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Text des Urteils
8 AZR 600/02;
Verkündet am: 
 05.02.2004
BAG Bundesarbeitsgericht
 

Vorinstanzen:
1 Sa 551/01
Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein;
Rechtskräftig: unbekannt!
Urteil - Lang
Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15. März 2002 - 1 Sa 551/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Nachzahlung von Vergütung für den Zeitraum März 2000 bis März 2001 auf Grund der Eingruppierung des Klägers in die Tarifgruppe 7 des Manteltarifvertrages für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken.

Der am 10. Mai 1973 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 15. August 1995 als Bankkaufmann angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken (im Folgenden: Manteltarifvertrag) vom 18. April 1979 in der Fassung vom 28. Mai 1997 Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund einer Eigenkündigung des Klägers mit Wirkung zum 31. März 2001.

Die Beklagte setzte den Kläger zunächst in der Personalreserve ein, ab dem 4. Dezember 1995 als Kundenberater in der Geschäftsstelle "P" und ab 1997 als Kundenberater mit Sonderaufgaben in der neu eröffneten, größten Geschäftsstelle der Beklagten in Schleswig-Holstein "E". Es existiert eine Stellenbeschreibung für die Position des Klägers ab 1. August 1999. Der Kläger war als Kundenberater: Schwerpunkt Akquisition und Beratung eingesetzt. Ziel seiner Stelle war die Unterstützung des Vorgesetzten bei der Erreichung der geschäftspolitischen Ziele durch eine initiative, systematische, bedarfsgerechte und spartenübergreifende Kundenberatung und -betreuung.

Der Kläger übernahm weiter den Gruppenleiterposten für die Kundenberater (drei Mitarbeiter) der Geschäftsstelle und war ab April auch Gruppenleiter für die Mitarbeiter im Kundenservice. Er besuchte ein Seminar Kreditgeschäft, belegte mehrere Seminare für Kundenberatung (Seminarstufe I bis III) und erhielt auf Grund einer weiteren Fortbildung den Beratungspass III für Vermögensberatung. Ferner belegte der Kläger die Seminare Unfallversicherung und Krankenzusatzversicherung sowie eine Anwenderschulung für die Baufinanzierung. Bei der Beklagten existieren als Beratungsaufgabenbereiche das Kreditgeschäft, die Anlageberatung über bankeigene und bankfremde Produkte und das Verbundgeschäft mit einer Versicherung.

Die Beklagte gewährte dem Kläger ab 1. Juli 1996 eine Vergütung gemäß Tarifgruppe 5 des Manteltarifvertrages und ab 1. Juli 2000 eine Vergütung gemäß Tarifgruppe 6 des Manteltarifvertrages. Letzteres teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 2000 mit. Unter einer "Einverständniserklärung" unterzeichnete der Kläger ein Duplikat.

Der Kläger hat gemeint, er sei Kundenberater im Sinne des Beispielmerkmals zu Tarifgruppe 7 des Manteltarifvertrages und auch als solcher tätig gewesen. Nach dem Organigramm der Geschäftsstelle gebe es drei Mitarbeitergruppen, nämlich solche in der Kundenberatung, im Kundenservice und in der Kreditadministration und dementsprechend drei Gruppenleiter. Auch die Visitenkarten würden unterschiedlich für Kundenberater und den Kundenservice gedruckt. Die Beklagte unterscheide selbst zwischen Kundenberatern und den Kontoführern sowie den reinen Servicemitarbeitern, die nicht als Kundenberater bezeichnet würden. Servicemitarbeiter seien am Tresen eingesetzt. Er, der Kläger, und andere Kundenberater, befänden sich dagegen etwa 5 m weg vom Tresen jeweils an eigenen Schreibtischen. Der Kläger hat schließlich auf seine Bestellung zum "Kundenberater mit Sonderaufgaben" verwiesen und sich insoweit auf die Stellenbeschreibung vom 1. August 1999 bezogen. Die Geschäftsstellenleitung habe ihn mit internem Schreiben vom 14. Juli 1999 als "Kundenberater" mit Schwerpunkt Passivgeschäft und Verbundprodukte eingesetzt. Eine Vergütung nach Tarifgruppe 5 erhielten Kontoführer-Disponenten sowie Schalter-, dh. Serviceangestellte. Er berate die Kunden demgegenüber umfassend, individuell und spartenübergreifend in allen drei Bereichen Kredit-, Anlage- und Verbundgeschäft. Dabei habe er zugewiesene Kunden betreut.

