Sondertitel zu
§
101
VwGO Verwaltungsgerichtsordnung:
Autor:
,
Sondertitel zu
§
141
VwGO Verwaltungsgerichtsordnung:
Autor:
,
Text des Urteils
BVerwG 5 C 29.01;
Verkündet am:
14.11.2002
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
Vorinstanzen:
OVG 2 A 1300/98
Oberverwaltungsgericht
Münster;
Rechtskräftig: unbekannt!
A - Urteil - Lang - Leits.
Leitsatz des Gerichts:
Als Vermittlungsperson für die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache im Sinne eines Bestätigungsmerkmals gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG F. 2001 kommen auch nicht deutsche Familienangehörige in Betracht, die des Deutschen mächtig sind. Entscheidend für das Vorliegen dieses Bestätigungsmerkmals ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG die Fähigkeit, aufgrund dieser Vermittlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen.
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 14. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt , Dr. Rothkegel , Dr. Franke
und Prof. Dr. Berlit
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Juli 2000 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft die Frage, ob nur deutsche Volkszugehörige Sprachvermittlungspersonen im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG sein können.
1
Der im Jahre 1929 im Dorf Rosenberg im Bezirk Tiflis in Georgien geborene Kläger zu 1 ist Sohn eines deutschen Volkszugehörigen und einer georgischen Mutter; sein im Jahre 1882 geborener Vater, der in Rosenberg Deutschlehrer war, ist 1935 verstorben. Die Ehefrau des Klägers, die Klägerin zu 2, ist griechische Volkszugehörige; die in den Jahren 1964 und 1972 geborenen Kläger zu 3 und 4 sind ihre gemeinsamen Kinder.
2
In dem am 22. Dezember 1992 beim Bundesverwaltungsamt eingegangenen Aufnahmeantrag ist für den Kläger zu 1 angegeben, er sei deutscher Volkszugehörigkeit, seine Muttersprache sei Georgisch, die jetzige Umgangssprache in der Familie Georgisch, Russisch. Er könne Deutsch schreiben; in der Familie werde von ihm deutsch gesprochen. Ein im Jahre 1992 ausgestellter Inlandspass weist den Kläger zu 1 mit deutscher Nationalität aus; der Kläger teilte jedoch schriftlich mit, dass er sich bei Ausstellung seines ersten Inlandspasses im Jahre 1945 mit georgischer Nationalität habe eintragen lassen. Er habe diesen Eintrag gewählt, um nicht deportiert zu werden. Im Jahre 1955 habe er den Geburtsnamen seiner Mutter angenommen, um Nachteile im Beruf und für ihn als Sportler abzuwenden. Den Namen seines Vaters habe er im Jahre 1991 wieder angenommen.
3
Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag ab. Der Kläger sei kein deutscher Volkszugehöriger. Weder sei ihm das Bestätigungsmerkmal der deutschen Sprache vermittelt worden, noch habe er sich zum deutschen Volkstum erklärt, da er bei der erstmaligen Ausstellung seines Inlandspasses die nichtdeutsche Nationalität nach seiner Mutter habe eintragen lassen und von den Behörden als georgischer Volkszugehöriger geführt worden sei. Die Änderung der Nationalität im Jahre 1992 sei als zielgerichtetes Verhalten im Hinblick auf die beabsichtigte Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland zu werten (Bescheid vom 26. November 1993).
