Text des Urteils
BVerwG 2 WD 33.02;
Verkündet am:
13.02.2003
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
Rechtskräftig: unbekannt!
A - Urteil - Lang - Leits.
Leitsatz des Gerichts:
Zur Maßnahmebemessung bei Verletzung von Sicherheitsbestimmungen (Nichtanlegen von Gehörschutz) und wiederholter ehrverletzender Behandlung Untergebener durch einen vorgesetzten Soldaten in der Dienststellung eines Ausbildungsfeldwebels und Gruppenführers sowie mangelnder Dienstaufsicht durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten.
BVerwG, Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 13. Februar 2003
- BVerwG 2 WD 33.02 -Truppendienstgericht Süd
Der frühere Soldat, ein Oberfeldwebel der Reserve, behandelte während seiner Kommandierung zur Heeresunteroffizierschule (HUS) als Ausbildungsfeldwebel und Gruppenführer wiederholt insbesondere einen bestimmten Lehrgangsteilnehmer seiner Gruppe in ehrverletzender Weise. Außerdem unterließ er es als der für die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen verantwortliche Soldat, gegenüber seinen Gruppenangehörigen anzuordnen, dass diese während einer Übung, bei der Darstellungsmunition zur Explosion gebracht wurde, Gehörschutz anlegten. Eine wirksame Dienstaufsicht über den früheren Soldaten in seiner Dienststellung als Ausbildungsfeldwebel und Gruppenführer an der Heeresunteroffizierschule hatte nicht stattgefunden.
Die Truppendienstkammer fand den früheren Soldaten eines Dienstvergehens schuldig und setzte ihn in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers herab. Auf die Berufung des früheren Soldaten setzte der Senat ihn in den Dienstgrad eines Feldwebels der Reserve herab.
Gründe:
Eine unwürdige, demütigende oder ehrverletzende Behandlung Untergebener ist für einen Soldaten in Vorgesetztenstellung stets ein sehr ernst zu nehmendes Fehlverhalten; sie verstößt gegen die Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland und gegen die Prinzipien der Inneren Führung der Bundeswehr. Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dieses Gebot gilt auch für die Streitkräfte als Teil der Exekutive und bedarf im militärischen Bereich mit seiner streng hierarchischen Gliederung sogar besonderer Beachtung. Welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Schutz Untergebener beimisst, ergibt sich aus der Tatsache, dass die entwürdigende Behandlung Untergebener mit Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 31 WStG). Ein Vorgesetzter, der Untergebene entwürdigend behandelt, begeht nicht nur eine Wehrstraftat, sondern auch eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung (vgl. Urteile vom 2. Juli 1987 BVerwG 2 WD 19.87 , vom 6. Mai 1992 BVerwG 2 WD 49.91 , vom 21. Juli 1993 BVerwG 2 WD 13.93 , vom 28. Januar 1999 BVerwG 2 WD 17.98 , vom 19. Juli 2000 BVerwG 2 WD 6.00 und vom 17. Oktober 2000 BVerwG 2 WD 12.00, 13.00 ).
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Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) gehört zu den vornehmsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das Gefühl haben müssen, dass sie vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet, sondern in ihrer Personenwürde geachtet und mit menschlicher Rücksichtnahme behandelt werden. Die Kameradschaftspflicht ist nicht minder wichtig; denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft (§ 12 Satz 1 SG). Die dienstlichen Aufgaben erfordern im Frieden und in noch höherem Maße im Verteidigungsfall gegenseitiges Vertrauen und das Bewusstsein, sich bedingungslos aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe (vgl. Urteile vom 23. November 1989 BVerwG 2 WD 50.86 , vom 18. Juli 1995 - BVerwG 2 WD 32.94 - und vom 10. November 1998 BVerwG 2 WD 4.98 ). Ein derartiges Fehlverhalten gegenüber Kameraden hat nichts mit militärisch notwendiger Härte oder mit Kameradschaft zu tun, sondern zerstört die Autorität des Vorgesetzten, das gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen (vgl. Urteil vom 2. Juli 1987 BVerwG 2 WD 19.87 ).
