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Text des Beschlusses
BVerwG 9 B 42.04;
Verkündet am: 
 25.05.2005
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Beschluss - Kurz
In der Verwaltungsstreitsache


hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 25. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und Dr. Nolte

beschlossen:

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-fahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe:


Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die Divergenzrüge der Beigeladenen, mit der sie geltend macht, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weiche, soweit es um die Anordnung eines Entscheidungs-vorbehalts über ergänzende Erschütterungsschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem "Bypass Oberrhein" geht, von zwei Entscheidungen des Bundesverwal-tungsgerichts ab (Urteil vom 1. Juli 1988 BVerwG 4 C 49.86 Buchholz 407.4
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§ 17 FStrG Nr. 76 und Beschluss vom 11. November 1996 BVerwG 11 B 65.96 Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 5), greift nicht durch. Sie erfüllt bereits nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zu-lassungsgrundes stellt. Danach ist eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich be-stimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz be-nennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines obersten Bundes-gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwen-dung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 BVerwG 7 B 261.97 Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 m.w.N.). Einen solchen abweichenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs be-nennt die Beschwerde jedoch nicht. Sie macht lediglich geltend, zwischen der Ver-kehrszunahme im Zusammenhang mit der Errichtung eines etwaigen "Bypass Ober-rhein", die den Verwaltungsgerichtshof zur Anordnung eines Entscheidungsvorbe-halts veranlasst habe, und dem planfestgestellten Vorhaben und seinen Auswirkun-gen bestehe nicht der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gefor-derte "Kausalzusammenhang". Vielmehr sei die Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts, wonach die Verkehrslärmschutzverordnung keine Schutzansprüche für die Eigentümer solcher Grundstücke begründe, die nicht von dem auf einer neu-en Eisenbahn-Zweigstrecke entstehenden Lärm betroffen werden, sondern lediglich von der Verkehrs- und Lärmzunahme, die auf der Stammstrecke infolge des Neu-baus eintrete, auf den hier zu beurteilenden Fall "uneingeschränkt übertragbar". Da-mit zeigt die Beschwerde aber lediglich eine vermeintlich fehlerhafte oder unter-bliebene Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts auf, die die Zulassung der Revision nicht begründen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).

