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Text des Beschlusses
BVerwG 1 WB 18.05;
Verkündet am: 
 01.09.2005
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Betreuungsurlaub; Elternzeit; Nutzen-Kosten-Relation; Pflege und Erziehung der Kinder; Erziehungsberechtigter; Gleichstellung; Studium; Ermessen; Urlaub.
Leitsatz des Gerichts:
1. Die in § 28 Abs. 2 SG getroffene Regelung, wonach Urlaub nur versagt werden darf, soweit und solange zwingende dienstliche Erfordernisse einer Urlaubserteilung entgegenstehen, gilt nur für die Gewährung von Erholungsurlaub, nicht jedoch von Betreuungsurlaub nach § 28 Abs. 5 SG oder von Elternzeit nach § 28 Abs. 7 SG.

2. Die Gewährung von Betreuungsurlaub steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stelle.

3. Die Regelungen über die Gewährung von Betreuungsurlaub und Elternzeit verstoßen weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 SG) noch gegen die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG.

4. Es ist ermessensfehlerfrei, Betreuungsurlaub mit der Begründung zu versagen, die aktuelle dienstliche Personalsituation sowie die anzustrebende Kosten-Nutzen-Relation zwischen der Dauer der tatsächlichen Dienstleistung und den Aufwendungen für das Studium ließen nur die Gewährung von Elternzeit zu.
Die verheiratete Antragstellerin, eine Soldatin auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von 16 Jahren im Range einer Stabsveterinärin, ist Mutter zweier Kinder im Alter von fünf und zwölf Jahren. Während der Zeit ihres Veterinärmedizin-Studiums von ca. sechs Jahren war sie vom Dienst in der Bundeswehr unter Fortzahlung der Bezüge beurlaubt worden. Auf entsprechende Anträge hin wurde ihr mehrfach Erziehungsurlaub (Elternzeit) nach § 28 Abs. 7 SG für insgesamt zwei Jahre und sieben Monate gewährt. Ihren nunmehr gestellten Antrag auf Gewährung von Betreuungsurlaub nach § 28 Abs. 5 SG lehnte das Personalamt der Bundeswehr (PersABw) mit der Begründung ab, der tatsächliche Verwendungszeitraum der Antragstellerin nach Abschluss ihrer Ausbildung stehe anderenfalls in keinen angemessenen Verhältnis zu den vom Dienstherrn in die Ausbildung investierten Kosten. Auf ihren hilfsweise gestellten Antrag wurde der Antragstellerin stattdessen Elternzeit gewährt. Ihr nach der durch den Bundesminister der Verteidigung (BMVg) erfolgten Ablehnung ihrer Beschwerde gestellter Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte beim Bundesverwaltungsgericht keinen Erfolg.


Gründe:


11118Es ist auch nicht erkennbar, dass die unterschiedlichen Regelungen zum Betreuungsurlaub (§ 28 Abs. 5 SG) einerseits und zur Elternzeit (§ 28 Abs. 7 SG) andererseits gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) oder gegen das verfassungsrechtliche Verbot einer Benachteiligung wegen des Geschlechts (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) verstoßen. Die Regelungen gelten unmittelbar sowohl für Soldaten als auch für Soldatinnen. Es fehlt an jedem Anhaltspunkt dafür, dass etwa Soldatinnen auf Grund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als Soldaten erfahren (unmittelbare Diskriminierung) oder dass eine mittelbare Diskriminierung von Soldatinnen vorliegt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Soldatinnen in besonderer Weise gegenüber Soldaten benachteiligen. Gegenteiliges hat auch die anwaltlich vertretene Antragstellerin nicht vorgetragen.