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Jeder "Spaß" endet dort, wo er die Würde, Ehre oder körperliche Unversehrtheit eines Kameraden beeinträchtigt. Nur auf Überzeugung und Vertrauen baut der Gehorsam auf, dessen die Bundeswehr im Allgemeinen bzw. ein Vorgesetzter innerhalb des militärischen Gefüges im Besonderen bedarf.
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Die Truppe kann weder ohne das Prinzip von Befehl und Gehorsam noch ohne Disziplin bestehen, die sowohl auf der Autorität der Vorgesetzten als auch auf dem Gehorsam der Untergebenen beruht. Wer Disziplin fordert und für ihre Einhaltung verantwortlich ist, hat zuallererst Selbstdisziplin zu üben, da Gehorsam das Vertrauen der Untergebenen voraussetzt. Ein Vorgesetzter im Dienstgrad eines Oberfeldwebels und in der Dienststellung eines Ausbildungsfeldwebels und Gruppenführers, der in seinen Äußerungen die notwendige Zurückhaltung gegenüber seinen Untergebenen vermissen lässt und wiederholt deren unantastbare Würde und Ehre verletzt, missachtet damit das Gebot zur Wahrung der Disziplin in den Streitkräften und stört deren Funktionsfähigkeit.
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Pflichtverletzungen der vorliegenden Art sind daher dem militärischen Zusammenhalt und der Funktionsfähigkeit der Truppe in hohem Maße abträglich und werden von der Öffentlichkeit regelmäßig mit Befremden zur Kenntnis genommen. Dies gilt auch für einen Vorgesetzten, der entgegen der Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG seine Dienstpflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung im Dienst aufs Spiel setzt und gegebenenfalls verletzt.
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Ein Portepee-Unteroffizier, der einen Untergebenen entwürdigt, demütigt oder ihm in vorwerfbarer Weise, insbesondere böswillig, den Dienst erschwert, disqualifiziert sich in seiner Vorgesetztenstellung, auch wenn für den Betroffenen daraus keine unmittelbare gesundheitliche Beeinträchtigung resultiert.
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Als Vorgesetzter lässt er nämlich dabei die von ihm nach § 10 Abs. 1 SG geforderte beispielhafte Haltung und Pflichterfüllung außer acht und verstößt gegen die Grundregeln der Menschenführung in der Bundeswehr.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat in Fällen einer entwürdigenden oder demütigenden Behandlung von Untergebenen auch aus generalpräventiven Gründen eine "reinigende Maßnahme" Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu sein (vgl. Urteile vom 12. Juli 1990 BVerwG 2 WD 4.90 , vom 12. Juni 1991 BVerwG 2 WD 53, 54.90 , vom 20. August 1991 BVerwG 2 WD 14.91 , vom 18. März 1997 BVerwG 2 WD 29.95 m.w.N. und vom 19. Juli 2000 BVerwG 2 WD 6.00 ). Die erforderliche und angemessene Maßnahmeart ist in derartigen Fällen eines Fehlverhaltens zu Lasten Untergebener je nach seiner Eigenart, Schwere und seinen Auswirkungen regelmäßig die Herabsetzung im Dienstgrad. Soweit es sich um das Versagen eines Soldaten auf Zeit in Vorgesetztenstellung handelt, ist regelmäßig die Herabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad in Betracht zu ziehen, und soweit es sich um einen Berufssoldaten handelt, kann seine Disqualifikation als Vorgesetzter unter Umständen zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis führen. Wie der Senat wiederholt hervorgehoben hat, bedarf es in diesen Fällen erheblicher Milderungsgründe, um die Dienstgradherabsetzung lediglich auf einen Dienstgrad zu beschränken oder um von ihr überhaupt absehen zu können (vgl. Urteile vom 20. August 1991 BVerwG 2 WD 14.91 . vom 18. März 1997 BVerwG 2 WD 29.95 m.w.N. und vom 19. Juli 2000 BVerwG 2 WD 6.00 ). Denn das Gebot, die Würde, die Ehre und die Rechte von Kameraden zu achten, ist nicht um des einzelnen Soldaten willen in das Soldatengesetz aufgenommen worden, sondern soll Handlungsweisen verhindern, die objektiv geeignet sind, den militärischen Zusammenhalt und mithin das gegenseitige Vertrauen sowie die Bereitschaft zum gegenseitigen Einstehen zu gefährden (vgl. Urteile vom 20. Mai 1981 BVerwG 2 WD 9.80 , vom 20. August 1991 BVerwG 2 WD 14.91 , vom 18. März 1997 BVerwG 2 WD 29.95 und vom 19. Juli 2000 BVerwG 2 WD 6.00 ).