4
Die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1995) erhobene Klage, mit welcher der Kläger zu 1 die Erteilung eines Aufnahmebescheides, die Kläger zu 2 und 3 ihre Einbeziehung und die Klägerin zu 4 einen Aufnahmebescheid, hilfsweise ihre Einbeziehung als Abkömmling in den Aufnahmebescheid des Klägers zu 1 begehrten, hatte in erster Instanz Erfolg, soweit die Erteilung eines Aufnahmebescheides an den Kläger zu 1 und die Einbeziehung der Kläger zu 2 bis 4 begehrt war. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger zu 1 sei deutscher Volkszugehöriger, da ihm das bestätigende Merkmal der deutschen Sprache von Verwandten vermittelt worden sei. Nach den Unterlagen und insbesondere aufgrund der Anhörung der Klägerin zu 4 in der mündlichen Verhandlung habe das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger zu 1 das bestätigende Merkmal der deutschen Sprache in hinreichendem Umfang vermittelt worden sei. Er sei in einer deutschsprachigen Umgebung aufgewachsen und habe die deutsche Sprache nicht nur von seinem 1935 verstorbenen Vater erlernt, sondern auch von seiner nach den glaubhaften Angaben der Klägerin zu 4 der deutschen Sprache mächtigen Mutter. Der Kontakt zu den deutschen Verwandten seines Vaters sei nach dessen Tod nicht abgerissen. Der Kläger habe danach zum Zeitpunkt seiner Selbständigkeit über ausreichend deutsche Sprachkenntnisse verfügt, die er noch im Rahmen seiner Schulausbildung habe ergänzen können; diese Sprachkenntnisse habe er nach Angaben der Klägerin zu 4, die fließend deutsch spreche, auch nicht verloren, vielmehr habe er auch der Klägerin zu 4 die deutsche Sprache (in beschränktem Umfang) vermittelt. Das Gericht gehe daher auch davon aus, dass er auch zum Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebiets über hinreichende deutsche Sprachkenntnisse verfüge. Ob der Kläger bei Ausstellung seines ersten Inlandspasses im Jahre 1945 ein Gegenbekenntnis zum georgischen Volkstum abgegeben und ob die Passeintragung seinem (freien) Willen entsprochen habe, könne dahinstehen, denn er habe mit seiner Entscheidung für die deutsche Nationalität bei Neuausstellung seines Inlandspasses im Jahre 1992 eine ernsthafte Erklärung zum deutschen Volkstum abgegeben, hinter der auch das innere Bewusstsein stehe, ausschließlich dem deutschen Volk anzugehören. Einen Bewusstseinswandel habe der Kläger 1945 nach Ausstellung seines ersten Inlandspasses nicht durchgemacht, vielmehr diese Erklärung unter dem Eindruck der damaligen Vertreibungsmaßnahmen abgegeben. Sein Bewusstsein, dem deutschen Volk als national geprägter Kulturgemeinschaft anzugehören, sei auch danach nicht gänzlich untergegangen. Der Hauptantrag der Klägerin zu 4 auf Erteilung eines (eigenen) Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, denn ihr Anspruch auf Aufnahme werde durch die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG vollständig erfüllt.
5
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klagen auf die Berufung der Beklagten vollständig abgewiesen; die Berufung der Klägerin zu 4 hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
6
Nach neuem Recht maßgeblich sei das Bundesvertriebenengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 habe der Kläger zu 1 keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides, da er die Voraussetzungen als Spätaussiedler zumindest in Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG nicht erfülle. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm das bestätigende Merkmal der Sprache in der erforderlichen Weise vermittelt worden sei. Der Senat gehe davon aus, dass der Kläger zu 1 sowohl bei Abschluss des Prägungszeitraumes im Alter von etwa 16 Jahren als auch heute noch die deutsche Sprache gesprochen habe und spreche, so dass dem Beweisantrag zu seinem Sprachverhalten seit 1949 nicht nachzugehen gewesen sei. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass die deutsche Sprache ihm in der als Bestätigungsmerkmal erforderlichen Weise durch die Eltern, einen Elternteil oder andere Verwandte bis zur Selbständigkeit vermittelt worden sei. Von seiner Geburt im Jahre 1929 bis zum Tode seines Vaters im Jahre 1935 habe er von diesem die deutsche Sprache erlernt. Zwar sei Deutsch nicht die einzige Sprache in der Familie gewesen, aber selbst wenn zu Lebzeiten des Vaters eine solche Dominanz der deutsche Sprache in der Familie unterstellt werde, dass der Kläger sie bis zum Tode des Vaters wie eine Muttersprache erlernt hätte, seien dadurch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG nicht erfüllt, denn vom Tod des Vaters im Jahre 1935 bis zur Selbständigkeit des Klägers im Jahre 1945 könne eine Vermittlung des Deutschen als Muttersprache oder bevorzugte Umgangssprache im Sinne eines Bestätigungsmerkmals nicht mehr festgestellt werden. In diesem Zeitraum habe der Kläger von kurzfristigen Besuchen deutschsprechender Verwandter des Vaters abgesehen lediglich mit seiner georgischen