Der Kläger hat für die einzelnen Monate bezifferte Zahlungsanträge gestellt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat zunächst gemeint, die Tarifgruppe 6 sei durch Unterzeichnung des Duplikats des Anschreibens vom 28. Juni 2000 einzelvertraglich vereinbart gewesen. Das sei möglich gewesen, da die Parteien nicht tarifgebunden gewesen seien. Doch auch wenn dies nicht gelte, sei der Kläger nicht als Kundenberater im Sinne des Tarifvertrages tätig gewesen. Maßgeblich für die Tätigkeit sei nicht die Bezeichnung, sondern allein der Inhalt der Tätigkeit. Nicht jeder, der Kundenkontakt habe, sei Kundenberater im Sinne des Tarifvertrages. Es bestehe kein fest gefügtes Berufsbild eines "Kundenberaters", sondern nur eine mit dem Betriebsrat vereinbarte Regelungsabrede, dass sämtliche Mitarbeiter mit Kundenkontakt, dh. sowohl die in der Kundenberatung als auch die im Kundenservice als "Kundenberater" bezeichnet würden. Die klassische Aufgabentrennung zwischen Schalterbeamten und Kundenberatern sei überholt, verbreitet seien heutzutage Mischarbeitsplätze. Es gebe nur zwei Mitarbeitergruppen, nämlich solche mit Kundenkontakt und solche ohne Kundenkontakt (back-office-Mitarbeiter). Auch Schalterangestellte und Kontoführer fielen unter die hausinterne Bezeichnung "Kundenberater". Damit sollten sie nur gegenüber dem Kunden aufgewertet werden. Auch zu dem Tatbestandsmerkmal der Tarifgruppe 5 und 6 gehöre die Kundenberatung, ohne dass diese Mitarbeiter "Kundenberater" im tariflichen Sinne seien. Die "Kundenberater" im Servicebereich seien zunächst nur in Tarifgruppe 3 mit Aufstiegsmöglichkeit in Tarifgruppe 4 eingruppiert. Überdies sei sogar schon in Tarifgruppe 6 eine abschließende Beratung für bestimmte Sparten nötig. Es seien deshalb die Tätigkeiten des Klägers in konkreter Hinsicht zu überprüfen und zu verlangen, dass die allgemeinen Eingruppierungskriterien erfüllt seien. Die Tarifgruppe 7 setze allgemein umfassende Kenntnisse, überwiegend eigene Entscheidungen und ein entsprechendes Maß an Verantwortung voraus. Der Kläger habe diese allgemeinen Merkmale nicht erfüllt. Sein Vorbringen hierzu sei für alle Bereiche unsubstantiiert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Zahlungsansprüche teilweise, nämlich hinsichtlich der Vergütung nach Tarifgruppe 7 und hinsichtlich eines Zeugnisberichtigungsanspruches überwiegend stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich der Zahlungsklage vollständig und hinsichtlich des Zeugnisses überwiegend zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10. Oktober 2002 die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich des Zahlungsbegehrens des Klägers weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Beträge, da er in die Tarifgruppe 7 des Manteltarifvertrages eingruppiert ist.

I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger Kundenberater im Sinne des Manteltarifvertrages ist. Es sei nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, eine Korrektur des ggf. überholten tarifvertraglichen Begriffs des Kundenberaters vorzunehmen. Der Kläger berate nach seiner Stellenbeschreibung Kunden. Der Manteltarifvertrag differenziere nicht zwischen Kundenberatern mit höheren oder niedrigeren Aufgaben. Die Parteien hätten auch nicht einzelvertraglich die Vergütung nach der Tarifgruppe 6 vereinbart.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.

1. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Tarifgruppe 7 des Manteltarifvertrages für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Parteien eine Vergütung nach Tarifgruppe 6 vereinbart hätten. Bei dem Schriftwechsel anlässlich der Höhergruppierung im Juni 2000 handelt es sich um den Austausch individueller Willenserklärungen. Die Auslegung individueller vertraglicher Vereinbarungen ist grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz. In der Revisionsinstanz ist nur eine eingeschränkte Überprüfung dahin möglich, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt sind, ob dabei gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und ob das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig verwertet worden ist oder wesentlicher Auslegungsstoff nicht herangezogen worden ist. Dem Urteil muss nachvollziehbar zu entnehmen sein, welche für und gegen die Auslegung sprechenden Gründe das Gericht zu seinem Ergebnis bestimmt haben. Ob es den Auslegungsstoff insoweit hinreichend beachtet hat, beurteilt sich unter anderem nach dem Vorbringen der Parteien, das sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt (BAG 22. September 1992 - 9 AZR 385/91 - AP BGB § 117 Nr. 2 = EzA BGB § 117 Nr. 3; 19. April 1995 - 10 AZR 49/94 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 173 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 126; 8. September 1998 - 9 AZR 273/97 - AP BGB § 611 Tantieme Nr. 2 = EzA BGB § 611 Tantieme Nr. 2; 8. Juni 2000 - 2 AZR 207/99 - BAGE 95, 62 = AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 49 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 35).

Das Landesarbeitsgericht hat das Anschreiben der Beklagten vom 28. Juni 2000 lediglich als deklaratorische Mitteilung der nach dem auf den Manteltarifvertrag bezugnehmenden Vertrag geschuldeten Vergütung angesehen und eine individuelle Vereinbarung über eine vom Tarifvertrag abweichende Vergütungshöhe verneint. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Landesarbeitsgericht insoweit gegen Denkgesetze verstoßen und Sachvortrag der Parteien nicht beachtet hat. Die Beklagte hat diese Auslegung in der Revision auch nicht mehr angegriffen.

2. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Eingruppierung in der Tarifgruppe 7 mit der bezifferten Klage vom 9. April 2001 rechtzeitig geltend gemacht, nämlich binnen der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nach § 18 MTV.

3. Ein Anspruch des Klägers nach Tarifgruppe 7 des Manteltarifvertrages besteht, weil die Tätigkeitsmerkmale dieser Tarifgruppe gegeben sind.

a) Die Arbeitnehmer werden zunächst nach der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Tarifgruppen eingruppiert (§ 7 Nr. 1 MTV). Nach § 7 Nr. 2 MTV sind Arbeitnehmer, deren Tätigkeit als Beispiel in einer Tarifgruppe aufgeführt ist, dieser Tarifgruppe zuzuordnen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteilen vom 21. Februar 1990 (- 4 AZR 599/89 -) und vom 2. März 1988 (- 4 AZR 600/87 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Banken Nr. 9) entschieden, dass die Regelung in § 7 Nr. 2 MTV für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken vom 18. April 1979 der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Tarifbeispielen entspricht. Diese geht davon aus, dass dann, wenn allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen in einer bestimmten Vergütungsgruppe konkrete Beispiele beigefügt sind, die Eingruppierungsvoraussetzungen der betreffenden Vergütungsgruppe regelmäßig schon dann als erfüllt anzusehen sind, wenn der Arbeitnehmer eine den Tarifbeispielen entsprechende Tätigkeit ausübt und es einer Prüfung der allgemeinen Merkmale nicht mehr bedarf (zB BAG 17. April 2003 - 8 AZR 482/01 - mwN; 17. Januar 1996 - 4 AZR 662/94 - AP BAT §§ 22, 23 Sparkassenangestellte Nr. 4 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 5). Das hat seinen Grund darin, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben einer bestimmten Vergütungsgruppe fest zuordnen können. Sie bringen mit Tätigkeitsbeispielen erkennbar ihre Auffassung zum Ausdruck, dass die dort angeführten Tätigkeiten vorangestellte allgemeine Tätigkeitsmerkmale erfüllen (BAG 27. Februar 1980 - 4 AZR 237/78 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 30; 29. April 1981 - 4 AZR 1007/78 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 11 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 11). Dies entspricht auch den bei der Tarifauslegung besonders wichtigen Grundsätzen der Rechtsklarheit und Praktikabilität, denen Tarifvertragsparteien bei der Abfassung von Tarifnormen im Allgemeinen gerecht werden wollen (BAG 6. Dezember 1972 - 4 AZR 56/72 - AP HGB § 59 Nr. 23 = EzA TVG § 1 Einzelhandel Nr. 1). Ein Rückgriff auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale käme nur in Betracht, wenn Tätigkeitsbeispiele ihrerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthielten. Dann wären diese im Lichte der Oberbegriffe auszulegen (BAG 17. April 2003 - 8 AZR 482/01 -). Gleiches muss gelten, wenn dieselbe Tätigkeit in mehreren Tarifgruppen genannt wird; dann muss zur Abgrenzung der höherwertigen von der niedrigerwertigen Tätigkeit ebenfalls auf die allgemeinen Merkmale zurückgegriffen werden (BAG 17. Januar 1996 - 4 AZR 662/94 - aaO).