21219Die von der Antragstellerin geltend gemachten Verstöße gegen ihre Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG liegen ebenfalls nicht vor. Es trifft nicht zu, dass die Gewährung von Elternzeit (§ 28 Abs. 7 SG) an Stelle von Betreuungsurlaub (§ 28 Abs. 5 SG) die Antragstellerin in ihrem durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht in verfassungswidriger Weise verletzt, über die Pflege und Erziehung ihrer Kinder und insbesondere darüber selbst zu entscheiden, in welchem Ausmaß und mit welcher Intensität sie sich selbst der Pflege und Erziehung widmen will. Denn die genannten Regelungen sehen gerade vor, dass eine Soldatin oder ein Soldat für die Betreuung eines minderjährigen Kindes jedenfalls Elternzeit beanspruchen kann und damit unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge (mit Ausnahme der truppenärztlichen Versorgung) zur Erfüllung familienbedingter Aufgaben beurlaubt wird. Es fehlt an jedem Anhaltspunkt dafür, dass der Dienstherr bei Soldatinnen oder Soldaten auf Zeit durch Art. 6 Abs. 2 GG verpflichtet wird, im Falle der Gewährung von Elternzeit nach Maßgabe des § 28 Abs. 7 SG von den sich aus § 40 Abs. 4 SG ergebenden Konsequenzen für die Dauer der Dienstzeit Abstand zu nehmen oder die beantragte familienbedingte Beurlaubung ausschließlich durch Bewilligung von Betreuungsurlaub unter Absehung der in § 28 Abs. 5 SG und in den Vorschriften der EltZSoldV normierten Voraussetzungen zu gewähren. Da bei Bewilligung von Elternzeit nach § 28 Abs. 7 SG der jeweilige Soldat oder die jeweilige Soldatin beurlaubt wird und damit frei von den Belastungen des Dienstes ihren Aufgaben der Pflege und Erziehung ihrer Kinder nachgehen kann, ist auch nicht erkennbar, dass die Kinder wie die Antragstellerin vortragen lässt unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 GG "entgegen dem Willen der Erziehungsberechtigten ... von der Familie getrennt werden". Dafür fehlt es an jedem Anhaltspunkt.

31320Darüber hinaus verstößt eine nach § 28 Abs. 5 SG erfolgende Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Betreuungsurlaub auch nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 1 GG, weil eine Soldatin auf Zeit im Vergleich zu den Beamtinnen schlechter gestellt werde. Nach Maßgabe des § 72 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BBG besteht für Beamtinnen/Beamte ein Rechtsanspruch auf Betreuungsurlaub. Soldatinnen/Soldaten, die wie die Antragstellerin während der Dienstzeit auf Kosten des Dienstherrn ein Studium oder eine Fachausbildung von mehr als sechs Monaten absolviert haben, wird zwar Betreuungsurlaub nur unter den in § 28 Abs. 5 SG normierten Voraussetzungen im Ermessenswege ("kann") gewährt. Hierin liegt jedoch keine mit den genannten Verfassungsbestimmungen unzulässige Benachteiligung.