Mutter zusammengelebt. Dass er in dieser Zeit mit seiner Mutter neben Georgisch und Russisch auch Deutsch gesprochen haben möge, wofür seine in den vierziger Jahren und heute noch vorhandenen Deutschkenntnisse sprächen, sei rechtlich unerheblich, denn eine Vermittlung von Bestätigungsmerkmalen durch Eltern oder andere Verwandte gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG setze grundsätzlich voraus, dass diese selbst deutsche Volkszugehörige seien. Die deutsche Sprache könne nur dann Bestätigungsmerkmal für eine deutsche Volkszugehörigkeit sein, wenn bei dem Vermittelnden regelmäßig das Bewusstsein bestehe, Angehöriger des deutschen Volkes zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören, so dass der Heranwachsende sich damit identifizieren und sich in dieser Weise diese Bekenntnislage aneignen könne. Eine solche Bewusstseinsbildung könne schwerlich durch einen nichtdeutschen, sondern grundsätzlich nur durch einen volksdeutschen Elternteil, Verwandten oder in atypischen Fällen eine andere volksdeutsche Bezugsperson erfolgen. Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter des Klägers zu 1 das deutsche Volkstum des Vaters in einer solchen Weise übernommen hätte, dass sie sich als deutsche Volkszugehörige gefühlt hätte, seien nicht vorgetragen oder ersichtlich; vielmehr sei die Mutter des Klägers zu 1 von den Klägern stets als georgische Volkszugehörige bezeichnet worden, die neben anderen Fremdsprachen auch Deutsch gesprochen habe. Auch sei der Kläger zu 1 nach dem Tod seines Vaters nicht in einer rein deutschen, sondern in einer im Wesentlichen georgischen Umgebung aufgewachsen, da er mit seiner Mutter spätestens Anfang 1937, vor seiner Einschulung, nach Tiflis zu den georgischen Verwandten der Mutter übergesiedelt sei. In dieser im Wesentlichen nichtdeutschen Umgebung habe er eine Schule mit georgischer Unterrichtssprache besucht, in der Deutsch später als Fremdsprache unterrichtet worden sei. Es seien deshalb zumindest seit 1937 nicht einmal in seinem näheren Umfeld Personen deutscher Volkszugehörigkeit vorhanden gewesen, die ihm das deutsche Volkstum hätten vermitteln können.
7
Da dem Kläger zu 1 mangels deutscher Volkszugehörigkeit ein Aufnahmebescheid nicht zu erteilen sei, komme eine Einbeziehung seiner Ehefrau und Kinder nicht in Betracht. Die seit 1998 mit einem Deutschen verheiratete Klägerin zu 4 habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides aus eigenem Recht. Sie erfülle nicht die Voraussetzungen als Spätaussiedlerin, da sie nicht deutsche Volkszugehörige sei. Sie stamme nach den vorangegangenen Darlegungen nicht von einem deutschen Volkszugehörigen ab, und das Bestätigungsmerkmal der deutschen Sprache sei ihr nicht von einem deutschen Volkszugehörigen vermittelt worden.
8
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und für die Klägerin zu 4 Nr. 1 BVFG (F. 1993), dessen Wortlaut eine Beschränkung der Abstammung lediglich auf die Eltern nicht vorsehe.
9
II.
Die Revision der Kläger, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, soweit es die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache als den gesetzlichen Erfordernissen nicht genügend ansieht, wenn die Vermittlungsperson für den Kläger zu 1 die Mutter bzw. für die Klägerin zu 4 der Vater nicht selbst deutsche Volkszugehörige ist. Hinsichtlich des von der Vorinstanz offen gelassenen Vorliegens der Bekenntnisvoraussetzungen auf Seiten des Klägers zu 1 besteht weiterer Aufklärungsbedarf. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und mangels Entscheidungsreife zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
10
Das Berufungsgericht ist bei der Beurteilung des von den Klägern geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 bzw. Einbeziehung in einen solchen nach § 27 Abs. 1 Satz 2 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) von der im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Fassung der § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 BVFG (Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 ) ausgegangen. Das entspricht inzwischen nicht mehr dem geltenden Recht; denn seit dem 7. September 2001 gilt § 6 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Gesetzes zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetz SpStatG) vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266). Diese erst nach Ergehen der Berufungsentscheidung eingetretene Gesetzesänderung ist im Revisionsverfahren zu berücksichtigen; denn für die Entscheidung über die Revision ist die Rechtslage maßgeblich, die das Berufungsgericht zugrunde zu legen hätte, wenn es zu diesem Zeitpunkt entschiede. Zwischenzeitliche Rechtsänderungen sind vom Revisionsgericht demgemäß in dem Umfang zu berücksichtigen, in dem sie das Berufungsgericht zu berücksichtigen hätte (vgl. Urteil vom 12. März 2002 BVerwG 5 C 2.01 Urteilsabdruck S. 4 f. m.w.N.; die Entscheidung ist zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).