Unabhängig hiervon ist eine Abweichung des Verwaltungsgerichtshofs von den ge-nannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht erkennbar. Der von der Beschwerde hervorgehobene "Kausalzusammenhang" bezieht sich nach der zitierten Rechtsprechung ausschließlich darauf, dass es für die Berechnung des nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV maßgeblichen Beurteilungspegels allein auf den von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärm ankommt. Deswegen wird Lärm, der nicht gerade auf der zu bauenden oder zu än-dernden Strecke entsteht, nicht berücksichtigt. Daraus folgt, dass Grundstückseigen-tümern Ansprüche nach der 16. BImSchV nicht zustehen, wenn ihre Grundstücke nicht von dem von einer planfestgestellten Aus- oder Neubaustrecke ausgehenden Lärm betroffen werden, sondern lediglich von der Verkehrs- und Lärmzunahme, die infolge des Vorhabens an anderen Teilen des Streckennetzes auftritt. Dagegen kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, in die Ermittlung von Immissionen dürf-ten nicht diejenigen Einwirkungen prognostisch einbezogen werden, die sich auf der planfestzustellenden Aus- oder Neubaustrecke erst aufgrund von baulichen Maß-nahmen an anderen Strecken ergeben. Denn auch diese Einwirkungen "entstehen" im maßgeblichen Prognosezeitpunkt auf der planfestzustellenden Aus- oder Neu-baustrecke und wirken auf die Grundstücke der dortigen Anlieger ein unabhängig davon, welche weiteren Gründe für ihr Auftreten verantwortlich sein mögen. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgegangen.
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2. Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wirft die Be-schwerde folgende Frage auf:
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Muss die Planfeststellungsbehörde dem Vorhabenträger bei der geplanten Er-weiterung einer Eisenbahn-Stammstrecke im Planfeststellungsbeschluss Schutzvorkehrungen (ggf. im Wege eines Vorbehalts gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG) bezüglich Schall- und Erschütterungswirkungen auferlegen, die daraus resultieren (können), dass es bahninterne, politisch jedoch noch nicht im Rah-men der Bundesverkehrswegeplanung umgesetzte Langfristplanungen für den künftigen Bau einer Eisenbahn-Zweigstrecke gibt, die ihrerseits zu einer Ver-kehrszunahme auf der Stammstrecke führen kann?
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Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht ohnehin höchstrichterlich geklärt ist, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
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Unter welchen Voraussetzungen die Bewältigung nachteiliger Wirkungen durch ein Planvorhaben gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG einer späteren abschließenden Prüfung und Entscheidung vorbehalten bleiben kann, ist in der Rechtsprechung des Bundes-verwaltungsgerichts geklärt. Danach muss sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte die konkrete Möglichkeit abzeichnen, dass nachteilige Wirkungen in absehbarer Zeit eintreten werden, ihr Ausmaß sich jedoch noch nicht abschätzen lässt, sodass sie mangels hinreichender Zuverlässigkeit der Voraussagen ihres Eintretens noch kei-nen Anlass zu Anordnungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG geben, sich aber auch nicht dem Bereich nicht voraussehbarer Wirkungen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG zuordnen lassen (BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 BVerwG 11 C 2.00 Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 55 S. 17 ff.). Ob auch "bahninterne, poli-tisch jedoch noch nicht im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung umgesetzte Langfristplanungen" diese Anforderungen erfüllen können, hängt danach von der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung und dem hierfür erforderlichen Zeitraum ab und lässt sich deswegen nicht von vornherein verneinen.
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Von diesen Grundsätzen ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Ob er sie zu-treffend angewandt hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die auch im Blick auf die hier-für erforderlichen tatsächlichen Feststellungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen kann.
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Grundsätzliche Bedeutung gewinnt die aufgeworfene Frage auch nicht dadurch, dass sich die "bahninternen" Planungen nicht unmittelbar auf die hier in Rede ste-hende Bahnstrecke beziehen, sondern auf den Neubau einer weiteren Strecke ("By-pass Oberrhein"), der eine Verkehrszunahme auf der jetzt planfestgestellten Strecke bewirken kann. Die Beschwerde meint offenbar, dass dieser Zusatzverkehr bei der Ermittlung der Erschütterungseinwirkungen mangels Kausalzusammenhangs zwi-schen Vorhaben und Beeinträchtigung nicht berücksichtigt werden dürfe. Damit ist zunächst keine spezielle Frage des § 74 Abs. 3 VwVfG aufgeworfen, sondern eine solche nach dem Regelungsumfang von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Denn der er-wähnte Kausalzusammenhang muss auch im Falle einer Schutzvorkehrung nach dieser Vorschrift gegeben sein. Insoweit ist allerdings in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. aufgrund des erwähnten Beschlusses vom 11. November 1996 (a.a.O.) geklärt, dass es für den Kausalzusammenhang aus-reicht, wenn die Einwirkung auf dem planfestgestellten Abschnitt "entsteht". Ob be-stimmte Verkehrsmengen erst aufgrund weiterer baulicher Maßnahmen an anderen Streckenteilen zu erwarten sind, ist hierfür ohne Bedeutung und kann insbesondere nicht zum Anlass genommen werden, diese Verkehrsmengen aus dem prognostizier-ten Beurteilungspegel "herauszurechnen".