Nach § 6 MTV gelten für die Feststellung der tariflichen Mindestgehälter folgende Tarifgruppen:

Tarifgruppe 5

Tätigkeiten, die gründliche oder vielseitige Kenntnisse erfordern, wie sie in der Regel auf dem in Gruppe 4 angegebenen Wege - ergänzt durch weitere Berufserfahrung, Berufsfortbildung oder die Aneignung zusätzlicher Kenntnisse im jeweiligen Sachgebiet - erworben werden, z. B.:


Kontoführer/Disponenten mit schwierigeren Arbeiten oder mit beratender Tätigkeit Schalterangestellte mit beratender Tätigkeit Arbeitnehmer mit Kassierer- und beratender Tätigkeit in einer Ein-Mann-Außenstelle

...

Tarifgruppe 6

Tätigkeiten, die vertiefte gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung in begrenztem Umfang eigene Entscheidungen erfordern, z. B.:

Schalterangestellte/Kontoführer/Disponenten mit abschließender Beratung für bestimmte Sparten wie programmierte Kredite bzw. Dienstleistungen

…

Tarifgruppe 7

Tätigkeiten, die umfassende Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung überwiegend eigene Entscheidungen und ein entsprechendes Maß an Verantwortung erfordern, z. B.:

Kundenberater

b) Der Kläger erfüllt das konkrete Tätigkeitsmerkmal des Kundenberaters als Tätigkeitsbeispiel der Tarifgruppe 7. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

Soweit die Revision darauf hinweist, dass die technischen und organisatorischen Entwicklungen im Bankbereich den Begriff des Kundenberaters im tariflichen Sinne hätten obsolet werden lassen und es demgemäß für eine Eingruppierung in die Tarifgruppe 7 immer auf die Erfüllung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ankäme, ist dies unerheblich. Es ist nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, Eingruppierungsregelungen entsprechend den geänderten Verhältnissen weiterzuentwickeln. Die Gestaltung von Tarifverträgen hat Art. 9 Abs. 3 GG allein den Tarifvertragsparteien zugewiesen. Korrigierende und gestaltende Eingriffe in Tarifverträge sind daher den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt (BAG 5. September 2002 - 8 AZR 445/01 -; 26. Mai 1993 - 4 AZR 300/92 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 29 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 24, zu II 2 a cc der Gründe).

Soweit die Revision weiter darauf hinweist, dass es nicht auf die Bezeichnung des Einzugruppierenden, sondern auf dessen konkrete Tätigkeit ankommt, ist dies zutreffend. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls richtig, dass die Tatsache, die Beklagte bezeichne Servicemitarbeiter ebenfalls als Kundenberater, nicht zu deren Eingruppierung in die Tarifgruppe 7 führt, wenn in Wahrheit Tätigkeiten der niedrigeren Tarifgruppe 6 verrichtet werden. Das Landesarbeitsgericht ist aber im Falle des Klägers von dem zutreffenden tariflichen Begriff des Kundenberaters ausgegangen.

aa) Wie der tarifliche Begriff des Kundenberaters zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Daher ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (17. April 2003 - 8 AZR 482/01 -; 21. März 2001 - 10 AZR 41/00 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 75 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 43). Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden (21. März 2001 - 10 AZR 41/00 - aaO). Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (16. Mai 1995 - 3 AZR 395/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 10 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 29; 20. April 1994 - 10 AZR 276/93 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11).