11
Das Erfordernis der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG) ist für den im Jahre 1929 geborenen Kläger zu 1 nach den Feststellungen der Vorinstanz mit der Abstammung von dem deutschen Volkszugehörigen J. L. U. erfüllt.
12
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Vermittlung der deutschen Sprache durch die Mutter des Klägers zu 1 mit der Begründung als den gesetzlichen Erfordernissen nicht genügend angesehen, eine Vermittlung von Bestätigungsmerkmalen durch die Eltern, einen Elternteil oder andere Verwandte gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG F. 1993 (jetzt: "familiäre Vermittlung", § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG) setze grundsätzlich voraus, dass die Vermittlungsperson selbst deutsche Volkszugehörige sei.
13
Die jetzt geltende Fassung des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG, welche statt der in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG F. 1993 vorgesehenen Vermittlung bestätigender Merkmale wie Sprache, Erziehung, Kultur durch "die Eltern, ein(en) Elternteil oder andere Verwandte" eine "familiäre Vermittlung der deutschen Sprache" verlangt, dürfte für die Bestimmung des als Sprachvermittlungspersonen in Betracht kommenden Personenkreises keine Änderung gegenüber der früheren Fassung bedeuten. Ein Ausschluss von Familienmitgliedern und sogar von Elternteilen, die nicht selbst deutsche Volkszugehörige sind, als rechtlich in Betracht kommender Vermittlungspersonen und damit ihre Gleichstellung mit außerhalb der Familie stehenden Vermittlungspersonen wie etwa Sprachlehrern ist dem Gesetzeswortlaut der Neufassung ebenso wenig zu entnehmen wie der bis zum 7. September 2001 geltenden Fassung des § 6 Abs. 2 BVFG.
14
Soweit die Vorinstanz zur Begründung ihrer Rechtsauffassung, nur ein volksdeutscher Elternteil könne die deutsche Sprache als Bestätigungsmerkmal vermitteln, auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus den Jahren 1986 bis 1992 verweist, wonach ein deutsches Volkstumsbewusstsein in dem Sinne, Angehöriger des deutschen Volkes zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören, grundsätzlich nur durch einen volksdeutschen Elternteil, Verwandten oder in atypischen Fällen eine andere volksdeutsche Bezugsperson vermittelt werden könne (Urteil vom 2. Dezember 1986 BVerwG 9 C 6.86 ; Urteil vom 15. Mai 1990 BVerwG 9 C 51.89 ; Beschluss vom 15. September 1992 BVerwG 9 B 18.92 ), hat das Bundesverwaltungsgericht für die im zweitinstanzlichen Entscheidungszeitpunkt geltende Gesetzesfassung (Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993) in seinen Urteilen vom 19. Oktober 2000 (BVerwG 5 C 44.99 u.a.) festgestellt, dass es nicht zulässig sei, § 6 Abs. 2 BVFG F. 1993 unter weitgehendem Rückgriff auf die Auslegung des § 6 BVFG a.F. (vor der Änderung durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl I S. 2094) auszulegen. Diese Feststellung gilt, was den Begriff der familiären Sprachvermittlung betrifft, auch mit Blick auf die Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG durch das Spätaussiedlerstatusgesetz.