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Die Beschwerde scheint hierin allerdings einen Wertungswiderspruch zu dem im Be-schluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 1996 (a.a.O.) entschie-denen Fall zu sehen, wenn sie meint, die Grundsätze dieser Entscheidung müssten auf den vorliegenden Fall "übertragen" werden. Dabei geht die Beschwerde jedoch von der unzutreffenden Annahme aus, dass Veränderungen an anderen Stellen des Schienennetzes für die Anordnung von Schutzvorkehrungen grundsätzlich irrelevant seien und deswegen auch bei der Prognose zukünftiger nachteiliger Wirkungen plan-festgestellter Vorhaben von vornherein nicht einzubeziehen seien. Denn dass Anlie-gern an einer anderen als der planfestgestellten Strecke wegen der bei ihnen zu-nehmenden Einwirkungen keine im Rahmen der Planfeststellung zu berücksichti-genden Schutzansprüche gewährt werden, schließt Ansprüche dieser Anlieger auf den früheren Planfeststellungsbeschluss ihrer Strecke ergänzende Schutzvorkeh-rungen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht aus, wenn die Prognose, die diesem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag, wegen einer bei Erstellung der Verkehrs-prognose nicht vorhersehbaren und deswegen außer Ansatz gebliebenen weiteren Baumaßnahme fehlschlägt (vgl. zu den Anforderungen etwa BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1998 BVerwG 11 A 44.97 Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 24 S. 75). Deswegen ist es nicht widersprüchlich, sondern folgerichtig, dass bereits vor-hersehbare Entwicklungen im Streckennetz, die sich auf die Verkehrsmenge der planfestgestellten Strecke auswirken, von vornherein bei der Verkehrsprognose be-rücksichtigt und im Planfeststellungsbeschluss bewältigt werden müssen.
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3. Die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO greift ebenfalls nicht durch. Die Beigeladene macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklä-rungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verletzt, dass er nicht aufgeklärt habe, ob die in der "strategischen Gesamtplanung Basel" genannte, den zusätzlichen Ver-kehr durch den "Bypass Oberrhein" einbeziehende Belegung von 718 Zügen auf der planfestgestellten Strecke überhaupt möglich sei. Da die im vorinstanzlichen Verfah-ren anwaltlich vertretene Beigeladene dort keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, kann die Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichtshofs nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann verletzt sein, wenn sich eine weitere Ermittlung durch die Vorinstanz aufgedrängt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.
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Die gegenteilige Auffassung der Beschwerde trifft schon deswegen nicht zu, weil sie auf einer Annahme beruht, die mit den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsäch-lichen Feststellungen nicht in Einklang steht. Der Verwaltungsgerichtshof ist gerade nicht von einer zukünftigen Belegung der planfestgestellten Strecke mit 718 Zügen ausgegangen, sondern hat ausdrücklich festgestellt, dass sichere, konkret belastba-re Zugzahlen im Zusammenhang mit der Bypass-Lösung fehlen. Hiergegen hat die Beschwerde keine Verfahrensrüge erhoben. Auf dieser Grundlage wäre die weitere Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, es werde auf der planfestgestellten Strecke zu Bypass-bedingtem zusätzlichem Verkehr und hierdurch zu verstärkten Immissio-nen kommen, nur zu beanstanden, wenn jeder Bypass-bedingte Zusatzverkehr auf der planfestgestellten Strecke tatsächlich ausgeschlossen wäre. Das macht die Bei-geladene aber nicht geltend. Dass möglicherweise nicht der gesamte denkbare Zu-satzverkehr ohne bauliche Erweiterung der planfestgestellten Strecke aufgenommen werden kann, steht einer auch von der Beigeladenen nicht infrage gestellten zu-mindest teilweisen Verlagerung des Bypass-bedingten Verkehrs auf die planfestge-stellte Strecke und mithin der Anordnung eines Entscheidungsvorbehalts ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass sich aufgrund etwaiger Bypass-bedingter baulicher Erweiterungen der planfestgestellten Strecke möglicherweise selbständige Schutzansprüche nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zugunsten der Klägerin ergeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Streitwertfestset-zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Dr. Storost Prof. Dr. Rubel Dr. Nolte
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