Der Tarifvertrag selbst definiert den Begriff des Kundenberaters nicht. Bei dem Begriff des Kundenberaters im Sinne des Eingruppierungsmerkmals der Tarifgruppe 7 und 8 handelt es sich um eine im Geschäftsbereich der Banken und Sparkassen gebräuchliche Tätigkeits- und Funktionsbeschreibung, die aus sich selbst heraus ausgelegt werden kann. Dem haben die Tarifvertragsparteien schon durch seine Nennung als Tätigkeitsbeispiel Rechnung getragen. Diese Tarifgestaltung wäre nicht sinnvoll, wenn der Begriff des Kundenberaters keinen aus sich heraus verständlichen Bedeutungsgehalt in der Arbeit einer Sparkasse hätte (vgl. auch BAG 17. Januar 1996 - 4 AZR 662/94 - AP BAT §§ 22, 23 Sparkassenangestellte Nr. 4 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 5 zum Kundenbetreuer bei öffentlichrechtlichen Sparkassen). Nach dem allgemeinen Wortsinn ist ein Berater jemand, der einen Rat erteilt, der Begriff wird auch als Synonym zu "Ratgeber" verwendet (Wahrig Deutsches Wörterbuch "Berater"). Beraten ist auch ein Synonym für anempfehlen, anleiten. Eine Beratung ist mehr als eine Servicetätigkeit, da sie den Ratsuchenden befähigen soll, eigene sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Der Begriff des Kundenberaters umfasst damit einen Ratgeber der Kunden. Da es sich um einen Kundenberater im Geltungsbereich eines Manteltarifvertrages im Bankenbereich handelt, muss sich die Beratung auf Bankengeschäfte erstrecken, typische Bereiche sind die Kredit- und Anlageberatung.

Über den Wortsinn hinaus ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang weiter, dass nicht jeder, der eine beratende Funktion innehat, als "Kundenberater" anzusehen ist. Beratende Tätigkeiten gibt es auch nach den Beispielsfällen der Tarifgruppe 5, nämlich Kontoführer/Disponent mit beratender Tätigkeit, Schalterangestellter mit beratender Tätigkeit und in Tarifgruppe 6: Schalterangestellter, Kontoführer, Disponent mit abschließender Beratung für bestimmte Sparten wie programmierte Kredite bzw. Dienstleistungen. Der Begriff des "Kundenberaters" wird erst ab der Tarifgruppe 7 verwendet. Der Unterschied zwischen den beratenden Tätigkeiten der Tarifgruppe 5/6 und 7 besteht somit darin, dass die Arbeitnehmer der Tarifgruppe 5 und 6 "Schalterangestellte" sind, die auch beraten. Im Vordergrund steht aber die Servicefunktion der Schaltertätigkeit. Der Kundenberater hat demgegenüber keine Servicefunktion inne, seine Aufgabe besteht lediglich in der Beratung der von ihm betreuten Bankkunden. Diesen Unterschied hat das Landesarbeitsgericht aber beachtet, wie die fallbezogenen Erwägungen zeigen, denn das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Kläger beratende Funktion habe. Die Tarifvertragsparteien haben durch die Aufnahme des Tätigkeitsbeispiels Kundenberatung in die Tarifgruppe 7 gezeigt, dass sie eine rein beratende Tätigkeit für höherwertiger als die Schaltertätigkeit halten, selbst wenn mit der letzteren auch eine Beratung verbunden sein kann.