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Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 9. Februar 1993 BVerwG 2 WD 24.92 und vom 28. Januar 1999 BVerwG 2 WD 17.98 ) ist es unerheblich, welche Absichten der Soldat mit einem den Betroffenen demütigenden Fehlverhalten verfolgt oder ob ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen im konkreten Einzelfall insgesamt glimpflich ausgegangen ist; denn Verstößen gegen die Fürsorge- und Kameradschaftspflicht darf nicht dadurch Vorschub geleistet werden, dass die disziplinare Maßregelung von deren Ausgang abhängig gemacht wird. …
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Hiernach liegt der Schwerpunkt des Dienstvergehens außer der wegen der Gefährdung der Gesundheit der Gruppenangehörigen angeschuldigten gravierenden Verletzung der Sicherheitsbestimmungen - in der Äußerung gegenüber dem Zeugen H. "Was haben Deine Eltern sich dabei gedacht, als sie Dich großgezogen haben?", dem Befehl gegenüber dem Zeugen H. zur Ausführung von "Klappmessern", dem Befehl an die Gruppe zum Antreten im großen Dienstanzug, dem Befehl von "sit up's" an den Zeugen H. nach der Nachtausbildung am 13. Oktober 1998 und dem Ziehen am Ohrläppchen des Zeugen H.. Insbesondere durch die Äußerung über seine Eltern fühlte sich der Zeuge H., wie er in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt hat, in seinem "Selbstwertgefühl" verletzt und diskriminiert, weil sie nicht nur gegen ihn persönlich, sondern auch gegen seine Eltern gerichtet gewesen sei. Für ihn sei die Äußerung eine persönliche Entwertung und Beleidigung seiner Eltern gewesen und ein eklatanter Verstoß gegen die Grundsätze der Menschenführung in der Bundeswehr. Wie sehr sich der Zeuge H. durch die Bemerkung getroffen fühlte, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen He., der den Zeugen H. nach diesen Worten "als völlig perplex" und "für einige Minuten sprachlos" erlebte. Auch der Zeuge K. hat in diesem Zusammenhang bekundet, er habe die "Demütigung" des Zeugen H. nachvollziehen können. Was die Anordnung der "Klappmesser Übung" anbelangt, die nicht nur dem Zeugen H., sondern auch anderen Gruppenangehörigen fremd war und die nicht Bestandteil des Physical-Fitness-Test (PFT) ist, ist auch dieses Fehlverhalten des früheren Soldaten nicht als geringfügig zu bewerten. Denn die Übung musste vor den Kameraden ausgeführt werden, was demütigend war. Der Zeuge K. hat glaubhaft vor dem Senat ausgesagt, in seinen Augen sei der Zeuge H. mit dieser Übung "bestraft" worden, denn zuvor habe der frühere Soldat noch erklärt: "Jetzt zeige ich mal, wie man mit solchen Kaspern umgeht." Der Befehl zum Antreten im großen Dienstanzug war ebenfalls schikanös und damit keine Bagatelle. Dies gilt auch für den Befehl zur Ausführung von "sit up's" nach der Nachtausbildung am 13. Oktober 1998, die der Zeuge H. zu Recht als "Schikane" empfand und die unmittelbar danach vom Zeugen L. im Hinblick auf "den Ort, die Zeit und die Art und Weise", wie der frühere Soldat den Zeugen die "sit up's" ausführen ließ, mit Kritik bedacht wurde. Das Ziehen am Ohrläppchen des Zeugen H. stellte einen Verstoß gegen den allgemein bekannten militärischen Grundsatz dar, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen ohne deren Einwilligung nicht anfassen darf (Urteil vom 12. November 1998 BVerwG 2 WD 12.98 m.w.N.).