41421Mit den Regelungen über den Betreuungsurlaub (§ 28 Abs. 5 SG) und die Elternzeit (§ 28 Abs. 7 SG i.V.m. den Vorschriften der EltZSoldV hat der Gesetzgeber ersichtlich den aus seiner Sicht bestehenden Besonderheiten der militärischen Organisationsstruktur, der militärischen Personalführung und des militärischen Dienstes Rechnung getragen, die Abweichungen von den für den zivilen Bereich geltenden Regelungen des Bundesgleichstellungsgesetzes und von anderen Regelungen für den öffentlichen Dienst (z.B. von § 72 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BBG) erfordern (vgl. dazu auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines SDGleiG ). Sinn und Zweck der in § 40 Abs. 4 SG getroffenen Regelung über die Verlängerung der Dienstzeit im Falle der Bewilligung von Elternzeit ist, "dass eine vom Dienstherrn finanzierte Ausbildung einer Soldatin oder eines Soldaten sich auch für die Streitkräfte auszahlt, d.h. nutzbar sein muss. Soldaten und Soldatinnen wird eine kostspielige und zeitaufwändige Ausbildung nur insoweit gewährt, als die nach der Ausbildung verbleibende Dienstzeit die Kosten der Ausbildung rechtfertigt. Diese Zwecksetzung ist geradezu geboten, da anderenfalls Steuergelder für Ausbildungszwecke eingesetzt würden, die dem Gemeinwohl nicht mehr zu Gute kämen" (so ausdrücklich die amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines SDGleiG, ). Die Zielsetzung des Gesetzes ist ersichtlich darauf gerichtet, im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge die Verfügbarkeit der Soldatinnen und Soldaten zu sichern und dem Dienstherrn mit der entsprechenden Dienstzeitverlängerung einen Verlust an vorfinanzierter Fachkompetenz zu ersparen, um insoweit nicht die Einsatzbereitschaft der Truppe negativ zu beeinflussen (so ausdrücklich auch die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der §§ 30 a, 30 b und 40 SG, BTDrucks 15/3918 S. 27, 28). Die damit vom Gesetz im Hinblick auf die Eigenart des militärischen Dienstes vorgenommene Differenzierung steht der von der Antragstellerin verlangten voraussetzungslosen Gleichstellung von Soldaten/Soldatinnen und Beamten/Beamtinnen bei der Gewährung des Betreuungsurlaubs und von Elternzeit entgegen (ebenso Beschluss vom 10. März 2005 BVerwG 1 WB 42.04 ).

51522b) Die Gründe, mit denen das PersABw und der BMVg unter Heranziehung der genannten Kriterien im Ermessenswege die Gewährung des Betreuungsurlaubes nach § 28 Abs. 5 SG abgelehnt haben, weisen Ermessensfehler nicht auf.

61623In den angefochtenen Bescheiden sowie in der Senatsvorlage des BMVg PSZ I 7 ist im Einzelnen dargelegt, dass derzeit im Bereich der Sanitätsoffiziere mit der Approbation Veterinärmedizin von den insgesamt 51 Dienstposten der Vergütungsgruppe A 14/A 13 langfristig acht Dienstposten nicht mit qualifizierten SanStOffz Veterinär besetzt werden können. Seit dem Beginn ihrer Beurlaubung wegen Elternzeit kann der Dienstposten der Antragstellerin wegen des bundesweit bestehenden Defizits an SanStOffz Veterinär nur durch zeitlich befristete Zukommandierungen anderer SanStOffz Veterinär aus anderen Standorten unter Inkaufnahme von Vakanzen in diesen Dienststellen qualifiziert besetzt werden. Nach dem derzeitigen von der Antragstellerin nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Sachstand müssen seit dem 1. Januar 2005 die Aufgaben ihres Dienstpostens im Beurlaubungszeitraum von einer anderen SanStOffz Veterinär, die auf einem A 15-wertigen Dienstposten verwendet wird, mit übernommen werden. Wegen der nur geringen Zahl an Dienstposten wirkt sich die derzeitige Nichtbesetzung des Dienstpostens der Antragstellerin nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des BMVg nachhaltig und spürbar auf die Aufgabenerfüllung der Veterinärmedizin Trinkwasseruntersuchung Bereich Ost aus. Dieser personelle Engpass wird nach den auch insoweit nicht in Zweifel gezogenen Darlegungen des BMVg bis zum Ende der der Antragstellerin gewährten Elternzeit fortbestehen. Aufgrund der gemäß § 40 Abs. 4 SG eintretenden Verlängerung der Dienstzeit und der damit verbundenen Nachdienverpflichtung der Antragstellerin wird der Dienstherr angesichts der nach dem weiteren unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des BMVg auch danach weiterhin zu erwartenden angespannten Personallage die Antragstellerin als SanStOffz Veterinär jedenfalls im Anschluss an die Elternzeit noch für einen angemessenen Zeitraum einsetzen und verwenden können. Im Falle der Gewährung von Betreuungsurlaub wäre dies insoweit nicht der Fall.