Der Zehnte Senat hat insoweit im Beschluss vom 10. Februar 1999 (- 10 ABR 38/98 -) zum gleichlautenden Manteltarifvertrag vom 24. August 1978 für das private Bankgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) in den Grenzen bis zum 2. Oktober 1990 ausgeführt, aus der Tarifsystematik des MTV ergebe sich, dass ein Kundenberater grundsätzlich nicht für das vom Schalterangestellten erledigte Tagesgeschäft zuständig sei. Dies folge daraus, dass der MTV den Begriff des Schalterangestellten in drei Tarifgruppen als Beispielstätigkeiten nennt, und zwar in Tarifgruppe 4 (Schalterangestellte mit Bedienungstätigkeit), in Tarifgruppe 5 (Schalterangestellte mit beratender Tätigkeit) und in Tarifgruppe 6 (Schalterangestellte mit abschließender Beratung für bestimmte Sparten). Damit bringe der MTV zum Ausdruck, dass Schalterangestellte, je nach Art und Umfang ihrer Tätigkeit in eine dieser drei Tarifgruppen eingruppiert seien. Hätten die Tarifvertragsparteien des MTV für Arbeitnehmer, die (auch) Schaltertätigkeiten verrichten, eine über die Tarifgruppe 6 MTV hinausgehende Vergütung für den Fall besonders qualifizierter Schaltertätigkeit gewollt, so hätten sie dies in den höheren Tarifgruppen in Form von Beispielstätigkeiten erwähnt. Deshalb verbiete sich auch die Annahme, ein Angestellter mit "Kundenkontakt + Kundenberatung" sei stets als "Kundenberater" iSd. Tarifgruppen 7 bis 9 MTV zu betrachten. Ginge man nämlich von einer solchen Gleichsetzung aus, wären auch die in den Tarifgruppen 5 und 6 MTV genannten Schalterangestellten "Kundenberater", weil sie ebenfalls Beratungstätigkeiten ausüben. Aus dieser Tarifsystematik könne darauf geschlossen werden, dass der Kundenberater im Sinne der Tätigkeitsbeispiele der Tarifgruppe 7 (Kundenberater), der Tarifgruppe 8 (Kundenberater mit erhöhten Anforderungen) und der Tarifgruppe 9 (Kundenberater mit besonderen Anforderungen) grundsätzlich keine Schaltertätigkeiten, dh. keine Tagesgeschäfte erledige bzw. solche nur in einem unbedeutenden Umfange ausübe.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Kläger Kundenberater war. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stellen - infolge des Verweises auf die Stellenbeschreibung und die Aufgabenübertragung in den Entscheidungsgründen - Tatsachenfeststellungen dar, an die der Senat gebunden ist, da keine Verfahrensrügen erhoben worden sind (§ 559 Abs. 2 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger nicht Schalterangestellter oder Kontoführer war, sondern ausschließlich Kunden beraten hat. Darüber hinaus war der Kläger Gruppenleiter der drei anderen Kundenberater. Die Beklagte unterscheidet nach ihrem Organigramm zwischen Kundenberatung und Kundenservice. Der "Kundenservice" umfasst "Schalterarbeiten", während diese bei der "Kundenberatung" fehlen. Der tarifliche Unterschied zwischen der Schaltertätigkeit (= Service) und der Kundenberatung wird nicht dadurch obsolet, dass die Beklagte verschiedene Mitarbeiter der Tarifgruppen 5 bis 8, dh. auch Servicemitarbeiter, als Kundenberater bezeichnet. Im Übrigen geht der Einwand der Beklagten fehl, dass die Stellenbeschreibungen des Klägers und der von ihr als Kundenberater bezeichneten Servicemitarbeiter identisch seien. Dem Kläger waren Kunden eines bestimmten Kundennummernbereichs (zur Beratung) zugewiesen, während diese besondere Zuweisung bei den Servicemitarbeitern fehlt. Außerdem werden die Servicemitarbeiter im Eingangssatz der Stellenbeschreibung ausdrücklich als "Kundenservice" bezeichnet, während der Kläger nach dem Eingangssatz seiner Stellenbeschreibung ausdrücklich als "Kundenberater: Schwerpunkt Akquisition und Beratung" bezeichnet wird. Dem entsprechen die Visitenkarten.

cc) Da der Kläger das Tätigkeitsbeispiel des "Kundenberaters" erfüllt hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob er - entsprechend den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen - Tätigkeiten verrichtete, die umfassende Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung überwiegend eigene Entscheidungen und ein entsprechendes Maß an Verantwortung erfordern. Der umfangreiche Vortrag der Beklagten zu dieser Frage ist unerheblich. Es ist deshalb auch ohne Bedeutung, ob im Zuge der verstärkten EDV und Vernetzung verstärkt nur noch über standardisierte Produkte beraten wird.

4. Hinsichtlich der Höhe der Klageforderung bzw. der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Beträge hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Hauck Dr. Wittek Laux Bähringer Lorenz
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