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Zu Lasten des früheren Soldaten fallen nicht nur die Auswirkungen der von ihm begangenen Verfehlungen ins Gewicht, sondern auch das Maß seiner Schuld. Dies gilt vor allem für sein vorsätzliches Fehlverhalten. Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen war er sich nicht darüber im Zweifel, dass er grundlegende soldatische Pflichten und Grundsätze der Inneren Führung in der Bundeswehr wissentlich und mit Wollen verletzte.
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Taterschwerend ist zu berücksichtigen, dass der frühere Soldat den Zeugen H., den er, wie es der Zeuge K. vor dem Senat formulierte, auf dem "Kieker" hatte, wiederholt als Zielscheibe seines herabwürdigenden Verhaltens ausgesucht hat.
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Taterschwerend fällt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 10. Juli 1996 BVerwG 2 WD 5.96 und vom 23. April 1997 BVerwG 2 WD 42.96 ) ferner ins Gewicht, dass das dem früheren Soldaten vorgeworfene Fehlverhalten zur Ablösung von seiner Dienststellung als Ausbildungsfeldwebel und Gruppenführer an der HUS führte und damit nachteilige Auswirkungen auf die Personalplanung und -führung verursachte.
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Schließlich wirkt sich zu Lasten des früheren Soldaten aus, dass er seine Verfehlungen in seiner Dienststellung als Portepeeunteroffizier beging. Je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt, umso mehr Achtung und Vertrauen genießt er, umso größer sind daher die Anforderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein zu stellen sind, und umso schwerer wiegen demgemäß Pflichtverletzungen, die er sich zuschulden kommen lässt (stRspr.: Urteil vom 2. Juli 1987 BVerwG 2 WD 19.87 m.w.N.).
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Milderungsgründe in der Tat liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann vor, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Umständen gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Hierunter fallen u.a. die unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten (vgl. Urteile vom 9. März 1995 – 2 WD 1.95 m.w.N., vom 24. Januar 1996 2 WD 26.95 und vom 18. März 1997 2 WD 29.95 sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1986 BVerwG 2 WD 30.86 , vom 14. November 1996 – BVerwG 2 WD 31.96 und vom 1. September 1997 BVerwG 2 WD 13.97 ) bzw. eine außergewöhnliche situationsbedingte Erschwernis der Erfüllung des Auftrags (Urteile vom 28. Januar 1999 BVerwG 2 WD 17.98 ).
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Die Voraussetzungen für das Vorliegen solcher Milderungsgründe sind nicht erfüllt. …
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Andererseits musste sich zu Gunsten des früheren Soldaten tatmildernd auswirken, dass eine wirksame Kontrolle bzw. Dienstaufsicht durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten, Major N., nicht stattgefunden hat. Mangelnde Dienstaufsicht kann als Ursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme dann mildernd berücksichtigt werden, wenn Kontrollmaßnahmen durch Vorgesetzte aufgrund besonderer Umstände unerlässlich waren und pflichtwidrig unterlassen wurden. In einem solchen Fall kann dem Soldaten eine Minderung der Eigenverantwortung zugebilligt werden (vgl. Urteile vom 19. September 1985 BVerwG 2 WD 63.84 und vom 21. Mai 1996 BVerwG 2 WD 22.95 ). Hier ist dem Disziplinarvorgesetzten des früheren Soldaten ersichtlich ein dienstaufsichtliches Versäumnis vorzuwerfen. Dieser wusste durch Hauptmann J. von der einschlägigen disziplinaren Vorverfehlung des früheren Soldaten vor dessen Versetzung zur HUS, nämlich der Verhängung einer Disziplinarbuße in Höhe von 600 DM durch seinen früheren Chef vom 9. Juli 1998 wegen Beleidigung und Bedrohung von Untergebenen, also ca. drei Monate vor Beginn der Tätigkeit des früheren Soldaten als Ausbildungsfeldwebel und Gruppenführer an der HUS. Er hatte ferner den früheren Soldaten bereits vor dessen Dienstantritt an der HUS während eines Springerlehrganges in A. kennen gelernt. Er wusste des Weiteren, dass der frühere Soldat kurzfristig in einem ganz anderen Umfeld als dem seiner Truppengattung eingesetzt wurde, außerdem war ihm bekannt, dass der frühere Soldat an dem speziellen an der HUS angebotenen Lehrgang "Ausbildung der Ausbilder", der auch eine eintägige Schulung über die Grundsätze der Inneren Führung enthält, vor Beginn seiner Gruppenausbildung nicht teilnahm, der frühere Soldat also in mehrfacher Hinsicht, wie Major N. selbst es vor dem Senat ausgedrückt hat, ins "Kalte Wasser geworfen wurde".