71724Auch die vom PersABw und vom BMVg ermittelte und herangezogene Kosten-Nutzen-Relation zwischen dem tatsächlichen Verwendungszeitraum der Antragstellerin als SanStOffz Veterinär und den Zeiten ihrer Ausbildung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die veterinärmedizinische Ausbildung der Antragstellerin dauerte von Anfang April 1993 bis Anfang März 1999. Im Falle der Gewährung des von ihr beantragten Betreuungsurlaubs von zirka zwei Jahren hätte die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Zeit ihrer veterinärmedizinischen Ausbildung (von zirka sechs Jahren) und der bisher schon wahrgenommenen Elternzeit (von zirka zwei Jahren und sieben Monaten) seit ihrem Dienstantritt als Soldatin auf Zeit, die sich zur Dienstleistung für 16 Jahre verpflichtet hatte, bis zum 1. September 2006 während der bis dahin verstrichenen Dienstzeit (von 13 Jahren und acht Monaten) insgesamt lediglich etwa drei Jahre und einen Monat als SanStOffz Veterinärin Dienst geleistet. Nach dem 1. September 2006 stünden dann noch zirka weitere fünf Jahre bis zum Ende der (um die bis zum 2. September 2004 wahrgenommene Elternzeit verlängerten) Dienstzeit am 8. August 2011 zur Dienstleistung in dieser Funktion zur Verfügung. Damit würde der Dauer ihrer veterinärmedizinischen Ausbildung (von sechs Jahren) lediglich ein tatsächlicher Verwendungszeitraum der Antragstellerin von zirka acht Jahren als SanStOffz Veterinär gegenüber stehen.

81825Die angesichts dessen vom PersABw und vom BMVg in den angefochtenen Bescheiden getroffene Ermessensentscheidung im Rahmen des § 28 Abs. 5 SG orientiert sich an der vom BMVg im Wege der Selbstbindung in Abschnitt II Nr. 2 (3) Satz 2 der "Richtlinien für die Einstellung, Aus- und Weiterbildung der Sanitätsoffizier-Anwärter und Sanitätsoffiziere" BMVg InSan II 3 Az 16-05-13 vom 3. März 1997 getroffenen Regelung, wonach bei Sanitätsoffizieren im Status eines Soldaten auf Zeit ein „ausgewogenes Verhältnis“ zwischen Ausbildungs- und Nutzungszeiten sicherzustellen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Regelung mit höherrangigem Recht nicht in Einklang stünde. Denn sie konkretisiert bei Soldatinnen und Soldaten auf Zeit in nachvollziehbarer Weise im Hinblick auf die beantragte Gewährung von Betreuungsurlaub die vom Gesetzgeber aus den oben dargelegten Gründen in verfassungsmäßiger Weise für eine Entscheidung nach § 28 Abs. 5 SG herangezogene „Nutzen-Kosten-Relation“ zwischen der Dauer der tatsächlichen Dienstleistung und der Dauer (und damit auch der Höhe der Aufwendungen) für ein Studium oder eine Fachausbildung. Dass das PersABw und der BMVg in Umsetzung dieser im Wege der Selbstbindung getroffenen Ermessensvorgabe in der von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren angefochtenen Ablehnungsentscheidung eine ausgewogene "Nutzen-Kosten-Relation" bei einer Soldatin und einem Soldaten mit einer Dienstzeit von 16 Jahren nur dann als gegeben ansehen, wenn (bei einem Verhältnis von "Ausbildung" und "Nutzung" von eins zu zwei) nach Abschluss der Ausbildung eine tatsächliche Dienstzeit von mindestens zehn Jahren erreicht wird, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insofern haben das PersABw und der BMVg die gesetzlichen und verfassungsmäßigen Grenzen des ihnen eingeräumten Ermessens nicht überschritten und von diesem auch nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Es ist nicht Sache des Wehrdienstsenats, diese von der zuständigen Stelle getroffene Ermessensentscheidung durch eine anderweitige eigene zu ersetzen.
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