15
Ein Ausschluss von Familienmitgliedern, die selbst nicht deutsche Volkszugehörige sind, als rechtlich relevante Sprachvermittlungspersonen ergibt sich für die jetzt geltende Gesetzesfassung insbesondere nicht aus der nunmehr ausdrücklich im Gesetzestext verankerten Funktion der Sprachvermittlung, das Bekenntnis zum deutschen Volkstum oder die rechtliche Zuordnung zur deutschen Nationalität zu bestätigen. Das Bewusstsein, Angehöriger des deutschen Volkes zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören, kann als eigenes Bewusstsein des Bekennenden an seine Abstammung hier: von einem deutschen Vater und die Identifikation mit dieser Abstammung auch dann anknüpfen, wenn das Bestätigungsmerkmal der Sprache maßgeblich von dem nicht deutschen Elternteil vermittelt worden ist. Ein deutsches Volkstumsbewusstsein bei einem Kind oder Jugendlichen kann auch von einem nicht volksdeutschen Elternteil im Sinne der Respektierung der kulturellen Identität und eines kulturellen Vermächtnisses des verstorbenen anderen Elternteils gefördert und gepflegt werden, sofern die familiären Beziehungen sich nicht als kultureller Kampf um die Dominanz des jeweiligen Volkstums der Elternteile darstellen oder so verstanden werden. Auch die von der Vorinstanz angeführte ältere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die als Grundlage der Zurechnung eines vermittelten Bekenntniszusammenhanges "unter atypischen Umständen" (Tod beider Elternteile) eine Vermittlung deutschen Volkstumsbewusstseins sogar durch außerhalb der Familie stehende Bezugspersonen nicht grundsätzlich ausschloss, diese bei nicht deutschen Bezugspersonen allerdings als "schwerlich vorstellbar" ansah (Beschluss vom 15. September 1992 BVerwG 9 B 18.92 , a.a.O.), brachte mit eben dieser Formulierung zum Ausdruck, dass es sich bei der Feststellung einer Bewusstseinsvermittlung um ein Problem der Tatsachenfeststellung im Einzelfall handelte. Für die Bestätigung des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache (§ 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG) ist nunmehr erforderliche, dann aber auch hinreichende Voraussetzung, dass jemand "im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann" (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG).
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Von den als Wahrunterstellung zu verstehenden Feststellungen zum Sprachvermögen des Klägers zu 1 abgesehen, hat die Vorinstanz auf der Grundlage der für sie im damaligen Entscheidungszeitpunkt geltenden Gesetzesfassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger zu 1 wie die Neufassung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG durch das Spätaussiedlerstatusgesetz erfordert "sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete ... nur zum deutschen Volkstum bekannt" hat. Daran können Zweifel bestehen, weil der Kläger zu 1 sich nach eigenen Angaben im Jahre 1945 in seinem ersten Inlandspass mit georgischer Nationalität hat eintragen lassen und 1955 statt seines deutschen Vaternamens den georgischen Geburtsnamen der Mutter angenommen hat. Die diesen Vorgängen zugrunde liegenden Erklärungen des Klägers können, aber müssen nicht die Bedeutung eines Gegenbekenntnisses haben, dessen spätere Revidierung durch die Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG ausgeschlossen ist ("nur" zum deutschen Volkstum bekannt); sie könnten worauf die jetzigen Erläuterungen des Klägers zielen, er habe eine Deportation und berufliche Nachteile abwenden wollen nur unter den Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG unbeachtlich sein. Auch dazu fehlen Feststellungen.
17
Die danach notwendige Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung bezüglich des Anspruchs des Klägers zu 1 auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG bedingt die Aufhebung und Zurückverweisung auch für die Kläger zu 2 bis 4, soweit diese den Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides auf § 27 Abs. 1 Satz 2 (Einbeziehung des Ehegatten bzw. der Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid) stützen.
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Soweit die Klägerin zu 4 einen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides aus eigenem Recht nach § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVFG verfolgt, hat die Vorinstanz diesen ohne abschließende Überprüfung des Vorliegens aller übrigen rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere des § 6 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BVFG, mit der doppelten Begründung verneint, die Klägerin zu 4 stamme weder von einem deutschen Volkszugehörigen ab, noch sei ihr das Bestätigungsmerkmal der deutschen Sprache von einem deutschen Volkszugehörigen vermittelt worden. Sollte die Zurückverweisung bezüglich des Klägers zu 1 zu dem Ergebnis führen, dass dieser entgegen der Annahme der Vorinstanz doch deutscher Volkszugehöriger ist, wären beide Begründungen hinfällig. Schon dies nötigt zur Aufhebung und Zurückverweisung auch bezüglich des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin zu 4 aus § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVFG.
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Dr. Säcker Schmidt Dr. Rothkegel Dr. Franke Prof. Dr. Berlit
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