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Angesichts dieses Wissens über die Persönlichkeit, die bisherige Führung und Ausbildung des früheren Soldaten hätte der Disziplinarvorgesetzte, jedenfalls als ihm der Klassenleiter, der Zeuge L., schon in der ersten Oktoberwoche 1998 bereits zwei bzw. drei Vorfälle gemeldet hatte, es nicht dabei belassen dürfen, dass weiterhin der Zeuge L. mit dem früheren Soldaten lediglich das Gespräch suchte, sondern hätte Anlass gehabt, unverzüglich im Rahmen seiner Dienstaufsicht selbst einzuschreiten, entsprechende Ermittlungen aufzunehmen und den früheren Soldaten auf Mängel in seiner Ausbildung hinzuweisen und ggf. im Rahmen seiner Disziplinarbefugnis tätig zu werden. Es konnte ihn deshalb nicht entlasten, wenn er in diesem Zusammenhang vor dem Senat von "Problemen der ersten Tage, die bei der Zuversetzung eines neuen Ausbilders nicht ungewöhnlich seien", gesprochen hat. Der Disziplinarvorgesetzte ist erst nach dem letzten Vorfall vom 14. Oktober 1998 eingeschritten, nachdem der Zeuge L. zu ihm gekommen war und erklärt hatte, es müsse jetzt "etwas passieren", sonst werde er, der Zeuge L., zum Schulkommandeur gehen und ihn über die Vorfälle informieren. Zu diesem Zeitpunkt sah der Disziplinarvorgesetzte nunmehr aber angesichts der "wiederholten Dienstpflichtverletzungen eines Ausbilders", wie er dem Senat erläutert hat, seine Disziplinarbefugnis als nicht mehr ausreichend an und gab die Sache an den Schulkommandeur ab. Hätte der Disziplinarvorgesetzte bereits in der ersten Oktoberwoche die gebotene Dienstaufsicht wirksam ausgeübt, hätten die weiteren Verfehlungen des früheren Soldaten unterbunden werden können. Darüber hinaus ist aber auch nicht nachvollziehbar, dass der Disziplinarvorgesetzte, als er am 13. Oktober 1998 selbst die Lehrgangsteilnehmer im großen Dienstanzug durch die Kaserne laufen sah, nicht jetzt sofort Ermittlungen aufnahm, sondern zuwartete, bis der Zeuge L. ihn aufsuchte und ihm eine ganze Reihe von Vorfällen meldete. Auch wenn durch die mangelnde Dienstaufsicht nicht die Eigenverantwortung des früheren Soldaten für sein Fehlverhalten in Frage gestellt wird, hätte jedoch bei rechtzeitigem und nachdrücklichem Einschreiten des Disziplinarvorgesetzten die eingetretene Häufung und Eskalation nach Überzeugung des Senats vermieden werden können. …
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Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände des Falls, insbesondere im Hinblick auf die tatmildernden Gesichtspunkte und die Milderungsgründe in der Person des früheren Soldaten, hielt es der Senat für noch vertretbar, die Dienstgradherabsetzung auf einen Dienstgrad zu beschränken.
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Prof. Dr. Pietzner Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth
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