
1 BvR 2622/05;
Verkündet am: 
 13.06.2006
BVerfG Bundesverfassungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Abweisung einer Verfügungsklage des Beschwerdeführers auf Unterlassung einer Wort- und Bildberichterstattung.
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde



des A...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Grund Grund Hüllenkremer Räuchle, Goethestraße 61, 79100 Freiburg -

gegen

a) das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 18. November 2005 - 14 U 169/05 -,

b) das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 19. Juli 2005 - 14 O 199/05 -


hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Präsidenten Papier,

desgerichtshof in einer von dem Beschwerdeführer auch in das Ausgangsverfahren eingeführten Entscheidung (BGH, VI ZR 244/85 vom 10. März 1987, veröffentlicht in NJW 1987, S. 2667) missbilligt. Verkannt hätten die Gerichte ferner auch, dass von der Berichterstattung über Einzelheiten der Beziehung zu seiner Partnerin kein ausreichend gewichtiger Beitrag zu einer öffentlichen Diskussion von Fragen allgemeinen Interesses im Sinne der zur Auslegung von Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ausgehe und deshalb hier die Schutzpflicht der Mitgliedstaaten für die von Art. 8 EMRK gewährleistete Privatsphäre vorgehe.

II.

5

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist die Annahme zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig, weil der Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht beachtet worden ist.

6

1. Die angegriffenen Entscheidungen sind im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen. Der in diesem Verfahren zulässige Rechtsweg ist erschöpft, da das Rechtsmittel der Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgeschlossen ist.

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2. a) Dennoch hat der Beschwerdeführer den Grundsatz der Subsidiarität missachtet, da er den Rechtsweg in der Hauptsache nicht beschritten hat, obwohl er mit dem Vorbringen, er sei in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt, eine Rüge erhebt, die das Hauptsacheverfahren betrifft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert der Grundsatz der Subsidiarität im materiellen Sinne über die formelle Erschöpfung des Rechtsweges hinaus, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu verhindern. Daher ist auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl.BVerfGE 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71 f.> ). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn - wie vorliegend - mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl.BVerfGE 86, 15 <22>; 104, 65 <71 f.>).

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b) Die Voraussetzungen, unter denen vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden könnte, liegen nicht vor.

9

Ein Beschwerdeführer darf bei der Rüge von Grundrechtsverletzungen, die sich auf die Hauptsache beziehen, dann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, wenn dies für ihn unzumutbar ist, etwa weil die Durchführung des Verfahrens von vornherein und offensichtlich aussichtslos erscheinen muss (vgl.BVerfGE 70, 180 <186>; 86, 15 <22 f.> ), oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen und rechtlichen Klärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG sofort entscheiden kann (vgl.BVerfGE 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.> ). Beruht eine im Eilverfahren ergangene fachgerichtliche Entscheidung auf der Beurteilung schwieriger rechtlicher Fragen, die in der fachgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht höchstrichterlich entschieden sind, und bietet das Hauptsacheverfahren Möglichkeiten weiterer Klärung, so steht es der Zumutbarkeit einer Verweisung auf den Rechtsschutz in der Hauptsache nicht entgegen, dass bereits im Eilverfahren eine mehr als nur summarische Prüfung der für die Beurteilung maßgeblichen Rechtsfragen erfolgt ist (vgl.BVerfGE 104, 65 <71 f.>).

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Die Aussichtslosigkeit eines Hauptsacheverfahrens lässt sich nach diesem Maßstab nicht erkennen.

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aa) Der Beschwerdeführer rügt insbesondere, dass sich die Gerichte mit der von ihnen vorgenommenen Abwägung in Divergenz zu einer von ihm angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 1987, S. 2667) gesetzt hätten. Bei Durchführung eines Hauptsacheverfahrens erhielte der Beschwerdeführer Gelegenheit, dies zur Nachprüfung durch das Revisionsgericht zu stellen. Inwiefern dem Beschwerdeführer hier ein Zugang zur Revisionsinstanz auch im Hauptsacheverfahren verschlossen sein soll, ist dabei nicht erkennbar. Die für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 1 ZPO in § 26 Ziffer 8 EGZPO gesetzte Wertgrenze ist bereits durch den im Verfügungsverfahren festgesetzten Streitwert von € 250.000 deutlich überschritten.

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bb) Auch soweit der Beschwerdeführer rügt, die Fachgerichte hätten sich in unzureichender Weise mit der Gewährleistung des Art. 8 Abs. 1 der EMRK und hierzu einschlägiger Rechtsprechung des EGMR auseinander gesetzt, würde die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens weitere Klärung ermöglichen.

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Es ist zuvorderst Sache der Fachgerichte, als Bestandteil des Bundesrechts die Gewährleistungen der EMRK sowie eine für ihre Auslegung bedeutsame Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen (vgl.BVerfGE 111, 307 <316 f.> ). Die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens gäbe den Fachgerichten hier Gelegenheit, die Rechtsprechung des EGMR auch über die schon herangezogene Entscheidung vom 24. Juni 2004 (Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Bundesrepublik Deutschland) hinaus zu berücksichtigen. Gegebenenfalls könnte der Beschwerdeführer die hiermit verbundenen Fragen gleichfalls zur Nachprüfung durch das Revisionsgericht stellen.

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cc) Nicht ersichtlich ist schließlich, aus welchen anderen Gründen heraus dem Beschwerdeführer die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG unzumutbar sein soll. Auch der Beschwerdeführer hat nichts dafür geltend gemacht, dass er durch die Abweisung seiner Verfügungsklage in existenzieller Weise betroffen worden ist und ihm die Erhebung der Hauptsacheklage aus diesem Grund nicht zugemutet werden könnte.

15

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

16

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Papier Hohmann-Dennhardt Hoffmann-Riem
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